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Erster Teil

1

An einem heißen Augusttage um die Mittagszeit begab es sich, daß des Bürgermeisters falbe Kuh in den Trog des Marktbrunnens sprang und sich allda niederlegte.

Den ganzen Morgen über war sie schon sonderlicher Laune gewesen. Als sie durch die Stallthür zur Mittagstränke wandelte, sah sie im Vorübergehen den Knecht mit störrischen und verschmitzten Augen an.

Die Kälber sprangen voraus, wandten sich an den Seitengassen um und schlugen hinten hinaus. Die übrigen Kühe schritten rüstig dahin, und so sich eine etwan dadurch verweilt hatte, daß sie ein wenig in eine offne Hausthür hineinglotzte, setzte sie sich alsbald in leichten Trab, um wieder zum Troß zu gelangen. Unterdessen wandelte die Falbe so gesammelt und gemessen hinterdrein, als ob sie mit jedem Tritt einen Schicksalsnagel ins Weltall triebe. So kam sie als die letzte an den von trinkendem Volke rings umstandnen Brunnen. Kaum war sie angelangt, so that sie einen anmutigen Sprung und setzte sich im Troge nieder.

Die in ihrem geruhsamen Trinkgeschäft gestörten Genossinnen erhoben ein solches Gebrüll, die begleitenden Knechte verübten ein solches Peitschengeknall und Geschrei, daß der Gemeinderat, der just Tagung hatte, den Diener auf Kundschaft hinausschickte. Als dieser zurückbrachte, was geschehen war, hob der erschrockne Bürgermeister die Sitzung auf, und die Väter der Stadt begaben sich persönlich an Ort und Stelle.

Der Bürgermeister schimpfte auf den Knecht, der Knecht schimpfte auf die Falbe, die Kälber bockten unverschämt und schlugen hinten hinaus, die Kühe drehten sich langsam herum und starrten den Herren vom Rat ins Gesicht; die einen thatens lautlos mit vorwurfsvollem Blick, die andern mit kläglichem Gebrüll. Zu allem Unmuß fing jetzt gerade auch noch das Glöcklein zur Mittagsschule an zu läuten. Haufenweise zogen die Schulkinder von der Mühlbrücke die Straße herab, vom untern Thor die Straße herauf und sammelten sich um den Brunnen, und wo einer von den Bürgern, die mit Seilen und Stangen zur Hilfe herbeigeeilt waren, hintreten wollte, um Hand anzulegen, mußte zuerst ein Büblein oder ein Mägdlein zur Seite geschoben werden.

Die Falbe hatte sich mit einem Horne zwischen zweien von den Eisenstängchen verfangen, worauf die Mägde ihre Kübel zu stellen pflegten, und jeden Versuch, ihre Stirne hinunterzudrücken und das Horn unter dem Stäbchen hindurch zur Freiheit zu führen, machte sie durch sanften aber ehernen Widerstand zu Schanden. Es blieb nichts andres übrig, als zum Schlosser zu schicken, daß der das Stäbchen durchfeile.

Hätte es sich um ein andres Vieh gehandelt, so hätte der Meister den Gesellen geschickt, denn er war auf das Monatsblatt eines Gewerbemuseums abonniert und nannte sich Kunstschlosser. Da es aber des Bürgermeisters Falbe in eigner Person war, erschien auch der Meister in eigner Person. Er machte sich ans Werk, und das Knirschen der Eisenfeile mischte sich in das Konzert. Jetzt war das Stäbchen gelöst, und jetzt mit kräftigem Ruck zur Seite gebogen. Nun konnte man mit Hebeln und Stricken dem Tier zu Leibe gehn. Eine Weile hindurch war das Thal erfüllt von dem Jammergebrüll der beleidigten Kuh. Dann verkündigte ein herzliches »Gottlob« des Bürgermeisters, daß das Rettungswerk gelungen war.

Der Falben trug das Abenteuer keinen Schaden ein; aber am andern Morgen lag statt ihrer die steinerne Brunnensäule im Trog. Man hatte die Hebel an sie angelegt, um die Kuh in eine bequemere Lage zu bringen. Darüber war die Säule in aller Stille geborsten, und während der Nacht war sie in den Trog gestürzt. Dabei war ihr Kopf auf die steinerne Rampe aufgeschlagen und in unzählige Stücklein zerschellt.

Der Marktbrunnen bot einen kläglichen Anblick. Das Gestell mit den Röhren war stehen geblieben. Aber das Wasser schien keine Spende mehr zu sein, sondern ein Unrat; das Ganze glich nicht mehr einem Brunnen, sondern einer Tränke.

Es war gut, daß die Brunnensäule der Gemeinde zugleich als Laternenhalter gedient hatte; wer weiß, ob sonst der Gemeinderat die Kosten an ihre Wiederaufrichtung gerückt hätte. So aber wäre der Marktplatz in den mondlosen Nächten seines Leuchters beraubt gewesen. Hatte man aber die Laterne wo anders aufhängen wollen, so hätte der Wettbewerb der Gasthäuser zum Adler und zum Hirschen einen heikeln Schiedsspruch erfordert. Denn ihre Eingangspforten, die von der Brunnenlaterne mit einem gleichen Maße von Helligkeit bedacht worden waren, waren jetzt gleichmäßig finster geworden, und jede von ihnen hätte gen Himmel geschrieen, wenn durch die neue Laterne die andre mehr Licht bekommen hätte. Darum beschloß der Gemeinderat, daß die Brunnensäule wieder aufgerichtet werde. Der Bürgermeister schellte dem Ratsdiener und befahl ihm, er solle den Meister Petermann sofort auf das Rathaus bringen.

Meister Petermann war einer von den drei Menschen des Städtchens, die das stolze Bewußtsein hatten, der deutschen Kunst zu dienen. Die Führung unter den Dreien hatte unstreitig der Kunstschlosser, schon vermöge des Kunstgewerbeblattes, von dem er alle Bände besaß bis auf einen. Der muß auch noch bei, pflegte er zu sagen, und wenn ich alle Bibliotheken der Welt durchstöbern müßte! Dabei bohrte er mit dem Zeigefinger in die Luft, gleichsam um zu versinnbildlichen, wie er sich das Durchstöbern vorstelle. Wenn ihn aber der künstlerische Enthusiasmus am gewaltigsten ergriff, dann versicherte er mit Thränen in den Augen, daß er seit seiner Jugend eine eiserne Kirchenthür im Kopfe herumtrage, und daß er nicht ruhig sterben könne, wenn er sie nicht auf Kosten irgend eines hochherzigen Stifters zum Ruhme der Stadt aufstellen dürfe.

Der Vertreter der Kunst in Holz war der Schreiner Wenzel. Hatte er nicht im Rittersaale des gräflichen Schlosses das Getäfel verfertigt und goldig blinkende Nägel in die dunkle Borte geschlagen? Seitdem beseelte ihn ein höherer Schwung, besonders in den Augenblicken, wo er seine Preise machte. Man schonte deshalb die kostbare Arbeitskraft, der Mann hatte reichlich Muße, und er wurde ein tüchtiger Bienenzüchter. Auch pflegte er des Geschäftes, an der Straßenecke zu stehen, über die Vorübergehenden zu glossieren und auf die Dinge zu warten, die da kommen sollten.

Und es kam also ein dritter Künstler in den Ort, bald nach dem französischen Kriege, das war der Bildhauer Petermann. Ehe er sich im Städtchen niederließ, mietete er sich in dem Gasthause zum goldnen Löwen ein Zimmer und durchstreifte die Gegend. Er besuchte Dorf um Dorf in einem Umkreis von gut sechs Stunden, erkundigte sich jedenorts nach dem Kirchhof und spähte über die Mauer. Wenn er zwischen den Holzkreuzen einen neuen Grabstein erblickte, dann holte er den Totengräber, ließ sich den Kirchhof aufschließen, betrachtete das Denkmal mit geringschätziger Miene, fragte, woher es bezogen sei, und was es gekostet habe, und lud schließlich den Totengräber zu einem Glase Wein ins Wirtshaus ein. Hier erzählte er, daß er viel billigere und viel schönere Grabsteine mache; es sei ein Engel des Schmerzes und ein Engel des Trostes darauf, und man könne ihn auch in Zielen bezahlen.

Als er mit seinen Ausflügen zu Ende war, schloß er mit dem Besitzer eines benachbarten Steinbruchs, wo ein graugelber, grobkörniger Sandstein gebrochen wurde, einen Lieferungsvertrag ab, kaufte sich ein Haus in der Vorstadt und fing an, Grabsteine zu machen. Er war ein fleißiger Mann, es ging ihm flink von der Hand, und die Kunstwerke, die jenseits des Grabens längs der Landstraße zur Schau standen, vermehrten sich fast unheimlich schnell.

Wenn Leute des Weges kamen, dann spähte der Meister zum Fenster hinaus, und wenn sie stehen blieben, sich die Grabsteine zu betrachten, dann trat er unter die Thüre der Werkstatt und rief: Der untere ist der Engel des Schmerzes, und der obere ist der Engel des Trostes. Und wenn die Betrachter den zweiten Grabstein beschauten, den dritten, den Vierten, und erstaunt und lächelnd einander ansahen, dann rief der scharf beobachtende Künstler: Der Tod macht alle Menschen gleich, und Schmerz ist Schmerz, und Trost ist Trost.

So dachten die Bewohner des Städtchens auch. Nach zehn Jahren sah es in dem Friedhofe aus wie in einem Irrgarten, wo ein Zauberspiegel die Wirklichkeit verhundertfacht. Wohin man auch blicken mochte, man sah dem Engel des Trostes in den offnen Mund hinein; und wenn man den Kirchhof verlassen wollte, mußte man sich zuerst an seiner Umgebung zurechtsuchen, um die Seite des Ausgangs zu finden, so sinnverwirrend umsaßen einen ringsum die Engel des Schmerzes.

Auch in die Weite und Breite schwärmten die Engel aus und ließen sich scharenweise nieder auf den Friedhöfen der Nachbarschaft.

Meister Petermann rieb sich die Hände, erweiterte den Heckkäfig für die fruchtbare Zucht und beschloß, sich nach einem Gesellen umzuthun.

Es stellte sich bald ein schlankes, hübsches Bürschlein bei ihm ein. Es sah aus wie ein Studentchen aus seiner Familie, und doch wußte man bald, daß seine Mutter nur eine arme Büglerin in einem Marktflecken droben im Oberlande war, und er selber nichts weiter als ein Steinmetzgeselle. Trotzdem nahmen sich die reichsten Bürgerstöchter zusammen, wenn sie an ihm vorüber gingen, neigten ihr Köpfchen noch ein wenig tiefer und dankten gar anmutig seinem Gruße.

Wem er wohl die vielen Blumen bringt? dachten sie, wenn er mit einem großen Strauß Anemonen oder Erika den Weinbergsweg herunterkam. Anderntags hätten sie die Blumen auf dem Müllhaufen im Gartenwinkel finden können oder auf dem Hofpflaster zerstreut unter seinem Kammerfenster. Er war ein sittsamer, wohlgezogner Junge, der in Sprache und Kleidung auf sich hielt. Wenn er am Sonntag nachmittag auf der Kegelbahn erschien, rückten die Burschen zusammen und machten für ihn den Platz neben dem Herrn Unterlehrer frei.

Weniger gern gönnten sie ihm einen andern Platz. Wenn man nämlich den Bürgermeister mit seiner Familie und Verwandtschaft nach dem Biergarten vor dem Unterthore, den sein Schwager, der Adlerwirt, eingerichtet hatte, lustwandeln sah, vermißten die Bürgersöhne selten den jungen Steinmetz in der Gesellschaft, und wenn sie glossierend hinterdrein wandelten und mit höflichem Gruße an einem Seitentische Platz nahmen, bemerkten sie zu ihrem Ärger, wie Georg und des Bürgermeisters Töchterchen, die hübsche Luise, einträchtig bei einander saßen.

Der Bürgermeister hatte dem fremden Steinmetzgesellen sein Haus geöffnet, da der verstorbne Vater des jungen Mannes einstmals in der Artilleriekaserne sein Schlafkamerad und in den Batterien vor Straßburg und Belfort sein Kriegskamerad gewesen war. Und wenn gelegentlich eine Bürgersfrau, die in dem Laden des Ortsvorstandes zwei Pfündchen Seife holte, über den Familienspaziergang des vorigen Sonntags eine anzügliche Bemerkung machte, sah die Frau Bürgermeisterin beim Abwägen so gleichmütig drein, wie wenn ihre Luise einer andern gehöre. Worüber sollte sie sich aufregen? War nicht Georg ein braver Junge? Wurde er nicht von dem alten Hagestolzen, dem Meister Petermann, gehalten wie ein leiblich Kind? Und wenn Luisens Vater ihm später unter die Arme griff mit ein wenig Kapital, hatte er dann nicht alle Aussicht, die rentable Engelbrutanstalt zu übernehmen? Was konnte sie für sich und ihr Kind besseres wünschen?

In der That gab es im Städtchen keinen zweiten Menschen, dessen Zukunft so gesichert und so behaglich schien wie die Georgs. Er brauchte nur ein paar Jahre älter zu werden und sich dann niederzusetzen just da, wo er stand, so saß er warm und behaglich in Luisens Schoß und nicht minder behaglich in Meister Petermanns Brutnest, wo die ausgeschlüpften Engel goldne und silberne Eierschalen zurückließen.

Der alte Steinmetz gönnte seinem Gesellen von ganzem Herzen das Glück, sein Nachfolger auf dem guten Plätzchen zu werden. Er hatte ihn wohl am liebsten unter allen Menschen, nicht allein, weil Georg ein eingezogner und zuthulicher Junge war, sondern vor allem deshalb, weil er sich einen gelehrigern Schüler nicht hätte wünschen können. Zwar hatte es einige Monate gedauert, bis der Geselle die beiden Engel nach dem bewährten Urbilde zu Wege brachte, an das der Meister glaubte. Ob nun unbotmäßige Phantasiegelüste daran schuld waren, Freischärlersmucken, oder ob es ihm eben nicht gelang: er hatte die Neigung, dem Engel des Trostes die Lippen zu weit zu öffnen und dem Engel des Schmerzes die Mundwinkel zu weit hinunter zu ziehen. Nur keine Übertreibung! pflegte dann der Meister zu sagen, – der Engel des Trostes ist kein Pfarrer, und der Engel des Schmerzes hat keinen Geldbeutel verloren. Solche Worte merkte sich der Bursche, und bald traf er den Sinn des Alten so vollkommen, daß die beiden, wenn sie im Magazine zwischen ihren Kunstwerken umherwandelten, selber nimmer unterscheiden konnten, was von der Hand des Meisters und was von der Hand des Gesellen herrührte.

Einige male zwar mußte der Alte den Kopf über den Burschen schütteln. Als er eines Abends in die dämmerige Werkstatt trat, sah er ihn zwischen den unvollendeten Grabsteinen stehen und mit den Händen in der Luft hantieren, als ob er knete; dabei lächelte der Junge verzückt vor sich hin. Ein andermal, als beide neben einander arbeiteten, wurde der Steinmetz durch einen unverständlichen Laut veranlaßt, nach seinem Gesellen zu schauen. Georg lehnte an einer aufgestellten Leiter, hatte den Kopf auf eine Sprosse gelegt und starrte in die Höhe. Er hielt die Hände ausgestreckt, wie wenn er etwas festhalten wollte.

Als der Meister diese Sonderlichkeiten dem Kunstschlosser erzählte, bohrte dieser mit dem Zeigefinger in die Luft, denn er wollte etwas bedeutendes sagen. Gieb acht, sagte er, in dem steckt etwas! Seitdem hatte der Schlosser ein Auge auf den Jungen.

Die Falbe des Bürgermeisters war daran schuld, daß das wasserklare Leben des emsigen Paares in Gährung geriet. Das Dasein des Alten rann zwar bald wieder still und hurtig in seinem sauberen Kanälchen dahin. Aber anders ging es seinem träumerischen Gesellen. –

Als Meister Petermann mit Georg auf dem Rathause erschienen war, wurde er von dem gesamten Gemeinderat hinausgeleitet vor den Marktbrunnen, damit er den Schaden besehe. Der abgebrochne Stumpf schaute kläglich aus dem Brunnentrog heraus. Es war eine alte Arbeit. Die Säule war von steinernen Epheuranken umwunden. Hier und dort schwammen Fischlein durch die Zweige, und großmäulige Froschgesichter schauten unter den Blättern hervor. Gegen das obere Ende hin war das Bildwerk etwa zwei Spannen weit abgesprungen.

Der Meister erkundigte sich nach den Bruchstücken des abgeschlagnen Säulenkopfes. Es stellte sich heraus, daß sie der Straßenwart in aller Frühe hinausgeführt, zerklopft und als Füllsel in verschiedne Straßenlöcher gestopft hatte.

Der Bildhauer kratzte sich hinter dem Ohre und erkundigte sich, was denn da oben eigentlich gewesen sei; wegen der großen Laterne habe er es niemals recht betrachten können. Keiner wußte Bescheid. Das älteste Mitglied des Gemeinderats wußte nur, daß etwas Gespaßiges da oben gesessen wäre, aber was es gewesen sei, wußte er auch nicht zu sagen.

Die Herren vom Rat hatten nur des Adlerwirts Büblein zu fragen brauchen. Das war ein stilles und sinniges Kind. Es hatte oft zu dem Zwerg hinaufgeschaut, der mit listigen Äuglein zu den Jungfern und Mägden am Brunnen herunter blinzte, und manchesmal, wenn das Büblein auf der Gartenmauer lag und dem Rauschen des Wassers lauschte, grübelte es darüber nach, warum wohl der Zwerg den grauen Finger auf den Mund lege.

Aber niemand im Gemeinderat dachte an des Adlerwirts Büblein, und so mußte man schließlich den Gemeindediener zum Laternenanzünder schicken. Nach einer geraumen Weile kam der herangetrollt, und von ihm erfuhr man dann, daß da oben ein kleines Männlein im Schilfe gesessen sei und den schwatzenden Mägden und Jungfern in einem fort pst! pst! hinuntergerufen habe, ohne den geringsten Erfolg.

Der Bürgermeister sah den Steinmetz an und fragte ihn, ob er sich zutraue, wieder ein solches Zwerglein im Schilfe hinaufzusetzen.

Meister Petermann machte ein bedenkliches Gesicht. Mit dem Schilfe werde er leicht fertig werden, meinte er, und zeichnete mit dem Finger ein spitzenreiches Ding in die Luft, das der alten lombardischen Königskrone ähnlich sehen mochte. Was aber den Zwerg beträfe, so halte er einen Engel für paßlicher. Wenn es den Herren recht sei, wolle er einen Engel in den Schilf setzen, etwa einen Engel des Trostes.

Seine Stimme war sicher und fröhlich geworden. Aber mit einemmale brach er ab. Er hatte einen Blick des Bürgermeister aufgefangen. Unsicher fügte er hinzu: oder eine Kugel, eine Pyramide oder sonst etwas schönes.

Die Herren schienen mit diesem Vorschlage nicht zufrieden. Etwas Gespaßiges müsse es sein, meinte der älteste Gemeinderat. Dem Meister Steinmetz traten die Schweißtropfen auf die Stirne. Der Bürgermeister sah die Verlegenheit des Alten. Da fiel sein Blick auf Georg, der bescheiden im Hintergrunde stand, und sein Antlitz erhellte sich:

Was meinst denn du, Georg?

Der Angeredete wurde blutrot und erwiderte: Ich bin mir noch nicht ganz im Klaren.

Noch nicht ganz, wiederholte der Bürgermeister lächelnd und sah den Burschen eine Weile wohlgefällig an, als ob er auf weitern Bescheid warte. Dann sagte er:

Ich schlage vor, daß wir die Arbeit teilen. Petermann, richten Sie die Säule wieder her! Georg soll den Kopf auf die Brunnensäule stellen. Zerbrich dir deinen eignen, und erfinde was schönes. Bis zum Feste muß alles fertig sein. – Mach dein Meisterstück, Georg!

Es war die erste selbständige Arbeit, die Georg anvertraut wurde. Das Herz klopfte ihm nicht, und das Blut stieg ihm nicht in die Wangen. Er hörte den Auftrag wie ein leichtsinniger Schüler, der die Aufgabe niederschreibt, ohne darüber nachzudenken, ob er sie werde lösen können. Es wird schon gehen, sagte er zu sich und lächelte glücklich vor sich hin, denn er dachte an des Bürgermeisters Töchterlein und ihre Freude und ihren Stolz, wenn sie aus ihrem Kammerfenster über den Marktplatz weg nach seinem Kunstwerk schauen werde.

So ging er gleichmütig und vergnügt hinter seinem Meister und dem Kunstschlosser drein, der sich zu ihnen gesellte.

Ein schweres Problem, meinte der Schlosser, und drückte den linken Zeigefinger vor die Stirn, da darf man sich schon auf die Hosen setzen.

Es wird mir schon etwas einfallen, sagte Georg leichthin.

Nichts da! Auf die Hosen gesetzt und studiert! rief der Kunstschlosser. Und nach einer kleinen Pause, während deren er einen kleinen Widerstand in seiner Seele edelmütig überwunden hatte, fügte er warmen Blickes hinzu: Ich will dir vier – fünf Bände von meinem Kunstblatt leihen; da stehts drinnen.


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