Maximilian Schmidt
Die Künischen Freibauern
Maximilian Schmidt

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XVIII.

Im Eisnerhof wurde sofort alles beseitigt, was auf das soeben stattgefundene Nachtmahl konnte schließen lassen; die Gäste entfernten sich. Dominik ward eine Schlafstube angewiesen. Alle Lichter im Hause wurden ausgelöscht. Es war nahezu Mitternacht vorüber, als über die Anhöhe von Jenewelt her beim Dämmerlichte des Mondes eine dunkle Masse sich näherte. Der Oberrichter verfolgte sie vom Fenster seiner Stube aus mit den Augen. Bald konnte er etwa zwanzig Reiter in Begleitung von Fußvolk erkennen. Alle schienen zu Tode erschöpft zu sein. Am Eisnerhof angekommen, wurden erst ringsum Posten aufgestellt, dann ward am Thore heftig geläutet.

Auf die Anfrage, wer noch in so später Stunde Einlaß begehre, erfolgte die Antwort:

»Im Namen des Kaisers! Öffnet!«

Nun befahl der Oberrichter, das Thor aufzuschließen, durch welches sofort mehrere Fußsoldaten eindrangen, denen Hoef Huerta in eigener Person folgte. Eine Abteilung Reiter schloß sich ihm an.

»Was befiehlt der Kaiser seinem Diener?« fragte Eisner herankommend.

»Gehorsam!« versetzte Huerta.

243 »Auf den kann er bei uns rechnen,« entgegnete der Oberrichter.

»So gebt sofort den Rebellen Wolf von Perglas heraus, der sich in Eurem Hause befindet. Ich, Oberst Don Hoef von Huerta erkläre ihn für gefangen im Namen des Kaisers.«

»Euer Gnaden,« erwiderte der Oberrichter, »Ihr scheint nur halb unterrichtet zu sein –«

»Ich bin gut unterrichtet,« unterbrach ihn Huerta. »Wolf von Perglas will morgen Hochzeit machen mit Eurer Tochter; er befindet sich bereits seit heute morgen hier.«

»Er befand sich hier, Euer Gnaden, aber die Trauung hat schon heute stattgefunden und das junge Ehepaar hat unmittelbar darauf eine Reise angetreten. Das ist die Wahrheit, so wahr ich will selig werden.«

»Der Teufel lohn' es Euch!« rief Hoef Huerta.

»Wohin sind sie gereist, wenn ich Euch glauben darf?«

»Wohin? Nach Wien, um dem Kaiser persönlich die Unterwerfung kundzuthun und ihm anzuzeigen, daß Perglas den katholischen Glauben angenommen. Aber Euer Gnaden, wollt Ihr nicht vom Pferde steigen, um Euch auszuruhen? Mein Haus steht Euch die Nacht über zu Diensten. Auch die Mannschaft kann eine warme Stube erhalten und die Pferde einen warmen Stall. Ihr seid im Hause eines getreuen Dieners des Kaisers.«

»Das hätten wir auch ohne Eure Einladung so gemacht,« versetzte der Spanier in unverschämter Weise. »Erst aber lasse ich das Haus durchsuchen. Findet man das geringste Verdächtige, lasse ich Euch auf der Stelle erschießen. Parole d'honneur! Vor allem aber besorgt mir ein Getränke, das mich wärmt. Der Teufel hole 244 dieses Sibirien mit seiner unverschämten Kälte. Absitzen, Leute! Pferde versorgen! Ich werde für euer Nachtmahl schon bedacht sein.«

Der Befehlshaber war vom Pferde gestiegen, konnte sich aber kaum auf den Füßen halten und mußte von zwei Soldaten unterstützt werden. Er fluchte, denn er hatte sich arg erkältet und fühlte nun abscheuliche Schmerzen. Der Oberrichter führte ihn in das angenehm durchwärmte Gemach, welches für Wolf bestimmt gewesen.

»Wenn nur diesen Perglas der Teufel holte!« wünschte er mehrmals. »Muß ich dieses Rebellen wegen in grimmiger Wintersnacht meine edle Gesundheit einbüßen! Das ist ihm nicht geschenkt! Kopf ab! Ich werde dafür sorgen.«

Der Oberrichter war klug genug, dem Spanier nichts zu erwidern, im Gegenteile vermied er alles, was diesen reizen konnte, denn sein Haus und sein Leben waren jetzt in dessen Gewalt. Deshalb war er bemüht, für des Obersten Wohl nach Kräften zu sorgen.

»Wenn es nur in diesem Höllenwinkel einen Arzt gäbe!« meinte der gepeinigte Offizier.

»Es giebt einen solchen,« tröstete Eisner. »Zufällig ist Magister Dominik im Hause. Wenn Ihr wünscht, sende ich ihn her.«

In diesem Augenblicke kam eine Magd in das Zimmer und brachte heißen Rotwein, den Huerta gierig hinunter trank.

Ein Offizier trat jetzt ebenfalls ein und meldete, daß er mit seinen Leuten das Haus durchsucht, aber nichts Verdächtiges gefunden habe, daß die Mannschaft in den Wirtschaftsgebäuden untergebracht und mit Speise und Trank versorgt worden sei.

Dies beruhigte einigermaßen den Zorn des Erkrankten.

245 Nun erschien der hagere Magister Dominik, welchen der Oberrichter herbeigerufen, und den er nun dem Oberst vorstellte.

Hoef Huerta fixierte den Quacksalber von oben bis unten, dann fragte er:

»Bist du katholisch oder ein Ketzer?«

»Gestrenger Herr, ich zähle gottlob zu den Rechtgläubigen,« lautete die ausweichende Antwort.

»Kannst du kurieren?«

»Gestrenger Herr, ich zähle zu den Magistern.«

»Du scheinst mir mehr Vieh- als Menschenarzt zu sein?«

»Gestrenger Herr, ich zähle –«

»Au!« schrie ihn der Spanier jetzt an. »Hilf mir von dieser Höllenqual, anstatt daß du immer nur zählst!«

Dominik, sonst nicht zu den Mutigsten zählend, verlor dem sich in Schmerzen Krümmenden gegenüber die Fassung nicht. Er fühlte, daß das Fragen nun an ihm sei und erkundigte sich um das Wissenswerteste; dann begab er sich in die Küche, um dort die nötigen Anordnungen zu geben und einen Heiltrank zu bereiten, der allerdings eher für ein Pferd, als für einen Menschen zu gehören schien.

Ins Krankenzimmer zurückgekehrt, mußte der General dann die Brühe hinunterschlucken, was er unter mannigfachen Zornesausbrüchen that. Dann rieb ihn der Magister mit einer erwärmten Salbe tüchtig ein und sprach dabei seiner Gewohnheit gemäß aufmunternd in seinen Knittelreimen:

»Soda'l, soda'l, fort mit dem Schmerz, lachen muß's Herz, ob Bauer oder General, ein jeder spürt die gleiche Qual.«

»Kerl, ich laß dich peitschen, wenn's nicht hilft!« rief 246 Hoef Huerta, erzürnt über die Ungeniertheit, mit der ihn Dominik behandelte. Aber dieser ließ sich nicht aus der Fassung bringen und fuhr fort, ihn gleichsam magnetisierend: »Ruhig, ruhig, schlafen thu', dann hat der Schmerz bald seine Ruh'; Augen zu – schlafen thu', – schlafen – schlafen – Ruh' – zu.«

Der gestrenge Hoef Huerta war in der That eingeschlafen. Die Ermüdung und das Wohlgefühl der Wärme hatten dieses rasch bewirkt.

Dominik machte an seinem Kakadu ober der Stirne einen neuen Schnörkel und erhob sich stolz und sehr zufrieden von seinem Sitze. Einem bei dem General Wache haltenden Soldaten gab er strikte Anordnung, was er bei dem Erwachen seines Herrn zu thun habe und daß er ihn, den Magister, bei Bedarf sofort rufen lassen solle. Seine Roßkur schien von bestem Erfolge zu sein. Die Nacht verlief für den Erkrankten ruhig, und andern Tages war er wieder so weit hergestellt, daß er das Bett verlassen konnte.

Als sich der Oberrichter nach seinen Befehlen erkundigte, gab er sich etwas höflicher, zumal ihm gemeldet worden, wie reichlich und gut die Mannschaft verpflegt worden. Er ließ sich mit dem Oberrichter sogar in ein Gespräch ein und verlangte Auskunft über die Burg Welhartitz, welche er zwar nur beim Scheine des Mondes gesehen, die ihm aber wie kein anderes Schloß gefallen habe. Der Oberrichter mußte ihm über die Größe der Besitzung, den nutzbaren Flächeninhalt, über den Wildstand, dann auch über die Befestigung Auskunft geben und der Spanier schien mit Eisners Antworten sehr zufrieden zu sein, denn plötzlich sagte er:

247 »Es genügt. Ich weiß genug. Das Gut muß mir der Kaiser überlassen.«

»Wie meint Ihr das?« fragte der Oberrichter überrascht.

»Daß ich mich mit dem Gute bezahlt machen werde für einen Teil der Kriegsgelder, welche mir der Kaiser schuldet.«

»Aber Herr, die Burg ist Eigentum –«

»Ist, aber bleibt es nicht!« unterbrach ihn der General. »Ihr werdet Euch doch nicht einbilden, daß der Kaiser die Rebellen ruhig auf ihren Gütern sitzen läßt, die ihm sein ererbtes Königreich nehmen wollten? Ihr werdet doch nicht glauben, daß der Kaiser diesen Rebellen überhaupt ihren Kopf läßt?«

»Es ist ihnen ja vom Bayernherzog im Namen des Kaisers Vergebung zugesichert,« wendete Eisner ein.

»Der Bayernherzog hatte gut reden. Er wird als Kriegsentschädigung die Oberpfalz und anderes erhalten. Aber wodurch soll der Kaiser entschädigt werden? Soll er keine Genugthuung haben und nur vergeben, nachdem er die Rebellen, dank unserer Hilfe, in den Staub geworfen? Das wäre von seinem Edelmute doch zu viel verlangt. In vergangener Nacht sind sowohl in Prag, wie im ganzen Lande, alle Edelleute, welche an der Empörung teilgenommen, gefangen genommen worden. Im Prachinerkreis habe ich mit meinen Truppen das besorgt. Die Gefangenen werden in Prag prozessiert und nach Rechtens verurteilt werden. Auch Euer Schwiegersohn wird der gerechten Strafe nicht entgehen. Er wird so gut geköpft, wie die andern, seine Güter werden eingezogen, verlaßt Euch darauf. Den künftigen Besitzer von Welhartitz aber könnt Ihr 248 schon jetzt in mir begrüßen, so wahr ich Don Hoef von Huerta heiße.«

Eisner glaubte einen Irrsinnigen vor sich zu haben. Er wußte, daß man derartige Kranke nicht durch Widerspruch reizen dürfe und hielt die Rede des Spaniers für mindestens übertrieben. Doch hatte er alle Ursache, Gott zu danken, daß Perglas noch rechtzeitig seinem haßerfüllten Gegner entronnen sei.

Um den Oberst auf andere Gedanken zu bringen, fragte er, ob er befehle, daß Magister Dominik nochmals vorspreche.

Hoef Huerta mußte gestehen, daß ihm derselbe in der That von seinen Leiden geholfen. Jetzt glaubte er seiner nicht mehr zu bedürfen und ließ ihn daher verabschieden.

»Gebt ihm in meinem Auftrag einige Groschen und sagt ihm, ich wäre mit ihm zufrieden gewesen,« befahl er. »Bis um zehn Uhr laßt für mich und den Offizier ein gutes Mittagessen herstellen und ein ergiebiges für die Mannschaft. Um elf Uhr reiten wir ab, nach Schüttenhofen und somit –«

Er winkte mit der Hand, zum Zeichen, daß sich der Oberrichter entfernen könne, was dieser auch gerne that.

Es war heute Gerichtstag und Steuerzahlung und eine große Anzahl Freibauern nebst ihren Söhnen und den Söhnen der Schalupper hatten sich eingefunden, viele auch aus Neugierde, um den nach den Amtsstunden stattfindenden Hochzeitsfestlichkeiten anzuwohnen. Wohl an dreihundert mochte ihre Zahl sein. Viele von ihnen waren in der zunächst des Hofes liegenden Schenke, wo sich auch die meisten der Soldaten befanden, die es sich dort gütlich thaten, da sie selbstverständlich auf Eisners Befehl frei bewirtet wurden.

249 Ein Teil der Soldaten lag indessen krank sowohl im Eisner- wie im Poschingerhofe darnieder. Der nächtliche Marsch in dem hohen Schnee und der grimmigen Kälte hatte den an ein so rauhes Klima nicht gewöhnten Leuten arg zugesetzt. Aber auch den Pferden ging es nicht besser; mehrere waren vorerst für einen Weiterritt ganz unbrauchbar. Magister Dominik hatte bei Mensch und Tier einzugreifen und somit alle Hände voll zu thun, Mixturen zu bereiten und sie in Anwendung zu bringen.

Offiziere und Mannschaft hätten hier gerne Rasttag gehalten und ersterer malte dem Befehlshaber gegenüber den schlimmen Zustand der Mannschaft in grellen Farben. Aber der Oberst hielt einen längeren Aufenthalt auf einem so gefährlichen Posten für zu gewagt, zumal die Mansfeldschen, welche von Pilsen aus Streifzüge in diese Gegend machten, leicht Wind bekommen und gefährlich werden konnten. Er gedachte dabei lebhaft jenes Überfalles vor zwei Jahren, als ihn am Martinitage Wolf von Perglas mit seinem fliegenden Korps davonjagte. Er hatte jene Affaire überhaupt noch nicht vergessen und es sollte dafür auch dem Oberrichter noch heimgezahlt werden. Nur seine Krankheit war Ursache gewesen, daß er bis jetzt jene für ihn so demütigende Schlappe mit Stillschweigen überging.

Er ließ Dominik befehlen, die kranken Soldaten innerhalb drei Stunden so weit herzustellen, daß sie weitermarschieren könnten. Der Magister war nicht wenig verblüfft, statt eines anständigen Geschenkes den Auftrag zu erhalten, binnen so kurzer Zeit die armen Kerls, die im Fieber lagen, gesund zu machen.

»Und wenn sie so rasch nicht gesund werden?« fragte Dominik.

250 »Dann kannst du dich auf den spanischen Stiefel gefaßt machen,« entgegnete der Offizier.

Dem Magister standen die Haare zu Berge bei diesen Worten, doch hatte er den verzweifelten Mut, zu erwidern, daß er weder Zauberkünste kenne, noch ein Wunderdoktor sei, und nicht er, sondern der Befehlshaber die Leute krank gemacht habe. Wenn der General meine, auf seinen Befehl flöge die Krankheit nur so weg, so möge er nur befehlen. Er kenne keine solche spanische Flunkerei.

Auf das hin nahm ihn der Offizier beim Kragen und führte ihn vor Hoef Huerta, auf daß er ihm das selbst sage. Der Oberrichter folgte, um zu hören, was da mit dem Magister vorginge.

Dominik erblaßte jetzt vor den strengen Zügen des Spaniers. In vergangener Nacht hatte er ihn wie ein Kind behandelt und in Schlaf gelullt, jetzt stand der Spanier vor ihm als ein Richter über Leben und Tod.

Der Offizier berichtete die Worte Dominiks.

Hoef Huerta biß sich in die Lippen, dann befahl er durch eine Bewegung, den Magister wegzuführen, indem er sagte:

»Zwanzig mit dem spanischen Rohr!«

Das alte Männlein erzitterte bei diesen Worten. Er warf sich dem Spanier zu Füßen und rief:

»Euer Gnaden werden doch mir alten Mann –«

Jetzt mischte sich auch der Oberrichter in die Sache.

»Euer Gnaden,« sagte er, »es kann doch nur ein allerdings sonderbarer Scherz sein, daß Ihr diesen ehrwürdigen alten Mann, der Euch heute nacht von Euren Schmerzen befreit, jetzt mißhandeln lassen wollt, da Ihr Unmögliches von ihm verlangt. Das ist nicht der Wille 251 des Kaisers, daß Ihr seine Unterthanen auf solche Weise behandelt. Ich protestiere dagegen als Oberrichter der Künischen.«

»Schweigt!« herrschte ihn der Spanier an. »Ich weiß wohl, daß Ihr selbst ein Rebell seid. Ihr habt vor zwei Jahren dem Feind Kunde gegeben von meinem Hiersein, und eben jener Perglas, Euer Schwiegersohn, hat uns überfallen. Ihr gehört ebenfalls gefangen und verurteilt zu werden.«

»Mich braucht man nicht zu fangen,« entgegnete der Oberrichter. »Ich bin jeden Tag bereit, mich dem Gerichte zu stellen und über all mein Thun und Denken Rechenschaft zu geben. Die ständische Regierung hat mich verbannt, weil ich die Sache Ferdinands vertrat. Niemand, am allerwenigsten Ihr selbst, habt ein Recht, mich für einen Feind des Kaisers zu halten. Aber ich dulde nicht, daß man einen Unschuldigen mißhandelt, der seit frühem Morgen sein Bestes that, die kranken Soldaten und Pferde zu kurieren, der aber kein Hexenmeister ist, um auf Euer Kommando Kranke nach Belieben gesund zu machen.«

»Wie?« rief Hoef Huerta, »Ihr wagt es, in solchem Tone mit mir zu sprechen? Wißt Ihr, daß ich Euch als Rebellen sofort niederschießen lassen kann? Leutnant, nehmt ihn gefangen!«

Der Offizier ging ungern daran, den Befehl zu vollziehen. Er ließ sich nochmals mahnen.

»Nun habt Ihr verstanden, Leutnant?«

Nun führte der Offizier Eisner und Dominikus ab. Als sie außer Hörweite Huertas waren, meinte der Offizier in gebrochenem Deutsch, sie möchten sich vorerst 252 fügen, wenn der Zorn des Befehlshabers verraucht wäre, würde ihnen so viel nicht geschehen.

Der Oberrichter aber traute dieser Vermutung nicht, und er flüsterte Dominik zu, er möge, weniger bewacht, als er selbst, den Versuch machen, die Sturmglocke läuten zu lassen.

Der Leutnant verbrachte den Oberrichter auf dessen Wunsch in sein Arbeitszimmer zu ebener Erde und stellte einen Wachtposten vor die Thüre. Diesen Moment benützte der Magister, auszureißen. Er gab eiligst Auftrag, die Sturmglocke zu läuten und lief in die Schenke, die dort versammelten Freibauern von dem Vorgefallenen in Kenntnis zu setzen. Es genügte schon der Name »Hoef Huerta«, um die Bauern in Wut zu bringen gegen diesen Bauernschinder, wie sie ihn nannten, oder auch die »Rute Gottes.« Die meisten hatten Säbel, viele von ihnen Pistolen bei sich, denn die das Land unsicher machenden Marodeurs machten eine Bewaffnung zur Verteidigung eigener Person nötig. Außerdem fanden sie in den Wirtschaftsräumen des Poschinger- und Eisnerhofes sonst zu friedlichem, landwirtschaftlichem Gebrauche bestimmte Gegenstände genug, die ihnen jetzt als Waffen dienen konnten, wie Sensen, Dreschflegel, Mist- und Heugabeln u. dgl. Sie überfielen sofort die in der Schenke zechenden, unbewaffneten Soldaten, um sie an Händen und Füßen mit Stricken zu binden. Nun ertönte auch in raschen Schlägen die Glocke vom Türmchen des Hofes.

Hoef Huerta, der soeben die Treppe herabkam, erkundigte sich nach der Ursache dieses Läutens und erfuhr nun von dem Leutnant, daß die Bauern sich in drohender 253 Haltung versammelten und man Gefahr liefe, wenn der Oberrichter nicht freigegeben würde.

»Sofort alles kampfbereit machen!« befahl Huerta. »Wir schlagen die Bauern tot, wie die Hunde, wenn sie im geringsten Miene machen, uns anzugreifen. Damit ihnen aber der Mut vergeht, hängt ihren Oberrichter an der Linde vor dem Hause auf – ohne Verzug – er ist ein Rebell – ich befehl es! Ich werde es ihm selbst ankündigen.«

Der Oberrichter hatte diesen Befehl wohl vernommen und zweifelte nicht an seiner Ausführung. Rasch gürtete er sein Schwert um und öffnete eine nach der Rückseite des Hauses, nach dem sogenannten »schwarzen Gange« führende Thüre, durch die er sich leise entfernte. Er gewann das Freie, ohne den Wirtschaftshof betreten zu müssen. Etwa dreihundert Schritte entfernt befand sich die Schenke und auf diese eilte er zu, um in der Mitte seiner Freibauern zu sein. Eine kleine Kapelle steht zwischen dem Hofe und der Schenke, dorthin war der Weg vom Schnee befreit und Eisner eilte nach jener Richtung.

Als Hoef Huerta in die Stube trat, fand er sie leer. Er rief den Posten zu sich heran, untersuchte und fand die nach dem schwarzen Gange führende Thüre. Von dem Gange aus sah er den Oberrichter zur Kapelle eilen. Er befahl dem Posten, ihm eine Kugel nachzusenden.

Aber die Kugel verfehlte ihr Ziel. An Stelle des Oberrichters traf sie das gemalte Christusbild in der Kapelle mitten in die BrustDieses Bild ist noch heute in der Kapelle aufbewahrt.; der Oberrichter kam ungefährdet zur Schenke.

254 Im Hofe ertönte nun das Trompetensignal zum »Sammeln«, aber von außen kam niemand herzu, denn auch im Poschingerhof hatten die Bauern, wie in der Schenke, die dort sorglos in den Wirtschaftsräumen herumlungernden Soldaten unschädlich gemacht.

Der spanische Feldherr war nicht wenig überrascht und bestürzt, als nur etwa zehn Mann sich stellten, die Reiter teilweise ohne Pferde, während etwa dreihundert Freibauern zum Kampfe gegen ihn bereit standen.

Die Herren vom Eisner-, Poschinger- und Schürerhof berieten nun, was unter diesen Umständen zu geschehen habe. Daß der schurkische Spanier sie dem Kaiser als Rebellen anzeigen werde, sei selbstverständlich. In Anbetracht jedoch, daß Hoef Huerta als kaiserlicher Befehlshaber hier wäre, mußte man ihn wohl oder übel unangetastet ziehen lassen. Der Oberrichter ersah es als nötig und nahm sich vor, sich persönlich nach Prag zum Statthalter zu begeben, um ihm das Vorkommnis aufzuklären. Für jetzt übernahm es der Herr des Poschingerhofes, den Parlamentarier zwischen den Freibauern und dem Spanier zu machen. Zu diesem Behufe begab er sich nach Eisners Hof, um mit Hoef Huerta zu unterhandeln.

Schrecken und Kälte schienen dem Spanier neuerdings in die Gedärme gefahren zu sein, als der Freibauer vor ihn hintrat, denn seine Gesichtszüge verzerrten sich ganz abscheulich. Er stieg jedoch vom Pferde und hieß den Parlamentarier ihm in die Gerichtsstube folgen.

Nachdem er sich in einen Sessel geworfen, sagte er:

»Ehe Ihr zu reden beginnt, bedenkt, daß ich in Kaisers Namen hier bin, und daß jedes Haar, das Ihr mir oder meinen Soldaten krümmt, mit zehn von Euren Köpfen 255 quittiert wird. Ich rate Euch, meine Soldaten gutwillig herauszugeben; es soll Euch sonst gereuen!«

»Herr Oberst,« erwiderte der Freibauer, »wir sind Freunde des Kaisers, und wohl bessere, als Ihr und Eure Soldaten. Wir haben Euch heute nacht gastlich aufgenommen und die kranken Leute gepflegt. Was wollt Ihr mehr? Heute nehmt Ihr unsern Oberrichter gefangen, einer Grille wegen. Ihr laßt auf ihn feuern und zeigt dadurch, daß Ihr Eure Gewalt mißbraucht. Was bleibt uns anderes übrig, als Euch wieder Gewalt entgegenzusetzen. Wir wollen aber keinen Krieg mit den Truppen unseres Kaisers, wenn es auch oft nur Strolche sind, die sich wie Räuber gebärden –«

»Seid Ihr nicht bald zu Ende?« fragte Huerta, mit dem Fuße stampfend.

»Gleich bin ich's,« versetzte der andere. »Wir haben uns nur verteidigt. Wir werden nicht angreifen, verlangen aber, daß Ihr Euch mit Euren Leuten sofort von hier entfernt. Ihr gebt Euer Wort als Offizier, daß keiner sich etwas Unrechtes gegen uns zu schulden kommen läßt, und wir geben die Gefangenen frei. Die Kranken könnt Ihr getrost hier lassen, wir werden für ihre Wiedergenesung Sorge tragen. Das ist's, was ich Euch im Namen der künischen Freibauern zu sagen habe.«

Hoef Huerta sah sich zu seinem Schmerze in die Notwendigkeit versetzt, zum bösen Spiel gute Miene zu machen. Er machte Ausflüchte, daß er den Oberrichter nur schrecken wollte und gab schließlich sein Wort, daß er, ohne die Freibauern zu »bestrafen,« sofort seinen Marsch nach Hartmanitz antreten wolle. Nur befahl er, daß ihm eine Kutsche 256 zur Verfügung gestellt werde, da er sich noch zu unwohl fühle, um längere Zeit auf dem Pferde zu sitzen.

Der Freibauer sagte ihm dies zu und versprach auch, die Soldaten vor dem Abmarsche noch mit warmer Kost zu versorgen. Hoef war es zufrieden und entließ den Parlamentarier, als hätte er ihm eine Gnade erteilt.

Nun wurden die Soldaten von den Stricken befreit und für die ausgestandene Unbill mit Speise und Trank versorgt. Außerdem erhielten sie noch Branntwein mit auf den Marsch. Statt eines Gefechtes fand allgemeine Versöhnung statt und nur allzufrüh ertönte den Soldaten das Signal zum Abmarsch.

Dem Magister aber ward statt der diktierten »Zwanzig« die Ehre zu teil, neben dem gestrengen Oberst in der Kutsche zu sitzen. Er hatte ihn wiederholt in Kur genommen und der Spanier bildete sich ein, die Gegenwart des Arztes wirke beruhigend auf ihn.

Der Oberrichter selbst betrat seinen Hof nicht mehr, solange Hoef Huerta dort weilte. Er hätte ihm auch keinen Gottesgruß für den Weitermarsch geben mögen, denn er wußte, dieser Abenteurer bringe überall, wohin er sich wenden möge, nur Unheil. Die Kutsche mit den zwei Pferden, welche er gestellt, er ahnte wohl, daß er sie nimmer wiedersehen würde; was Hoef Huerta in seinen Klauen hatte, betrachtete er als sein Eigentum, denn er brandschatzte und stahl bei Feind und Freund, vorgeblich »im Namen des Kaisers.«

Dominik aber hörte den Abschiedsfluch des Gestrengen in der wütend hervorgestoßenen Drohung:

»Hunde! Ihr sollt mir's büßen!« 257



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