Maximilian Schmidt
Die Künischen Freibauern
Maximilian Schmidt

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II.

Der Versammlung der Künischen wohnte außer den neun Richtern, worunter der Oberrichter oder Hauptmann, eine große Anzahl von Freibauern aus allen neun Gerichten bei. Viele kamen von weit her, so die Männer von Katharina einerseits und die von Stachau anderseits; doch war Gutwasser, wenn auch nicht der Mittelpunkt, so doch der von allen am bequemsten zu erreichende Ort. Auch war noch ein anderer Beweggrund maßgebend, die Versammlung unauffällig an einem Wallfahrtsorte abzuhalten, da man Eingriffe der Bistritzer Schutzherrschaft befürchten zu müssen glaubte, welch letztere seit vierzig Jahren von den ihr verpfändeten Königshwozder Gerichten großartige Vorteile genoß und um jeden Preis eine Veränderung der bestehenden Verhältnisse zu hintertreiben suchte. Dieses hätte um so leichter geschehen können, als zu jener Zeit der allgemeinen Gärung öffentliche Versammlungen, selbst zu friedlichem Zwecke, unter beliebigen Gründen gerne aufgehoben wurden. Deshalb war der St. Bartholomäustag, damals ein Feiertag, dazu ausersehen, und die Königsbauern wurden unter Weisung strengster Geheimhaltung zur Fahrt nach St. Günther eingeladen.

Sie waren durchweg stämmige, kräftige Gestalten, denen man weniger den Bauern, als den Herrn ansah, 21 mit welchem Titel sie auch von ihren Untergebenen angesprochen wurden. Sie selbst beanspruchten gleich den übrigen freien Gutsbesitzern das Prädikat »Hochwohlgeboren« und nannten sich »adelige Freibauern.« Sie nahmen sich mit ihren runden, breitkrämpigen, etwas erhöhten, nach Verschiedenheit der Gerichte mit Bändern verschiedener Farben gekennzeichneten Hüten, in ihren bis an die Kniee reichenden bunten Röcken und den weiten Kniehosen, Strümpfen und kurzschäftigen Stiefeln recht stattlich aus.

Sie kamen teils herzugeritten, teils gefahren. Einige hatten ihre Frauen und ihre erwachsenen Söhne und Töchter bei sich. Der imposanteste Mann unter ihnen war der Oberrichter und Glasermeister (Glasfabrikant) Johannes Eisner von Seewiesen, ein sehr gebildeter Mann. Aber auch an den gewöhnlichen Freibauern konnte man eine nicht gewöhnliche Bildung bemerken. Es hatte dies seinen Grund darin, daß die Schulen in Böhmen trotz all der inneren und äußeren Wirren unter Rudolf II. (1575–1608) einen hohen Grad von Vollkommenheit erreichten und durchaus, auch auf dem Lande, mit den geschicktesten Lehrern versehen waren. Kein Marktflecken oder größeres Dorf war damals in Böhmen zu finden, das nicht seine besondere, wohl eingerichtete Schule mit mehreren Lehrern aufzuweisen gehabt hätte. Es wurde niemand zu diesem Lehramt zugelassen, der nicht zuvor wenigstens die Baccalarwürde im Karolinum zu Prag erlangte und öffentlich geprüft worden war, ob er dem Amte, das man ihm übertrug, auch gewachsen sei. Die meisten Lehrer waren Magister der freien Kunst und hatten sich, schon ehe sie Schulmeister wurden, durch gelehrte Aufsätze und gedruckte Schriften bekannt gemacht. Daher kam es, daß man unter Kaiser 22 Rudolfs Regierung in böhmischen Städten Bürger antraf, welche den Virgil, Ovid, Horaz, Homer und anderes lasen und selbst lateinische und griechische Gedichte schrieben. Keine Nation in Europa konnte sich damals einer so vortrefflichen Schulbildung rühmen.

Nachdem sich die von verschiedenen Seiten angekommenen Freibauern gegenseitig begrüßt und in der Schenke durch einen Imbiß gestärkt hatten, wurden sie vom Oberrichter aufgefordert, ihm auf einen in der Nähe gelegenen, von allen Seiten freien Gemeindegrund zu folgen, wo sie, ohne einen Lauscher fürchten zu müssen, über die Angelegenheit beratschlagen konnten, welche sie heute hieher geführt.

Die Frauen und Töchter der Freibauern, meist in der malerischen, buntböhmischen Tracht, beschlossen, unterdessen zur St. Güntherkapelle zu wallfahrten und den Felsen zu ersteigen, um von dort Ausschau zu halten in das schöne Böhmerland, wie es vor ihnen schon die beiden Töchter des Oberrichters gethan. –

Unter einer riesigen, uralten Eiche war ein Stuhl aufgestellt worden, auf welchem der Hauptmann und Oberrichter Eisner sich niedergelassen hatte. Im Kreise herum standen die Freibauern und horchten aufmerksam den Worten des von ihnen hochverehrten Herrn, der nach herzlicher Begrüßung die Leute aufforderte, den Segen des Himmels durch ein kurzes Gebet zu erflehen, auf daß die Beschlüsse, welche sie fassen würden, ihnen zu Nutz und Frommen gereichen mögen.

Hierauf gab er den einzelnen das Wort zur Vorbringung ihrer Klagen und Wünsche, und nun erfolgte Klage auf Klage gegen die Schutzherrschaft, so besonders 23 aus dem Gerichte Hammern, woselbst den Bauern das Braurecht und das freie Schenkrecht, sowie die freie Biereinfuhr von der Schutzherrschaft bestritten wurde. Andern wurde das Recht der Branntweinerzeugung verweigert, wieder andere mußten für Jagdbarkeit und Fischerei übermäßige Abgaben an Wildbahn- und Fischwasserzins entrichten; in anderen Gerichten wurden die Freibauern zu Frohndiensten gezwungen, kurz, ihre angestammten Freiheiten wurden aller Orten mißachtet und verhöhnt.

»Wenn's so fortgeht,« meinte der Köhlerwastl aus dem Seewiesener Gericht, »so verwissen wir bald nimmer einen Unterschied zwischen Freibauern und hörigen Bauern, und das kann nit der Wille unseres Königs sein, daß unsere altererbten Rechte so mit Füßen getreten werden.«

»Ja, das ist das rechte Wort: mit Füßen getreten!« rief der Kasparhausbauer von Frischwinkel im Eisenstraßergericht. »Aber wer ist schuld dran? Wir selber sind dran schuld! Wer kuscht sich, wenn die Schergen vom Schloß kommen? Wir kuschen uns, kratzen uns hinterm Ohr, greifen aber z'letzt doch in d' Taschen und zahlen und zahlen, daß uns 's Geld bald nimmer langt zu einem Krug Bier.«

Er erzählte dann, wie man ihn samt seinen Schaluppern habe zwingen wollen, im Herrschaftswalde zu scharwerken. Als er dem Büttel sein verschriebenes Recht vorgehalten habe, hätte dieser erwidert: »Das ist eben verschrieben. Jetzt heißt's tanzen, wie die Frau Juditha von Kolowrat in Deschenitz pfeift!« Dabei gab er ihm einen Hieb. Nun habe er, der Kasparhausbauer, zu pfeifen begonnen und den Büttel zum Hof hinaus tanzen lassen. Aber am nächsten Tag kamen sechs bewaffnete Männer, überrumpelten und 24 fesselten ihn und schleppten ihn nach dem mehrere Stunden entfernten Schlosse. Dort habe ihn der Herrschaftsrichter wie einen Strolch behandelt, ihn peitschen lassen und ihn acht Tage eingesperrt bei Wasser und Brot.

»So geht Ihr mit einem hochwohlgeborn katholischen Freibauern um?« habe er gefragt, worauf man ihm lachend erwiderte: »Bauer ist Bauer, ob lutherisch oder katholisch. Von euern eingebildeten Freiheiten werden wir euch frei machen; jeder, der sich muckst, bekommt fünfundzwanzig Hiebe.

»So? Auf was hat denn dann unsereiner noch Anspruch?« lautete seine Frage, und die Antwort war: »Auf nichts, als auf eine Zipfelhaube und eine Mistgabel.«

»So geht man derzeit mit den Künischen um,« schloß der Kasparbauer seine Erzählung. »Aber kommt Zeit, kommt Rat. Geschenkt ist ihnen die Schand nit und müßt ich lutherisch werden. Sie soll'n die Bauern mit der Mistgabel noch kennen lernen!«

»Keine Drohung!« unterbrach der Oberrichter den Eiferer, dessen Vortrag seiner Erlebnisse, unter vielen Gestikulationen erzählt, trotz allen Ernstes doch bei manchen ein Lachen hervorrief. »Wer Gewalt gebraucht, wie Ihr es gethan, der kann und muß erwarten, daß man mit ihm nicht allzu glimpflich verfährt. Gewiß hat man aber gegen Euch die Gewalt mißbraucht und ich habe deshalb auch protestiert, aber –«

»Meine fünfundzwanzig bringt kein Protest mehr runter,« warf der Kasparhansl ein.«

»Aber sorgen können wir dafür, daß sich so etwas nicht wiederholt,« erwiderte der Oberrichter. »Wir haben uns hier nicht versammelt. um über Gewaltmaßregeln zu beraten. Wir wollen eine Lösung dieses unerträglichen 25 Verhältnisses auf friedlichem Wege herbeiführen, aber unsere angestammten Rechte nicht verkürzen lassen.«

»Die angestammten Rechte!« riefen mehrere.

»Wer soll uns die schützen?« fragte der Blaswieser Sepp vom Kocheter Gericht. »Man verkauft uns, wie's Vieh, von einer Hand in die andere. Anno 1578 sind wir g'radezu aufg'fressen worden. Der Kaiser Rudolf hat dem Fürstenberger Grafen seine Hochzeit ausg'richt, das Mahl und die Lustbarkeiten hab'n drei Tag dauert und hunderttausend Schock böhmische Groschen kost'. Damit seine Schatull wieder voller wird, hat er uns, das ganze Dominium der Königsdörfer, um 5000 Schock Meißner Groschen an Johann von Lobkowitz verpfänd't. Der hat uns später wieder an Wolf von Kolowrat verkauft, dann sind wir an seinen Sohn, den Zdenko, übergangen und so sind wir auf die Frau Juditha übercediert worden. Wir werden aus einer Hand in die andere g'worfen, als wären wir Sklaven und keine Freibauern, und jeder zwackt uns was ab von unsern Freiheiten. Das dürfen wir uns nimmer länger g'falln lassen! Wie da z'helfen ist, muß der Oberrichter wissen, aber g'holfen muß werden! Unsere Privilegien woll'n wir b'haupten, so oder so.«

»Ja,« riefen sie alle einstimmig, »unsere Privilegien woll'n wir b'haupten, so oder so!«

»Lest uns vor, Oberrichter, auf daß wir hören, was schwarz auf weiß seit Jahrhunderten g'schrieben steht,« sagte der Gerlhofer Bauer vom Seewiesener Gericht, indem er sich auf die Zehenspitzen stellte, um über den vor ihm stehenden, größeren Kasparhans hinweg zu sehen. Da ihm dies nicht gelang, rief er diesem zu: »Thu' dein 26 hochwohlgeborenen Kopf auf d' Seiten, Kasparhansl, sonst seh' ich nit, was g'lesen wird.«

»Laß mir mein' Kopf in Fried',« entgegnete dieser, »oder stell dich vorn hin, du Zwerg.« –

»Silentium!« rief jetzt der Oberrichter. »Unsere Freiheiten und Privilegien brauch ich euch nicht nochmals aufzuzählen. Ein jeder Bauer weiß ganz genau bis aufs I-Tüpferl, welche Rechte ihm gebühren. Daß alle unsere Gerechtsamen von der Pfand-Obrigkeit angegriffen und teilweise ganz umgangen werden, weiß ich leider zur Genüge. Ich, als euer Oberrichter, bin ja in fortwährendem Kampfe mit der Schutzherrschaft, deren Obrigkeit wir judicialibus et politicis unterstehen und an welche wir den sonst der königlichen Kammer zu entrichtenden Grund-, Wald-, Jagd-, Fischwasser- und Mühlenzins abführen, wogegen wir bei allen unsern von alters her gehabten Gebräuchen, Gerechtigkeiten und Privilegien zu belassen und zu beschützen sind. Nach wie vor haben wir das Recht, unsere Richter und den Oberrichter zu wählen, der allein das Conscriptions- und Steuergeschäft zu führen hat und dem alle grundherrlichen Rechte zukommen.«

»Also brauchen wir uns nit zu Frohndiensten kommandieren z'lassen!« unterbrach ihn der erbitterte Kasparhans.

»Nein!« entgegnete der Oberrichter; »aber mit der Faust hat man auch nicht gleich zu antworten. Wäret ihr zu mir gekommen, so hätte ich euer und unser aller Recht wahrgenommen. Aber wenn ihr zur Willkür greift, dann werden wir noch viel trübere Erfahrungen machen; wir müßten uns denn zu einer großen That entschließen.«

»s'Schloß in Bistritz und zu Deschenitz stürmen und alles 27 in den Grund hauen? Ja, da bin ich dabei!« rief der Kasparhans.

»Wer spricht von Gewalt!« entgegnete der Oberrichter mit verweisendem Blick. »Friedlich nur kann das Verhältnis gelöst werden und einzig dadurch, daß wir es unsern Vätern nachthun, die sich seiner Zeit aus dem Pfandverhältnis des Herrn von Rinnberg selbst ausgelöst, indem sie dem König die Summe zur Verfügung stellten, welche er den Pfandgläubigern schuldete. Wir müssen trachten, wieder in den ursprünglichen königlichen Schutz zurückzukommen, indem wir dem Kaiser ebenfalls das nötige Geld verschaffen. Das ist der Grund, warum ich euch zu dieser Versammlung geladen. Unsere Freiheit erheischt Opfer. Ich frage euch nun, seid Ihr bereit, diese Opfer zu bringen?«

Die Mehrzahl der Anwesenden antwortete mit einem sofortigen »Ja.« Andere dagegen fragten mit bedenklicher Miene, wie hoch sich wohl die nötige Summe belaufen würde? Der Oberrichter nannte 5000 Schock meißnischer Groschen, die ja nach der Größe der Gerichte von diesen in entsprechenden Beiträgen beigeschafft werden sollten.

Die Richter der drei umfangreichsten Gerichte, Stadeln, Seewiesen und EisenstraßDie Gerichte haben folgenden Flächeninhalt: Stadeln 9811 Joch, Seewiesen 7925, Eisenstraß 7218, Neustadeln 5483, Hammer 4473, Stachau 3583, Kochet 3085, Haidl 2760 und Katharina 1313 Joch.

Ein Joch oder Juchert ist 0,576 Hektar, also etwa 58 Ar oder etwas über 1⅗ bayr. Tagewerk.

erklärten sich bereit, die sie treffende Quote zu erlegen. Andere dagegen beriefen sich auf die unsichern Zeiten oder machten andere Ausflüchte, gaben aber zuletzt doch ihr Einverständnis zu erkennen, nachdem man ihnen nochmals klar gelegt, welch großen 28 Wert es für die Freibauern habe, wieder unmittelbar der königlichen Kammer zu unterstehen und von den Lasten einer anderen Schutzherrschaft erlöst zu sein.

Man war mit dieser wichtigen Beratung soeben zu Ende, als die beiden Töchter des Oberrichters vor den Männern erschienen und Marianka bat, einige wichtige Worte mit dem Vater sprechen zu dürfen. Der Oberrichter, ungehalten über die Störung, ließ seine Tochter ziemlich unwirsch an, wie sie es wagen könne, eine so wichtige Versammlung zu stören, diese aber zog ihn sofort außer Hörweite der andern und teilte ihm mit, was ihr der Junker von Welhartitz aufgetragen.

»Was mir der Junker da sagen läßt,« sprach er jetzt begütigt, »habe ich schon selbst bedacht, aber ich wollte den Freibauern die bittere Pille nicht auf einmal zu schlucken geben. Mehr beunruhigend ist es, daß die Herren vom Adel in Hartmanitz tagen. Es sind lauter Gegner unseres künftigen Königs Ferdinand. Ihre Herrschaften umgrenzen unsere Gerichte und leicht ist es möglich, daß sich ihnen unzufriedene Freibauern anschließen. Daraus erwächst für mich eine große Verantwortlichkeit, die mich mit banger Sorge für die nächste Zukunft erfüllt. Um so nötiger ist es, daß ich die neun Gerichte wieder fest in die Hand bekomme, damit die Unzufriedenheit nicht durch die Schutzherrschaft stets aufs neue geschürt werde.«

»Wäre es da nicht gut, Vater, wenn du selbst in Welhartitz Anfrage hieltest?« fragte Marianka schüchtern und dabei leicht errötend.

»Das wäre ganz verkehrt gehandelt,« gab der Vater zur Antwort. »Im Gegenteile, ehe die Sache nicht vollständig geklärt, betritt mein Fuß die Burg Welhartitz nicht 29 mehr und hoffentlich wird keiner der Herren zu uns kommen. Spione lauern überall und ich möchte nicht in einen ungerechten Verdacht kommen.«

»Aber Junker Wolf – er will uns nächster Tage besuchen. –«

»Das wird er nicht!« erklärte der Oberrichter streng.

»Aber Vater –« wollte Marianka einwenden, indem sich ihre Augen mit Thränen füllten.

»Da giebt's kein ›aber‹«! unterbrach sie der Vater. »Auch dir verbiete ich, den Junker zu sprechen. Meine Partei ist die des Rechtes und der Gesetzmäßigkeit, für diese lebe und falle ich. Die Partei des Junkers ist die der Rebellen, und meine Pflicht ist es, sie zu bekämpfen bis zum letzten Atemzuge. Wer wider meine Partei ist, ist wider mich, ist mein Feind. Und ein solcher ist jetzt auch Herr Pergler von Welhartitz und sein Sohn. Merke dir das! Jetzt aber geh! Meine Geschäfte sind noch nicht zu Ende. Wartet meiner im Einkehrhaus, wir machen uns bald auf den Heimweg.«

Des Vaters Worte klangen nun wieder rauh und streng, er wandte sich von den Mädchen, die ernsten Sinnes und traurigen Gemütes den Rückweg einschlugen.

Der Oberrichter ließ es in seiner Klugheit die Versammelten nicht merken, daß ihn die Unterredung mit seiner Tochter zu dem Vorschlag veranlaßte, wie es geraten sein möchte, dem Kaiser Mathias außer der benötigten Pfandsumme zur Auslösung der Königsdörfer noch eine Extrasumme zu unterbreiten, um ihn ihren Wünschen geneigter zu machen und die Sache zu beschleunigen, und er stellte diese Extravergütung ebenfalls auf 5000 Schock meißnischer Groschen.

30 Dieser Vorschlag rief einen Sturm von Protesten hervor; einige ergingen sich sogar in offenen Drohungen und ließen unschwer durchblicken, da sie von den Agenten der Adelspartei schon bearbeitet wurden, sich ihr anzuschließen, um den ihnen aufgedrungenen König Ferdinand wieder zu entthronen. Man hatte ihnen vorgespiegelt, sie würden dann ihre Privilegien von selbst wieder ungeschmälert zurückerhalten, man hatte ihnen goldene Berge versprochen.

Das veranlaßte den Oberrichter zu einer eindringlichen und begeisterten Ansprache, in welcher er sie erinnerte, daß sie sich von jeher als königstreue Unterthanen gezeigt, wie sie sich mit Stolz »königliche« Freibauern nennen, denen die Könige und Fürsten von Böhmen vertrauensvoll die Grenzgebiete übergeben, obwohl sie lauter Deutsche seien. Die »deutsche Treue« habe sich stets und überall bewährt und die künischen Freibauern wären nicht die letzten, die dieselbe hoch hielten und Gut und Blut daransetzten, das in sie gefaßte Vertrauen zu rechtfertigen. Sie sollten nur daran denken, wie ihnen gerade um dieser Treue willen ihre Rechte geworden und sie dürften sich zur Verteidigung derselben nicht der Untreue bedienen.

»Es kann wohl deshalb keine Frage sein, welcher Partei wir uns zuwenden,« rief er in heiligem Eifer. »Unsere Partei ist stets die des rechtmäßigen Königs von Böhmen und als solchen hat uns der Kaiser seinen Vetter Ferdinand vorgesetzt, der nach seinem Ableben unser Königreich regieren soll. Der Wille unsers Kaisers muß uns heilig sein. Schwenkt die Hüte und ruft mit mir: Unser künftiger König, Ferdinand II. lebe hoch! hoch! hoch!«

Die meisten der Freibauern stimmten in den begeisterten Ruf mit ein, einige blieben stumm.

31 Dem Oberrichter entging das nicht. Er that jedoch, als merke er es nicht und kam jetzt wieder auf die Schenkung zurück, die dem Kaiser gemacht werden solle und da sich noch immer einige weigerten, hiezu beizusteuern, erklärte er sich bereit, aus Eigenem beizutragen und den vierten Teil auf sich zu nehmen. Seinem Beispiele folgten die Bauern, oder besser gesagt, die Herren vom Poschingerhof, vom Schürerhof, von Brunst, von Hurkenthal, mehrere vom Eisenstraßer Gericht, so daß die verlangte Summe von den patriotischen Männern alsbald vollständig gezeichnet war. Es wurde hierauf bestimmt, daß der Oberrichter in Begleitung der Besitzer des Poschinger- und Schürerhofes die Erledigung der Angelegenheit in Wien mit allem Eifer zu betreiben hätte.

Unter nochmaliger Ermahnung des Oberrichters, daß die Freibauern sich niemals wankend machen lassen sollten in ihrer Anhänglichkeit an Kaiser und König, schloß er die Tagung.

Hierauf beschleunigte er nach Kräften die Heimfahrt. Er war in sich gekehrt und sprach nur wenig zu den Töchtern, obwohl Paula sich alle Mühe gab, den Vater aufzuheitern. Marianka hingegen war ebenfalls schweigsam. Sie dachte an das Wiedersehen des Jugendgespielen, an seinen warmen Händedruck und seinen ihr tief ins Herz dringenden Blick. Erfüllten sie diese Gedanken mit glücklicher Stimmung, so wurde diese gedämpft durch des Vaters strenge Anschauung und sein Verbot. Sorgenlos war sie nach St. Günther gekommen, in großer Unruhe trat sie die Heimkehr an. Glück und Sorge stritten in ihrem Herzen. 32



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