Maximilian Schmidt
Die Künischen Freibauern
Maximilian Schmidt

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VI.

Die jetzige, das Hauptgebiet der künischen Freibauern von Klattau nach Eisenstein durchziehende, prächtige Kaiserstraße bestand zur damaligen Zeit nur in einem notdürftig angelegten Fahrwege, der sich aber von jeher einer starken Benützung erfreute. Die Straße betritt in der Gegend von Maloweska, eine Stunde südlich von Klattau, das Vorgebirge des Böhmerwaldes und führt nach Übersteigung eines unbeträchtlichen Bergkammes in das grüne Wostruschnathal über das Dorf Jenewelt nach Seewiesen, welche Gemeinde aus einer Menge zerstreut liegender Freibauernhöfe besteht, die sich teils unten im Thale, teils auf den beiderseitigen Thallehnen oder auch am Rande der Hochebene, zunächst der hochgelegenen, doppeltürmigen Kirche befinden. Westlich steigt das Terrain stufenweise zum Gebirgsrücken des Brückel- und Brennesberges, über welche die historische Hochstraße, der von Eisenstein nach Klattau abzweigende Seitenarm des berühmten goldenen Steiges führte. Jenseits dieser Höhen befindet sich das prächtige Angelthal mit den künischen Freigerichten Eisenstraß, Hammern und St. Katharina, östlich erhebt sich das Terrain zum Hammerberg und zum künischen Hochplateau, das sich bis Gutwasser hinzieht. Zum Seewiesener 82 Gerichte gehörten allein vierundvierzig große Höfe, die weit über hundert Taglöhnerhäuser oder Schaluppen um sich vereinten, überall umgeben von wohlbestellten Feldern und saftigen, grünen Wiesen.

Die Bauernhöfe der Künischen sind ähnlich den Bauernhöfen Westfalens, Niederhessens, des Schwarzwaldes und aller jenen Gegenden, wo zu allen Zeiten Urdeutsche gesessen, gebaut, sie stehen wie bei den alten Deutschen vereinzelt, von einigen Arbeiterhäuschen umgeben, deren Bewohner auf dem Bauerngute zu arbeiten verpflichtet waren, in der Mitte der dazu gehörigen Besitzung, sind meist abgeschlossen, mit einer Kapelle versehen, führen nach altgermanischer Einrichtung ihre eigenen Namen, wie Gruberhof, Jägerhof u. s. w. und sind am Giebel mit einem Türmchen geziert, in welchem eine Glocke hängt, die am Morgen, Mittag und Abend, in den Zeiten der Not zur Herbeiführung von Hilfe, und bei Begräbnissen geläutet wird. Wie die altdeutschen Sueven betrieben die Freibauern besonders die Viehzucht, welche durch den fruchtbaren Boden in den ausgerodeten Thälern sehr begünstigt ward.

Wie durch den ganzen bayerischen Wald bis an die Donau findet man auch bei den Freibauern des künischen Gebirges die eigentümliche Sitte, an bestimmten Orten Totenbretter aufzustellen.

Am Fuße des Hammerberges und am rechten Ufer der Wostruschna liegen die bedeutendsten Herrenanwesen der Künischen Seewiesens, nämlich der Eisner- und der Poschingerhof, in welch letzterem für die den König begleitenden Edelleute Wohnung bestellt war. Sie glichen beide Edelhöfen, sowohl im äußeren Bau, wie in der inneren Einrichtung, namentlich zeichnete sich der Eisnerhof in beiden 83 Beziehungen aus. Er bestand aus einem umfangreichen, zweistöckigen Gebäude mit hohem Dache. Um den oberen Stock lief eine reich geschnitzte Galerie. Die Wirtschaftsgebäude schlossen sich den Hauptgebäuden an und bildeten mit diesen ein Viereck, in welches man durch ein gemauertes Thor und eine nebenbei sich befindende Seitenthüre gelangte. Alles hatte ein herrschaftliches Ansehen und zeugte von der Wohlhabenheit des Besitzers.

Heute aber bot der Hof gleich allen andern im Seewiesener Thale einen besonders festlichen Anblick. Das Einfahrtsthor war durch Kränze aus Eichenlaub in eine Triumphpforte verwandelt, Blumengewinde schmückten das Haus, und die böhmischen rotweißen Fahnen, untermischt mit blauweißen zu Ehren der Königin Maria Anna, einer Schwester Herzogs Maximilian von Bayern, flatterten von den Giebeln der Gebäude. Riesige Maienbäume mit lustig im Winde flatternden Bändern waren vor dem Hause aufgepflanzt.

Durch reitende Boten hatte der Oberrichter alle neun Freigerichte von dem unerwarteten königlichen Besuche verständigen lassen und die Freibauern trafen in ihren Festgewändern zur bestimmten Stunde in Seewiesen ein. Mit großem Jubel war diese Kunde aufgenommen worden, und wer nicht krank oder altersschwach war, beeilte sich, dem Rufe des Oberrichters zu folgen.

Die Frauen und Mädchen kamen auf geschmückten Leiterwägen oder zu Fuß, die Freibauern aber mit ihren erwachsenen Söhnen zu Pferde heran, Mähnen und Schweif der edlen Tiere mit Buchs und farbigen Bändern geziert. Die Männer selbst trugen vielfach Stangen mit Kränzen und farbigen Bandschleifen.

84 Wohl an die tausend Reiter und eine unzählige Menge von Wagen waren an diesem Vormittage aus allen Richtungen her unterwegs nach Seewiesen und alle die Zuströmenden waren in fröhlicher und gehobener Stimmung. Dortselbst waren in der Nähe des königlichen Hoflagers Verkaufsstände, Schenkbuden, Tische und Bänke aufgeschlagen, denn eine solch große Neuigkeit hat Flügel, sie verbreitete sich wie ein Lauffeuer und lockte sofort eine Menge Geschäftsleute an, welche sich hier Erwerb und Gewinn versprachen. Selbst »Comödianti« fanden sich ein, um ihre »Kunsti« auszuführen, desgleichen Bänkelsänger und anderes fahrendes Volk. Alles hatte das Gepräge eines heiteren Nationalfestes.

Unweit dieses Platzes lagerten auf der Wiese und längs des Weges die lebhaft gestikulierenden Weiber der Böhmen aus dem StachauergerichtDie Sprache der Freibauern von Stachau ist die böhmische. Sie treiben meistens Handel mit Glas und Steingut. In der Stachauer Glashütte wurden die ordinären, farbigen Glaskorallen erzeugt, die besonders nach Spanien und Portugal verkauft wurden, da sie als Tauschmittel beim Sklavenhandel dienten. und Deutschböhmen. Es gab da ein kunterbuntes Lärmen und helles Lachen, denn alles war heute vergnügt und jeder gönnte dem andern seine Muttersprache.

Das Edikt vom Jahre 1615, welches für Böhmen nur mehr die böhmische Sprache gestattete und das »Deutschreden« bei Strafe verbot, hatte die urdeutschen Freibauern bis jetzt kalt gelassen, denn ihre Richter, Pfarrer und Lehrer waren deutsch und sie rechneten die Freiheit ihrer Sprache ebenfalls zu ihren Privilegien. Dann wußten sich ja auch 85 alle Anwesenden einig in Bezug auf ihren Glauben und in ihrer Verehrung des streng katholischen Ferdinand.

Im Hause des Oberrichters, dem die hohe Auszeichnung zu teil wurde, die Majestäten in seinem Hause zu beherbergen, war aber nicht, wie man vermuten könnte, alles in kopfloser Hast; im Gegenteile herrschte dort die sicherste Ruhe. Die Schlafgemächer für die Majestäten waren aufs glänzendste hergerichtet, und was die Tafel anbelangte, so durfte alles nur in rohem Zustande herbeigeschafft werden, da die vorausgeschickten Leibköche die Bereitung des Mahles ganz allein zu übernehmen hatten.

Es war ein wundervoller Spätsommertag. In tiefster Bläue wölbte sich der Himmel über den tannengrünen Bergen und blumigen Thälern des Böhmerwaldes; es war, als ob der Himmel mithelfen wollte, die festliche Stimmung zu erhöhen, die sich aller bemächtigte.

In langer Reihe zog inzwischen die Reiterschar der Freibauern, an ihrer Spitze der Oberrichter, nach Jenewelt, wo sie den königlichen Zug erwarteten. Etwa in der Mitte des Weges begegnete dem Reiterzuge eine Sänfte, von sechs Lakaien getragen und von eben so vielen nebst zwei Reitern begleitet. Es war Frau Juditha von Kolowrat, welche die Schutzherrschaft über die Freibauern dermalen inne hatte. Die reiche Witwe hatte von Zdenko, dem Bruder ihres verstorbenen Gemahls, auf dem Cessionswege den künischen Waldhwozd erworben. Sie wollte herrschen, und da war es ihr sehr erwünscht, die Fuchtel über die Künischen zu führen, deren Stolz ihr längst ein Dorn im Auge war. Sie gab sich in der That alle Mühe, die frühere Verfassung der Waldhwozder Freigerichte zu erschüttern, obwohl sie wußte, daß dieselben in ihren inneren Verhältnissen 86 und den Rechten ihrer bürgerlichen Existenz nicht das mindeste verloren hatten.

Auf die Meldung ihrer Begleiter, daß sich der Zug der Freibauern nahe, ließ sie halten und entstieg der Sänfte. Sie war prächtig aufgeputzt, ihr Reichtum sollte an den golddurchwirkten Kleidern und den Edelsteinen ersichtlich sein, welche sie trug. Ein ganz kleines Hütchen saß seitwärts auf dem hochfrisierten, mit Brillantsternen geschmückten Haare. Auch ihr Antlitz zeigte, daß sie der schwindenden Schönheit mit manchem kleinen Kunstgriff aufgeholfen, doch war dies freilich nur den in solche Künste Eingeweihten bemerklich.

Als der Oberrichter der Gräfin ansichtig wurde, ließ auch er den Zug anhalten, stieg vom Pferde, zog seinen Hut und begrüßte sie ehrerbietigst.

»Wie stark ist die Kavalkade?« fragte sie, nachdem sie mit hochmütigem Kopfnicken den Gruß erwidert.

»Es werden an tausend Reiter sein, Euer Gnaden,« antwortete der Oberrichter. »Die Künischen lassen nicht auf sich warten, wenn es gilt, ihren König zu ehren.«

Ein spöttisch hochmütiger Zug ward um ihren Mund sichtbar.

»Ihr könntet sie auch belehren, wie man die Schutzherrschaft ehrt,« sagte sie scharf. »Statt dessen habt ihr geheime Zusammenkünfte, wie jene vorgestern in Gutwasser und schmiedet Pläne gegen uns. O, ich weiß alles,« wehrte sie ab, als der Oberrichter erwidern wollte. »Ich werde auch erfahren, was das für Pläne sind und was ihr beschlossen habt, denn ich habe Leute, die zu horchen wissen.«

»Euer Gnaden,« sagte Eisner jetzt, sie fest anblickend, 87 »wer nach Rechtens thut, braucht keine Horcher und hat sich vor solchen nicht zu scheuen. Für jetzt werden Euer Gnaden gestatten, daß wir unsern Weg fortsetzen, auf daß wir nicht zu spät nach Jenewelt kommen, um Seine Majestät dort zu empfangen.«

»So gebt mir das Geleite den Zug entlang,« befahl sie, ihre Sänfte wieder besteigend.

»Zu Befehl!« entgegnete der Oberrichter und schwang sich auf sein Pferd. Er ritt sodann der Sänfte voran und sorgte dafür, daß die Bauern gehörig Platz machten. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die lange Reihe hinan die Nachricht, daß die »schöne Juditha«, wie man sie spöttisch nannte, sich nahe. Aber nur wenige der Bauern machten eine grüßende Bewegung, als sie an ihnen vorüber getragen wurde; die meisten nahmen scheinbar gar keine Notiz von ihr.

Dies ärgerte Juditha. Sie ließ halten und den Oberrichter zu sich heranrufen.

»Was soll das sein?« fragte sie ihn höchst ungnädig. »Die Leute erfrechen sich, die Hüte auf dem Kopfe zu behalten, anstatt sie zu schwenken und mir ein »Hoch!« zuzurufen, mir, Eurer Schutzherrschaft! Habt Ihr verstanden? Ich mache Euch dafür verantwortlich, daß mir begegnet wird, wie sich's gebührt.«

»Ich muß eine solche Verantwortung ablehnen, Euer Gnaden,« versetzte der Oberrichter. »Es sind Freibauern, die Euch nichts anderes schulden, als ihre Steuern und Abgaben. Was Ihr sonst von ihnen verlangt, werden sie Euch willig und freiwillig zollen, wenn Ihr an ihren ererbten Rechten nicht rüttelt und sie nicht mehr, wie bisher, auf alle mögliche Weise zu schmälern sucht. Seid ihnen 88 in Wahrheit eine »Schutzherrschaft« und sie werden es dankbar anerkennen. Euer Gnaden werden keine Veranlassung mehr haben, sich zu beklagen. Ich aber vermag nicht, sie zur Freude zu zwingen, doch verbürge ich mich, daß Euer Gnaden keinerlei Unbill geschieht. Ich bitte aber, unsern Aufenthalt nicht länger zu verzögern. Wir müssen dem König entgegen.«

»Euer König bin ich!« rief Frau Juditha mit schneidender Stimme und zornglühenden Wangen.

Ein schallendes Gelächter jener Freibauern, welche nahe genug waren, diese Worte zu hören, folgte den Auslassungen der Dame.

»Einem »König Juditha« haben wir nicht zugeschworen,« sprach Eisner freimütig. »Euer Gnaden aber beschwören durch solche Reden den gerechten Unwillen derer, die einen solchen König nicht anerkennen.«

Damit setzte er sich wieder an die Spitze des kleinen Gefolges, das die Sänfte umgab und bahnte ihr den Weg längs den Reitergruppen, bis die Straße wieder frei war und Juditha ihren Weg ungehindert fortsetzen konnte. Als der Oberrichter sich hier empfahl, würdigte sie ihn keines Blickes und keines Wortes mehr. Eisner aber wendete sein Pferd, sprengte wieder an die Spitze des Zuges und in lebhaftem Tempo ging es nun dem Dorfe Jenewelt zu. Er that, als hörte er die Bemerkungen der Bauern nicht, welche sich in Spottreden über die beleidigte Juditha ergingen.

Letztere dagegen setzte nun ungestört ihren Weg in entgegengesetzter Richtung fort und traf bald in Seewiesen ein, wo sich schon ein heiteres Volksleben entwickelt hatte.

Aber auch im Hause des Oberrichters war die Freude 89 eingezogen. Magister Dominik war gekommen und hatte Marianka im Auftrage des jungen Perglas einen prachtvollen Blumenstrauß überreicht.

»Der gnädige Junker,« berichtete er dabei mit großer Wichtigkeit, »hat im Schloßgarten die schönsten Blumen eigenhändig gepflückt und sie zu diesem Strauße gebunden. Es sind seine Lieblingsblumen; was er damit sagen will, brauch' ich nicht zu sagen – hab' ich nicht zu sagen – sag' ich auch nicht.«

Marianka war aufs freudigste von dieser Spende überrascht.

»Sagt dem Junker tausend Dank für diese wundervolle Gabe,« sagte sie zu dem Überbringer mit leuchtenden Augen und verbarg dann ihr erglühendes Antlitz in der duftenden Blumenfülle.

»Ich habe noch etwas zu übergeben,« versetzte der Magister, indem er geheimnisvoll ein kleines Briefchen aus der Brusttasche seines Wamses zog und es der Jungfrau überreichte. Diese öffnete es sofort.

Es waren nur wenige Zeilen, die es enthielt, ein kleines Gedicht, aber sie genügten, das Mädchen zu beglücken. Sie lauteten:

Seit wir uns wieder fanden,
Bin ich in deinen Banden.
Mit Blumen laß dich grüßen;
Wirst mein gedenken müssen,
Wenn sie dich bitten hold und fein,
Daß du mein süßes Lieb sollst sein.

Dominik studierte mit sichtlichem Vergnügen die Züge des lesenden Mädchens, welche sich geradezu verklärt hatten.

»Ich weiß, was da geschrieben steht: Verse,« sagte 90 er mit einem gewissen Stolze und als Marianka ihn halb erschrocken anblickte, fuhr er lächelnd fort: »Den Wortlaut kenne ich nicht. Aber daß es Reime sind, das weiß ich, denn Junker Wolf hat dabei meine Hilfe nicht missen können. Ich habe schon manches Poem verfaßt und es ihm vorgelesen, daher kennt er mein Talent. Jetzt macht er selbst Gedichte. Wenn junge Herren zu dichten anfangen, nun, dann weiß man ungefähr, wie viel's geschlagen hat. Aber wenn er Reime sucht auf Worte, wie »Marianka,« da wird selbst mein Verstand nicht ausreichen, etwas Richtiges zu stande zu bringen.«

»Gebt Euch nur zufrieden, er wird's schon besser lernen,« lachte Marianka schelmisch und wandte sich dann ihrer soeben eintretenden Muhme zu, einer alten Frau, die im Hause des Oberrichters die Stelle der längst verstorbenen Hausfrau vertrat.

»Frau Juditha von Kolowrat ist soeben angekommen,« berichtete diese. »Sie fehlt uns hier gerade –«

Die Alte konnte nicht weiter sprechen, denn in diesem Augenblicke rauschte die Genannte schon zur Thüre herein. Als sie den Strauß in Mariankas Hand erblickte, ging sie geradewegs auf diese zu und ihre Hand nach den Blumen ausstreckend, sagte sie:

»Ah, da finde ich ja, was ich brauche. Mädchen, den Strauß mußt du mir überlassen, damit ich ihn der Königin überreichen kann.«

Aber Marianka hatte ihr denselben rasch entzogen und einen Knicks machend, antwortete sie:

»Euer Gnaden werden verzeihen, aber diese Blumen sind für niemand andern bestimmt, als für mich, die Tochter 91 des Oberrichters – Marianka ist mein Name. Ich bedaure, wenn ich Euch diesesmal nicht dienen kann.«

»Für dich?« fragte Frau Juditha spöttisch. »Wohl gar von einem Verehrer? Wer ist's denn, der so herrliche Blumen zu verschenken hat?« Jetzt fiel ihr Blick auf Dominik, und neugierig fuhr sie fort: »Und hier der Wunderdoktor, Herr Dominik aus Welhartitz – was führt denn Euch hieher?«

»Euer Gnaden – gestatten mir unterthänigst die Hand zu küssen – ich habe diesen Strauß gebracht,« stotterte Dominik, errötend und erblassend vor Verlegenheit im Banne dieser scharf auf ihn gerichteten Augen.

»Von Welhartitz?«

Er bejahte unter tiefen Bücklingen.

»Wir haben dort einen prächtigen Blumenflor – der junge gnädige Herr liebt die Blumen – er pflegt sie eifrig – und –« Er stockte.

»So hat wohl Junker Wolf den Strauß gebunden?«

Ein fragender und zugleich zornfunkelnder Blick flog zu Marianka hinüber.

Jetzt merkte Dominik, daß er sich verplappert habe und seine Verlegenheit stieg noch um ein merkliches. Es fiel ihm jetzt brühwarm ein, daß Frau Juditha dem jungen Perglas längst wohl gewogen und daß man beider Namen mit Beziehung darauf schon zusammen genannt. Er suchte daher das Gesagte möglichst zu verbessern.

»Auf Bestellung, Euer Gnaden – auf Bestellung,« stammelte er.

»Auf Bestellung? Ah so!« erwiderte Juditha aufatmend, »Ich dachte schon –« Sie schwieg. Wie konnte sie nur so niedrig von dem Junker denken!

92 Dann beauftragte sie den Magister, für sie so rasch als möglich einen andern Blumenstrauß zu beschaffen und Dominik, froh, aus dieser gefährlichen Nähe zu kommen, eilte diensteifrig davon.

»Ich werde hier bleiben, um auszuruhen und mich zu sammeln, damit ich die Majestäten würdig empfangen kann,« sagte sie zu den beiden Frauen. »Weiset mir ein Zimmer an.«

»Hier?« fragte die Muhme ziemlich ratlos.

Marianka aber erwiderte:

»Euer Gnaden, in unserm Hause ist alles für die Majestäten hergerichtet und nicht das kleinste Stübchen übrig. Wir selbst müssen mit den Dienstbotenstuben im Wirtschaftsgebäude vorlieb nehmen. Ich möchte Euer Gnaden deshalb bitten, vielleicht im Poschingerhof drüben –«

»Was?« rief Frau Juditha empört, »du einfältiges Mädchen wagst es, mir die Thüre zu weisen –«

»Nicht doch, gnädigste Frau,« mischte sich die alte Muhme ein, »überzeugt Euch selbst –« und sie eilte aus der Thüre, die Schlüssel in den Händen, bereit, der Dame die Gemächer zu öffnen. Aber Marianka trat dazwischen.

»Nein, Muhme,« sagte sie, »du weißt, wir haben den strengsten Auftrag vom Vater, niemanden die Gemächer betreten zu lassen, sei es, wer es will.«

»Auch nicht ich?« fragte Juditha scharf.

»Auch nicht Ihr,« versetzte Marianka furchtlos; »niemanden, hat der Vater gesagt. Aber jetzt, bitte, entschuldigt mich. Ich muß meinen Anzug in Ordnung bringen zum Empfang der Majestäten, und sonst giebt es auch noch manches zu thun. Wenn es Euch genehm ist, wird meine Schwester Paula Euch nach dem Poschingerhof begleiten –«

93 »Schweig!« herrschte sie Juditha an. »Ich brauche solche Begleitung nicht. Aber Euern Trotz werde ich brechen – Ihr sollt Juditha noch kennen lernen!«

So sprechend, verließ sie das Haus des Oberrichters und begab sich nach dem nahen Poschingerhof, wo sie zwar ebenso unwillkommen war, aber doch ein Gemach angewiesen erhielt, in welchem sie die Ankunft des Königs erwarten konnte. 94


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