Maximilian Schmidt
Die Künischen Freibauern
Maximilian Schmidt

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XII.

Hoef Huerta rückte in Eilmärschen dem Bouquoischen Korps nach, um sich mit den Truppen Dampierres zu vereinigen, was er allerdings nur nach einigen Scharmützeln mit den Reitern Wolfs von Perglas und anderer ständischer Truppen zu stande brachte. Durch die Entsetzung von Neuhaus und die Schlappe, welche er Bouguoi bei Lomnitz beibrachte, stand Graf Thurn bei den protestantischen Verbündeten in großem Ansehen. Die Zeiten Ziskas und Procops schienen ihnen zurückgekehrt, die Sonne des Glückes war den Böhmen aufgegangen. Joachim von Schlick und sein Neffe Humprecht von Hracin erbeuteten zweiundvierzig Wagen voll geraubter Kostbarkeiten und über tausend Stück Vieh, welche die Kaiserlichen ebenfalls aus den böhmischen Dörfern weggeführt, sogar Huertas Kriegskasse mit siebenzigtausend Gulden fiel den Siegern in die Hände.

Der Winter brach ein und wurde zu Unterhandlungen benützt, die jedoch durch die kecken Forderungen der aufständischen Böhmen zu keinem Abschlusse kamen. Da starb zum Unglück am 20. März 1619 auch noch Kaiser Matthias und der gehaßte Ferdinand trat die Regierung an.

Obwohl er sogleich durch den obersten Landeshofmeister Adam von Waldstein, den Böhmen ihre Statthalter und 185 Privilegien bestätigen ließ, weigerten sich diese, ihn als ihren König anzuerkennen, traten zu einer neuen Wahl zusammen, aus welcher Friedrich von der Pfalz als König von Böhmen hervorging, und schrieben ein allgemeines Aufgebot im ganzen Lande aus.

Ferdinand antwortete ihnen durch den Befehl an Bouquoi, die Feindseligkeiten wieder zu eröffnen. Die Böhmen hatten Mansfeld zu ihrem Feldherrn erwählt und dieser drang in kurzer Zeit siegreich bis Wien vor, wo er sich mit der Absicht in die Vorstädte lagerte, sich nicht nur der Stadt, sondern auch des Königs zu bemächtigen. Die Protestanten Wiens waren bereit, den Böhmen das Stubenthor zu öffnen, den König gefangen zu nehmen und seine Anhänger in der Stadt zu ermorden.

Die Verschworenen, sechzehn Barone, geführt von Andreas von Thonradel, waren mit Gewalt in Ferdinands Zimmer gedrungen und versuchten es, seine Einwilligung zu einer Konföderation mit den Böhmen zu ertrotzen. Als der König zögerte, faßte ihn Thonradel am Rockknopf und rief ihm zu:

»Ferdinand, wirst du unterschreiben?!«

Da erhob Pater Lamormain, der stets um den König war, ein Kreuz in die Höhe und sprach:

»Ferdinande, non deseram Te!« (Ferdinand, ich werde dich nicht verlassen!)

In diesem Augenblicke ertönte Trompetengeschmetter und fünfhundert Dampierresche Reiter, von diesem eiligst aus Krems zum Schutze des Königs herbeordert, erschienen in der Burg.

Entsetzt flohen die Verschwörer.

Nun erwachte die Bürgerschaft Wiens. Schnell hatte 186 sich die Mythe gebildet, der gekreuzigte Christus habe selbst zu dem König gesprochen und man glaubte an dieses Wunder. Bürger und Studenten griffen zu den Waffen und die Böhmen zogen sich eiligst zurück.

Böhmen ward inzwischen von den Truppen Bouquois mit Feuer und Schwert verwüstet.

Unter allen diesen Wirren begab sich Ferdinand nach Frankfurt, wo er trotz des Widerspruchs der böhmischen Gesandten von den Kurfürsten einstimmig zum Kaiser gewählt wurde.

Das war ein harter Schlag für die Böhmen. In ihrer Bestürzung rieten viele zu einem Vergleiche mit dem Kaiser. Doch die Mehrzahl der Stände wollte davon nichts wissen, im Gegenteile sandten sie Eilboten an den damals erst dreiundzwanzigjährigen Friedrich von der Pfalz, ließen ihm kund thun, daß sie ihn zu ihrem König gewählt und ihn bitten, baldmöglichst von seinem Königreiche Besitz zu nehmen.

Aber nicht der ganze böhmische Adel hatte Teil an dieser neuen Königswahl. Viele alte und vornehme Familien sowohl aus dem Herren-, wie aus dem Ritterstande blieben dem Hause Österreich treu und büßten dieses mit dem Verluste ihrer Güter und der Verbannung aus dem Lande.

Das letztere Los traf auch den Oberrichter von Seewiesen, welcher als solcher für das Dominium der königlichen Freibauern Sitz und Stimme im Landtage hatte und sich im Namen der Freibauern natürlich für Ferdinand erklärt hatte.

Friedrich V. reiste ohne Säumen nach Böhmen. An der Grenze empfing ihn nebst andern Edlen Graf 187 Joachim von Schlick und führte ihn und seine Gemahlin im Triumphe nach Prag. Am 14. November fand dortselbst die Krönung statt. Die Aufständischen hatten somit erreicht, was sie gewollt und sie ergötzten sich an ihrem vorübergehenden Glücke.

Der Oberrichter von Seewiesen hatte es durchaus nicht eilig, sich mit den Seinen in die Verbannung zu begeben. Die ständischen Truppen waren zumeist im südlichen Böhmen beschäftigt, die Strenge des Winters hemmte ihre Unternehmungen, die Winterquartiere wurden bezogen, er hatte nichts zu fürchten.

Wolf von Perglas lag inzwischen mit seinen Leuten vor der Stadt Pisek, wo spanische Besatzung Don Martin Hoef Huerta als Befehlshaber hatte. Der edle Don hatte es verstanden, durch seine Rücksichtslosigkeit und seinen maßlosen Hochmut die Bürger so sehr zu erbittern, daß sie dem Grafen Mansfeld selbst die Thore öffneten und den Eindringenden zur Gefangennahme der Spanier behilflich waren.

Wolf von Perglas war dazu ausersehen, sich Hoef Huertas zu bemächtigen. In ohnmächtiger Wut überreichte dieser Wolf seinen Degen.

»Wir begegnen uns hier zum zweitenmale,« meinte Wolf, die Waffe entgegennehmend. »Im Gebiete der Künischen, wo Ihr die armen Bauern, obwohl sie Eures Glaubens waren und zum Kaiser hielten, räuberisch behandelt habt, sahen wir uns zum erstenmale, ich allerdings nur Euren Rücken. Hier, wo Ihr die Bürger so geschunden habt, daß sie nur wünschen, Euch am nächsten besten Galgen baumeln zu sehen, treffen wir uns wieder.«

Der Spanier that, als fühle er den Hohn dieser 188 Worte nicht. Er ließ sich auf ein Knie nieder und bat den Freiherrn um sein Leben. Er versprach ihm reiches Lösegeld und übergab ihm die Schlüssel zu seiner Kasse.

»Die Kasse ist unser, auch ohne diese Schlüssel,« sprach Wolf. »Ich habe keinen direkten Befehl, Euch hängen zu lassen. Ist Graf Mansfeld damit einverstanden, mögt Ihr in der Gefangenschaft zu Pilsen über Eure Schandthaten nachdenken, bis man weiter über Euch verfügt.«

Wolf sah den scheinheiligen Mann mit verächtlichem Blicke an, aber auch aus Huertas Augen sprach tödlicher Haß und das Verlangen, diesen ihm öffentlich angethanenen Schimpf zu rächen.

König Friedrich wie Kaiser Ferdinand waren eifrig bemüht, Verbündete zu werben. Ferdinand setzte die Liga, Friedrich die Union in Bewegung. Doch während Ferdinand alles that, seine äußeren Verhältnisse zu verbessern, unterließ Friedrich nichts, seine Sache zu verschlimmern. Er vernachlässigte seine frühere Freundschaft mit Frankreich, beleidigte seinen Schwiegervater, den König von England, indem er gegen dessen Willen die böhmische Krone angenommen und entfremdete sich durch seinen fanatischen Sinn die Katholiken und Utraquisten Böhmens gleichermaßen, denn der König ließ alle Bilder aus den Kirchen entfernen, die Glocken von den Türmen nehmen und statt der Altäre einen einfachen, mit einem weißen Tuche bedeckten Tisch aufstellen. Die goldenen und silbernen Kelche ließ er an seinen Hof bringen und gab Befehl, sich in der Kirche nur hölzerner Gefäße zu bedienen.

Betrachteten dieses die Obengenannten als einen Eingriff in ihre Religionsfreiheit, so waren die Lutheraner dem neuen König als einem Kalvinisten abgeneigt. Doch 189 bemühte sich dieser, durch Leutseligkeit und Herablassung das Volk zu gewinnen.

Sobald es die Witterung zuließ, begann der Feldzug. Aber im böhmischen Heere waren unter den Führern Mißhelligkeiten ausgebrochen, die Mannszucht hatte nachgelassen und bald hatte das arme Land vom Feinde wie vom Freunde gleichviel zu leiden. Dazu stieß der Bayernherzog Maximilian mit seinen Truppen zu den Kaiserlichen und die nunmehr 50 000 Mann starke Armee drang sofort in Böhmen ein, nahm eine Stadt nach der andern und rückte so bis Pilsen vor.

In Pilsen kommandierte wegen augenblicklicher Abwesenheit Mansfelds in diesen Tagen Wolf von Perglas, welcher sich mit seinem fliegenden Korps in diese Stadt zurückgezogen hatte, um sich mit Mansfelds Truppen zu vereinigen. Die Aufforderung zur Übergabe beantwortete Wolf mit Stückkugeln, und Herzog Maximilian wagte es nicht, die starke Festung anzugreifen. Dagegen plante König Friedrich mit seiner Armee und unterstützt durch einen Ausfall aus Pilsen die ligistische Armee, welche in der Nähe von Pilsen lagerte, bei Nacht zu überrumpeln. Die Ausführung dieses Planes mußte für Maximilian sehr verhängnisvoll werden, dessen Heer durch Krankheiten und große Sterblichkeit geschwächt war und sich wegen Mangel an Proviant in sehr bedenklicher Lage befand. Doch ward der Handstreich durch Verrat vereitelt.

Der Verräter war Hoef Huerta, der noch immer in Pilsen gefangen gehalten war, jedoch von Mansfeld die Erlaubnis hatte, frei in der Stadt herumzugehen.

War es Zufall oder Absicht gewesen, Frau Juditha von Kolowrat, des Woiwoden Witwe, hatte ebenfalls in 190 Pilsen, wo sie ein Haus besaß, seit mehreren Monaten, jedoch ohne ihre Stieftochter, Aufenthalt genommen, und der kriegsgefangene Spanier, dem der Besuch ihres Hauses nicht verwehrt war, schien auch bei der liebebedürftigen Gräfin in Gefangenschaft geraten zu sein. Des ehemaligen Schneiders Pläne wuchsen mit seinem höheren Ziel, welches war, der Gemahl der reichen Woiwodin zu werden.

Es war ihm deshalb auch nicht so sehr um seine Freilassung zu thun. Lösegeld zu zahlen wäre ihm nicht schwer gewesen; aber dann war er von Juditha getrennt. Und weit vom Schuß bei Frau Juditha in der warmen Stube zu sitzen, war jedenfalls angenehmer, als den Fährlichkeiten des Kriegslebens ausgesetzt zu sein. Zudem wußte er sich auch durch Spionage seiner Partei nützlich zu machen. Durch Geld, welches ihm Juditha zur Verfügung gestellt, erkaufte er einen Mansfeldschen Offizier, einen Major beim Kommando, der ihn über alles in Kenntnis setzte; so auch über den geplanten Überfall der ligistischen Armee.

Hoef Huerta wußte durch einen andern bezahlten Wicht, der sich aus der Stadt schlich, den Herzog von Bayern rechtzeitig von der ihm drohenden Gefahr zu benachrichtigen, der sofort im Verein mit Tilly die umfassendsten Anstalten traf, so daß die böhmischen Truppen auf eine schlagfertige Armee stießen und mit Verlust zurückgeworfen wurden.

Niemand ahnte den Verräter; Hoef Huerta aber hatte sich die ligistische Armee zu großem Danke verpflichtet.

Aber auch durch kluge Berechnung schafften sich die Kaiserlichen Vorteile mancherlei Art. Als einige Tage später Mansfeld wieder nach Pilsen gekommen und das Ober-Kommando übernommen hatte, schickte Bouquoi, auf 191 Mansfelds Habsucht rechnend, den früher gefangen genommenen Oberstleutnant Carpezon zur Unterhandlung nach Pilsen, mit dem Resultate, daß der Oberkommandant für die ihm von dem Bayernherzog zugesagte Summe von hunderttausend Gulden aus seiner Kriegskassa Neutralität versprach.

Auch Hoef Huerta wurde gegen den Oberstleutnant Carpezon und einiges Lösegeld ausgetauscht. Gegenseitige Höflichkeiten besiegelten den Vertrag. Der Bayernherzog sandte gefangene Mansfeldsche Leibgarden ohne Lösegeld zurück und der General schickte den Bayern dafür Proviant aus Pilsen zu.

Wolf von Perglas war empört über solch offenen Verrat. Er hatte zur Genüge einsehen gelernt, wie recht der alte Eisner hatte, als er alles, was die Führer für nationale Begeisterung ausgaben, auf niedrige Gewinnsucht zurückführte. Er hielt es für eine Schmach, unter solchen Feldherrn zu dienen und nahm sich vor, die erste Gelegenheit zu benützen, um sich von ihnen frei zu machen. Er hielt die heilige Sache der nationalen Erhebung auf diese Art für verloren. Deshalb kam es ihm erwünscht, als ihm vom Grafen Mansfeld der Auftrag geworden, mit seinem fliegenden Korps die Verbindung zwischen Pilsen und Tabor, wo gleichfalls Mansfeldsche Truppen lagen, aufrecht zu erhalten, jedoch unter dem strengen Befehl, sich vorerst aller Angriffe auf den Gegner zu entziehen.

Schon auf dem ganzen Marsche verspürte er den vor ihm dagewesenen Hoef Huerta, der alsogleich nach seiner Freilassung wieder zu dem ihm am meisten zusprechenden Requisitions- und Plünderungsdienst verwendet wurde. Die schönsten Burgen des böhmischen Adels fand Wolf teils niedergebrannt, teils demoliert, viele Dörfer waren 192 ganz dem Feuer zum Opfer gefallen. Wie sehr wünschte er da diesen Spanier, von dessen Verrat er nun auch durch Zufall erfahren, mit seinem Raubgesindel für immer unschädlich zu machen.

Schon glaubte er, dieser Wunsch möchte erfüllt werden, denn am südlichen Ende des Brdy Waldes, der sich in süd- und nördlicher Richtung von Pribram auf viele Meilen erstreckt, stieß er gegen Abend auf mehrere Beutewagen Hoef Huertas, die er mit geringer Mühe wegnahm. Doch war er trotz all seiner Vorsicht von einer aus einem Hinterhalt debouchierenden, wallonischen, an Zahl weit überlegenen Reiterabteilung unvermutet angegriffen und es kam zu einem hitzigen Gefechte.

Wolf Perglas bemerkte im Rücken der Wallonen den Führer Hoef Huerta selbst und er feuerte seine Leute an, mutig darauf los zu gehen. Sie prallten auch mit aller Macht auf den Feind. Es kam zum Kampfe Mann gegen Mann. Die Wallonen flohen, voraus ihr Führer, Hoef Huerta. Wolf verfolgte sie, und schon war er dem fliehenden Spanier ganz nahe, als ihn aus der wallonischen Harkibuse eines im Waldgebüsch versteckten Flüchtlings eine Kugel in den linken Oberarm ereilte und zugleich eine andere sein Pferd traf, welches stürzte und ihn unter sich brachte. Damit war ein Stillstand in der Verfolgung eingetreten. Man beeilte sich, den Gefallenen unter dem Pferde hervorzuziehen.

Wolf hatte sich durch den Fall mehrere Quetschungen zugezogen und war nicht mehr im stande, zu stehen. Er befahl wohl, die Verfolgung auch ohne ihn fortzusetzen, aber die eintretende Dunkelheit verbot dies und so blieb nur übrig, den verwundeten Befehlshaber in die zunächst gelegene Stadt Nepomuk, den Geburtsort des böhmischen 193 Nationalheiligen, Johann von Nepomuk, zu verbringen und ihn dort ärztlicher Hilfe zu übergeben. Sein Korps blieb zu seinem Schutze. Wolf übergab das Kommando dem ältesten Leutnant, er selbst aber ließ sich schon am nächsten Tage, beschützt von einer Abteilung Reiter, nach seiner etwa sechs Stunden entfernten Burg Welhartitz überführen, wo dessen Ankunft unter solchen Umständen großen Schrecken und nicht geringe Sorge hervorrief.

Der alte Freiherr befand sich bei Wolfs Heimkehr in keiner guten Stimmung. Sein Gichtleiden hatte sich zu einer stark zunehmenden Wassersucht entwickelt, die ihn beständig in seinem Lehnstuhl festhielt. – Meister Dominik suchte ihn zwar durch allerlei Schnurren zu erheitern, aber es wollte ihm nicht gelingen, den Freiherrn wieder lachen zu machen. Im Gegenteile polterte er beständig, und dies um so mehr, als sein Sohn Wolf, verwundet nach Hause gekommen, ihm erzählte, wie es beim Heere stand.

Da rüttelte er vor Wut an seinem Sessel, der ihn gefangen hielt und ihn hinderte, persönlich hin zu eilen und Mansfeld zu strafen. Schließlich mußte Magister Dominik die Schuld an allem tragen, da er die Krankheit nicht zu heben wußte.

Wolfs Wunden waren nicht gefährlich, doch auch nicht schmerzlos. Dominik suchte dessen Leiden nicht nur durch Salben und Pflaster zu lindern, sondern auch dadurch zu bessern, daß er Marianka von der Heimkehr des Junkers benachrichtigen ließ.

Der aus Seewiesen verbannte Oberrichter hatte mit seiner Familie seinen Wohnsitz im Girgalhofe aufgeschlagen, woselbst seine junge Tochter Paula als Wenzels Hausfrau und Regentin aufgezogen war. Das Glück des blutjungen 194 Ehepaares gewährte Eisner in seiner Verbannung großen Trost. Doch hoffte er, daß diese Verbannung nicht von langer Dauer sein würde. Er hatte kein Vertrauen in die böhmische Herrschaft und ihre Heerführer und erwartete jetzt, da die Bayern sich mit den Kaiserlichen vereint, täglich eine Entscheidung.

Als Marianka von Wolfs Verwundung erfuhr, hatte sie selbstverständlich nur den Wunsch, sofort den Verwundeten in Welhartitz zu besuchen, was ihr der Vater nicht wehren mochte. Wenzel, der junge Girgalherr fuhr sie in Begleitung der Muhme in einer Kutsche über Hartmanitz dorthin.

Es folgte ein herzliches Begrüßen der so lange getrennt Gewesenen. Mariankas Ankunft heiterte Wolf sichtlich auf. Auch der alte Perglas behauptete, seit das Mädchen zugegen, fühle er keine Schmerzen, und er lobte den Magister, der so pfiffig war, als Hauptarznei gegen den fortschreitenden Schmerz die Anwesenheit von des Oberrichters Tochter zu verschreiben.

Da Magister Dominik der Muhme im Vertrauen mitteilte, daß die Tage des alten Herrn gezählt seien und sich das Wasser bereits zum Herzen ziehe, ließ sie sich bereden, einige Tage mit Marianka auf der Burg zu bleiben.

Nun war es heimlich und traulich in den weiten Hallen von Welhartitz. Aber leider hatte Dominik richtig vorausgesehen. Wolf fühlte sich täglich besser, aber mit dem alten Herrn ging es zu Ende.

Es war an einem trüben Novemberabend, am achten des Monats, als Wolf und Marianka neben seinem Lehnstuhl saßen und ihn im Gespräche zu erheitern suchten.

»Kinder,« sprach er da plötzlich, »mir träumte vorhin, unsere Armee sei geschlagen, und Prag erobert. Kommt 195 Ferdinand nach Böhmen zurück, dann ist unseres Bleibens hier nicht mehr. Geh' rechtzeitig nach Bayern, Wolf. Ich bin am Hofe dort wohl gelitten gewesen, man wird auch dich freundlich aufnehmen. Entziehe dich den Henkern Ferdinands so rasch als möglich. Ich hab es nicht mehr nötig, nicht wahr, Dominik? Mit meinem Gewissen bin ich in Ordnung und so sehe ich ruhig meinem Ende entgegen. Reicht mir ein Glas Tokayer und – trinkt mit mir – auf euer Glück!«

Er stieß mit den andern an und trank das Glas aus. Doch kaum war das geschehen, sank sein Kopf in die Kissen zurück, die Augen schlossen sich und den Freiherrn hatte der Tod ereilt.

Es war zur selben Stunde, in welcher über Böhmen die Würfel gefallen waren. 196


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