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18.

Das ganze Dorf freut sich über Annas Wiederkehr.

Man hörte nichts als: »Annuschka … Unsere Königin … Unsere kluge Anna!«

Alle sprachen sie so: die Bauern und Weiber und alten Leute und Kinder. Von der Jugend gar nicht zu reden.

Die schwarzäugige Warjka kam als erste. Auch Tanjka, auch Senjka Kosyr und Mischka Uchores kamen sehr bald. Auch Terëcha, der Harmonikaspieler.

Warjka holte Anna ab, mit in ihrer Hütte zu nächtigen: in der Hütte von Anna lag der Tote, und das wäre zu schrecklich gewesen.

Die Jugend begleitete Anna in einer ganzen Schar. Kaum war sie auf die Straße getreten, da stimmte Terëcha auf seiner Harmonika ein Lied an, während die Mädchen halblaut in die wehmütige Melodie einstimmten.

Wo kommst Du, alter Rabe, hergezogen,
Wo bist Du, schwarzer Knabe, herumgeflogen …

Die Freundinnen führten Anna in der Mitte. Warjka hatte zärtlich ihren Arm um sie gelegt. Alle waren von einer stillen guten Freude erfüllt.

Es war dunkel. Die Sterne schimmerten von einem traurigen Himmel. Anna's Gesicht war nicht zu sehen. Sie trug ein weißes Kleid. Den Kopf hielt sie tief gebeugt, und aus ihren Augen tropften unsichtbare Tränen, aber trotzdem war das Herz von einer solchen Freudigkeit erfüllt, daß Anna es nicht mehr aushielt, sich den Freundinnen an den Hals warf und auch die jungen Burschen umarmte: »Mädels … Burschen.« Die Burschen erwiderten ihre Zärtlichkeit beklommen und suchten nach den zärtlichsten freundlichsten Worten und schneuzten sich. Nicht einer von ihnen und kein Mensch im ganzen Dorfe hatte Anna durch einen Blick auf ihre kommende Mutterschaft beleidigt.

»Wir stehen für Dich ein, Annuschka, wie ein Fels! … Brauchst nur mit der Wimper zu zucken.«

Sie zogen weiter. Der schwarze Käfer Terëcha brachte keinen richtigen Einsatz auf seiner Harmonika zu Wege: so zitterten ihm die Hände vor Aufregung, so stürmisch klopfte sein Herz: ech, warum war er als eine solche Morchel, ein solches Scheusal geboren worden!

Sie führten Anna bis vor die Hütte Warjka's und zogen selbst den Berg hinauf, um dort ihre nächtlichen Reigentänze zu tanzen.


Spät am Abend. Der Wächter mit dem Schlagholz beginnt seinen Rundgang.

Bei Prow ist die ganze Hütte voller Menschen, weniger Männer, aber umso mehr Frauen, alte Mütterchen und Kinder. Borodulin liegt auf der Bank. Prow hatte befohlen, ihn nicht anzurühren, morgen würde man ihn unter Zeugen aufheben und nach Nasimowo schaffen, in die heimatliche Erde. Borodulin war ganz mit weißer Leinwand und schwarzem grobem Tuche bedeckt, die alten Weiber hatten es hergeschleppt, von wegen der Seelenruhe des Toten.

»Da, nimm es«, flüsterten sie ganz zerknirscht und verbeugten sich tief vor der Leiche.

Der Kienspan in der Gabel strahlte Licht und Wärme, die Flamme zitterte, und an den weißgekalkten Wänden huschten große Schatten hin und her.

Die Weiber summten wie ein Bienenschwarm, sie beteten für den Verstorbenen: er war so ein kräftiger gesunder Mensch, aber Gott hatte ihn hinweggerafft, er hätte noch am Leben bleiben müssen, er hatte alles, was er brauchte, im Überfluß, Reichtum und Ehren, aber der Tod fragte nicht danach …

»Macht Platz, laßt mich durch!«, sagte der alte Ustin, jetzt besonders eifrig gottergeben, und bahnte sich mit einem Buche in der Hand den Weg.

Alle gerieten in Bewegung; sie seufzten tiefer und husteten ungeduldiger: Ustin verstand es sehr schön, Totenmessen zu lesen, mit einer so wehmutsvollen und mitleidigen Stimme.

»Brauchst Du den Psalter?«, fragte geschäftig der kleine Mitjka und zeigte mit dem Fäustchen auf das Buch.

Ustin verneigte sich in verhaltener Erregung vor den Füßen des Verstorbenen, verneigte sich vor dem Volk, stellte den Weihrauchkessel umgekehrt auf den Tisch, legte den Psalter auf ein Kissen, setzte die Brille auf die Nase, räusperte sich und begann, sich heftig bekreuzigend, zu lesen. Er kannte zwar nicht einen einzigen Buchstaben und sah ganz überflüssigerweise in das Buch, aber er fühlte sich doch sehr geschmeichelt. So galt er wenigstens in dem ganzen Dorfe als der einzige Mensch, der lesen konnte. Und wenn Ustin auch häufig über das Unrecht dieses falschen Stolzes nachdachte, so gewann die Versuchung doch immer wieder die Oberhand. So war es auch jetzt: Aufmerksam blickt er in das Buch und liest mit schleppender Stimme, kommt irgendwo ins Stocken, neigt den Kopf tiefer über sein Buch, läßt die Wachskerze tropfen; er hat zwei Kerzen brennen, eine auf dem Weihrauchkessel, die andere in der linken Hand.

Die alten Weiber bekreuzigen sich, seufzen und stöhnen.

Von der Straße trat der Nachtwächter an das offene Fenster und zog die Mütze. Lange Zeit stand er beobachtend da, dann ging er weg und schlug so laut sein Schlagholz, daß der schlafende kleine Mitjka auffuhr.

»Der Psalter«, sagte Mitjka und setzte sich auf die Erde.

Ustin murmelt wie eine Hummel ununterbrochen: »Heilige Mutter Gottes … Ihr heiligen Väter Abrosim, vierzig Märtyrer … Seid uns gnädig …«, dann zuckt er mit den Schultern, überwand seine Schläfrigkeit und sagte zum Schluß mit salbungsvoller Stimme:

»Gib ihm Frieden bei Deinen Heiligen, Deinem Knechte Iwan … Der jetzt vor Dir erscheint … Er lebte hier bei uns und kommt jetzt in die Erde … Heilige Mutter Gottes.«

Die Weiber gehen jetzt auseinander. Mitjka wird nach Hause gebracht. Das eine Hosenbein hat er aufgestreift, das andere schleift auf der Erde. Er reibt sich mit seinem Fäustchen die verschlafenen Augen, stolpert über sein Bein und murmelt: »Wird er jetzt räuchern? … Der alte Ustin?«

Die Lichter tropfen, sie vergießen wächserne Tränen.

Ustin ist müde geworden, sein kahles Haupt ist mit Schweiß wie mit Tau bedeckt, seine Stimme verlangt nach Ruhe, sein Rücken ist mehr gebeugt als sonst. Es ist schon spät am Abend. Dascha war durch den unerwarteten Tod Borodulins völlig erschüttert worden. Irgend etwas in ihrer Seele war ins Wanken geraten, stöhnt und sucht nach Halt.

Als sie ins Zimmer getreten war, streifte sie den Toten nur mit einem Blick, dann kroch sie hinter den Vorhang am Ofen und klammert sich, am ganzen Leibe zitternd, an Matrëna.

Die fragte sie aus und erkundigte sich nach allem. Sie hatten die Arme umeinander gelegt und flüsterten zusammen. Die alten Weiber traten näher an den Vorhang heran, hielten begierig den Atem an, um ja alles zu verstehen, und blickten ängstlich auf den Toten.

Darja erzählte Matrëna alles: von Andrej, dem Politischen, von Borodulin und von Annas Kummer: das Mädchen war in anderen Umständen, war gar nicht mehr bei Sinnen. Sie jammerte auch über ihr eigenes Leben und über ihren Mann, den Soldaten: in der Stadt trieb er es heimlich mit irgend einem »Fräulein«, und sie, Darja, ließ er hier in Sünde geraten …

»Dort wird er keine Krankheit, keinen Kummer, keine Erregungen kennen«, sang Großvater Ustin mit gedehnter Stimme.

Darja stand auf: »Leb' wohl, Tantchen …«, sagte sie, zog ihren schwarzen Schal über die Augen und schlich sich an der Wand zur Hütte hinaus.

Sie ging direkt vor die verschlossene Hütte von Warjka. Anna schlief einen festen Schlaf. Warjka war mit der Jugend tanzen gegangen, der Vater von Warjka verübte schon seit dem Morgen lauter trunkene Streiche, während die Mutter schwer betrunken unter dem Tisch laut schnarchte.

Dascha trank erst mal Wasser und blickte in den Spiegel, sie erschrak: ein fremdes Gesicht blickte sie an, bleich, mit fremden traurigen Augen. Dascha wollte nicht glauben, daß sie das in dem Spiegel selbst war. Dascha, die Beere, Dascha, die lustige Soldatenfrau, die Schwätzerin und Liedersängerin.

Dascha setzt sich an den Tisch und stützt den Kopf in die Hand. Es war still in der Hütte. Die Lampe brennt kaum noch. Sie war ausgebrannt. Dascha wollte gern schlafen gehen, aber blieb wie angewurzelt sitzen. Ihre Gedanken winden sich um Borodulin. Nicht den toten Borodulin, dem Ustin jetzt die Totenmesse las, sondern den lebenden, starken, bärtigen Mann, und von dem lebenden Borodulin, von dem Diebe Fedenjka wandern die Gedanken zu dem Toten, gingen einen merkwürdig gewundenen und unwahrscheinlichen Gang. Weshalb kehren ihre Gedanken immer zu dem einen Punkte zurück? Borodulin lebt doch noch … Wer sagt denn, daß er gestorben war? Er lebt! Wenn er wieder zu sich kam, würde Dascha ihm alles beichten: wie sie Anna vergiften wollte, und wie sie mit Fedenjka das Geld gestohlen hatte. Sie würde den Dieb Fedenjka verfluchen, würde in die Stadt ziehen, dort bei einer reichen Dame dienen, würde ihren Mann suchen – wieder aufnehmen, würde einem freundlichen Geistlichen ihr Herz öffnen und beichten, und würde bei dem obersten Erzbischof fasten und beten. Borodulin lebte ja noch! …

Plötzlich fuhr Dascha auf und zuckte zusammen: irgend jemand hatte an ihre Wange gegriffen. Im Augenblick fuhr sie herum: niemand war zu sehen. Da fragte sie sich: »War er etwa doch tot?« Das Blut strömte ihr in die Schläfen. Sie erstarrte. »War das ein gutes oder schlechtes Zeichen?«, fragte sie sich und fühlte, wie das Dunkel in ihr allmählig die Oberhand gewann.

Aber um nicht zu sehen und nicht zu hören, um das Dunkle auszutilgen, flüstert Dascha, am ganzen Leibe zitternd: »Du bist also doch gestorben … Warum bist Du gestorben, Iwan Stepanytsch? …« Borodulin tat ihr leid, tat ihr wirklich leid, so daß es ihr unerträgliche Schmerzen bereitete. »Iwan Stepanytsch, Iwan Stepanytsch« … – stöhnt sie. Aber das Dunkel stieg immer höher, ließ ihr keine Ruhe und bedeckte sie immer mehr.

Fedenjkas gemeiner Blick durchbohrt sie, dieser Fedenjka stand da, hatte die Fäuste frech in die Hüften gestemmt, stand da und lachte, das war er, der Fremde, der Herumtreiber, der Wüstling, der Satan. Seine Fresse blickte zum Fenster herein, er hatte das Geld des Kaufmanns gestohlen, er hatte Dascha angestiftet und gezwungen, nicht durch Worte gezwungen, sondern durch seinen Diebesblick, und jetzt flüstert der Verbrecher: »Du bist die Mörderin, Du!« – »Du lügst!«, wollte Dascha rufen, aber sie brachte keinen Laut hervor: Eine ganze Herde von Landstreichern, Herumtreibern und Wanderburschen stand vor ihr: sie wankte auf und ab, trat von einem Fuß auf den anderen, es waren alles Unbekannte, Menschen ohne Gesichter, ohne Köpfe, grau in grau, und auf einmal schrien sie alle zusammen: »Du bist die Mörderin, Du … Du hast Borodulin ermordet und ermordest uns … Du elende Kreatur … Du Verworfene!« Dascha kniff die Augen ein, um genau zu sehen, aber es war ganz dunkel im Zimmer, die Lampe war ausgebrannt, so preßte sie die Hände an die Schläfen, stand auf und stampfte mit dem Fuße: »Fort mit Euch!« – aber sich selbst sprach sie das Urteil: »Ja, ich bin die Mörderin … Ich Verworfene … Ich Scheusal!«

Nachdem sie sich das alles eingestanden hatte, drang das Schuldbewußtsein ihr auch ins Herz: es war, als ob sie nackt vor allem Volke stand: »Eine feile Dirne … Ein Scheusal« … Ach, wenn sie doch ein Messer hätte. Mit seiner Schneide würde sie ihrem Herzen Ruhe bringen.

Unruhig fuhr Dascha im Zimmer hin und her und rang im Dunkel die Hände. »Matuschka … tritt für mich ein« … und hört flüstern: »Tue Buße, dann wird es Dir leichter«. Plötzlich zuckt ihr das Kinn und es bilden sich von selbst Worte auf ihren Lippen. Sie würde gar nicht erst lange nachdenken, ihre Füße würden sie zu der Hütte tragen, wo jetzt noch Licht brennt, wo Borodulin seinen schrecklichen Schlaf schläft. Dort würde sich Dascha der ganzen Welt offenbaren, würde bereuen, würde bei den Lebenden und dem Toten, bei den unbekannten Landstreichern um Verzeihung bitten, würde die böse Verleumdung, sie hätten das Geld gestohlen, von ihnen nehmen, und würde sich in Stücke reißen lassen, nicht sich selbst, nur ihren Leib, nicht ihren Leib, nur ihre Sünde: sollten sie auf sie spucken, sollten sie mit Füßen auf sie treten, es tat ihr nur wohl!!

Dascha rennt, ohne ihre Füße zu spüren: ein freundlicher Wind treibt sie dahin, die taufeuchten Gräser bedeckten die Erde mit einem weichen Teppich … und sie fühlt sich so gut, so frei.

Ins Gefängnis würde sie kommen … Nein, die Welt würde ihr alles verzeihen … Aber mit dem Diebe Fedenjka, ihrem Quäler, würde sie Schluß machen, und mit all den Handlungen, die sie mit Fedenjka begangen hatte, und mit ihrem ganzen lasterhaften Leben würde sie auch Schluß machen! … Ja, so war es gut … Da war auch die Hütte, ja, die Hütte. Gott sei Lob und Dank.

Jetzt stand Dascha in der Tür. Faßt den Türgriff fest und dachte einen Augenblick nach: war es wirklich nötig? Aber sie gab sich keine Antwort mehr.

Mit raschen Tritten trat sie ein: die beiden brennenden Wachskerzen flackerten bei ihrem Eintritt. Ustin las mit knirschender Stimme seine Totenmesse, auf der Bank saßen drei alte Frauen und wackelten mit dem Kopfe, so kämpften sie mit dem Schlafe. Ohne einen Blick zu heben, trat Dascha auf den Toten zu und ließ sich auf die Knie nieder.

»Verzeih', Iwan Stepanytsch, mir Sünderin … Das alles habe ich getan, ich …«

Ustin hörte auf zu lesen und blickte Dascha groß an. Die alten Weiber erwachten und rissen die Mäuler auf.

Dascha erhob sich vom Boden, ihre Füße waren nicht mehr die ihren und sie zitterte am ganzen Leibe. Um ihrer wieder Herr zu werden, drehte sie sich wieder rasch herum.

»Hört, Väterchen Ustin und Ihr Großmütterchen … höre es, Du Christenwelt.«

In diesem Augenblicke klangen böse Schritte die Stufen herauf: die Tür wurde aufgerissen und mit verzerrtem Gesicht trat Prow herein.

»Die Teufel!« schrie er. »Die Waldteufel, die verfluchten … Matrën!«

Alle fuhren auf und spitzten die Ohren.

»Denk' mal an, Matrëna!«, fuhr Prow Michailytsch schwer atmend fort zu seiner erwachenden Frau gewendet. »Alle unsere Kühe haben die Landstreicher erstochen!«

»Wie, wer?!«,schlug Matrëna die Hände über dem Kopf zusammen.

»Ja, Ustin, sei Zeuge … meine drei Kühe, meine letzten, weißen Kühe haben sie mir abgestochen … und Fedot haben sie zwei Kälber erstochen.«

Matrëna heulte aus vollem Halse und die alten Weiber schlugen sich vor Entsetzen auf die Schenkel und begannen zu jammern und zu beten. Ustin stand mit seiner Wachskerze in der Hand zusammengekrümmt in der Kammer und wußte nicht, was er nun tun sollte.

»Das waren bloß die Landstreicher, die Wanderburschen – diese Galgenvögel!«, donnerte Prow. »Na, wartet!«

Prow nahm geschäftig die Laterne und ging auf die Straße hinaus.

Aber Dascha blieb wie angewurzelt stehen. Ihr Gesicht hatte sich mit roten Flecken überzogen, ihre Nasenflügel bebten, und ihr ganzer Körper brannte wie im Feuer. Sie war wieder eine andere geworden, die alte Dascha von Nasimowo.

»Was ich eigentlich sagen wollte … Ist Iwan Stepanytsch wirklich tot? Na ja, ist schon möglich …«, sagte sie gleichgültig zu Ustin, der dabei die Empfindung hatte, als ob ihm ein Glas kaltes Wasser über den Kopf gegossen würde. Da straffte sie ihren üppigen Leib, als ob sie die alten Weiber verspotten wollte und huschte hurtig zur Tür hinaus. Ustin riß Mund und Nase auf und begleitete sie mit seinem Blick bis zur Tür: »Satan … verschwinde! Pfui über Dich, Du listige Satansbrut!«

Es war eine graue Nacht. Die Sterne wanderten über den Himmel und erleuchteten das Dunkel. Die Soldatenfrau geht die Straße entlang – in ihrem Kopf ist eine vollständige Leere, keinen frohen Wind trifft sie daher, sondern Teufel peitschten sie mit ihren Schwänzen, kein taufrischer Teppich breitet sich unter ihren Füßen, sondern der alte Waldteufel fegt mit seinem moosgrünen Bart die Straße und zischt ihr zu: »Ach, Du Dumme …, Du schrecklich Dumme! …«

Aber auf einmal jubelte und lachte es in ihr. Berge von Gold erhoben sich vor ihren Augen, glänzten und klangen, und das ungläubige Herz griff danach: »Nimm es! … Es wird alles Dir gehören …«


In Fedots Hof ist großes Geschrei. Das Brettertor steht sperrangelbreit auf. Fedot flucht lauter als alle anderen: »Ja, so ist's richtig … Burschen … Das machen wir ganz einfach … Aber nichts verlauten lassen, sonst gehts uns allen dreckig! …«

»Ja, ja, ganz einfach … Wenn alle einverstanden sind … Dann ist's genau so, als ob der Mir beschlossen hätte.«

»Also los, jetzt erst nach Hause!«

»Auf, auf!«

»Warte mal mit Eurem ›Auf, auf‹ … Prow kommt!«

Der Nachtwächter geht mit seinem Schlagholz vorbei. Die Hähne krähen schon. Auf dem Berge brennen drei Feuer wie drei große Sterne. Vom Berge her klingen Lieder, quietscht die Harmonika, zerschneiden Kreischen, Schreien, Gelächter die frische Nachtluft.

Terëcha stimmt die »Barynja« auf seiner Harmonika an, die Burschen fallen in den Gesang ein:

Mädel, Mädel, sei nicht dumm,
Dreh' Dich mit im Kreis herum …

Wieder Geschrei, wieder Gelächter und die lachenden Flötenstimmen.

Zwei Männer gehen zu dem Gefangenenhaus, traten dicht zu dem Riesen Keschka heran und flüsterten ihm etwas zu. Keschka fuchtelte mit den Armen, sagte etwas vor sich hin und spuckt wütend in die Luft. Sie flüstern noch eine Weile, dann gehen die Beiden.

»Wartet, Ihr Teufel!«, schrie Keschka, schiebt seinen Gürtel zurecht, stampft ein paarmal mit dem Fuße auf, räuspert sich nochmals und schlägt mit der Faust an die Tür der Zelle: »He, Ihr Bürschchen!«

Eine Sternschnuppe fällt, eine Träne des Himmels. Leise rauscht der nächtliche Fluß, aus der Taiga steigt der Mond empor wie ein gelber Ball. Aber die Burschen auf dem Berge stampfen einen Trepak, klatschen in die Hände und singen laut:

Mädel, Mädel, nimm's nicht krumm …
Dreh' Dich doch mit uns herum …

»He, wartet Ihr Burschen … Morgen werdet Ihr was merken … Hört Ihr?«

Er legte das Ohr an den Türspalt und lauschte … Keine Antwort. Da hustete der lange Keschka, der in seinem Pelz einem Bären ähnlich sah, seufzte, ging einmal rings um das Gefangenenhaus herum, stellte sich vor dem Fenster auf die Zehenspitzen und schrie nochmals: »He, Ihr Burschen!«

Drin bewegte sich etwas, die Landstreicher sprachen leise zusammen.

Da holte Keschka ganz tief Atem und sagte: »Ihr könnt Euch immer vorbereiten, Ihr Burschen … Morgen werdet Ihr … Morgen in der Früh.«


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