Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14.

Seit der Stunde, da die Sünde geschehen war, konnte Dascha ihres Lebens nicht mehr froh werden. Es war so, als ob sie jemand an einen Abgrund stieß und sie nicht die Kraft hatte ihm Widerstand zu leisten. Es ging ihr noch am besten, wenn sie ihre Angst in Schnaps ersäufte.

Abends kam ihr Liebhaber Fedenjka auf seinen kurzen krummen Beinen in die Küche. Der Verwalter Iljucha war guter Laune – Borodulin würde sich ziemlich lange in Kedrowka austoben, – und er holte drei Flaschen Borodulin'schen Kognaks, den er gelegentlich bei Seite gebracht hatte. Die drei Flaschen würden schon für alle reichen.

So begannen sie alle Vier in der Küche zu feiern, aber Fedosja war doch vernünftig genug, daß sie bald aufstand und zu Anna ging: Der Hausherr hatte ihr nun einmal befohlen, ihr Auge auf sie zu haben.

Iljucha stieg der Schnaps sofort in den Kopf: er lachte, er weinte und ließ dabei den Speichel aus den Mundwinkeln laufen, er kroch zu Fedenjka und küßte ihn, er schimpfte Borodulin, den Popen, den Priester in Grund und Boden und sank schließlich, als er schon total betrunken war, kopfüber wie ein Klotz unter den Tisch.

Der schwarzhaarige Fedenjka kaut mit seinen eisernen Kiefern das Rindfleisch, seine Katzenaugen sind zusammengekniffen und gierig auf Daschas rosige Lippen gerichtet.

Als Iljucha anfing zu schnarchen und im Schlaf irre zu reden, erhebt sich Fedenjka, steckt seinen geschorenen grobknochigen Kopf in die gute Stube nebenan, wie ein Dieb, sucht dort mit den Augen herum, lauscht und schließt die Tür fest.

»Nun?« sagte er zu Dascha. Seine Stimme war zärtlich, sein Gesicht war zärtlich, nur in den Augen leuchtete es böse. »Nun?«

Dascha kroch ganz in sich zusammen, als ob ein wilder Bär sich vor ihr auf die Hinterpranken erhebe.

»Ich weiß garnichts … Mein armes Köpfchen …« lispelten ihre Lippen aber sie wagte nicht dem Ansiedler ins Gesicht zu sehen.

»Bocke nicht, Daschenjka«, zischte Fedenjka und ließ das Weiße in seinen Augen schimmern. Dascha war es, als ob eine Schlange ihr Herz einschnürte. Es war ihr einfach entsetzlich.

»Wenn Du befiehlst, daß ich … wo soll ich denn bleiben?« sagte Dascha leise und goß sich ein neues Glas Schnaps in den Mund, um den inneren Brand zu löschen; irgend etwas war in ihrem Innern in Aufregung geraten, Dascha stöhnt und wollte sich erheben.

»Wohin?« fragte Fedenjka, blickte sie mit dem unentrinnbaren Blick eines Zuchthäuslers an und legte ihr schwer die Hand auf die Schulter.

»Na, meinetwegen«, sagte Dascha wie im Traum und befreite sich vorsichtig vor seiner schmutzigen Hand mit den gelben Nägeln: »Nun, nimm mal an, Borodulin wird Witwer … Ich mache mich an ihn ran wie eine Eidechse … werde seine Haushälterin, schließlich seine Ehefrau.«

»Unsinn, Daschenjka«, knurrte der Einsiedler und wirft einen finsteren Blick auf den am Boden schnarchenden Iljucha. »Ha, ha, er wird Witwer … Wie denkst Du Dir denn das? … Willst Du einfach abwarten … Du mußt sie zusammen mit dem Kaufmann vergiften die kröpfige Alte, aber nur zusammen mit ihm … zusammen mit Borodulin, Daschenjka. Hast Du verstanden? Damit Du ihn immer unter Druck hast. Verstanden? Nachher kannst Du kommandieren, nachher kannst Du Stricke aus ihm drehen.« Seine Augen glänzten. »Aber nimm Dich ja in acht … Dascha … wenn Du mir Zicken machst, dann kostet es Deinen Kopf. Wenn Du mich versetzt, mußt Du um die Ecke!«

Er sprach diese schrecklichen Worte mit einem Lächeln, so freundlich, als ob er eine unterhaltsame Geschichte erzählte.

Daschas Nasenflügel blähen sich weit auf: »Und Anka?«

»Anna ist halb verrückt, sie werden sie nicht heiraten lassen«, flüsterte Fedenjka.

»Und der Soldat?«

»Deinen Soldaten schicke ich zusammen mit Borodulin auf einmal zum Teufel … Ich werde sie zusammen erledigen, in der Taiga, hinter einem Strauch …«, sagte Fedenjka mit veränderter stahlharter Stimme und bohrte seine Blicke in die Augen der entsetzten Dascha. »Ich locke sie auf die Jagd und mache sie beide kalt!«

Dascha, die bisher wie im Traum zugehört hatte, schrie auf und wich zurück.

»Was ist denn los?«

»Du Teufel! Du Bestie!«

»Daschka!« stampfte Fedenjka mit dem Fuße auf.

Daschka zuckte zusammen und blickte Fedenjka mit einem langen verächtlichen Blicke an. Dann fing sie aber plötzlich ein gequältes Lachen an: »Ech-ma!«, riß sie sich aus ihren trüben Gedanken los und griff nach dem Schnapsglas. Ihre Zähne schlugen an das Glas, der Schnaps rann ihr über die Hand, über die blaue Jacke mit den roten Knöpfen und während sie stöhnte und anfing zu weinen, war immer noch das krampfhafte Lachen in ihrer Brust.

»Willst Du, Fedenjka?« droht sie ihm spielerisch mit dem Finger. »Willst Du, Bösewicht, zum Urjädnik? He?« Aber im selben Augenblick warf sie sich, heiß atmend in ihrer Trunkenheit, dem Ansiedler an die Brust.

Fedenjka mußte ein wenig lächeln und holte aus dem Stiefelschaft einen selbstgemachten Dolch.

»Wohin?« fragte er mit gerunzelten Brauen und packte Dascha mit eiserner Faust.

Dascha erbleichte und legte die Hände vor die Brust: »Denkst Du, ich hätte Angst vor Dir, Fedenjka? Ich fürchtete mich, was?« So stand sie, den Kopf stolz zurückgeworfen vor ihm, aber der Einsiedler trat einen Schritt zurück, um besser mit dem Dolch ausholen zu können.

»Wenn er mich jetzt doch ersticht«, – zuckte es Dascha durch den Kopf. Aber der Haß auf den Liebhaber und der Rausch ließen ihre Angst vergehen.

Die lächelnden Augen Fedenjkas füllten sich mit Blut und plötzlich holte er mit dem Dolche weit aus. Dascha schrie auf und griff an den Tisch. Der Ansiedler ließ den Dolch mit wildem Schwung durch die ganze Küche in die Tür fahren. Knirschend bohrte er sich einen Zoll tief ins Holz.

»So werde ich ihn in der Taiga …«, sagte der Einsiedler mit ruhiger Stimme und schritt zur Tür. »Ich vergehe vor Sehnsucht nach Dir … Du bist so feurig … Du bist so reizend … Gib Dir keine Mühe, Daschenjka, Du kommst mir nicht aus ..« Er setzte sich neben sie und berührte wie im Spiel, ihre Schulter. »Wenn Du da oben genügend hast …« klopfte er mit dem Finger an ihre hohe Stirn, »dann werden wir als sehr reiche Leute sterben.«

»Du Verführer … Aber nimm schon, nimm, was Du magst …« schlang sie ihre Arme um seinen Hals und schloß ihre trunkenen Augen. Fedenjka lachte aus vollem Halse. Sie zitterte am ganzen Leibe und auf der weißen Stirn standen Schweißtropfen.


Das Tor knirschte, Hufe gingen über das Pflaster.

»Wen schickt uns denn da der Teufel«, knurrte der Ansiedler.

»Komm, wir wollen an den Fluß gehen.«

Auf der Treppe hörte man schwere Schritte, jemand suchte den Riegel.

»Na, Ihr habt es ja hier nicht schlecht«, sagte im Eintreten der große, ein wenig gebückte Prow und bekreuzigte sich gegen die vordere Zimmerecke.

Anna stieß die Tür auf und blieb im freudigen Schreck auf der Schwelle stehen: »Bist Du doch gekommen?«

»Grüß Dich Gott, Anna!«

»Väterchen, Väterchen!« warf sie sich ihm an den Hals. »Ist aber Andrjuscha auch gekommen? Und ist Mütterchen gekommen?«

Prow warf einen Blick auf die Tochter und war sofort im Bilde. Er schüttelte den Kopf, das Licht der Lampe zitterte vor seinen Augen, ringsum war alles dunkel und der Boden schwankte ihm unter den Füßen.

»Komm, wir werden heimfahren: Mütterchen vergießt bittere Tränen über Dich. Was hast Du denn mein Töchterchen? Bist Du krank?«

»Nein, ich bin gesund. Gott sei Dank, bin ich gesund …« Aber dabei preßte sie die Hände an ihre Schläfen und schloß die Augen, als ob sie helles Licht blendete.

Prow stand vor ihr, die Hände auf ihre Schulter gelegt und versuchte vergeblich, sich in ihrem Gesicht zurecht zu finden. »Ach, ich möchte erst mal etwas trinken!« Er ließ sich schwer wie ein Sack auf die Bank nieder und trank einen Krug Wasser in einem Zuge aus.

Darja und der Ansiedler gingen weg. Fenja führte Prow und Anna in die gute Stube, gab ihnen zu essen und dann legten sie sich alle schlafen.

Anna sagte im Einschlafen, als ob sie sich beklagen wollte: »Väterchen … Nun, Väterchen, schlecht …«

»Was ist denn schlecht?«

»Aber nach den Büchern ist alles gut. Und wird alles gut werden.«

»Nun, und wie ist Iwan Stepanytsch zu Dir?«

»Ich weiß es nicht. Ich verstehe ihn nicht ganz.«

»Nun, und wieviel hast Du bei ihm verdient? Hat er die Rechnung schon fertig gemacht oder will er sie erst später machen?«

»Väterchen, später. Jetzt muß ich erst mal ausschlafen, morgen bin ich eine andere!«

Es wurde still im Hause. Nur aus der Küche hörte man das Schnarchen des betrunkenen Iljucha. Prow konnte nicht einschlafen. Er blickte auf das Heiligenbild, das Licht flackerte und beleuchtete das leidende Antlitz Christi. Prow stöhnte. Seine Seele suchte nach einem Gebet. Er müßte eigentlich sofort aufstehen und alles dem Herrn offenbaren, seinen heiligen Rat empfangen und Ruhe für das Herz erflehen. Er ging zu dem Heiligenbilde und sank vor ihm in die Knie. Das Licht neigte sich ihm zu und flackerte. Prow's Gesicht verzog sich in Falten und als er mit der Stirn die Erde berührt hatte, konnte er nicht mehr an sich halten, begann still vor sich hinzuschluchzen, und damit es die anderen nicht hörten, leise zu beten: »Deine Magd Anna … Erleuchte sie … Herr unser Gott!« Aber Prow wußte nicht, mit welchen Worten er seinen Gott erweichen sollte und das nagte noch mehr an seiner Seele und machte sie bekümmert.

»Erleuchte sie … wieder ganz … wegen unseres Alters … uns zum Troste!«


Nach dem zweiten Hahnenschrei kam Dascha nach Hause. Sie legte sich zu Fenja ins Bett und umarmte sie kräftig.

»Du Sau, Daschka«, sagte Fenja, »hast Du Dich wieder mit dem Halunken herumgetrieben!«

»Schweig' still«, zischte Dascha. »Ich werde nach Kedrowka fahren. Man kann den Herrn doch nicht so allein, ohne Aufsicht … dort lassen!«

»Fahre nur zu! Du wirst Dir sowieso noch mal den Hals brechen. Du bist nun mal eine solche.«

»Ech, Fenja, Fenja!« seufzte Dascha aus tiefster Seele. »Du verstehst einfach nicht das Geringste, Fenja!«

»Dann laß ihn doch, gib ihm doch den Laufpaß!«

»Warte, Fenja … Ich werde Dir ein Wort sagen … Ich werde Dir alles erzählen.«

»Du bist und bleibst eben eine Hündin, ich sehe es schon!«

»Jetzt willst Du mich auch noch beleidigen?« heulte Dascha, und um nicht durch das ganze Haus hinauszuschreien, biß sie mit den Zähnen ins Kopfkissen und stöhnte.


 << zurück weiter >>