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VIII.

Beim Abschied schärfte der Marquis dem Sohne nochmals die Schritte ein, die er nun gegen die Mutter tun sollte. Jeden Tag hatte er mündlich Bericht zu erstatten. Eine Geldunterstützung oder Unterkunft in dem weiträumigen ehemaligen Palais der Königin Marguerite aber hatte er abgelehnt.

»Nichts da! Du bist nun alt genug, dich endlich selbst durchzubringen.«

Aber das Alter allein ernährt nicht immer seinen Mann.

Sehr verzagt trottete der Sohn an den Palästen der Rue de Seine entlang. Was nun? In dem von ihm geschändeten Hause des Polizeileutnants konnte er nicht länger wohnen. Über die bloßgestellte Madame machte er sich keine Gedanken. Der Mann liebte sie ja. Das würde sich schon wieder einrenken. Aber er mußte fort. Doch wohin? Viel war nicht mehr übrig von den hofzahnärztlichen fünfhundert Livres. Hm, ob Reine-Anne Rat wußte? Versuchen mußte er es. Zunächst aber galt es, in sein Zimmer zu schleichen und seine paar Habseligkeiten zu holen.

Er gelangte ungesehen in sein Gemach. Auf dem Tisch glänzte matt ein neues Schreiben. Es war die Ladung vor das Ehrengericht der Marschälle Frankreichs mit der Drohung der gewaltsamen Vorführung, falls er sich nicht freiwillig stellte.

Das war die Katastrophe! Jetzt war der Pariser Boden für ihn ein glühender Rost. Einen Mann von seinem auffallenden Äußeren zu ermitteln, war kein polizeiliches Heldenstück. Was nun?

Sein schwerer Körper sank hilflos auf einen Stuhl, daß er in den Fugen ächzte. Was nun? Jetzt stand er wieder, nach kaum vier Wochen der Freiheit, am Tore der Zitadelle.

Da blieb sein Blick an Sophies Schlüssel haften, den er heute morgen ärgerlich achtlos auf den Tisch geworfen hatte.

Seine Augen weiteten sich. Sollte dieser Schlüssel dort ihm am Ende die Zuflucht öffnen?! Die Gedanken überstürzten sich, wurden zum Plane, zu einem der tollkühnen wilden Mirabeau-Pläne.

Mit raffenden Händen warf er seine Sachen in den Mantelsack und schlich, wie ein Dieb, aus dem gastlichen Hause des langjährigen besten Freundes, den er so oft seinen »guten Engel« genannt hatte, weil er ihm die tausend Vergünstigungen seiner Haft verdankte.

Vorbei – nicht grübeln – nicht schwächlich bereuen! Handeln!

Seine Barschaft reichte gerade für die Posttaxe. Es war die Strecke nach Lyon. In Nogent-sur-Verninon verließ er die Post. Dann ein Marsch von einer guten Stunde.

Spät abends kam er bitter durchfroren an. Sophies Brief gab die Verhaltungsmaßregeln. Die Klostermauer von Saintes-Claires war bald gefunden. Sie war zu übersteigen. Dann sollte er im Klostergarten warten, bis alle Lichter hinter den Bogenfenstern erloschen. Kein angenehmer Aufenthalt in der Winterkälte – dieser Klostergarten. Er stampfte mit den erstarrenden Füßen und hauchte in die klammen Finger. Endlich waren alle Scheiben dunkel erblindet. Jetzt zum Tor geschlichen – den Schlüssel leise hineingebohrt – er drehte ihn. –

Da ward die schwere Pforte schon von innen geöffnet – er fühlte im Dunkel etwas Weiches-Lebendes – hörte unterdrücktes Schluchzen – ward heftig gefaßt – hineingezogen – das Tor schloß sich lautlos – Hände tasteten nach ihm – ein Körper fiel gegen ihn, lag an seiner Brust – wimmerte wie ein kleiner Hund vor Freude, Schmerz und Glück – Tränen netzten sein Gesicht – Hände befühlten seinen Kopf, seinen Hals, seine Brust – schwerer feuchter Atem schlug ihm warm entgegen – erstickt flüsterte es: »Du – du – mein – endlich!« Dann zog es ihn fort, über Treppen – ganz leise – vorsichtig – durch Gänge. Ein dunkel gähnender Spalt – eine Zellentür – das Fenster schwarz-bleich, davor die Silhouetten kahler Winterzweige. Die Tür ward geschlossen – er hörte Hantieren mit dem Feuerzeug – der Stahl sprühte – das Werg glomm auf – flammte – die Lampe klirrte – brannte.

Sie standen sich gegenüber.

Sie zauderte einen Augenblick, dann lag sie an seinem Herzen. Ihr Körper zuckte krampfig unter der Gewalt ihrer Freude. Sie weinte, sie stammelte, sie umfaßte seine Schultern, seine Arme, betastete seine Brust, nahm sein kaltes Gesicht zwischen ihre Handflächen.

»Du – Gabriel – du – da bist du doch! Du bist es – Endlich – Mein – mein – du!«

Sie fand nichts als die urewigen Laute menschlicher Seligkeit des Wiedersehens.

Er schwieg beklommen. Er sah sie. Schmal, erfroren vom Warten in dem kalten Flure, mit frostgeröteter Nase, abgezehrt, mitgenommen von der Geburt des Kindes, dem Jammer der Trennung von dem Neugeborenen, dem Schmerze über seinen Tod bei der Ziehfrau, verblüht in der Stubenluft der jahrelangen Gefangenschaft, zerrüttet durch die Erniedrigung des Zusammenwohnens mit gemeinen Dirnen bei Fräulein Douay, ausgehöhlt von ihrer Liebe, zerrieben von ihrer Sehnsucht – so sah er sie wieder nach dieser vierjährigen Trennung in einem häßlichen grauen gewöhnlichen unkleidsamen Anstaltsgewande. Männeraugen im Wiedersehen sind brutal und schonungslos.

Er sah nur ihre Entstellung, sie sah nur ihn.

»Du – du – bleich bist du und so kalt – hast gefroren, mein alles, du! Komm, ich wärme dich – hier, tu deine Hände an meine Brust – schmal ist dein Gesicht – krank deine Farbe – haben sie dich dort gequält, du mein Alles? Ich mach' dich gesund – wart' nur! Mit meinem Herzblut. Ich bin ja so gesund. Ach, ich rede, und du hast Hunger!«

Sie lief zum Ofen, brachte Speisen, die sie sich vom Munde abgespart hatte, seit sie ihn erwartete.

»Komm, iß. Iß erst. Sprich nicht. Iß nur.«

Er aß und dachte: »War sie auch früher nur sorgendes Weib? Ohne jeden Geist?!«

Dann saß sie ihm gegenüber und bat: »Nun sprich. Nun sag' mir alles. Liebst du mich noch? Ich bin alt geworden und häßlich. Und so viele graue Haare.«

Er lächelte. Und plötzlich war es ihm, als sähe er unter der Maske der Veränderung Spuren ihres lieben schönen feinen Gesichtes, das ihn einst in Pontarlier so sehr entzückte.

Da fand er Worte der Innigkeit. Beseligt fiel sie vor ihm nieder, umklammerte seine Knie und dankte ihm, daß die Liebe ihn zu ihr geführt hatte.

Er errötete. Doch sie sah es nicht.

Dann bettete sie ihn in ihr hartes Gefangenenlager. Und kam zu ihm mit der aufgespeicherten Leidenschaft und Inbrunst von vier hungrigen Jahren. Und fühlte inmitten ihres Taumels seine Sättigung. Und erstarrte.

Dann schlief er ein. »Bin müde von der langen Fahrt«, raunte er, schon fast verdämmert.

Sie schloß kein Auge. Sakrileg wäre es ihr erschienen, eine Sekunde dieser ersten Nacht in Schlummer zu vergeuden. Lag eng an die Wand gepreßt neben dem großen schweren schnarchenden Manne, liebkoste zaghaft seinen Körper und weinte bitterlich. Denn ein Ahnen, eine dieser wundersamen Frauenahnungen, sagte ihr, daß dieser Mann, der neben ihr lag, ihr ferner, jetzt viel ferner war, als da er hinter den Mauern von Vincennes gefesselt lebte. – –

Doch es kamen auch Stunden der Nähe. Wenn es an die Tür pochte, barg sie ihn im weiten Schranke.

Sie saßen dicht aneinander gepreßt und plauderten. Von Pontarlier, von Amsterdam, von Verrières, von dem frechen Abend in Dijon auf dem Ball des Herrn von Moutherot, von seinen Büchern, von ihren kleinen Erlebnissen in Paris und hier im Kloster Saintes-Claires.

Einmal sagte er: »Manchmal meine ich, du müßtest mir zürnen, daß ich in deine Stille zu Pontarlier eingebrochen bin.«

Sie sah ihn voller Staunen an, ehe sie entgegnete:

»Liebster! Ein Mann schenkt einer Frau ein großartiges Schloß. Wird sie ihm Vorwürfe machen, weil sie darin vom Blitz erschlagen wird!« – –

Er sprach davon, daß er nun bald etwas gegen jenes Urteil unternehmen müsse, durch das er zum Tode in effigie, zu fünfhundert Livres Geldstrafe, zu vierzigtausend Livres Schadenersatz und sie zu lebenslänglichem Arrest in einer Besserungsanstalt und zur Brandmarkung verurteilt worden sei.

»Da das Urteil in unserer Abwesenheit erging, können wir es binnen fünf Jahren anfechten.«

»Du willst wieder für mich kämpfen!« rief sie jubelnd. »Und dann werde auch ich frei werden!!«

Er nickte. Sie fiel, aufschluchzend in Hoffnung, an seine Brust.

Und doch ward sie alle diese Tage, die er blieb, die bange Angst und Sorge nicht los, daß es ihr letztes Zusammensein sei. Sie fühlte, daß sie ihm fremd geworden war. Wohl spielte sie unter Schmerzen die gläubig Vertrauende. Sie lag nachts an seiner Seite, sprach von dem gestorbenen Kinde.

»Vielleicht erhalten wir Ersatz«, tröstete er. »Möchtest du es?«

»Ach! Ob ich es wollte! Aber wer weiß, ob uns dieses Glück beschieden ist! Und außerdem, würde es den Verlust ersetzen?! Das tote war unser Schmerzenskind! Die kommenden könnten ja bloß in Glückstagen geboren sein!«

Er schwieg. Sie klammerte sich im Dunkel an ihn und preßte ihren Mund in die Kissen, ihren Schrei des Zweifels und der Vorahnung zu ersticken.

Sie sprachen von seinen Plänen, seiner Zukunft.

»Willst du wieder Offizier werden?« fragte sie. Er schüttelte den Kopf. »Ich will Staatsmann werden.« Sie lauschte mit leuchtenden Augen seinem Zukunftsschwärmen.

Manchmal, wenn sie lange geschwiegen hatten, sprach sie laut Folgerungen ihrer trüben Gedanken aus: »Weißt du noch – in Pontarlier – ehe wir uns ganz fanden, sagte ich, die Liebe sei, wie alles andere, der Neuheit untertan und werde durch die Gewohnheit abgestumpft und sterbe vor Ermattung im Schoße des Genusses.«

Er nickte. »Ich weiß es noch. Ich widersprach dieser so oft wiederholten Ansicht, nannte sie Irrtum und versicherte dir, daß die Gewöhnung das köstlichste gegenseitige Wohlwollen zweier Seelen, genannt Liebe, nur vermehrt. Daß die Gewohnheit die Phantasie bloß in den rein physischen Vorstellungen tötet; daß die seelischen und geistigen Eigenschaften dagegen ein immer neues Feuer in schönen Augen unterhalten!«

Da sprang sie lebhaft auf. »Ja, so sagtest du. Und was sagst du heute?«

Ihre Angst lohte in ihren schwarzen Augen.

»Ich sage heute dasselbe«, erwiderte er und verstand nur zu gut ihre Angst.

Er sprach nicht von der Zeit seines Bleibens. Sie fragte ihn, nach drei Tagen.

»Ich bleibe, solange es irgend geht«, entschied er.

Da leuchtete ihr Gesicht hell auf in neuem Hoffen. Sie wußte nicht, die Arme, daß sie ihm letztes Asyl war.

Ihre Angst gebar die Frage: »Glaubst du, daß Männer jener großen, alles umfassenden Liebe fähig sind, die im Grunde das Natürliche bei Frauen ist?«

Als Antwort erzählte er ihr: »Der Marquis von Grille, ein Vetter von mir, war sehr in ein schönes Fräulein verliebt, das an den Blattern starb. In seiner Verzweiflung verbarg er sich in der Jakobinerkirche zu Toulouse, in der sie beigesetzt wurde. Am Abend fand ein Klosterbruder, dem es oblag, Öl in die Lampen zu füllen, zu seiner heftigsten Überraschung den armen Liebhaber, der ihm mit der einen Hand eine Börse mit vierhundert Louisdor anbot, unter der Bedingung, daß ihm die Gruft des Fräuleins geöffnet werde, während er mit der andern einen Dolch zückte und den Mönch zu töten drohte, wenn dieser sich weigern sollte. Der Bruder war allein, die Türen der Kirche waren verschlossen – welcher Aufforderung folgen? Keiner, sondern er beschloß, meinem armen Vetter eine Falle zu stellen, in die dieser auch ging, sei es, daß er sehr dumm war, sei es, daß er seinen Geist verloren hatte. Kurzum, der Bruder sagte ihm, der Stein, der das Grab bedecke, sei zu schwer, als daß er ihn allein heben könnte. Er versprach, Freunde zu holen. Die ganze Brüderschaft erschien plötzlich, überwältigte den verzweifelten Liebhaber und führte ihn mit Gewalt in seine Wohnung. Aber obwohl man ihn bewachte, fand er ein Mittel, zu entkommen, und stürzte sich von der Höhe seines Hauses aufs Pflaster, wo er zerschmettert liegenblieb. Du wirst zugeben, Liebste, daß dieser Mann zu lieben verstand. Ich gebe ihm recht. Was soll man noch auf der Welt, wenn man seine Geliebte nicht mehr in ihr finden kann? Es ist ein Verbrechen, sie zu überleben.«

Sie fiel, sich an seinen Worten berauschend, selbst betrügend, vor ihm nieder und küßte seine Knie.

So gingen die Stunden, in Höhen und Tiefen, Wellenkämme der Zuversicht, Wellentäler tiefsten Verzagens.

Vier Tage waren verronnen. Da klopfte es des Abends. Mirabeau sprang mit der Behendigkeit, die er allmählich errungen hatte, in den bergenden Schrank.

Er erschrak nicht wenig, als er an den Stimmen der Eintretenden die Äbtissin und Herrn Dupont, den Vertrauten des Vaters, erkannte. Wieder klaffte eine Katastrophe!

Der Marquis hatte die befohlenen Berichte vermißt und nachforschen lassen. Man fand die zerrissene Ladung des Marschallsgerichts. Ermittelungen bei Dauvers ergaben den Rattenkönig von Intrigen. Man spürte dem Flüchtling nach. Schließlich führte eine vage Vermutung nach Gien, zu seiner langjährigen Geliebten.

Die Äbtissin war über die Zumutung Duponts, in »ihrem« Kloster wäre vielleicht eine Mannsperson verborgen, entrüstet – atemlos entrüstet.

»I!« besänftigte der alte Gelehrte, »bei manchem Nonnenklosterbrande sind schon ganze Trüpplein von Männchen aus Fenstern und Türen gehüpft.«

Die Äbtissin schlug die Hände über dem Spitzbauch zusammen, drückte ihr Empörungs-Doppelkinn gegen den hohen Busen und sagte: »Bitte, Monsieur, überzeugen Sie sich selbst.« –

»Der Herr sucht einen Mann in Ihrem Zimmer«, stieß sie indigniert hervor.

Das Gesicht, das Sophie bei dieser Eröffnung zeigte, war nicht gerade angetan, den Hohn der Äbtissin zu rechtfertigen.

Schon hatte Herr Dupont, der Mann der Wissenschaft, der manches schwierige ökonomische Problem geistvoll gelöst hatte, mit wissenschaftlicher Gründlichkeit die Möglichkeiten des Unsichtbarwerdens abgeschätzt, die diese Zelle bot. Jetzt öffnete er den Schrank und lud Mirabeau freundlich ein, näherzutreten.

Mit einem Aufschrei des Entsetzens fiel die Äbtissin in Ohnmacht.

Aus dem Gespräch, das sich jetzt zwischen Herrn Dupont und dem Geliebten entspann, erfuhr Sophie sehr viel Schmerzliches. Sie hörte, daß er zu ihr nur geflohen war, weil er verfolgt wurde, sie hörte von Julie Dauvers und Madame Boucher, sie hörte viel zuviel.

Der Abschied mußte, den drängenden Umständen entsprechend, kurz sein und ohne Wärme. Er stand unter der Obhut der wiedererstandenen, zur Rachegöttin entwüteten Äbtissin.

Als die Tür sich hinter Dupont, der Äbtissin und Mirabeau geschlossen hatte, stand Sophie steif inmitten der Zelle. Sie hörte die enteilenden Schritte im Gange hallen. Da warf es sie gegen die Tür; sie riß sie auf – horchte – horchte. – Noch ein kaum vernehmliches Getön auf den Fliesen – Stille – die Alltagsstille des Klosters. Vorbei! – Sie blickte sich irre um. Vorbei! Er war hier gewesen. Es war vorbei. Alles war wie sonst – der Schrank dort, das Bett – die leere Luft. – Alles stand da selbstverständlich und breit wie sonst. Und er war dagewesen!! Nichts hatte sich verändert in diesem Zimmer, in dem er vier Tage gelebt hatte. Nichts. Sie blickte um sich, immer wieder, immer wieder. Begriff nicht, daß alles wieder war wie sonst.

Dann fiel sie dumpf aufschlagend zu Boden. So fand man sie.

Beim Erwachen wußte sie, daß es ein Abschied gewesen war für immer. Wußte es, ohne klare Gründe. –

Der Marquis empfing den Ausreißer matt, stumpf. Er war des Kampfes mit dem Sohne müde. Zermürbt bezahlte er die fünfhundert Livres an Dauvers. Er mußte seine goldene Tabatière, sein letztes Kleinod, veräußern, das Geld aufzutreiben.

»Du fährst morgen mit mir nach Bignon«, sagte er hohl.

Die letzten Ereignisse hatten ihn gebrochen. Vater und Sohn hatten ausgestritten. Beide hatten den Kampf verloren.

Sophie wartete auf Nachricht. Ab und zu trafen einige Zeilen ein – kalt – inhaltslos – erzwungen. – Dann verstummte er ganz.

Sie saß am Tisch ihrer Zelle, las seine Briefe, die sie auswendig kannte, und weinte, bis ihre Lider bluteten vor Wundheit. Bis sie auch keine Tränen mehr hatte.

Er erkämpfte ihr gegen das erste Urteil von Pontarlier die Freiheit. Sie blieb im Kloster. Ihr Leben war zerbrochen. Was sollte sie draußen in der erstorbenen Welt? Sie starb täglich etwas mehr. Jeden Tag. Bis sie auch dieses halb verblichene Dasein nicht mehr ertrug. Sie zündete ein Feuer im Ofen, schloß den Abzug und tötete sich mit Kohlengas.

Sie war zu schwach gewesen für diese Liebe.

Oder zu stark?!


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