Heinrich Schaumberger
Zu spät
Heinrich Schaumberger

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Im Kaffenetle

Der Türkenhenner zankte auf dem Heimweg von der Wiese fort und fort über die jetzige Verderbtheit der Jugend im allgemeinen und über die seines »Umschlags«, wie er Fritz nannte, im besonderen. In der Nähe des Dorfes begann er zu klagen: auf den Verdruß sei ihm ganz schlecht geworden, der Umschlag sei ein Nagel zu seinem Sarg, er spüre ordentlich, wie ihm der stete Ärger ans Leben greife. Dazu begann er zu ächzen, blieb oft stehen, als wollten ihn die Beine nicht weiter tragen, und wischte sich seufzend den Schweiß ab. Die Bäurin hörte alles geduldig an; in der Nähe des oberen Wirtshauses unterbrach sie jedoch plötzlich die Jeremiaden: »Zier' dich nicht gar so dumm, alter Narr! Weiß schon was das Geraunz' bedeutet – du möchtest doch bloß ins Wirtshaus! – Meinetwegen lauf' hin, daheim bist du einem doch nur im Weg! Aber nimm dein Maul in acht, schwätz' nicht alles aus, und komm' nicht gar so spät heim, ich hab' mit dir zu reden!« Halb erfreut, halb erzürnt drohte der Henner seiner Alten mit der Faust nach und stieg bedächtig die Wirtstreppe hinan.

Im Türkenhof ging es ein wenig wild her; die Arbeiten wollten nicht recht vom Fleck, und Fritz mußte vom Bruder und den Dienstboten manch scharfes Wort hören, 40 als man noch mit Laternen in Ställen und Scheunen schaffen mußte. Fritz nahm das still hin, nur vor dem Zusammentreffen mit der Mutter graute ihm. Aber der gefürchtete Augenblick ging besser vorüber, als er zu hoffen gewagt. Die Bäuerin tat nicht, als sei etwas vorgefallen, war still und freundlich wie immer, griff selber wacker mit an, bis die Ordnung hergestellt war. Fritz war nach dem Tischgebet plötzlich verschwunden, die Dienstboten suchten ihre Kameraden auf, nur Gottfried saß müde im Lehnstuhl und schien daheim bleiben zu wollen. Freundlich trug ihm die Mutter Pfeife und Tabak zu, nötigte ihn in die Jacke und ruhte nicht, bis er sich auf den Weg ins Wirtshaus machte. Hell lag der Mondschein auf der Gasse, – sie blickte dem Sohn nach, bis er um das Ottenshaus bog, dann suchte sie seufzend ihr Strickzeug, setzte sich ans Fenster, und manche Träne fiel in die Maschen.

Ja, die schöne, stattliche, vielbeneidete Frau war auch nicht glücklich; ein schweres Leben lag hinter ihr, und die Zukunft versprach wenig Freude. Sie hatte den Türkenhenner auf Befehl ihrer Eltern als siebzehnjähriges Mädchen geheiratet. Wohl war ihr Herz noch frei gewesen, als sie in die Ehe trat, und so stand eigentlich ihrem Glück nichts im Weg, aber der Türkenhenner war ein Mensch, der frohe Gesichter nicht leiden konnte. Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit waren ihm unbekannte Dinge; an Rechtschaffenheit und Treue glaubte er nicht; Ränke spinnen, heimliche Gruben graben war seine Lust; er schien nur glücklich, wo er Verwirrung anrichten, Zwietracht säen, Feindschaft stiften konnte. Das war nun freilich nicht der Mann, ein frisches, fröhliches Mädchenherz glücklich zu machen. Zuerst erschrak die junge Bäurin über so viel Bosheit und 41 Tücke, sie begann ihren Mann zu fürchten, ärger als den Tod. Als er sie verlachte, suchte sie Schutz vor ihm bei den Eltern; – wie vorauszusehen – vergeblich. Als es dem jungen Wesen nicht gelang, ihrem Peiniger zu entrinnen, schlug ihre Furcht in leidenschaftlichen Haß um. Es kam zu fürchterlichen Auftritten, aber Henner lachte und quälte die Ärmste nur um so ärger. Zuletzt ergab sich die Bäurin in ihr schweres Geschick, trug stille ihr Leid, suchte heimlich die Sünden ihres Mannes gut zu machen, – ihn selber konnte sie nur noch verachten. Aber das war gerade, was Henner nicht zu ertragen vermochte. Jeder Mensch hat eine schwache Seite, – der Türkenhenner, der jegliche Liebe verlachte und verspottete, der nur gefürchtet und gehaßt sein wollte, – Verachtung und Geringschätzung konnten ihn aus Rand und Band bringen. Von dem Tage an, da ihn die Bäurin offen ihre Verachtung fühlen ließ, begann ihre Macht über den Bauer, und wie er auch dagegen ankämpfte, sein Widerstand vermehrte nur ihre Herrschaft. Als dann das Verhängnis den Kirchbauer erreichte, seine Unterschleife am Gemeindevermögen ans Licht kamen, ein böser Verdacht auch auf dem Henner sitzen blieb, ihm schimpflich das Schulzenamt entzogen ward, ihn allgemeine Verachtung traf, da war es um sein Regiment im Haus gänzlich geschehen. Besser ward es nun; aber ist von Glück zu reden, wenn ein Schandfleck am Namen des Mannes haftet, wenn ihn von allen Seiten nur Flüche und Verwünschungen treffen? Auch besserte das Unglück den Henner nicht, er blieb der alte Heimtücker; so scharf ihn die Bäurin im Zügel hielt, immer wieder kamen böse Dinge ans Licht, sie hatte alle Hände voll zu tun, öffentliche Schande von ihm abzuwenden. Das 42 Unheil, das er anrichtete, war nur in den seltensten Fällen wieder gut zu machen.

Dennoch war es nicht das, was ihr die Tränen in die Augen trieb. Mit dem eigenen Leben hatte sie abgeschlossen, das Unglück mit dem Unverbesserlichen ertrug sie als etwas Unabänderliches; nur ihr Mutterherz schlug noch warm und hoffnungsreich. Die Mutterliebe war es ja allein, was ihr Kraft gab, das jammervolle Leben zu ertragen, die Mutterhoffnung, was sie vor Verzweiflung bewahrte. In ihren Kindern hoffte sie das Glück zu finden, das ihr selbst versagt blieb, mit ihnen wollte sie neu aufleben. Treu erfüllte sie ihre Mutterpflichten; Tag und Nacht wachte sie über ihre Kinder, im heißen Gebet flehte sie zu Gott um Kraft und Einsicht, sie zu braven, tüchtigen Menschen heranzubilden, dem bösen Beispiel des Vaters die Macht zu nehmen. Ihr Streben blieb nicht unbelohnt. Die beiden Jüngsten schlossen sich fest an sie an, ihre empfänglichen Gemüter nahmen die Bitten und Ermahnungen der Mutter willig auf, vielleicht noch mehr als die Lehren wirkte ihr Beispiel, ihre Liebe. Bald trösteten Gottfried und Mathilde die Mutter über die Wildheit des Vaters, halfen ihr im stillen sein Unrecht ausgleichen. Aber beide Kinder waren schwächlich und kränklich von Jugend auf, die sorgsamste Pflege konnte ihre Gesundheit nicht befestigen. Vier Wochen nach ihrer Konfirmation lag Mathilde, das schöne, milde Kind, auf der Totenbahre, und die trostlose Mutter mußte mit der einzigen Tochter ihre liebsten Hoffnungen ins Grab versenken lassen. Nun war Gottfried ihr alleiniger Trost, auch ihre einzige Stütze, – aber wie lange noch? So sehr sie sich auch dagegen sträubte, sie konnte sich nicht verhehlen, 43 daß Gottfried mehr und mehr verfiel, daß auch seine Tage gezählt seien. Als er vorhin so gar zerbrochen, so bleich und verfallen im Sessel saß, da war ihr ein Stich durchs Herz gegangen, sie hatte Gottfried fast mit Gewalt ins Wirtshaus getrieben, um sich in der Stille recht von Herzen ausweinen zu können.

Sie hatte ja freilich noch einen Sohn, und ihr ältester, der Fritz, war ein so stattlicher, kräftiger, gesunder Bursche, wie man ihn nur wünschen konnte. Aber gerade an Fritz hatte die Mutter noch wenig Freude erlebt, auch seinetwegen quollen ihre Augen über.

Fritz war entschieden mehr dem Vater als der Mutter nachgeartet. Hatte er auch nicht die herzlose Bosheit, die Falschheit und Heimtücke des Vaters völlig geerbt, eine Anlage dazu war unverkennbar in ihm. Vielleicht wäre es der Mutter gelungen, diese Angelegenheit im Keim zu ersticken. Aber Fritz war von klein auf der Liebling des Vaters, wenn man beim Henner überhaupt von Liebe reden darf, stand unter seinem besonderen Schutz und erhielt schon frühe Anleitung, der Mutter zu trotzen. Henner sprach es offen aus: sein Fritz müsse einmal sein Ebenbild werden! – Zum Glück für den Knaben trat der Wechsel in der Hausherrschaft ein, ehe ihn der Vater völlig verdorben; freilich brachte der gewaltsame Umsturz neue Gefahren gerade für ihn. Hatte er schon früher im stillen die Lehre des Vaters: »Du brauchst deine Mutter nicht zu achten,« – dahin vervollständigt: also den Vater erst recht nicht, – so schienen die neuesten Ereignisse seine heimlichen Gedanken nur zu bestätigen, ihn gleichsam aufzufordern, sie nun auch zur Tat werden zu lassen. Mit Schaudern gedachte die Bäurin an die Not, welche ihr der 44 wilde, meisterlose Bube gemacht; lange Zeit konnte sie ihn nicht zwingen, erst als sie ernstlich damit umging, ihn dem Sülzdorfer Schulbauer in die Zucht zu geben, fügte sich Fritz. Aber weder ihre Liebe, noch ihr Ernst, weder Milde noch Strenge vermochte das vom Vater gesäte Unkraut zu vernichten: Fritz blieb ein eigensinniger Trotzkopf. Selbstsucht war sein hervorstechendster Charakterzug, und sie sog aus seiner lächerlichen Eigenliebe, seiner Eitelkeit auf sich selbst, seinem Hochmut auf Reichtum immer neue Nahrung. Liebe zur Arbeit, die er vom Vater verachten gelernt, war ihm nicht einzuflößen, nie tat er mehr, als er unbedingt mußte, dagegen war er stets zu dummen Streichen aufgelegt. – Welchen namenlosen Kummer hatte der armen Frau schon die Torheiten, der Leichtsinn des Sohnes bereitet! Nicht seine albernen Streiche, die ihn zum Gespött bei alt und jung machten, preßten ihr die Tränen aus – ach, Fritz machte ihr noch ganz andere Sorgen. Nur allzu gut wußte sie, wie all sein Dichten und Trachten darauf gerichtet war, schnell und mühelos reich zu werden, wie er darum Tag und Nacht auf eine möglichst vorteilhafte Heirat sann. Dennoch hatte er sich mit einem armen Mädchen in einen Liebeshandel eingelassen, – und nun blutete der Mutter das Herz, wenn sie bedachte, welch grausam frevles Spiel ihr Fritz mit dem Glück des bravsten Mädchens trieb, die sie so gern, ach so gern, als ihre Tochter in ihr Haus eingeführt hätte. All ihr Bitten, all ihre Mahnungen glitten wirkungslos ab am harten Herzen des Sohnes; nicht nur setzte er sein sündhaftes Spiel unbeirrt fort, auch sonst ward er täglich schlimmer, toller, verdrehter, unnützer. – Welche Last lag doch auf dem Herzen der Armen!

45 Leise ging der Mond seine Bahn, in aller Stille kam er um die Hausecke und blickte durch die vordern Fenster in die Stube. Die Dienstboten schlüpften nacheinander ins Haus, auch Gottfried und Fritz waren zurückgekehrt, und noch immer saß die Bäurin am alten Platz. Unerträglich war ihr dieses Leben, noch einen Versuch wollte sie machen, Fritz zu retten, schlug auch der fehl, wollte sie wenigstens für sich und Gottfried eine Änderung des unleidlichen Zustandes herbeiführen.

Der Wächter rief eben im unteren Dorf die elfte Stunde an, als endlich schlürfende, unsichere Schritte draußen auf dem Tritt hörbar wurden, die Türen leise knarrten, und der Türkenhenner vorsichtig ins Zimmer trat. Beim Anblick der Bäurin, die aufrecht im Mondschein saß und fleißig die Nadel regte, fuhr er sich mit der Linken in die Haare und knurrte: »Potz Christoph von Nordheim, sie ist meiner Seel' noch auf! – Der Kuckuck hol solch 'ne lästerliche Unordnung im Haus! – Nicht einmal des Nachts hat man Ruhe!«

»Sei nur still, du alter Wirtshaushocker! Mach', daß du ins Bett kommst, ich hab' mit dir zu reden!« sagte gleichmütig die Bäurin.

»Aber ich will nicht!« schrie der Bauer. »Hast's verstanden? Ich verlang meine Ruh'! – Kein Wort red' ich – kein Wort! Potz Christoph – bin ich Herr im Haus oder du?«

»Das kümmert mich wenig, und zu reden brauchst du auch nichts, das besorg' ich selber. Aber mach' voran – ich hab' lang genug auf dich gewartet!«

»Wer hat dich's geheißen? Und ich will nichts hören – hast's verstanden? – Morgen ist auch ein Tag! Ich will nicht, ein für allemal, ich will nicht!«

46 »Jetzt geh' im Augenblick ins Bett – oder ich setz' dich an den Tisch da, bis ich fertig bin!«

Das wirkte! Knurrend verschwand Henner im Kaffenetle, bald verkündete das Rauschen der Betten, daß er für heute der Welt gute Nacht gesagt hatte. Langsam folgte ihm die Bäurin, zog sich einen Stuhl an das Bett, in dem Henner aus Leibeskräften schnarchte und sagte: »Mich betrügst du nicht, alter Narr! Übrigens kannst du es halten, wie du willst – hörst du nicht auf meine Reden, nehm' ich an, daß du mit mir eines Sinnes bist. Willst du dich nachher bockig stellen, – ich denk', du kennst mich!«

Wie der Blitz fuhr Henner im Bett herum und grollte: »Ei, so wollt' ich doch, daß dir's Maul zuwüchs'! – Red', – aber mach's kurz!«

»'s ist wegen unsrer Buben!« begann sie mit einem Seufzer. »Der Gottfried wird von Tag zu Tag weniger, der Fritz immer liederlicher, du bist schon lang das fünfte Rad am Wagen, und alle Last liegt auf mir. Nun werd' ich alt und sehn' mich nach Ruh' – das muß anders werden. Ich geb's auf, den Fritz zur Ordnung zu bringen, für den weiß ich nur noch ein Mittel: er muß heiraten und einen eigenen Haushalt anfangen. Eine rechtschaffene Frau wird ihm schon den Kopf zurechtsetzen, und muß er sich plagen, kommen die Sorgen über ihn, wird er wohl endlich gescheit werden. Er kann den hintern Hof pachten, wir geben ihm vom vorderen noch ein paar Wiesen und Äcker dazu, daß er einen ordentlichen Anfang hat. Was wir noch selber behalten, kann der Gottfried mit einem tüchtigen Knecht wohl in Ordnung halten und braucht sich nicht mehr über sein Vermögen zu plagen, – vielleicht, daß es sich mit seinem Zustand auch bessert!«

47 »So? – Und weiter nichts? – Ei, dich soll doch gleich! – Wenn du doch deinem Gottfriedle alles zuschieben könntest! Aber steckt nur die Köpf' zusammen und macht Praktiken – ich bin der Bauer, ich! – Und über mich kommt ihr nicht 'nüber! Oha, nichts da! Der Fritz bleibt im Haus und das Gut beisammen; seiner Zeit kriegt Fritz 's Ganze, der Gottfried kann sich auswärts eine Gelegenheit suchen!«

»Ich hab's so erwartet! Nun pass' auf, Henner! – Ich will von meinem Unglück kein groß Wesen machen, 's nützt doch nichts; hab' ich's so lang getragen, trüg ich's auch wohl noch länger – aber es handelt sich um meine Kinder, und da hat die Geduld ein End'! Gott weiß, ich hab' die Buben gleich lieb, drum soll auch keiner in irgend einer Sach' verkürzt werden, kann ich's hindern. Wär' Fritz ein richtiger Bursch, mir sollt's recht sein, wie du meinst, und Gottfried würd' auch mit Freuden ja dazu sagen. – Wie er aber nun einmal ist, geht's nicht! Bisher haben ich und Gottfried den Hof in Stand gehalten; wärest du nicht blind, müßtest du lang gesehen haben, daß Gottfried die Arbeiten nimmer bewältigen kann, – und mir wird's auch zuviel. Zuerst muß der Gottfried Ruh' und Ordnung haben, er soll die paar armen Jahre, die ihm noch beschieden sind, wenigstens nicht geplagt werden. Drum willigst du nicht ein, daß der Fritz den hintern Hof von uns in Pacht nimmt, – mir recht, dann zieh' ich selber mit dem Gottfried dorthin. Du wirst am besten wissen, in welchem Zustand ich Stall und Stadel dir zubrachte, – so verlang' ich's wieder zurück. – Du magst dann zusehen, wie weit du's mit deinem Fritz bringst!«

48 Henner saß schon lange aufrecht im Bett, mit weit aufgerissenen Augen schrie er: »Ha, bist du bei Trost? Rappelt's dir im Oberstüble? – Du willst den hintern Hof – mit Schiff und Geschirr? – du? – weißt du, was das besagen will? Hast's überlegt, was das zu bedeuten hat?«

»Weiß ich ganz genau!«

»Aber, was verzürn' ich mich! – Das ist ja doch Verrücktheit, alberne! Wie willst du's zwingen, wenn ich sag': daraus wird nichts?«

»Ich bin nicht mehr das dumme Ding, wie vor zwanzig Jahren. Der Hof ist mein, das Eingebrachte nicht minder. – Denk' dran, was im Amt fest gemacht ist. Wenn ich's in deinem Haus nicht mehr aushalten kann, wirst du mir mein Gut vorenthalten?«

»Aber, Alte, um alles in der Welt!« rief Henner, dem dicke Schweißtropfen auf der Stirn perlten. »Kannst du im Ernst dran denken, aus dem Haus zu gehen, deinen schönen Haushalt zu zerreißen, – der Teufel soll dir's Licht halten – um uns ins Elend zu bringen?«

»Ich denk' nicht bloß dran, ich tu's! Meinem Gottfried soll wenigstens jetzt noch sein Recht werden. Was schiebst du mir die Verantwortung zu? In deinen Händen liegt der Entscheid!«

Henner kraute sich die Haare. »Das sind Pfiff, dahinter steckt was! Gesteh's nur – holla, holla, jetzt geht mir ein Licht auf! – Gesteh's nur, den Fritz möchtest du aus dem Hause haben, daß dein Gottfriedle sicher im warmen Nest sitzt!«

»Hast du etwa nicht das Gleiche mit Fritz im Sinn? Ach, Henner, der Gottfried braucht keine Güter, der 49 verkürzt den Fritz um nichts! Magst du ihm nicht einmal ein klein wenig Ruh' und Bequemlichkeit gönnen?«

Das Schluchzen der Bäurin machte Henner doch stutzig, um vieles sanftmütiger begann er: »Hm – wenn man's recht überlegt, – im Grund ist dein Gedanke so unrecht nicht! Daß ich's nur gesteh', ich hab' selber schon dran gedacht. – Ich werd' alt – hab' mich genug geplagt – hm, hm, 's wird mir auch schön tun, krieg ich's leichter! – – Hm, hm, und dem Umschlag ist's gesund, kommt er ins Joch! – Hm, Alte, ich denk', 's wird zu machen sein, – ja, ja, 's wird sich machen lassen, die Geschicht' mit dem Fritz und dem hintern Hof. – Daß dich der Kuckuck! – Wo aber in aller Eil' mit einer Frau für den Fritz her?«

»Dafür laß den Fritz sorgen, der wird wissen, wohin er sich zu wenden hat!«

»Holla, holla – will's da 'naus? – Nä, nä, – das ist nichts, mit dem Veitenbärble gib's auf, solch' Bettelding kommt nicht in meine Sachen!«

»Steht ganz allein bei dir! – Ich aber sag': das Bärble ist das bravste Mädle weit und breit, die macht aus unserm Fritz noch einen Mann, sonst keine; dazu braucht der Fritz nicht auf Geld und Gut zu sehen: kurz und bündig, in meine Sachen kommt keine andere als das Bärble!«

»Potz Christoph von Nordheim!« schrie Henner wild und schlug sich im Eifer mit der Faust auf's Knie, daß ihm vor Schmerz ganz übel ward. »Ach, ach, – ist das 'ne Not mit den Weiberleuten! Aber dasmal laß ich mich nicht unterkriegen – so ein arm's Schluckerle kommt nicht in unsre Familie!«

50 »Wie du willst, – dann zieh' ich auf den Herbst mit Gottfried in den hintern Hof.«

Henner fluchte und wetterte, allein die Bäurin schien das gar nicht zu hören, auf alle Fragen gab sie keine Antwort, bis Henner einlenkte. Ihr Strickzeug zusammensteckend, sagte die Bäurin: »Nun ist genug gelärmt – 's muß fast schon Sonntag sein. Willigst du ein, daß der Fritz das Veitenbärble freit und den hintern Hof pachtet, ist's gut; wo nicht, weißt du, was geschieht. – Jetzt: Ja oder nein?«

Henner schwieg verstockt. Plötzlich mußte ihm ein neuer Gedanke gekommen sein, denn er rief: »Ja, ja, ins – –«

»Halt! – Das Übrige für dich, ich hab schon genug!« unterbrach ihn die Bäurin. »Morgen gleich red' ich mit Fritz, die Sach' muß bald in Ordnung kommen. Daß du mir keine Dummheiten machst hinter meinem Rücken, sonst ist's gefehlt, ich sag dir's!«

»Das war wieder ein Sturm!« seufzte der Bauer, während seine Frau ihr Lager aufsuchte. »Potz Christoph von Nordheim! 's ist nimmer auszuhalten mit dem alten Brummeisen! – Aber wart' nur!« knurrte er und drohte unter der Bettdecke mit der Faust nach dem Bett der Bäurin: »Ich leg' dir doch ein Kuckucksei ins Nest. Dasmal muß mir der Fritz helfen! 's wär' doch wunderlich, wenn ich den nicht vom Bärble losbrächt'! – – Ha, ha! Hasen will ich hüten mein Lebtag, wird das Veitenbärble Türkenbäurin. 51

 


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