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12. Kapitel.
Brigstocks Plan.

Ich setzte mich nieder und zündete die Pfeife von neuem an. Der Tabak war dick geschnitten und feucht, hielt also eine ganze Weile vor.

Die Matrosen blieben stehen; auch Brigstock setzte sich nicht. Er stand, die eine Hand auf den Tisch gestützt; mit der andern gestikulierte er, während er sprach.

»Ich denke,« so begann er, »es wird das beste sein, daß ich Ihnen gleich von vornherein mit unserm Plan bekannt mache. Es giebt nämlich in der Südsee eine ganze Menge kleine Inseln, auf die kein Mensch wohnt und die niemand gehören. Auf manche ist es ja wohl recht heiß, weil sie dicht bei den Aequator liegen, auf manche aber ist das Klima wunderschön, weil sie in die gemäßigte Zone liegen; da braucht man kaum Kleider auf dem Leibe, da findet man überall, was man zu des Lebens Nahrung und Notdurft braucht, nämlich Fische und Kokosnüsse, Brotfrucht, Bananen, Ananas, Orangen, Zuckerrohr, Yams und süße Pataten. Ist das nicht alles, was sein kann?«

Er drehte sich langsam nach den drei Matrosen um, die ihm ernsthaft zunickten.

»Die Natur ist dem Menschen sein Vater und seine Mutter,« fuhr er fort. »Sie giebt ihm Bambus zu Baumaterial und die Kokosnuß ist sein Rumfaß und seine Oelkanne. Darum haben wir den Plan gefaßt, uns eine von die Inseln auszusuchen, die noch keinem Menschen gehören; da wollen wir uns niederlassen, wir und gewisse von die Damens hier an Bord, die gewillt und einverstanden sind, mit uns Freud' und Leid in dem neuen Leben zu teilen.«

Er hielt inne, um die Wirkung dieser Worte zu beobachten. Ich saß zurückgelehnt, sog an meiner Pfeife und sah ihn an.

»Wir sind nicht die ersten, die solchen Plan ausführen thun,« redete er weiter. »Die Vereinigten Staaten von Nordamerika waren lange bloß eine Kolonie von England, ebenso Australien. Port Lewis, Barkley Sound, ist vor zwanzig Jahren kolonisiert geworden durch einen gewissen Lieutenant Smith und sechs Matrosen, die da Häuser gebaut und Rettige, Zwiebeln und Blumen gepflanzt haben. Vielleicht haben Sie auch von dem spanischen Oberst was gehört, der eine von die Galapagos kolonisiert hat. Als wir die Insel dazumal, 1838, anliefen, da wohnten dort etwa dreihundert Menschen. Sie verkauften uns Hühner und Schweine, und Mais und Zucker hätten wir auch kriegen können. Der spanische Oberst aber war ein Dummkopf. Anstatt seine Sache mit Frauenzimmern anzufangen, die respektabel waren und Lust hatten zu arbeiten, wie unsere Damens, ging er hin und sammelte in Guayaquil den Abschaum der Menschheit auf, die allerschlimmste Sorte von Unterröcken, die aufzutreiben war. Dann holte er sich eine Schiffsladung von Galgenvögel und Zuchthäusler und dachte, jetzt müßte die Karre gehen und hielt seine Insel für 'ne Musterkolonie. Es kam aber anders. Auf Schlick und Schlamm kann man keine Häuser nicht bauen. Den Kalk zu's Fundament muß man mit Tugend anrühren, wenn das Gebäude fest und sicher stehen soll. Hab' ich nicht recht?«

Der biedere Brigstock hörte sich gern reden, das hatte ich nunmehr erkannt. Er war einer jener nüchternen, respektablen, dickköpfigen und bibellesenden Seeleute, deren es eine ganze Anzahl giebt; schwerfällig, langsam, steifnackig und voll von allerlei thörichten, störrigen Ansichten, dabei willensstark und wohl geeignet, auf seine Genossen einen bestimmenden Einfluß auszuüben. Zugleich aber ward mir auch klar, daß ich es mit einem Manne zu thun hatte, dessen Entschluß bereits unabänderlich feststand.

»Ihr Plan ist also eine Niederlassung auf einer Insel im südlichen Großen Ozean,« sagte ich.

»Südlich oder nördlich, das ist gleich.«

»Und Sie haben unter den Emigrantinnen welche gefunden, die bereit sind, sich Ihnen anzuschließen?«

»So ist es.«

»Und alle Mann sind einverstanden?«

»Alle Mann,« sagte er mit ernstem Nachdruck.

»Wieviel von den Weibsleuten gedenken Sie mit sich zu nehmen?«

»Zwölf, für jeden Mann eine Frau, das ist doch selbstverständlich,« antwortete er lauter als nötig war und augenscheinlich etwas gereizt und unwillig.

»Und was soll aus dem Schiff werden, und aus den übrigen Emigrantinnen?«

»Das haben wir uns ernstlich durch den Kopf gehen lassen,« sagte er. »Dem Schiff darf nichts geschehen, und was die anderen Frauenzimmer sind, für denen muß Sorge getragen werden, das ist Christenpflicht. Und jetzt komme ich zu das Anerbieten, das wir uns überlegt haben: »Sie, Herr Morgan, führen das Schiff nach der Insel, die wir uns aussuchen werden, und hernach können Sie mit das Fahrzeug anfangen, was Sie wollen. Sie werden nun fragen, wo kriege ich eine neue Mannschaft her? Darauf antworte ich: Kanaken. Ja, Herr Morgan, Kanaken; wir werden dafür sorgen, daß Sie soviel von die Kerls ins Logis kriegen, als Sie man immer haben wollen. Kanaken sind gute Seeleute, und sind sie's nicht, dann werden sie's schnell.«

Die nervöse Unruhe, die ich vor dem Beginn dieser Unterredung innerlich gespürt hatte, war einem großen Erstaunen gewichen.

Eine Schurkerei sollte also nicht ausgeübt werden, nichts, was der niederträchtigen Art entspräche, mit der ich an Bord gelockt worden war. Während ich noch über das Gehörte nachdachte, ließ der Seemann, den Brigstock Jupe Jackson genannt hatte, seine Stimme vernehmen.

»Ja,« rief er, »wissen wir denn, ob der Keppen nicht vielleicht lieber mit uns auf die Insel käme?«

»Das ist auch wahr,« sagte Brigstock. »Wenn Sie Gefallen an der Sache finden sollten, Herr Morgan, und Mitglied unserer Kolonie zu werden wünschen – wie ich bemerkte, haben Sie ja schon eine Bekanntschaft gefunden, eine junge Dame meine ich, die vielleicht froh wäre, wenn Sie ihr mitnähmen, denn so müssen wir allerdings wieder von vorn anfangen, zu überlegen, was mit das Schiff und die übrigen Frauensleute werden soll, respektive, wie man die nach irgend einen Hafen schaffen thäte.«

»O, da sind Walfänger genug da unten, die dat Stück Arbeit gerne übernehmen würden,« bemerkte Matrose Bill Prentice.

»Dat meine ich auch,« grinste Isaak Coffin. »Oder die Walfänger müßten sich sehr verändert haben, seit ich noch mit ihnen auf den Fang ging.«

»Habe ich recht verstanden,« warf ich ein, »soll ich freie Verfügung über das Schiff haben, wenn Sie mit Ihren Gefährtinnen gelandet sind?«

»Ja,« sagte Brigstock, »freie und unbeschränkte Verfügung über Schiff und Ladung.«

»Aber erst,« rief Coffin, »nachdem wir von der Ladung genommen haben, was wir für unsere Kolonie brauchen!«

»Nehmen Sie sich in acht,« warnte ich; »man wird Ihnen ein Kanonenboot nachschicken, und wenn Sie sich an den Gütern vergriffen haben, dann könnte es Ihnen wegen Seeraubes an den Kragen gehen.«

»Da bin ich doch anderer Meinung,« ergriff Brigstock nach einer Pause das Wort. »Wir haben Anspruch an das Schiff für rückständige Heuern. Anstatt nun unsern Verdienst in Geld zu erheben, thun wir uns mit Waren bezahlt machen. Wo ist da Seeräuberei? Rechnen wir die Heuern von uns Zwölfen zusammen, so giebt das ungefähr fünfzig Pfund auf den Monat. Vier Monate stehen aus, macht zweihundert Pfund, die wir zu fordern haben. Dafür nehmen wir uns Waren. Die Reeder können hernach unsere Heuern an die Leute schicken, für die die Güter konsigniert gewesen sind. Dann ist alles nach Recht und Billigkeit zugegangen.«

Ich beobachtete ihn scharf, während er auf den Tisch gelehnt stand, um zu sehen, ob er sich bewußt war, daß er Unsinn redete. Seine Züge aber waren so ruhig und unbeweglich, wie die eines Gallionsbildes. Mit ihm zu streiten hatte ich keine Lust.

»Hatten Sie diesen Plan bereits gefaßt, als Sie von London aussegelten?« fragte ich.

»Nein. Der ist uns erst eingefallen, seit wir ohne Schiffer umhertreiben,« antwortete Brigstock. »Das sind nun zehn Tage, aber unsere Republik ist so fix und fertig zum Ablaufen, als hätte sie schon zehn Jahre auf der Helling gestanden.«

»Sind Verheiratete unter euch?«

»Joe Harding hat ja wohl irgendwo in England eine Frau sitzen, wie ich höre,« antwortete Brigstock Platz nehmend. »Aber, wenn das wahr ist, was er erzählt, denn so braucht ein rechtschaffener Mann sich durch so ein Geschöpf nicht hindern zu lassen, wenn es darauf ankommen thut, einen freien Staat zu gründen und einer der Väter einer neuen Konstitution zu werden.«

»Ist der Frauensperson, die seine Partnerin werden will, dieser Umstand bekannt?«

»Sicherlich. Ich habe Bill beauftragt, einmal hinzuhorchen, und Bill sagt, Joe hätte ihr gleich alles erzählt.«

»Glauben Sie, auf Ihrer Insel einen Prediger vorzufinden?«

»Ich weiß, worauf Sie anspielen thun,« versetzte er, Jackson mit lächelndem Ernst anblickend. »Wir haben abgemacht, daß ich Präsident sein soll. Der Präsident einer Republik verbindet, wie man so sagen thut, die Funktionen eines Geistlichen mit die eines Richters und sonstiger Obrigkeit. Das Volk erwählt mir, mithin vertrete ich den Willen des Volkes. Was ich thue und sage, ist Gesetz. Warum? Weil ich den Willen des Volkes ausführen thue. Ich kann Ehen schließen und Ehen trennen. In die Kolonien auf die Inseln Pitkairn und Tristan machen sie's ebenso. Jede Nation macht sich ihre Gesetze selber. So haben wir die Sache auch unsern Frauensleuten vorgestellt. Wenn ich ihre Ehen schließen thue, dann sind sie mit ihre Partner so fest verspleißt und verheiratet, als wenn sie der Erzbischof von Canterbury selber eingesegnet hätte. Und wenn ich Joe Harding von seiner ersten Frau scheiden thue, dann kann er ganz ruhig sein und seine Partnerin auch.«

Der dicke Matrose, Jupe Jackson, hatte mit gespannter Aufmerksamkeit auf seinem dummen Gesicht diesen Offenbarungen gelauscht. Bill und der andere Mann kicherten verstohlen, aber beifällig. Ich für meinen Teil war erstaunt über dieses Schiffszimmermanns Rede- und Disputiergabe, der ein gewisser Sinn und Verstand nicht abzusprechen war.

»Ich glaube nicht,« fuhr er fort, mit den Fingern in der Brusttasche seines Rockes herumsuchend, »daß meine Ansichten leicht anzufechten sind. Wenn sich eine Schiffsladung Männer und Weiber auf einem Eiland niederlassen thut, dann sind die Gesetze, die sie machen, die Gesetze dieses Eilandes, und jeder, der hernach landet, muß diese Gesetze respektieren. Ist das nicht richtig?«

Ich nickte, meine Gedanken aber waren draußen an Deck und zugleich überlegte ich, in welcher Form ich das Kommando zu übernehmen haben würde.

Der Wind wehte stürmisch, die See ging hohl, und wenn die Wogen mit harten Schlägen den Bug trafen, dann fühlte man die Erschütterung bis hier hinten. Die Wolken jagten hastig über das Firmament, wie aus dem schnell wechselnden Licht und Schatten oben im Oberlichtfenster erkennbar war. Ich wußte nicht, welche Segel standen, und mein seemännischer Instinkt drängte mich, an Deck zu eilen, ins Wetter zu schauen und überhaupt mich zu überzeugen, wie die Dinge da draußen beschaffen waren.

»Wenn Sie nun so gut sein möchten, Herr Morgan,« sagte Brigstock, indem er das aus der Tasche gezogene Brillenfutteral beäugte, als wisse er nicht mehr, zu welchem Zweck er dasselbe hervorgelangt hatte, »und uns Ihre Meinung über unsern Plan sagen wollten, dann wären wir Ihnen sehr verbunden.«

Die Matrosen sahen mich lauernd und erwartungsvoll an. Sie hielten die Fäuste teils in den Hosentaschen, teils hatten sie die Arme über der Brust verschränkt, gebräunte Gliedmaßen mit steinharten Muskeln und barbarisch verziert mit Tätowierungen – Krucifixen, Ankern, Herzen, Seejungfern, Armbändern und anderen Zeichnungen, wie Janmaat sie liebt.

»Meine Meinung sollen Sie hören,« antwortete ich. »Ich bin ein ehrlicher Mann und gebe Ihnen meine ehrliche Ansicht. Die Idee, eine Südsee-Insel zu kolonisieren, ist gut und der Ausführung wert. Die Zivilisation muß immer mehr Ausdehnung gewinnen, namentlich in solchen Gegenden, wo der schwarze Mann noch häufig den Weißen zu Mittag verspeist. Auch Sie, Herr Brigstock, sind ein ehrlicher Mann, als solchem aber sage ich Ihnen, thun Sie zunächst Ihre Pflicht und Schuldigkeit als Seemann, das heißt, bringen Sie die Emigrantinnen wohlbehalten an ihren Bestimmungsort und dann kolonisieren Sie meinetwegen, soviel Sie wollen.«

Jupe Jackson richtete seine kleinen Augen schnell und finster auf Brigstock. Prentice und Coffin redeten leise miteinander. Der Zimmermann aber erhob die Hand.

»Wir können unsern Plan nicht umstoßen,« sagte er mit großem Ernste. »Unsere Anschauungen von Pflichterfüllung stimmen nicht ganz mit den Ihrigen überein. Denn sehen Sie, wir haben jetzt schon zwölf von die Damens zu versorgen. Die andern werden ein bischen länger herumschwimmen, als sie dachten, das aber ist nicht so schlimm. Wer weiß, ob sich nicht noch welche entschließen, mit uns zu kommen, um uns bei der Arbeit zu helfen, das heißt, wenn unsere Partnerinnen nichts dagegen haben.«

Er setzte sich eine Brille mit großen, runden Gläsern auf die Nase und nahm dann ein sorglich in Segeltuch gewickeltes Zeitungsblatt aus der Tasche. Hierauf stellte er sich unter die Lampe, zum Vorlesen bereit.

»Nämlich,« so fuhr er fort, den Kopf neigend, um mich über die Brille hinweg ansehen zu können, »nämlich die da unten bilden sich ein, daß sie sich gleich in den ersten acht Tagen in Australien verheiraten werden. Aber sie irren sich. Hier steht ein Satz in der Zeitung; ich habe ihn schon verschiedenen Frauensleuten vorgelesen. Einige sind auch klug geworden, zum Beispiel unsere zwölf« – er sah mit halbem Lächeln zu Prentice hinüber – »es ist man schade, daß wir nicht mehr Mannsleute sind.«

Nunmehr räusperte er sich und las:

»In Bezug auf Heiratskandidaten ist der Markt in Neusüdwales absolut flau. Spekulative junge Mädchen, die ohne Kapital hierherkommen, haben ebenso wenig Erfolg, wie junge Männer, die ohne Mittel als Squatter ihr Leben fristen wollen. Die hier obwaltenden Schwierigkeiten haben die Männer vorsichtig gemacht. Selbst wohlerzogene und hübsche Mädchen der Mittel- und dienenden Klassen in Sydney sind wenig begehrt als Ehegattinnen, obgleich es gerade in diesen Klassen an jungen Männern nicht fehlt. Die Junggesellen scheuen sich vor den Verantwortlichkeiten und den Lasten des Familienlebens. Lieber arbeiten sie vier oder fünf Tage in der Woche wie Sklaven und schlagen dann den Verdienst wieder tot.«

Abermals schaute er mich über die Brille an. Was da geschrieben stand, war die Wahrheit. Ich hatte unwillkürlich an Kate Darnley denken müssen.

»Wenn Frauenzimmer auswandern,« sagte er, »um sich in Australien zu verheiraten, handeln sie dann nicht ganz vernünftig, wenn sie sich schon auf der Ausreise mit anständigen Männern zusammenthun?«

Damit wickelte er das Zeitungsblatt wieder ein und verstaute es, nebst der Brille, in seiner Rocktasche.

»Wäre es aber jetzt nicht Zeit,« bemerkte Coffin, »daß Herr Morgan uns wissen läßt, wie er gesonnen ist?«

»Ich bin erst seit heute mittag hier an Bord,« versetzte ich, »und seit einer Stunde erst kenne ich euren Plan. Ich brauche daher Zeit zum Nachdenken. Uebernehme ich freiwillig das Kommando, dann gehöre ich fortan zu euch. Ein solcher Schritt will überlegt sein.«

»Vergessen Sie dabei aber eins nicht,« rief Brigstock, den Zeigefinger aufhebend. »Mit dem Moment, wo wir den Kapitän und die Offiziere verloren haben und ohne Navigator herumzuschwalken anfingen, sind wir alle Verpflichtungen gegen das Schiff losgeworden, gerade so, als hätte man uns an Land abgemustert.«

»Das glaube ich nicht,« antwortete ich.

»So? Na, ich weiß das aber ganz gewiß!« erwiderte er mit einiger Heftigkeit.

»Kommt 'ne Mannschaft schiffbrüchig an Land, dann gilt dat als Abmusterung,« brummte Prentice. »Und wenn ein Fahrzeug hoch und drog auf Klippen sitzt, oder es schwalkt ohne Führung und Kommando in offener See umher, ist da vielleicht ein Unterschied?«

»Wie ich sage, so ist es,« fuhr Brigstock fort. »Wir sind abgemustert durch eine höhere Gewalt, wie man das nennen thut. Mitten auf See können wir aber doch nicht an Land gehen. Da wir nun aber ein Schiff unter die Füße haben, so dürfen wir damit jeden Ort und Hafen anlaufen, der uns angenehm ist.«

Das war ein Seeadvokat, wie er im Buche steht, einer jener Janmaaten, die eine Prüfung für die Nerven des Kapitäns sind, ein Philosoph des Volkslogis, der seine Schiffsmaaten mit Leichtigkeit dahin bringt, alles von seinem eigenen Gesichtspunkte anzusehen.

»Sie wollen also ein passendes Eiland im Großen Ozean aufsuchen,« fing ich wieder an. »Wieviel Zeit meinen Sie dazu zu brauchen?«

»O, höchstens drei Monate. Unser Schiff läuft gut.«

»Es befinden sich über hundert Menschen an Bord,« redete ich weiter. »Wird der Wasservorrat ausreichen?«

»Ueber und über. Nach der Südsee ist es nicht weiter, als nach Neusüdwales. Statt Ost steuern wir West. Das ist der ganze Unterschied.«

Ich stand auf.

»Morgen früh sollen Sie meinen Bescheid haben, Herr Brigstock.«

»Gut, dabei soll's bleiben,« nickte er. »Jupe, da ist kein Rum mehr; der Kapitän hätte vielleicht gern einen Nachttrunk. Hol' eine Laterne her, Sohn. Die Spirituosen liegen im Achterraum, Herr Morgan. Die Luke ist verschlossen und ich habe den Schlüssel. Morgen kriegen Sie ihn, wenn Sie unser Skipper geworden sind. Hoffentlich werden Sie das. Herr Morgan, ich schwöre nicht leicht, aber einen feierlichen Eid will ich darauf oblegen –« hier ließ er seine große Faust schwer auf den Tisch fallen – »einen feierlichen Eid darauf, daß noch niemals einem Mann ein solches Anerbieten gemacht worden ist, so ehrlich, so offen, so ohne Hinterthüren, ja, und daß nirgends in die Annalen der Seefahrt wie man das so nennen thut, geschrieben steht von einer Schiffsmannschaft, die rechtlichere Absichten und christlichere Pläne gehabt hat, als die Mannschaft von dem ›Earl of Leicester‹!«

Ich nickte ihm zu und stieg die Kampanjetreppe hinauf. –


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