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5. Kapitel.
Das Komplott.

Während der nächsten Tage nach dieser seltsamen Angelegenheit mit dem Wasser im Raum ereignete sich nichts, was mir als bemerkenswert im Gedächtnis geblieben wäre. Das Wetter war schlecht geworden, wir hatten die Marssegel reffen müssen, die kleine Brigg aber erwies sich als ein ganz treffliches Seeschiff; sie stampfte und schlingerte zwar abscheulich, dabei aber wehrte sie sich wie ein lebendes Wesen vor den anstürmenden schweren Wogen und nahm nur sehr wenig Wasser über.

Dieses Wetter begann, als wir noch die Küste von Cornwall in Sicht hatten, und es begleitete uns bis zum 45. Grad nördlicher Breite. Von Herrn Fletcher von Bristol war schon längst nichts mehr zu sehen; der lag zum Sterben seekrank in seiner Kammer, gerade unterhalb des Steuerrades, also im äußersten Hinterteil, wo die Bewegungen des Schisses am stärksten empfunden werden, wo man die Stöße des schweren Ruders am deutlichsten spürt, wo die Steuerketten unablässig knirschen und mahlen und wo die See am heftigsten anprallt, wenn das Heck stampfend niederfährt.

Eines Tages, das Wetter war besser geworden und die Brigg pflügte mit einem Reff im Großmarssegel und dem Bramsegel darüber durch die noch immer hochgehende See, stand ich, den Sextanten in der Hand, neben Cadman auf dem Achterdeck und wartete auf den Moment, wo die Sonne im Mittag stehen würde. Da kam der Steward die Kampanjetreppe herauf und näherte sich dem Kapitän.

»Nun?« fragte dieser in seiner abstoßenden Weise. »Was soll's?«

»Der Rum ist alle,« antwortete der Steward.

»Oho!« rief Cadman. »Hast du den Krug auch ordentlich gedrückt?«

»Der Krug ist leer. Gestern habe ich den letzten Tropfen ausgegossen.«

Der Schiffer schaute nach der Sonne empor, sah mich verstohlen von der Seite an und sagte dann:

»Wir dürfen die Leute auf ihre Ration Rum nicht warten lassen, Steuermann. Ich werde die Sonne nehmen, steigen Sie ins Kabelgatt hinunter, wo die Rumfässer verstaut sind, und füllen Sie den Krug wieder voll. Nehmen Sie eine Laterne mit, nur ja kein offenes Licht.«

Ich that, wie mir geheißen.

In dem dunklen Loch angelangt, hielt ich die Laterne empor und sah mich um. Neben einigem Trossen- und Leinenwerk war hier der Proviant untergebracht; da lagen einige wenige Fässer Fleisch und Mehl, einige wenige Büchsen mit Konserven, ein paar Blechkisten mit gedörrten Kartoffeln und ein paar Krüge voll Essig. Alles nur kärglich und wenig, Rumfässer aber waren nirgends zu sehen.

Ich kletterte wieder an Deck hinauf. Hier gewahrte ich Herrn Fletcher, der neben der Kajütskappe stand und sich krampfhaft festhielt. Sein Gesicht war weiß wie Talg, sein Bart wirr und ungekämmt. Ich bot ihm guten Tag und sprach die Hoffnung aus, daß er die Seekrankheit hinter sich habe. Er legte die Hand auf den Magen und schüttelte den Kopf.

»Etwas besser fühle ich mich,« antwortete er, »bin aber noch recht schwach. Wer sich der See anvertraut hat, muß solcher Drangsale gewärtig sein.«

Ich ging auf Cadman zu, der soeben dem Mann am Ruder zugerufen hatte, acht Glasen zu schlagen.

»Im Kabelgatt ist kein Rum,« meldete ich.

»Was?« rief er.

Ich wiederholte meine Worte.

Er that, als packe ihn ein Schreck; die dramatische Gebärde der Hände und die zwei Schritte rückwärts gelangen ihm vortrefflich.

»Steuermann!« stieß er hervor. »Was sagen Sie da? Kein Rum? Wo haben Sie denn danach gesucht?«

»Im Kabelgatt,« antwortete ich.

»Kein Rum?« wiederholte er. »Mann, Sie müssen blind sein! Ich habe die Rechnungen über die abgelieferten Fässer mit meinen eigenen Augen gesehen, und wenn Sie mir nun sagen, daß kein Rum im Kabelgatt ist, dann hat uns der Lieferant Abraham Winton ja ganz unverschämt betrogen! Suchen Sie noch einmal nach, Steuermann,« rief er mit einem Seitenblick nach vorn, als sei ihm daran gelegen, daß die Matrosen gewahr würden, was hier vorging; »suchen Sie noch einmal nach – oder halt! Es wird besser sein, ich gehe selber.«

Damit verschwand er vom Achterdeck.

Fletcher stand noch immer an der Kajütskappe, dem Anschein nach über die See hinausschauend. Als aber mein Auge dem seinen begegnete, winkte er mich durch eine Kopfbewegung zu sich heran.

»Um was handelt es sich, Steuermann?« fragte er.

Ich erzählte.

Jetzt erschrak auch er höchst dramatisch.

»Kein Rum für die Leute?« rief er. »Wie ist das möglich? Die Fässer sind bestellt und bezahlt worden und Kapitän Cadman sagte mir, sie lägen wohl verstaut im Kabelgatt.«

»Vielleicht sind sie anderswo im Raum untergebracht,« versetzte ich.

»Meinen Sie? Wollen's hoffen. Ich fürchte aber, daß sie gar nicht an Bord gekommen sind. Sie kennen solch ein Rumfaß doch auf den ersten Blick, nicht wahr?«

»Auf den ersten Blick.«

»Wenn sie also nicht im Kabelgatt sind, dann bin ich das Opfer eines gottlosen Betruges geworden! Das hätte ich Abraham Winton am allerwenigsten zugetraut! Einem Mann von solchem Ruf!«

Inzwischen hatte sich die ganze Mannschaft bei der Kombüse versammelt, jeder mit seinem Blechpott in der Hand, um den Rum in Empfang zu nehmen, der sonst immer zu Mittag, wenn es acht Glasen geschlagen hatte, ausgegeben wurde.

»Wo bleibt heute der Steward?« rief einer aus dem Haufen. »Kann der den Grogbuddel nicht finden?«

In diesem Augenblick tauchte Cadman wieder aus dem Raum auf.

»Herr Fletcher,« sagte er, »Sie sind betrogen worden.« Dann schlug er mit der geballten Faust auf die Kajütskappe und schrie so laut, daß alle Mann ihn hören mußten: »Ich will lebendig gekocht werden, wenn da noch ein Rumfaß im Kabelgatt liegt! Das kommt davon, wenn man solchem Spitzbuben von Schiffshändler die Sachen bezahlt, ehe sie an Bord geliefert sind!«

Die Matrosen tobten, fluchten und drohten. Die tägliche Rumration gehörte zu ihren verbrieften Rechten, und ehe sie darauf verzichteten, wollten sie lieber das Schiff nach Bristol zurückbringen, nötigenfalls mit Gewalt.

Fletcher hielt eine salbungsvolle Anrede. Die Leute beruhigten sich aber nicht eher, bis der Kapitän das feierliche Versprechen gab, daß der Geldwert des ihnen durch die Betrügerei des Schiffshändlers entgangenen täglichen Stärkungsmittels ihnen am Ende der Reise voll ausbezahlt werden sollte.

Die Sache gab mir zu denken. Ich zweifelte keinen Augenblick daran, daß alles im voraus zwischen Cadman und Fletcher abgemacht worden war, um die Mannschaft zu betrügen. Der Rum war gar nicht bestellt worden, darauf hätte ich einen Eid geschworen. Kein Schiffshändler durfte es wagen, so offenkundig zu stehlen. Ich kannte den Geschäftsgang genau. Hätte man die Fässer bestellt, so wären sie an Bord abgeliefert worden, gegen die Quittung dessen, der die Aufsicht an Bord führte, also des Steuermanns. War dies einer der Gründe, aus welchen man mich bis zum Tage der Abfahrt vom Schiffe fern gehalten hatte? Was für Pläne verfolgte man eigentlich?

Meine Seele war voll Argwohn und Verdacht, und doch konnte ich diesem Verdacht keine bestimmte Form geben. Mag sein, daß derselbe auch etwas abgeschwächt wurde durch des Schiffers Anerbieten, den Leuten den fehlenden Rum durch Geld zu vergüten. Allein das theatralische Erstaunen der beiden Spießgesellen, als ich ihnen meldete, daß kein Rumfaß im Kabelgatt zu finden sei, im Verein mit dem Wasser, das im Raum zwischen der Ladung herumschwappte, als wir aus dem Dock holten, gab mir die feste Ueberzeugung, daß etwas Unrechtes im Werke sei. Gefahr für unser Leben fürchtete ich freilich nicht, da sich auch Herr Fletcher von Bristol in höchsteigener Person bei uns an Bord befand.

Ein Zufall sollte mir jedoch bald die Pläne der beiden Ehrenmänner verraten. Zwei weitere Tage waren vergangen. Ich hatte in der ersten Hundewache – die Wache von vier bis sechs nachmittags – eine Weile mit dem Zimmermann geplaudert und war dann in meine Kammer gegangen, um mein Messer zu holen, das ich dort vergessen hatte. Während ich danach suchte, vernahm ich durch die Plankenwand Stimmen in der nebenan liegenden Kammer des Kapitäns. Sonst war alles totenstill hier unten, da die Brigg sich bei dem schönen Wetter nur unmerklich bewegte. So hörte ich denn, ich mochte wollen oder nicht, was da gesprochen wurde, und es währte nicht lange, da lauschte ich mit allen Ohren und dachte gar nicht mehr an mein Messer.

»Ach was,« hörte ich den Schiffer sagen, und zwar in einem Tone, der keine Spur von Respekt zeigte, »ach was, auf den Salvage-Inseln können wir die Brigg nicht wegsetzen, und ich will Ihnen auch erklären, warum nicht. Gesetzt den Fall, wir laufen die Klippen bei Tage an, so können wir das Fahrzeug doch nimmermehr auflaufen lassen, wenn Morgan oder der andere Kerl, der Zimmermann, die Wache hat. Und was dann? Sollen wir bis zum Dunkelwerden da herumkreuzen? Das hieße soviel, als alle Mann in unsern Plan einweihen und uns, wenn wir die Brigg auf die Klippen gesetzt haben, hernach die Gerichte auf den Hals ziehen. Sie sind eben kein Seemann. Wären Sie einer, so würden Sie mich verstehen.«

»Ein Seemann bin ich nicht, das ist schon richtig,« entgegnete Fletcher mit lauter, eifriger Stimme, »aber ich halte mich gern an das, was verabredet und festgesetzt ist. Hier ist die Karte. Da liegt die Insel, mit Klippen und Brandung rings herum. Im ganzen Ozean giebt's keinen Ort, wo eine Strandung natürlicher und unverfänglicher vor sich gehen könnte. Und wenn wir wollen, können wir die Insel doch auch bei Nacht anlaufen. Morgan wird Ihnen die Richtung und Entfernung bis auf den Zoll ausrechnen, wenn Sie sich das nicht zutrauen. Hernach, wenn's dunkel ist, lassen Sie den Rudersmann direkt darauf los steuern und die Sache ist gemacht.«

»So? Meinen Sie?« höhnte Cadman. »Ich aber sage Ihnen, ganz so leicht ist die Sache doch nicht gemacht. Ich wenigstens werde mich hüten, die Brigg da aufrennen zu lassen, wo sie noch nach Wochen heil und gesund angetroffen werden kann. Nein, wenn ich sie wegsetze, dann muß sie auch sofort in Stücke gehen. Denken Sie doch mal, wenn der Kasten mit der Ladung, die wir an Bord genommen haben, hinterher von anderen geborgen werden sollte! Wäre Ihnen das angenehm? Nun also! Sie muß in Stücke gehen und zwar so, daß wir beide unsere Haut noch in Sicherheit bringen können. Denn mir ist mein Leben lieb und Ihnen das Ihre doch wohl auch. Ist das nicht so?«

»Gewiß ist das so,« rief Fletcher. »Selbstverständlich müssen wir an unser Leben zuerst denken. Warum aber halten Sie die Tafelbai für geeigneter, als diese Klippen hier?«

»Da fragen Sie noch? Zunächst sind Schiffbrüche dort an der Tagesordnung, wodurch der unsere gleichsam vorbereitet wird. ›Also wieder in der Tafelbai!‹ werden die Leute sagen. ›Natürlich! Nun wär's aber endlich einmal Zeit, daß dort mehr Leuchtfeuer hinkämen und daß die Behörden sich überhaupt mehr um jene gottvergessene Gegend kümmerten!‹ Sehen Sie her.« Ich schloß aus der Pause und aus dem, was folgte, daß Cadman eine Karte der Tafelbai vor Fletcher ausbreitete. »Sehen Sie, hier überall, die ganze Küste entlang, die prächtigste Gelegenheit, von Moolly Point bis nach Hout Bai. Green Point ist der beliebteste Ort. Ich weiß von drei netten Schiffbrüchen, die innerhalb der letzten vier Jahre dort ausgeführt worden sind. An solch einer günstigen Küste kann man sich Ort und Zeit ganz nach Belieben wählen. Auch ist da keinerlei Ueberstürzung nötig. Kreuzt man eine Weile herum, um den passenden Zeitpunkt abzuwarten, so geben die dortigen Verhältnisse genügende Erklärung dafür und man braucht nicht zu fürchten, daß die Mannschaft argwöhnisch wird. Selbst bei ruhigstem Wetter steht eine himmelhohe Brandung an der Küste. Ich sage Ihnen, ehe es Morgen wird, halten keine zwei Planken mehr zusammen. Unmittelbar außerhalb der Brandung aber ist das Wasser bei gutem Wetter so ruhig, daß man in einem Boote gar keine Gefahr läuft.«

Fletcher antwortete nicht. Im Geiste sah ich ihn über die Karte gebeugt und Cadmans Angaben erwägend.

»Ich will ja zugeben,« fuhr der letztere fort, »daß die Salvage-Inseln uns bequemer liegen und durchaus nicht zu verachten sind, aber die Tafelbai ist in jeder Hinsicht sicherer. Wir haben auch keine Eile. Die Versicherungssumme ist so ansehnlich, daß wir ganz gut noch ein Weilchen auf die Auszahlung warten können. Eine Strandung in der Tafelbai ist viel unverdächtiger und selbstverständlicher, als hier auf diesen Klippen, die einem so herausfordernd im Wege liegen. Hernach heißt's dann immer, namentlich bei Verlust von Menschenleben: ›Ach, die armen Leute! Nachdem alles überstanden und der sichere Hafen beinahe erreicht war, noch angesichts der rettenden Küste untergehen zu müssen!‹ Sehen Sie, ich bin dafür, alles recht natürlich und plausibel einzurichten. Keiner darf davonkommen, Herr Fletcher, keiner – außer uns beiden. So denke ich.«

Er lachte in seiner widerwärtigen Art.

»Ich will mir die Sache bis morgen überlegen,« sagte Fletcher nach kurzer Pause. »Sie mögen recht haben. Das Unternehmen ist keine Kleinigkeit, und gefährlich obendrein. Ich muß erst ganz genau wissen, daß und wie wir unser Leben in Sicherheit bringen können, auch müssen wir die Gewißheit haben, daß die Brigg so schnell und gründlich zertrümmert wird, daß niemand mehr auf den Gedanken kommt, das Wrack näher zu untersuchen. Sollten Teile der Ladung irgendwo angespült werden –«

»Wer will beschwören, woher sie stammen?« unterbrach ihn Cadman. »Wer kann beweisen, daß sie uns gehören?«

»Die Salvage-Inseln sind unbewohnt,« redete Fletcher weiter. »Setzen wir die Brigg dort auf den Strand, so können Monate vergehen, ehe das Wrack bemerkt wird. In dieser Zeit aber hat die See alles zerschlagen und fortgeführt.«

»Monate, sagen Sie? Das ist doch wohl ein bischen viel behauptet. Soviel ich weiß, kommen fortwährend Portugiesen von Madeira herüber, um auf den Eilanden nach Wurzeln und Kräutern zu suchen. Uebrigens ist es sehr unklug von Ihnen, immer nur an die Vorteile des Ortes zu denken, an dem das Fahrzeug weggesetzt werden soll. Man muß auch erwägen, was dagegen spricht, und da meine ich doch, daß jeder Vorteil, den die Salvage-Inseln bieten, durch zwanzig Nachteile null und nichtig wird.«

Fletcher schwieg; ich wartete noch eine Weile, da es aber nichts mehr zu hören gab, verließ ich die Kammer. Als ich die Thür hinter mir zuzog, trat Fletcher aus der Kammer des Schiffers, eine Kartenrolle unter dem Arm.

Er blieb stehen und stierte mich an. Ich ging um den in der Mitte der Kajüte stehenden Tisch herum der Kampanjetreppe zu; ein schneller Seitenblick sagte mir, daß er kreidebleich geworden war. Am Fuße der Treppe schaute ich mich noch einmal nach ihm um; er war in Cadmans Kammer zurückgegangen.

An Deck angelangt, blickte ich wie abwesend nach oben und dann rings über die See; es war mir unmöglich, nach dem, was ich da unten vernommen hatte, sogleich einen klaren Gedanken zu fassen.

Ich kann nicht sagen, daß ich erstaunt war; hatte ich den Schurken doch von Anfang an mißtraut; aber ich war betroffen und bis ins Innerste erschüttert. Jetzt, da ich wußte, daß die Halunken die Brigg wegsetzen wollten, war mir alles klar geworden.

Sie hatten das Wasser in das Schiff gepumpt, um es dadurch so tief zu legen, als habe es eine respektable Ladung an Bord. Die zerlumpten Segel, das zerschlissene Taugut, die ganze miserable Ausrüstung, alles das war für ein dem Untergang geweihtes Fahrzeug freilich gut genug. Sie hatten die Mannschaft um die kontraktlich stipulierte Rumration betrogen und auch niemals daran gedacht, den Leuten eine Geldentschädigung dafür zu leisten, denn alle Mann sollten ja mit dem Schiffe zu Grunde gehen.

Was sollte ich beginnen?

Grübelnd schritt ich auf und ab. Die Sonne stand tief und groß im Westen; das Wetter war klar und wunderschön, die Brise wehte sanft und stetig und die See lag so glatt und eben, wie ein Binnenwasser, von der langsam und in weiten Zwischenräumen rollenden Dünung abgesehen. Die Matrosen saßen plaudernd in und vor dem Logis, der Zimmermann stand ein wenig abseits von ihnen und rauchte seine Pfeife. Ich ging mit mir zu Rate, ob ich ihm nicht auf der Stelle mitteilen sollte, was ich soeben gehört. That ich dies, so war es selbstverständlich, daß er unverzüglich die Mannschaft benachrichtigte, und dann war hundert gegen eins zu wetten, daß die beiden Schurken sofort gefangen gesetzt wurden, während man mich veranlaßte, Fahrzeug und Mannschaft wieder heimzuführen. Das wäre aber nicht mehr und nicht weniger gewesen, als offene, gewaltthätige Meuterei. Die vereinten Aussagen des Schiffers und des Eigentümers standen gegen meine einzelne; sie leugneten alles eidlich ab und ich hatte keine Beweise. Allerdings war der Inhalt des Raumes genügend, sie einer betrügerischen Absicht zu überführen. Allein, ehe die Brigg nicht tatsächlich zum Scheitern gebracht worden war, bot das Gesetz schwerlich eine Handhabe gegen sie.

Aufgeregt marschierte ich hin und her. Ich durfte die Sache nicht überstürzen. Ob die Spitzbuben überzeugt davon waren, daß ich sie belauscht hatte? Vielleicht beruhigten sie sich mit der Annahme, ihre Unterhaltung sei mir unverständlich geblieben. Aber angenommen, sie glaubten, ich hätte ihr Geheimnis erforscht, was dann? Würden sie danach trachten, mich aus dem Wege zu räumen? Mochten sie das versuchen, ich fürchtete mich nicht vor ihnen. Solche Schufte sind stets Feiglinge; wegen Betrug und Schwindel verantwortlich gemacht zu werden, das riskierten sie, ihren Hals aber wagten sie sicherlich nicht.

Nach einer halben Stunde kam Cadman an Deck. Er summte unmelodisch vor sich hin, blickte gelassen und ruhig rings in die Ferne und beobachtete einige Momente die Mannschaft, ohne auch nur eine Spur von Erregung zu zeigen. Ich belauerte ihn verstohlen und gewann bald die Ueberzeugung, daß er unmöglich so dreinschauen könnte, wenn er annehmen müßte, daß der verbrecherische Plan mir bekannt geworden sei.

Cadman zündete sich eine seiner schlechten Zigarren an, und während er damit beschäftigt war, erschien Fletcher in der Kajütskappe. Er blieb eine Weile auf den oberen Treppenstufen stehen und betrachtete mit gönnerhafter Miene die herrliche Meeresszenerie. Die Farbe der Gesundheit war auf sein Gesicht zurückgekehrt und er war nun ganz wieder der stattliche, selbstbewußte Gentleman mit wohlgepflegtem Backenbart, Doppelkinn und birnenförmiger Nase – mit einem Wort, Herr Fletcher von Bristol.

»Prachtvolles Wetter, Cadman,« rief er.

»Jawohl,« antwortete der Schiffer, die Zigarre lose mit den Lippen haltend. »So gesund, wie hier, ist's nirgends an Land. Frisch wie ein Fisch und stark wie ein Riese werden Sie zu Ihrer lieben Familie zurückkehren, mein Wort darauf, Herr Fletcher.«

Der Eigentümer der Brigg erhob seine Augen mit einem Ausdruck des Dankes gen Himmel. Dann trat er aus der Kajütskappe an Deck und begann mit dem Schiffer auf und ab zu gehen.


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