Joseph Roth
Reportagen
Joseph Roth

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Ballade vom Zusammenbruch einer bessern Familie

Lachen links, 22. 2. 1924

Zehnmal im Tage las er die Kurse und telephonierte mit der Devisenabteilung von Mendel und Compagnie – – Hundertmal fuhr er im Auto zur Börse und, wie ein Hirte des Abends in Paaren heimführt das folgsame Vieh, – so trieb er Effekten vom Haussetag in schweren Massen nach Hause, weiße, bunte, gescheckte durch seiner Konti Gebiet; pfiff dazu mit den Händen ein abendlich Schäferlied und gönnte selbst in der Nacht den Sorgen keinerlei Pause.

Seine Gattin hieß Jetti und trotzdem entbehrte sie den liebenden Mann, den ihr die Börse entzog, – – vierzehn Teller zerschlug ihr die Köchin, die deshalb flog – – und der Sealpelz der Freundin, mit der sie nicht ungern verkehrte, wider Erwarten gelang er – (sie hatte die gute Figur) – und raubte Jetti den Schlaf in ruhigen Nachmittagsstunden, – also beschloß sie (plötzlich und ausgerechnet beim Jour) noch in dieser Saison gründlich und sehr zu gesunden.

Und sie fuhren zu Lahmann bei Dresden, um sich zu retten aus dem Nervenzusammenbruch, der katastrophal manchmal die besseren Kreise befällt, so daß sie zum heiligen Gral, dem in Sanatorien befindlichen, pilgern in Schlafwagenbetten.

Eh' sie die Ruhe gefunden, hat es lange gedauert
Kurse stiegen und fielen, es gab Segen und Fluch.
Manchen traf der Schlag und er kroch unters Leichentuch – –
Heute noch, während ich dieses schreibe, schauert
meine Schreibmaschine zurück vor solchem Familienzusammenbruch.

Josephus


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