Peter Rosegger
Nixnutzig Volk
Peter Rosegger

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Der versteigerte Herr Gemahl.

Der Marxl drängte sich gemeinsam mit seinem fürnehmen Freund durch das Kirchtagsgewühl und stieß unversehens einen Obstkorb um, so daß etliche honiggelbe und wahrscheinlich auch honigsüße Kaiserbirnen dem lieben Christenvolke unter den Beinen umherkollerten. Natürlich hub die dicke Obstkrämerin nun ihre Prachtstimme empor und schmiß dem sich eilig weiterschiebenden Burschen etliche Kosenamen nach, wie Büffelochs, Tagedieb, Mordbrenner, Ehebrecher usw.

»Was hat sie gesagt?« fragte der Marxl seinen fürnehmen Freund, »Ehebrecher hat sie gesagt?«

»Na, das wäre auch weiter was!« antwortete der Fürnehme.

»Hi, hi,« lachte der junge Bauernbursche, »Ehebrecher, das könnt ich gar nicht sein.«

»Wäre nicht übel!«

»Ich bin ja gar nicht verheiratet!« lachte der Marxl.

Sie waren schon vor dem Dorfe draußen. Der Fürnehme streckte seine Hand aus gegen die Gartenhecke und riß einen Hagebuttenzweig ab.

»Mein Freund!« sagte er dann zum schlanken und aufgeweckten Bauernburschen. »Siehst du, ich besitze keinen Hetschenbusch und habe doch einen Zweig gebrochen. Verstehst du?«

»Haben dich die Dornen nicht in die Finger gestochen?« fragte Marxl nicht ungeschickt. Der andere warf den Zweig in den Straßengraben und steckte die Hand in den Sack.

»Nein, das wär' mir auch zu dumm,« versetzte nun der Marxl, zum Zeichen, daß er recht wohl verstanden hatte.

Da die beiden das Marktgetriebe hinter sich hatten, blieb der Fürnehme stehen und fragte den Bauernjungen: »Sag mal an, Marx, wie viele Geburtstage hast du schon gehabt?«

»Einen,« antwortete der Bursche.

»Eh, das glaube ich dir. Wie alt du bist, frage ich dich.«

»Neunzehn und ein halb.«

»Ganz schön. Für ein solches Alter tust du noch verdammt unschuldig. – Blicke einmal zurück auf die Leute dort im Kirchtag. Männer und Weiber, alles durcheinander. Und lauter –«

»Lauter?«

»Was über sechzehn oder siebzehn Jahre ist.«

»Lieber Herr Poiser, da wirst du dich wohl irren,« meinte der Marxl.

»Am Ende strafst du mich Lügen, indem du hingehst und jeden und jede extra befragst, ob's wahr ist!« lachte der Fürnehme. »Dir werden sie die Wahrheit schon sagen, ich bin überzeugt.«

»Du nimmst das Maß vielleicht von den Stadtleuten,« sagte der Marxl, »nun, mein Lieber, mit so einem Strick lassen wir uns noch lange nicht messen.«

»Du bist ja ganz aufgeregt,« sprach der Fürnehme. »Sonst treibt Ihr Bauern ein wahres Luderleben und macht gar kein Geheimnis daraus, in jedem Trutzliedel und Schnaderhüpfel beichtet Ihr's in die Welt hinaus. Warum just in dem einen Punkte so manierlich? Was ist's denn weiter! Wem schadets denn?«

Der Marxl blieb wieder stehen: »Laß Zeit, da muß ich erst nachdenken. Ob's wem schadet, fragst du?«

»Ob's meiner lieben Ehegattin schadet?«

»Ah, nur das. Na, der schadets eigentlich nicht, heißt das: wenn du nicht heimlich gewisse Kreuzer zahlen mußt vom Geld, das ihr, das deiner Familie mitgehört.«

»Ach Gott, nein.«

»Jetzt denke dir, Poiser, deine Frau –«

»Was, meine Frau?«

»– wäre so klug wie du.«

»Knäbchen, die Frau, das ist etwas anderes. Der Ehemann kompromittiert die Familie nicht, die Frau jedoch, die kompromittiert.«

»Na, und ordentlich!« rief der Marxl lustig aus. »Aber mir deucht Poiser, sie tut mehr als kom– kom–«

»–promittieren!« half der andere freundschaftlich nach.

»Wenn dem Mann das Haus niederbrennt, wenn er blind wird auf beiden Augen, wenn er seinen ehrlichen Namen verliert, wenn ihm das liebste Kind stirbt, so ist das ein Unglück. Und es ist doch alles miteinander nichts dagegen, als wenn ihm sein Weib untreu wird.« Also sagte der Marxl.

»Ein kluger Mann geht schweigend darüber hinweg.«

»Ich danke schön,« sagte der Bauernbursche. »Und hast morgen vielleicht das Kukuksei im Haus. Es ist ein Menschenkind, nu freilich ist's eins. Du starrst es täglich an und suchest in seinem Gesicht Familienähnlichkeit, – und findest keine. Die Augen sind nach aufwärts geschlitzt, oder nach abwärts, der Kopf ist zu spitzig, oder zu platt. Das Geschrei, wenn es den Mund auftut, ist wie Elstergekreisch. Deine übrigen Kinder sind anders. Ja, vielleicht willst du dich zwingen und nichts merken lassen von deinem Elend, aber jeden Tag erinnert dich der Balg daran, was dir deine liebste Frau Gemahlin angetan hat; es ist ein Denkmal von ihrer Falschheit und deiner Schand'. Und dieses Denkmal mußt du in deinem Haus haben, mußt es füttern und kleiden und erziehen und versorgen und das verhaßte Wesen führt deinen Namen. – Wenn mir so was passieren tät, verflucht und vermaledeit!« Eine grauenhafte Handbewegung machte der Bursche –: »Zuerst sie – nachher mich!«

»Ei nun, darum sage ich ja, es ist etwas anderes, ob sie oder er,« entgegnete der Fürnehme.

»Und wenn man's wieder so nimmt,« sagte der Marxl, »sie ist in einer größeren Versuchung als er. Ihn versucht so leicht niemand anderer, er versucht sich nur selber und geht hin und überredet eine. Sie hat auch eine eigene Versuchung, jetzt kommt noch die von ihm dazu, zuletzt sind zwei böse Geister gegen den einen guten Willen und da kann sie freilich schwach werden.«

Blieb wieder der Fürnehme stehen und sagte zum Bauernburschen: »Herr Marxl, du sprichst, wie ein Philosoph! Du mußt auf der Universität gewesen sein!«

»Ja freilich, auf der, die dort steht,« antwortete der Marxl und deutete gegen das Dorfschulhaus. »Weißt, wer nicht ganz vernagelt ist, der braucht für so was keine U– Universität.«

»So wirst du wohl auch weise genug sein, niemals zu heiraten!«

»Hörst du, Poiser, für das mußt schon du mir die Weisheit leihen. Wenn man dir zuhört, wie es im Ehestand hergeht, nachher mach' ich's wie die sieben Sakramente im Katechismus, – die Ehe wär' mein Letztes.«

»Junger Freund,« sagte der Fürnehme, »mache es wie ich. Ich bin ja auch verheiratet, und sogar sehr glücklich. Ich habe meine Frau sehr lieb und bin ihr auch treu, vollkommen treu, das heißt – es geschieht ja aus Rücksicht für sie, wenn –. Deshalb braucht man ja keine zu verführen und sich keiner zu verpflichten. Wenn du mit einer Ledigen umgehst, so wirst du bald in der Patsche sitzen. Das ist gefährlich. Es gibt genug unglückliche Ehefrauen, die von ihren Männern schlecht behandelt werden, genug gibt es solcher, ein gutes Werk ist's, sich ihrer anzunehmen, verstehst du mich?«

Nun blieb wieder der Marxl stehen, mit seinen grauen Äuglein blinzelte er den Fürnehmen an und flüsterte: »Poiser, eigentlich habe ich mir das auch schon gedacht!«

»Lieber Gott, wer hätte sich das nicht gedacht,« rief der andere. Dann setzte er leise bei: »Sage mir einmal, Marxl, du gehst im Dachsbauernhause aus und ein.«

»Das wohl, ich komm' immer einmal hin.«

»Sage mir, wie leben denn die Zwei miteinander? Die Bauersleute, meine ich.«

Der Marxl zuckte die Achseln: »Wie es halt schon oft geht.«

»Sie ist ein bildsauberes Weib,« sagte der Fürnehme.

»Wer?«

»Die Dachsbäuerin. Was meinst, Freund, wäre da nichts zu machen? Einen Besuch –«

Jetzt schaute ihn der Bursche an.

»Ich meine, ob –«

Das Gesicht vom Marxl! Dann zuckte er wieder die Achseln, was so viel heißen konnte wie: Weiß ichs? oder: Möglich! oder: Vielleicht!

Der Fürnehme musterte den Burschen. Dann drohte er mit dem Finger: »Ich glaube gar! – Marxl, Marxl!«

»Aufrichtig Gott nein, ich nicht!« rief der Bursche.

»Na nu, ist alles eins,« also wieder der andere. »Ich will einmal meinen Besuch machen im Dachshofe. Mit dem Bauer bin ich ohnehin schon bekannt, der war unser Führer im vorigen Sommer, als die große Partie auf dem Hochnock gewesen ist. Sein Weib hat seither meiner lieben Frau ein paarmal Eier gebracht. Brave Leute sind's, recht brave Leute. Will sie doch einmal besuchen. Wann glaubst du denn, daß der Dachsbauer am Sichersten zu Hause ist?«

»Das will ich dir schon sagen,« antwortete der Marxl, »morgen z. B. ist er den ganzen Tag nicht zu Hause. Weißt, er hat sein Ausnahmhäusel verkauft, das unten im Tal steht, weil sie keine Kinder haben und er also sein Lebtag auf dem Hof sitzen bleiben kann. Und jetzt, morgen, läßt er vom Häusel die Einrichtung versteigern, Kisten und Kästen und lauter so alte Sachen. Ist eh angeschlagen auf der Tafel. Na und da hat der Dachsbauer dabei zu tun und kannst ihn im Talhäusel finden.«

Faßte jetzt der Fürnehme den Burschen bei den Jackenflügeln und sagte: »Bist du ein ganzer Kerl, Marxl? Bist du ein Freund?«

»Allemal!« beteuerte dieser.

»Spiele mit! Wenn du mich einmal brauchst, verfüge! – Spiele mit, daß ich sie allein finden kann morgen, oben im Dachshofe. Du weißt schon . . .«

»Freilich,« sagte der Bursche, »und es wird ganz leicht gehen. Will heut noch kundschaften, dann laß ich dichs wissen. Verraten wirst du mich wohl nicht?«

»Mensch, was denkst du! Ich hoffe aber: auch du mich nicht. Meine Frau ist nicht eifersüchtig, hat auch keinen Grund dazu; allein erfahren darf sie es auf keinen Fall, sie würde sich kränken, ganz unnötiger Weise, hörst du?«

* * *

Der Leser wird endlich ungeduldig. Er will wissen, was es mit diesen zwei losen Nixnutzen eigentlich ist. Das ist bald berichtet. Der Fürnehme kommt natürlich aus einer Stadt, vermutlich aus einer großen, denn der Mann scheint Welt zu haben. Dort besitzt er ein erheiratetes Bankgeschäft und hier in der Windwend, wie der Ort heißt, genießt er mit seiner Frau Gemahlin stets die Sommerfrische. Herr Poiser ist ein Mann noch nicht einmal in den besten Jahren, denn in solchen ist einer erst – glaube ich – von fünfzig bis sechzig. Er steht nicht hoch über vierzig; daß seine Frau noch etwas niedriger steht, obzwar sie ihm ziemlich hoch zu stehen kommt, das ist glaubhaft. Der Lebemann verstand sich auf Naturgenuß und Geselligkeit. Schon im vorigen Sommer war er mit dem Bruckmüller Marxl bekannt geworden und hatte mit ihm Freundschaft geschlossen, denn dieser Bruckmüller-Marxl war ein merkwürdiger Kumpan. Ein junges, hübsches, findiges und schalkhaftes Bürschlein, wußte er für sich einzunehmen; durch seine gesunde Einfalt, die aber, näher besehen, nicht immer eine war, gewann er bei den Herrenleuten leicht Sitz und Stimme. Er hatte von einem Oheim die Bruckmühle geerbt und wieder verpachtet. Seit er als Knabe Ministrant gewesen war, tat er unterschiedliche Kirchendienste, wenn der Meßner oder der Schulmeister einmal nicht vorhanden war. Orgeln konnte er, Lichter anzünden konnte er, mit dem Klingelbeutel konnte er umgehen und jedem, der etwas hineinwarf, schmunzelte er verständnisinnig zu: »Nur her mit dem Bußpfennig! Du solltest wohl noch einen zweiten geben!« Bei Lust und Festlichkeiten hatte man den Marxl auch gern, denn er wußte mancherlei Schwank und Schelmenstück und verdarb nie etwas. Andererseits konnte er gar nachdenklich sein; weil er viel in Büchern las, aber nicht Geschichten und Romane, sondern Besseres, so hatte er sich das Denken angewöhnt, dachte es aber nicht gerade so den Büchern nach, sondern aus Eigenem, und wie der Zufall just dazu Anlaß gibt. Es war oft erstaunlich und oft drollig, wie das frische Bürschlein in Bauernloden (er verachtete das Stadtzeuggewand) und Bauernsprache die tiefsinnigsten Dinge vorbrachte, und plötzlich ein keckes Hinaushüpfen ins Schalkhafte, so daß der Zuhörer schließlich nicht klug war darüber, gehöre er zu den Belehrten oder zu den Gefoppten.

All das und manch anderes zusammen machte ihn gesucht, umworben, so daß auch die städtischen Sommerfrischler sich seiner Bekanntschaft befleißigten. Der Bankmann Poiser hatte also mit ihm Freundschaft geschlossen und diese Freundschaft gedachte der kluge Geschäftsmann nun auch zu fruktifizieren.

Was sie miteinander heute verabredet haben, das wissen wir. Was morgen geschehen soll, das vermuten wir, und wie es ausgefallen ist, das sollen wir bald hören.

* * *

Der Dachshof! Der Marxl geht im Dachshof immer einmal aus und ein, hatte er gesagt. Daß der Dachsbauer, frisch und heiter wie er, sein Vetter war und eigentlich in allem sein bester Kamerad, das hatte der Marxl dem Fürnehmen nicht gesagt. Nun ging er zu seinem Vetter, und erzählte ihm die ganze Geschichte. Anfangs war der Dachsbauer höllisch aufgebracht darüber, daß dieser »Stadtzodel« sein Weib besuchen wollte, dann lachte er tüchtig und hernach gingen die Zwei im Schachen spazieren und beredeten etwas.

Am nächsten Frühmorgen stand der Fürnehme am Bach und angelte. Nichts wollte anbeißen, gar nichts. Na doch! Er hatte etwas, schnellte empor – an der Angel hing das patschige Gefaser einer Graswurzel. Gleichzeitig stupfte ihn was von hinten. Der Zeigefinger des Marxl war's.

»Willst Fische haben?« fragte dieser lustig. »Also komm' mit, nach der Messe führe ich dich in den Dachshof, ich hab' sie schon hergerichtet, es geht leicht, der Bauer ist beim Häusel unten und kommt vor Abend nicht nach Hause.«

»Ein goldener Kerl bist du!« rief Herr Poiser, »ein diamantener. Ganz unbezahlbar bist du.«

»Ich verlang' eh nichts,« sagte der Bursche.

Während der Marxl bei der Messe war, ließ der Fürnehme seiner Gemahlin sagen, sie brauche heute nicht auf ihn zu warten mit dem Diner, er habe eine Bergpartie vor. Und nachher gingen die beiden hinauf zum Dachshofe. Der Marxl führte den Freund durch ein Hintertürchen hinein in die Vorratskammer. Da gab es Flachs und Rauchfleisch und Speck und Schmer und Butter und lauter so gute Sachen.

»Da wartest,« sagte der Marxl, »kannst dich derweil auf diese Truhe setzen. Man kann sich auch verstecken drinnen. Die Bäuerin wird bald kommen, um Speck zu holen für die Knödeln. Ich geh' jetzt. Gute Unterhaltung!«

Der Fürnehme fand sich allein in der Kammer, die nur durch ein einziges Oberfensterlein kümmerlich beleuchtet war. Der prickelnde und mürfelnde Geruch von Fleisch und Speck mutete ihn gar eigen an – Das ist so pikant! Die Maus beim Schmer, ha, das ist so pikant! Die Katz' beim Speck! Das ist doch einmal pikant! – Charmant – Es kommt wer. Das ist sie. Um Gotteswillen, nein, das ist sie nicht! Das sind Männerschritte. – Durch eine Spalte guckte er ins Vorgelaß – höllverdammt! Der Bauer! . . .

In der Kammer stand eine große, alte Truhe; sie war nicht versperrt. Hastig und leise öffnete der Herr Poiser den Deckel, huschte hinein auf einen Wust von schmutziger Wäsche und senkte vorsichtig über sich den Truhendeckel zu. Das Prickeln war auch hier wieder sehr pikant, doch der Fürnehme war jetzt weniger Nase als Ohr. Der Dachsbauer war in die Kammer getreten, tastete eine Weile an der Truhe herum und rief dann nach einem Knechte.

»Geh, Franzl,« sagte er, als dieser kam, »hilf mir die Truhen da hinaustragen auf den Karren, ich führ' sie zum Häusel hinab, ich laß sie auch versteigern.«

»Aber Bauer, was wirst denn kriegen für den Scherben?« lachte der Knecht.

»Glaub' das nicht, Franzl! Es ist ein altes Möbel. Für so was gibt's Liebhaber heutzutag. Mir verstellts da nur den Platz, ihre Fetzen und Lumpen kann die Bäuerin auch in einen andern Winkel schmeißen. Schau du, der Deckel klappelt. So!« Er drehte den Schlüssel um und steckte ihn in die Tasche. »Geh, Franzl, faß' an!«

Also wurde die Truhe hinausgetragen, auf den zweirädrigen Karren geschoben und zu Tale gezogen. Der Fürnehme war schon mit allerlei Vehikeln spazieren gefahren, auf einem solchen bisher noch nie. Halb in den Lappen vergraben, dachte er sich einen ganzen Rattenkönig von Flüchen und Verwünschungen gegen den Verräter. Dabei sann er auf einen Schick, die Sache ins Scherzhafte zu spielen, wenn ihn der Bauer auslassen würde, und so zu tun, als ob er sich selber einen solchen Spaß hätte machen wollen. Aber die Geschichte konnte auch grauslich ausgehen, – pikant war sie jedenfalls sehr.

Vor dem Talhäusel auf dem Anger waren schon viele Leute beisammen und ergötzten sich an den drolligen Ausrufen des Versteigerers, der zum Beispiel eine alte Hühnersteige um fünfhundert Gulden ausbot, schließlich aber um acht Kreuzer losschlug. Auch die Frau von Poiser war gegenwärtig und der Marxl machte ihren Kavalier. Ihr Gemahl ist heute ja auf einer Bergpartie, sie braucht mit dem Essen nicht auf ihn zu warten, so hatte sie schon den Marxl dazu eingeladen. Sie war eine sehr liebe Dame.

Nun kam der Dachsbauer mit der alten Truhe.

»Ah! Eine Antiquität! Altdeutsch! Sehr hübsch!« so sagte die Frau von Poiser. »Ach, da muß ich mitbieten. Wir haben in unserer Stadtwohnung ein altdeutsches Zimmer mit Butzenscheiben und lauter wurmstichigen Möbeln, mein Gemahl ist ein Freund von alten Möbeln!«

»Dann werden ihm gnädige Frau eine große Freude machen!« sagte der Bursche.

Sie versetzte ihm mit zwei Fingern ein Klatschchen an die Wange. »Grobian!«

Der Bursche fragte verblüfft, warum er geschlagen worden sei.

»Eine altdeutsche Geldtruhe!« rief der Versteigerer aus, »sie stammt vom Hofe Karls des Großen, der hat seine Dukaten drin gehabt, die Alten vom Dachshof waren Truchsessen beim großen Karl, die sind immer auf dieser Truhen gesessen, und wie sie pensioniert wurden, haben sie sie zum Gnadengeschenk erhalten. Dreißig Gulden zum Ersten! – Dreißig Gulden zum Ersten! – Gibt niemand dreißig Gulden? – Dann fünfunddreißig Gulden zum Zweiten!«

»Ich gebe sechsunddreißig!« schrie jemand in der Menge; es war der Dachsbauer selber.

»Vierzig!« rief der Marxl.

»Ich gebe fünfundvierzig,« hierauf der andere.

»Fünfzig!« jauchzte die Frau von Poiser. Die Truhe wurde ihr zugeschlagen.

Allsogleich machte sie sich daran, um sie bewundernd von allen Seiten zu besehen und auch aufzumachen. Dem Inwohner der Truhe begann der Angstschweiß aus der Haut zu brechen. Doch der Dachsbauer sagte, er habe leider den Schlüssel zu Hause vergessen und er werde ihn nachmittags schicken. Der im Möbel atmete auf.

Frau von Poiser ließ das erstandene Kleinod sofort in ihre Villa schaffen. Wie es massiv war und schwer! Sie war ganz verliebt in die Truhe und nach dem Mittagsessen setzte sie sich darauf und der Marxl mußte sich zu ihr setzen. Sie scherzten, sie lachten und der muntere Bursche sagte: »Man setzt sich drüber hinaus. Schon der erstandenen Truhe zu Ehren bin ich heute so lustig.«

»Ich bin ja auch lustig!« flüsterte sie.

Der Inwohner in der Wäsche bebte vor Wut. So lange sie noch laut lachten, war's erträglich, . . . nun aber begann er zu rasen.

Als es im Innern der Truhe plötzlich zu trampeln anhub, schnellte die Frau von Poiser mit einem Schreckruf in die Höhe: »Um aller Heiligen Willen, was ist denn das? Wer ist denn da drinnen?«

Der Marxl tat auch erschrocken. »Ja, ja, in der Truhe drinnen trampelt was!« sagte er. »Wie wäre denn das möglich? Beim Dachsbauer in der Speckkammer ist sie gestanden, wo die Bäuerin allemal Fleisch und Schmer holen geht zum Kochen. Sie wird doch nicht sein in die Truhe gefallen, die Bäuerin! Das wäre so was! – Auf geht das Zeug auch nicht. Wenn's nur aufginge, daß man könnt' nachschauen, was drinnen ist. Da habe ich wohl einen Schlüssel bei mir, na vielleicht paßt er.«

So redete der Schelm herum, griff in den Sack, zog einen Schlüssel hervor und sperrte die Truhe auf, – da flogen ihm die Fetzen ins Gesicht. Im ganzen Zimmer flatterten die alten Hosen und Hemden und Tücher, wie in einem Wirbelsturm und mitten durch sauste – aus der Truhe hervor, zur Tür hinaus – wer?

»Um Gotteswillen, ist das nicht – mein Mann gewesen?« stöhnte die Frau von Poiser.

»Eh nein, gar nicht zu denken!« beruhigte der Marxl, »der Herr Gemahl ist ja auf einer Bergpartie.«

»Er war's! Er war's!«

»War er's? Oh der Schelm, dann hat er uns sauber zum Narren gehalten.«

Bald darauf hat der Marxl sich höflich verabschiedet. Als er um die Büsche bog und durchs Gartentor hinausging, stand dort der Fürnehme –: ein lehmblasses Gesicht, wild rollende Augen, geballte Fäuste. Da trachtete der Marxl, ehestens weiter zu kommen.

Am nächsten Morgen erhielt der Herr von Poiser ein Brieflein:

»Es wissens nur wenige und soll ein Geheimnis bleiben. Du weißt nun meine Meinung und kannst sie dir merken. Marxl.«

* * *

Wenige Tage nach der Versteigerung sind die fürnehmen Herrschaften abgereist. Die altdeutsche Truhe, in der Karl der Große seine Dukaten gehabt hat und auf der die alten Truchsessen gesessen sind, haben sie vergessen mitzunehmen.

 


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