Peter Rosegger
Die Abelsberger Chronik
Peter Rosegger

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Ein Abelsberger Schweineverkäufer.

Heut' hab' ich meine Alte verkauft!« Solches waren die ersten Worte des Bauers Johann Birnkifler von Ober-Abelsberg, als er zur Türe hereinging.

Sein Weib trat ihm würdevoll entgegen und sagte: »Mit so dummen Späßen ist's mir lieber, du gehst hinaus als wie herein!«

Nahm er sie um den Hals und sprach: »Weiberl, du hast unrecht verstanden. Dich kann man nit verkaufen, das heißt, einen Menschen darf man nit verkaufen – und will auch nit, will nit. Na, na, meine alte Sau hab' ich verkauft.«

Das Weib fuhr sich mit beiden Händen an die Brust: »Jetzt gibt's mir einen Stich im Herzen. Die Nutsch hast hergegeben? Himmlischer Vater, die Sau hat er verkauft! das ist aus der Weis', das ist ganz aus der Weis'. Was ist jetzt zu machen? Jetzt hat er sie vertan und fragt mich nit! hast sie hergegeben? Nein, das laß ich nit angehen, das laß ich nit! – Wieviel Geld hast denn kriegt für sie?«

»Einen ganzen Haufen!« flüsterte der Birnkifler seiner Ehegesponsin zu, und dabei machte er ein verdammt verschmitztes Gesicht.

»Aber wie denn? Wie denn, um Gottes willen!« rief sie.

»Nach der Meß,« so erzählt er, »geh' ich zum Kirchenwirt auf mein Seidel, weißt, das mir der Oberdorfer Bader verordnet hat, wegen meines Leberleidens. Und weil mir der Abelsberger Doktor auch ein Seidel angeraten hat, nau, so hab' ich zwei getrunken. Dabei denk' ich mir: warum sich denn alleweil nur von den Doktoren raten lassen, einen guten Rat kannst dir doch auch selber einmal geben, und trink' auf meinen eigenen Rat das dritte Seidel. Der Kirchenwirt sagt, der Mensch müßt' auch in der Medizin Maß halten, und bringt mir das vierte Seidel und fragt mich so nebenbei, ob ich kein Schwein zu verkaufen hätt'. Ich hab' aus unserer Alten kein Geheimnis gemacht, und daß sie schon seit Allerheiligen in der Mast steht, und daß sie nit viel nachgeben wird von zwei Zentnern. Er legt mir achtzehn Taler auf den Tisch, und ich leg' ihm die Sau auf den Tisch, heißt das, schlag' ihm sie zu.«

»Bist ein Narr!« schrie jetzt das Weib. »Die kugelrunde Speckfeiste um achtzehn Taler!«

Der Birnkifler kümmerte sich nicht viel um ihren Ausruf, sondern fuhr fort zu erzählen: »Wie ich nachher durchs Dorf herauf geh', schreit mir der Fleischhacker nach, ob ich nicht ein fettes Schwein stehen hätt' im Stall? Ah, versteht sich! sag' ich. Ich trau' dir, Birnkifler, sagt er. Ist nit das erste Geschäft, was wir miteinander machen und soll auch nit das letzte sein. Jetzt vor den Feiertagen brauch' ich Fleisch. Zwanzig Taler auf die Hand dafür, unbeschaut! – Ist recht, sag' ich.«

»Aber, Tepp, wenn du sie dem Kirchenwirt hast verkauft!« rief das Weib.

»Heroben beim Stiegelkreuz,« erzählt der Birnkifler weiter, »sitzt der Kalbeltreiber von Neudorf. Das Umherlaufen in so einem Patschwetter hätt' er schon satt bei seinen gichtischen Beinen. Ob ich ihm kein Schlachtschwein wüßt'! Zahlen tät' er gut. Ich weiß eins, sag' ich und hab' auf der Stelle vierundzwanzig Taler auf der Hand.«

Das Weib des Birnkifler ringt die Hände. Dreimal hat er sie verkauft! Dreimal! Der schlechte Mensch! Der Betrüger! – Aber es war nicht lange Zeit zum Ehrabschneiden. Die Tür ging auf, der Nachbar Breitenbichler kam schwerfällig hereingestampft. Sollt' doch ein wenig abrasten, lud der Birnkifler ein. Ja, das Rasten sei ihm nicht zuwider, entgegnet der Nachbar und setzt sich an den Tisch. »Die Lauferei jetzt,« setzt er bei, »die wird mir eh schon zu dumm. Meiner Tochter Ehrentag auf die nächst' Wochen, du weißt ja. Bis man alles beisammen hat für achtzig Gäste. Eine feiste Sau geht mir noch ab. Hab' gehört, Nachbar, du hättest eine im Stall. Wollt' dir nit zu sparsam sein.«

»Ist recht, gehen wir sie anschaun,« meint der Birnkifler, »wenn man dem Nachbarn einen Gefallen kann erweisen, warum denn nit?«

Eine Viertelstunde später war das Schwein verkauft an den Breitenbichler um fünfundzwanzig Taler.

Später, als der Johann Birnkifler mit seinem Weibe allein war, leerte er in eine Holzschüssel seine Säcke aus, sie waren voll Taler, deren siebenundachtzig hatte er! Seit ich auf der Wirtschaft bin, hab' ich noch keine Mastsau um einen solchen Preis verkauft, war sein süßes Denken.

»Eingesperrt wirst!« rief das Weib.

»Warum?« fragte er entgegen, »'s hat ja keiner gefragt, ob das Vieh mein gehört. Jeder nur: ob ich nit im Stall eine feiste Sau stehen hätt' – was ja wahr ist – und gleich das Geld her. Ein Narr, der nit angreift heutzutag'!«

»Aber Todl, alter!« zeterte sie und kam ihm mit ihren fuchtelnden Händen sehr nahe. »Ich hab' sie ja verkauft, die Sau, heut' Vormittag, dieweil du aus bist gewest. Der Rösselwirtsknecht hat zugefragt. Fünfundzwanzig Taler und fünf Silbergroschen extra als Nutschgeld.«

»Nachher hätten wir ja weit über hundert Taler gelöst fürs Vieh!« jubelte der Birnkifler.

»Der Rösselwirtsknecht holt sie in etlichen Tagen,« berichtete das Weib.

»Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst.«

»Und die anderen? Die vier anderen?«

»Geh', Alte, laß mich aus!« murrte er, »allemal, wenn man heimkommt, machst du so Geschichten. Ich will jetzt Ruh' haben!« Und ging hinaus aufs Heu, wo er sich niederlegte.

Am nächsten Tag, als der Birnkifler frisch ausgeschlafen hatte und ihm der gestrige Handel einfiel, kam ihm die Sache etwas bedenklich vor. Das wäre ja beinahe, als ob er sein Schwein fünfmal verkauft hätte! Indes nahm er erklecklich viel Medizin für seine kranke Leber zu sich, und diese Medizin war auch ein gutes Mittel gegen das beißende Gewissen.

Und eines Tages wird es lebendig bei dem Birnkiflerhause. Den Fahrweg herauf kommt der Kirchenwirt mit einem Stock; den Fußsteig durch den Schachen her steigt der Fleischhacker mit dem Hunde. Am Feldrain heran trottet der Kalbeltreiber von Neudorf mit einem Strick. Durch den Kohlgarten herab trabt der Nachbar Breitenbichler mit seinem Knecht, und die Straße her fährt der Rösselwirtsknecht mit Roß und Wagen.

Als unsere Eheleute solch werte Gäste kommen sahen, ließen beide die Arme herabhängen und murmelten ganz gleichzeitig: »So, jetzt ist die Sau fertig!«

Der Johann Birnkifler hatte aber immer gute Einfälle, so sagte er auch jetzt: »Am gescheitesten ist's, wir geben sie gar keinem, verleugnen sie und schlachten sie selber.«

»Ich weiß schon, was ich tu',« sagte sie, »ich sag', was wahr ist, daß du verrückt bist worden, das Schwein gehört dem Rösselwirtsknecht und dich sollen sie ins Narrenhaus stecken.«

»Bedank' mich recht schön!« antwortete er und verneigte sich vor seiner Lebensgenossin.

»Also, dummer Tepp, was ist sonst zu machen!« schrie sie, denn einesteils tat er ihr doch leid, und die Gefahr drohte im höchsten Grad. »Zum Schlagtreffen ist's!«

»Ich weiß was!« flüsterte er, als die Männer draußen schon über den Hausanger gingen, »ich weiß was. Mich trifft der Schlag.« Er fiel hin auf das Fletz. »Ich bin schon tot. Deck' mich zu und sei trauernde Witwe.«

Das verstand sie. Es war schreckbar toll, aber manchmal ist die Tollheit das klügste.

Als sie einer nach dem andern zur Tür hereintraten, hörten sie das herzzerreißende Klagen der Birnkistlerin. Händeringend stand sie vor der verhüllten Leiche! »Vor einer Stunde noch frisch und gesund und jetzt mausetot, o ihr heiligen vierzehn Nothelfer, steht uns bei!«

»Leberleidend ist er schon lang' gewesen,« meinte der Kirchenwirt. »Die Leber wird angeschwollen sein und wird ihm das Herz zerdrückt haben.«

»O Gott, der arme Mensch hat schon lang' einen Stein auf dem Herzen gehabt!« jammerte das Weib.

»Dann ist's Weinstein gewesen,« warf der Fleischhacker ein. Und so ergingen sie sich in Mutmaßungen, woran und wieso der Johann Birnkistler so plötzlich des Todes verstorben sei. Der Rösselwirtsknecht nahm sich endlich einen Anlauf zu folgender Rede: »Es tut sich zwar frei nicht schicken, Birnkiflerbäuerin, daß der Mensch bei einem solchen Unglück von Geschäftssachen spricht. Freilich könnt' ich ein anderes Mal kommen, aber der Weg ist weit, und weil ich mein Rößl schon bei mir hab' heut' – weißt, Bäuerin, um das Mastschwein wär' ich da, das ich dir vor etlichen Tagen abgekauft hab'.«

Sie wehrte mit der flachen Hand ab: »Gott, ja, nimm's, nimm's, steht eh draußen im Stall. Lasset mich nur jetzt mit solchen Sachen in Fried!«

Nun rückten aber auch die übrigen mit ihrem Vorhaben heraus, das Weib wies gegen den Stall, und sie wunderten sich baß darüber, daß der Birnkifler fünf Mastschweine stehen habe unter seinem Dache. Freilich erwies diese weltgläubige Annahme sich nur zu bald als Trugschluß. Es fand sich nur ein einziger Stall vor und in diesem nur ein einziges Schwein und als Rest nur noch die Gewißheit, daß die Käufer geprellt seien. Der Fleischhacker wollte Lärm schlagen, allein der sittsame Breitenbichler erinnerte an die Achtung, die man einem Toten unter allen Umständen schuldig sei. Die Strafe habe ihn augenscheinlich ja schon erreicht und für sie, die Käufer, wäre es das klügste, die fette Sau ohne viel Wesens in fünf gleiche Stücke zu teilen, damit jeder wenigstens einen Brocken von ihr habe.

Einverstanden. Und als sie mit ihren fünf Brocken abgezogen waren, stand der Johann Birnkifler von den Toten auf und schmunzelte. Er hatte in seiner Brieftasche die fünffache Sau, und ein Käufer hatte von der einfachen nur den fünften Teil. Aber gescheit muß man sein!

»Es wird dir doch schlecht gehen, bis sie erfahren, daß du wieder munter worden bist!« gab das Weib zu bedenken.

»Laß mich nur machen!« sagte der Mann. »Mit denen fünfen werd' ich schon fertig. Wenn sie mir nur keinen Gerichtsprozeß machen, der wär' mir zuwider. Die Doktors, das sind verflucht gescheite Luder!«

Was er gefürchtet, trat ein. Als die fünf Geprellten die Auferstehung des fünffachen Schweineverkäufers erfuhren, verklagten sie ihn vor Gericht. Das Weib war außer sich und sah schon den Galgen; der Bauer blieb ziemlich ruhig und rechnete so: sie haben die Sau miteinander geteilt, haben sich abgefunden, also sind sie abgefertigt. Und meinetwegen? Auf das Wiederlebendigwerden ist keine Straf' gesetzt. Etwas unheimlich war ihm aber doch, dem guten Johann Birnkifler, also ging er hinab ins Stadtl und nahm sich einen Advokaten auf.

Der Herr Doktor Schlauchel war ein erfahrener Mann, hatte schon viele Gesetzparagraphhäklein, an denen Leute hängen geblieben, gerade gebogen, allein dieser Fall war ihm bedenklich.

»Bauer!« sagte er nach tiefem Nachdenken, »Ihr habt Euer Schwein wissentlich mehrmals verkauft. Es steht schlimm um Euch, Ihr werdet sachfällig!«

»Daß der Teuxel . . .« knurrte der Bauer.

»Ich habe jedoch eine Idee,« sprach der Advokat. »Wir wollen es versuchen, vielleicht gelingt's. Aber klug sein, Birnkifler!«

»O je!« machte dieser, als wollte er sagen, an Klugheit sei ihm niemand über.

»Ihr werdet vor Gericht stehen,« belehrte der Advokat Doktor Schlauchel. »Da wird viel herumgeredet werden. Und was Ihr auch antworten möget, es wird nichts nutzen, es wird für die Katz' sein. Deswegen merket Euch einmal das: Was sie auch sagen mögen, tut nichts desgleichen, sagt nur: abgepfiffen! Bei der ganzen Verhandlung nit ein einziges Wort, nur allemal: abgepfiffen!«

Der Bauer lächelte pfiffig und sagte: »Bedank' mich recht schön, Herr Doktor, das will ich tun.«

»Und auf dem Heimwege bringt Ihr mir mein Gebühr von dreißig Talern.« Also der Doktor, und der Johann Birnkifler ging zum Gerichte.

Na, da gab's Leute! Da waren fünf Ankläger, zwei Richter, zwei Schreiber und der Gerichtsdiener. Zehn gegen einen! Und erst noch die Gesetzbücher in Haufen, die waren ja auch gegen ihn. Der Bauer stellte sich recht demütig hin vor den grünen Tisch und zerknüllte seine Hutkrempe.

»Ihr seid der Bauer Johann Birnkifler, so und so alt, bisher unbescholten, und habt ein Schwein verkauft. Ist es so?«

»Abgepfiffen,« sagte der Angeklagte ruhig.

»Was meint Ihr?« fuhr der Richter auf. »Und seid beschuldigt, ein und dasselbe Schwein an mehrere Käufer verkauft zu haben. Was sagt Ihr dazu?«

»Abgepfiffen,« antwortete der Bauer.

»Wollt Ihr es vielleicht leugnen? Hier stehen fünf Zeugen, ehrenwerte Männer. Nun?!«

»Abgepfiffen,« schrie der Bauer hell auf.

»Seid Ihr verrückt? Wisset Ihr, daß Ihr nur durch sofortige Vergütung und reumütige Abbitte Eure Strafe wesentlich verringern könnt'?«

»Abgepfiffen,« antwortete der Bauer mit trauriger Miene.

Der Richter wurde stutzig. Und als er auf weitere Fragen von dem Angeklagten immer nur das Wort »Abgepfiffen« hörte, und nichts als das Wort »Abgepfiffen«, das manchmal wie ein Hilfe- oder Drohruf ausgestoßen, dann wieder wie im Stumpfsinne hingelallt wurde, wendete der Richter sich zu den fünf Anklägern und sprach im Tone des Vorwurfs: »Wen habt ihr denn da hereingebracht? Das ist ja ein Unglücklicher, ein armer Irrsinniger! Wohl auch epileptisch, woran ihr scharfsinnigerweise seinen Tod gesehen habt. Und mit einem solchen Menschen schließet ihr Geschäfte ab? Wohl kaum in einer anderen Absicht, als den Schwachsinnigen zu übervorteilen? – Ich finde zu urteilen, daß dieser Mann das Schwein nicht aus unlauterer Absicht wiederholt verkauft hat, sondern aus reiner Vergeßlichkeit. Ich spreche ihn frei, und ihr möget euch merken, daß ein vernünftiger Mensch mit einem Narren keinen Handel macht. Ihr könnt heimgehen, Johann Birnkifler.«

Dieser verneigte sich so ein wenig und tappte dann blöde zur Tür hinaus.

Auf seinem Wege nach Hause nahm er die kürzeste Gasse. Sie führte am stattlichen Hause des Herrn Doktors Schlauchel vorüber. Der Herr Doktor schaute zum Fenster herab. Er hatte ein blaues Hauskäppchen auf und ein langes Pfeifenrohr im Munde und in Gold gefaßte Brillen auf der Nase. Daher sah er den Johann Birnkifler schon von weitem daherstiefeln.

»Nun, ich sehe, Ihr seid ja ganz munter auf freiem Fuße, Birnkifler!« rief er hinab.

Der Bauer nickte mit dem Kopfe, ja, er wäre munter auf freiem Fuße.

»Es ist also gut gegangen!«

Der Bauer nickte vergnüglich mit dem Kopfe und trachtete weiter.

»Mein Rat hat also geholfen? Hat er? Na, schön, das freut mich. Nun kommt aber einmal zu mir herauf, Birnkifler, und bringt mir meine dreißig Taler.«

»– Abgepfiffen!« sagte der Bauer und trottete gelassen seines Weges.



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