Peter Rosegger
Die Abelsberger Chronik
Peter Rosegger

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Der Schulmeister von Abelsberg.

War ein revolutionärer Geist, der alte Schulmeister von Abelsberg. Wie die Welt war, so gefiel sie ihm nicht, und wie sie ihm gefallen mochte, so war sie nicht. Und das tat in seinem Herzen bitterlich graben. Gegen die Schulkinder hatte er nichts, die waren ihm nur der etwas unfruchtbare Acker, aus dem sein saures Brot erwuchs. Im Schweiße seines Angesichtes bearbeitete er die spröden Furchen der Schulbankreihen mit dem Spaten seines Linealscheites und jätete Unkraut und säete Weizen – zumeist taube Körner, die keine Keimkraft hatten. Soll halt werden, was werden will.

Aber die Eltern von den Kindern. Da stak's! Schickten sie dem Schulmeister Brot, so wollte er Würste, und gaben sie Würste, so verlangte er Schinken. Und bekam er Schinken, so sagte er, es wäre eine Schande, daß man ihm nicht auch das Bier dazu ermögliche.

Der Herr Pfarrer war ihm auch nicht recht. Beim Altar war er ihm zu still, da konnte der Schulmeister nicht respondieren. Bei der Predigt war er ihm zu laut, denn der alte Herr predigte häufig von den Tugenden der Sanftmut und Genügsamkeit, und wenn er Beispiele dieser Tugenden anführte, so deutete er nie gegen das Chor, wo der Schulmeister stand. Auf den Amtmann hatte er eine besondere Galle. Der gewann beim Kartenspielen dem Schulmeister das Geld ab und hielt sich für seine Kinder einen Hauslehrer. Aber nicht den Schulmeister. Wo bissel Geld herausschauen könnte, nie den Schulmeister. Und überhaupt diese Amtmänner! Schon gut.

Den finstersten Ingrimm aber hegte der Schulmeister gegen den Gutsherrn, der im Winter zwar in der Residenz lebte, im Sommer aber auf Hoch-Abelsberg wohnte und sich zu allerlei Gelegenheiten mit Volksaufzug und Blumensträußen und Kranzmädchen feiern ließ, als wie ein Herrgott. Was hat der hohe Herr im alten Schloß den Pfarrer und den Amtmann zu Tische zu laden, zu seinen Jagden, Scheibenschießen und anderen Festlichkeiten zu ziehen, wenn der Schulmeister daheim bleiben muß? Soll der Lehrer des Volkes denn ewig am Hungertuche nagen? Wohlan! Es kommt eine andere Zeit! Die Großen wird man von ihrer Höhe stürzen . . .! – Darum sage ich: ein revolutionärer Geist. Und so kam es, daß der Schulmeister etwas mißliebig war bei den Leuten.

Und eines Tages im Winterfasching, als der Schulmeister eben die Geige von der Wand nahm, um damit im Wirtshause bei einer Freimusik aufzuspielen und sich so ein paar Groschen für die Fastnacht zusammenzufiedeln – ging die Türe auf. Der besäbelte Gemeindediener und der befrackte Amtmann traten herein, und letzterer bedeutete dem Schulmeister, daß heute das Geburtsfest des hochgebornen, wohledlen und gestrengen Gutsherrn wäre.

»Ist vielleicht das Musizieren für andere verpönt?« fragte der Schulmeister bissig.

»Keineswegs,« antwortete der Amtmann, »doch zeigen wir Euch an, daß Ihr laut hohen Auftrags hiermit verhaftet seid!«

»Wer? Ich? Ich, der Schullehrer, verhaftet?! Mein Herr!«

Es gab eine Szene. Während sich im Städtchen alles auf das Fest rüstete, wurde der Schulmeister in den Gemeindearrest von Abelsberg getan. Dort saß er eine Woche lang, saß in der Fastnacht, saß am Aschermittwoch.

Und als die Schule wieder beginnen sollte, wußte sich der Amtmann nicht zu helfen; er schrieb an den Gutsherrn in die Residenz:

»Wohledler, gestrenger und gnädigster Herr! Unterzeichnete Behörde untersteht sich untertänigst anzufragen, was mit dem Schulmeister, an welchem der gnädigste Befehl vollzogen worden, weiters zu geschehen habe. In devotester Ehrerbietung das Amt Abelsberg.«

Der Gutsherr schrieb zurück: »Was für ein Schulmeister und was für ein Befehl? Ich weiß nichts. Unterzeichnet

L. L. von S.«

Darauf schrieb das Amt in Abelsberg: »Hochgeborner, gnädigster Herr! In Anbetracht des Auftrages, welchen Hochdieselben zu dero feierlichem Geburtsfeste zu geben geruhten und welcher dahin lautete, den Schulmeister hiesigen Ortes einzuschließen, rapportiert ein Gefertigtes dienstschuldigst, daß besagter Auftrag respektiert und ausgeführt worden ist und Delinquent sich bis dato in Gewahrsam befindet. In ehrfurchtsvollster Erniedrigung

Amt Abelsberg.«

Hierauf ein umgehendes Schreiben vom Gutsherrn:

»Amtmann, Ihr seid ein Esel. Laßt Euch Schreiben Nr. I erklären.

L. L. von S.«

Des war der Herr Amtmann etwas indigniert. Er besprach sich mit seinem Schreiber und beide kamen endlich darüber überein, daß das Geschätzte Nr. I vom gestrengen Herrn in Sachen des Geburtsfestes mißverstanden worden sei. Dasselbe lautete wörtlich:

»Komme diesmal nicht nach Abelsberg, wünsche aber, daß das Fest wie gewöhnlich und mit Einschluß des Schulmeisters gefeiert werde.

L. L. von S.«

Der Schreiber vermutete, daß der gnädige Herr etwa könne gemeint haben, mit ins Fest und zum Festessen solle man den Schulmeister, der ja sonst seiner Widerhaarigkeit wegen oftmals umgangen wurde, einschließen, und nicht in den Gemeindekotter.

»Ja!« machte der Amtmann die Achsel zuckend, »mit mir muß man ohne Umschweife reden, ich kenne keine Zweideutigkeiten.«

Noch an demselben Tage wurde der Schulmeister auf freien Fuß gesetzt, jedoch mit dem strengen Bedeuten, in Zukunft sich besser zu betragen!

Der Schulmeister war überzeugt, daß ihn seine aufrührerische Gesinnung in das Gefängnis gebracht habe und befliß sich, fürder sanftmütiger zu sein.



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