Peter Rosegger
Die Abelsberger Chronik
Peter Rosegger

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Eine Abelsberger Katze.

Im Pfarrhofe zu Abelsberg bei Tische saßen immer ihrer drei. Der Pfarrer, die Katze und der Kaplan. Besteck hatte die Katze keines. Ja, hätt' ich ihre scharfen Zähnchen, wollt' nicht fragen nach Messer und Gabel, und ihr zartes, langes Zünglein ist brauchbar wie der feinste Silberlöffel. Am liebsten saß sie dem Pfarrer auf dem Schoß, wo der Talar ein Grüblein machte; saß nicht ungern auf dem Tisch, am Rande des Tellers; bekostete zuweilen auch die gemeinsame Schüssel, ob wohl in Salz und Schmalz das richtige Verhältnis obwalte, wie es die geistlichen Herren am liebsten hätten. Und war dieses richtige Verhältnis da, so aß sie sich fürs erste selbst ohne alle Umstände satt.

Der Pfarrer hatte seinen rechten Spaß mit dem possierlichen Wesen, und schob ihm nicht die schlechtesten Bissen zu, gar mitunter solche, auf die bereits schon der Kaplan ein Auge geworfen hatte.

Nach einer Weile ereignete es sich, daß der Pfarrer auf einige Zeit verreiste. Der Kaplan hatte mittlerweile Gemeinde- und Hauswesen zu verwalten – tat's auch mit Umsicht und Gewissenhaftigkeit. Aber eins wollte er dieweilen vollführen; gegen des Pfarrers Liebling, der keine Messe las, keine Predigt hielt und keine Beichte abhörte, und im Pfarrhofe doch mindestens so gut, wenn nicht besser gehalten wurde, als der Kaplan – gegen die Katze schmiedete er Ränke. Aber ihm waren die Hände gebunden – wenn der Herr nach Hause kommt, wird sein erster Blick in den Bettwinkel sein, wo der Liebling seine Wohnstatt hat.

Gibt es denn aber kein Mittel, das graue Unwesen für immer vom Tische fernzuhalten? Nach dem Kruzifix, das über dem Tische an der Wand hing, glitt des Priesters Blick. An demselben Tage fiel ihm eine kleine Hundspeitsche ins Auge, die beim Sattlermeister im Auslagkasten lehnte. Da kam ihm plötzlich die Erleuchtung. Er kaufte die Peitsche, und als es Essenszeit war und er sich allein zum Tisch setzte, kam wie immer die gute Katz' herbei. Der Kaplan nahm salbungsvoll das Kruzifix in die rechte, die Hundspeitsche in die linke Hand – hielt ersteres der Katze vor und mit der letzteren – schwapps! ging's über des Tierleins Rücken. Mit einem Satz war die Katz' davon.

Aber bei der nächsten Mahlzeit erschien sie wieder. Der Priester nahm in die Rechte das Kruzifix, in die Linke die Peitsche und tat wie das erstemal. Husch war sie weg.

Ein drittes Mal nahte sie schon mit einigem Zagen, aber sie nahte, und der Kaplan tat wie das erste- und das zweitemal.

So ging's etliche Tage fort. Da kam der Herr Pfarrer heim. Recht froh und heiter, daß wieder alles in Ordnung ist, setzen sie sich zu Tische und die Gottesgab' läßt nicht warten.

»Aber wo ist denn mein Katzel?« fragt der Pfarrer.

Lugt auch der Kaplan um. »Dort hinter dem Ofen hockt's ja.«

»Merkwürdig, daß es heute nicht zum Tisch kommt!«

»Wirklich, Herr Pfarrer, das nimmt mich auch wunder. Ich merke schon seit ein paar Tagen so etwas. Mir fiel es sogar schon ein, was die Leute sagen – mag aber nicht dran glauben.«

»Die Leute?« meint der Pfarrer, »was sagen sie denn?«

»Nein, ich glaub's nicht, 's ist so ein abergläubisches Geschwätz, nur daß man davon spricht. – So eine Katz', sagen die Leute, wenn sie altert, tät' ein Gespenst werden und sich keinem Kruzifix in die Nähe getrauen.«

»Papperlapapp!« lacht der Pfarrer.

»Na, versteht sich. Ein Altweibergeschwätz.«

»Ist nur um ein Probieren zu tun,« meint der Pfarrer, »na, Kätzle, komm, komm her zu mir!«

Dieser trauten Einladung vermag das Tier nicht zu widerstehen, es naht und steigt dem Herrn auf den Schoß. Der Pfarrer langt nach dem Kruzifix, aber kaum die Katze dieses in seiner Hand erblickt, ergreift sie in wilder Hast die Flucht.

Die beiden Priester blicken sich lautlos an.

»Merkwürdig!« sagt der Pfarrer endlich.

»Seltsam!« entgegnet der Kaplan.

»Wenn's so ist, muß ich das Vieh aus dem Haus tun,« sagt der Pfarrer.

»Das wäre jammerschad'!« bedauerte der Kaplan.

Bald war die Katze beim Abdecker. Aus ihrer Haut wurden Hundspeitschen geschnitten.



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