Peter Rosegger
Die Abelsberger Chronik
Peter Rosegger

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Der Korbflechter von Abelsberg.

Es ist immer gut, wenn der Mensch zweierlei Handwerk kann. Und besonders gut für einen Teichgräber, wenn er sich auch ein wenig aufs Korbflechten versteht; denn der Teich ist im Winter gefroren, aber die Körbe lassen sich in der warmen Stube flechten, und des freut sich der Teichgräber von Ober-Abelsberg.

Die böse Welt sagt freilich, er hätte das Körbemachen von den Weibsleuten gelernt, die ihn mit derlei Ware einstmals reichlich versorgt haben sollen. Nun, jeder Mensch hat seinen Teil Spott zu tragen, und wenn einer ein doppelter ist, nämlich Teichgräber und Korbflechter, so gebührt ihm der doppelte Spott, maßen doch die Welt damit allemal freigebiger ist, als mit der Ehre.

Kam einst der Bauer von der Lärchlend herüber und fragte im Häuschen des Teichgräbers höflich an, ob der Mann auch Kohlenkrippen flechten könne oder ob zu diesem Geschäfte eine besondere Wissenschaft dazu gehöre.

»Zu einem Kohlenkrippenflechten gehört mancherlei dazu, vor allem aber recht viel Weiden,« antwortete der Teichgräber in seiner vernünftigen Weise, »bringst du mir die Weiden ins Haus, so kannst du in acht Tagen die Krippen haben.«

Der eine tat's, und der andere hielt Wort. Er ließ sich in seiner Stube warm einheizen, damit die Weiden weich blieben und die Finger nicht steif wurden – denn es war scharfer Winter – er erwog Weite und Tiefe, schnitzte die Jöcher, stellte das Schragwerk auf und begann zu flechten. So eine Kohlenkrippe, wer sie kennt, ist nichts Kleines! Sie ist berechnet, auf einen vierräderigen Unterwagen gestellt zu werden und so viel Holzkohlen zu fassen, als zwei Pferde vom Fleck bringen können. Da gehört schon Schick und Fleiß dazu, in einer Woche eine solche Krippe! Und der Flechter hatte einige Angst, ob er sein Wort wohl werde einlösen können.

Weil er ein gemütlicher Hans war, der Flechter, so blieb er bei seiner Arbeit nicht lange allein. Es kamen die Nachbarskinder zu ihm, es fanden sich auch Erwachsene ein, die ihre Pfeife rauchten, der Flechterei zuschauten und ihren Spaß hatten, wenn der Mann recht lustige Schwänke erzählte.

Der Jugend gegenüber war er stets lehrhaft gestimmt und erzählte diesmal aus Anlaß der Krippe die Naturgeschichte der Weiden, die gerne am Bache wachsen und recht tüchtig hin und her wedeln, wenn der Wind geht. Dann sprach er von den Holzkohlen, daß dieselben aus Holz gebrannt würden, gleichsam wie die Ziegeln aus Lehm, daß sie dann der Schmied zum Eisenmachen brauche, daß der scharfe Schnitzger, mit dem er hantiere, ohne Kohlen nicht so hätte zustande kommen können, daß es daher recht und billig sei, daß der Schnitzger jetzt mithelfe, den Kohlen eine neue Krippe zu machen, weil die Dankbarkeit eine Tugend und Zier sei aller Kreatur. – So wird dem Weisen auch das einfache Handwerk zu einer Quelle der Weisheit. Den Erwachsenen gegenüber war er der Humorist, erzählte die Schwänke vom Michel Knieweit, von dem Eulenspiegel oder »Eigenspiegel«, wie er sagte, von den sieben Schwaben auch, zum Exempel, wie sie ein Haus bauten, bei dem sie vergaßen, Fenster zu machen, so daß sie das Licht in Säcken hineintragen mußten, und dergleichen.

Dabei wurde viel gelacht, aber der Korbflechter erklärte, es sei in solchen Sachen viel Wahrheit drin, und die sieben Schwaben wären noch nicht ausgestorben, selbst in Abelsberg seien etliche Nachkommen derselben zu finden, so die Turmbauer von Abelsberg, die das Geld, aus dem ein zweiter Kirchturm hätte erbaut werden sollen, vertranken, worauf sie den einen Turm doppelt gesehen; oder der Türkensepp, der sich bei einem Heutrogkauf durch einen zweiten selber gesteigert hat; oder der Amtmann, der den Schulmeister einsperren ließ, weil der Gutsherr geschrieben, er wolle sein Namensfest durch ein großes Essen gefeiert wissen, woran sich die Bürger mit Einschluß des Schulmeisters beteiligen sollten; oder der Bürgermeister selber, der vom Gemeindediener beim Wildern ertappt und ins Gemeindehaus getrieben wurde – das wären lauter Streiche, wo die Schlauheit von der Dummheit geschlagen werde. Eine ähnliche Moral war allemal das Käpplein, das der Korbflechter solchen Geschichten schließlich aufsetzte.

Weil der Korbflechter ein ganzer Mann war, bei dem jedes Wort eine Tat ist, so war am achten Tage die Krippe fertig.

Der Bauer von der Lärchlend kam, trat in die Stube und stieß einen Schrei aus. Der Korbflechter erschrak; sollte dem Bauer die Krippe nicht recht sein?

»Über und über recht!« rief der Bauer, »eine brave Form, die rechte Größe, was nicht leicht ist.«

»Ja, das glaube ich, daß es nicht leicht ist,« sprach der Flechter, »wenn du sagst, fünfzehn Faß Kohlen muß sie tragen, da nimmt der Mensch den Bleistift und rechnet. Wäre das Ding viereckig oder rund, so möchte Umfang und Durchschnitt leicht berechnet sein, aber Sachen, die unten eng sind und in der Mitten einen Bauch haben sollen – mein Lieber, da gehört schon ein Kopf dazu!«

»Ist ja alles recht, aber Flechter, aber Korbflechter!« rief der Bauer wieder, »wie bringst denn das Ungetüm bei der Tür hinaus?!«

Der Korbflechter knickte ein. »Herr Jesses, auf das hab' ich vergessen!«

– – Das ist die Geschichte vom gescheiten Korbflechter zu Ober-Abelsberg. Wie sich der Konflikt zwischen der Kohlenkrippe und der Haustür gelöst hat, das erhellt nicht; wahrscheinlich hat die Krippe müssen nachgeben und sich in hundert Trümmer auseinanderreißen lassen. Wenn nicht, so steht sie heute noch in der Stube.



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