Alexander Roda Roda
Russenjagd
Alexander Roda Roda

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Die Sperre Dubno.

Telegramm an die »Neue Freie Presse«.

– 10. September 1915.

Dubno, ein hübsches Städtchen mit neunhundert und etlichen Häusern, gehört uns, bekommt aber gelegentlich noch russische schwere Granaten. Die Sperre, sieben Kilometer südlich von Dubno, ist mit der Stadt durch eine Straße verbunden, und diese Straße ist von russischen Maschingewehren gefährdet – aus einer feindlichen Stellung, die sich östlich der Ikwa hinzieht. Die Lage des Werkes wird am klarsten bezeichnet durch die Buchstaben K, J. K bedeutet das Straßennetz nächst dem Werk, das J die Eisenbahn (Linie Brody-Dubno). Der erste Punkt bedeutet die Sperre, der zweite eine Infanterieschanze.

Die Sperre ist im Grundriß ein längliches Trapez, dessen Basis sich nach Osten, dessen Hauptschußrichtung sich – überraschend genug – nach Westen richtet. Ein ansehnliches Werk; aufgebaut auf einer Nase, mit steilem Fall in der Kehle. Dadurch entsteht im Osten an der Eisenbahn ein toter Raum – und ihn zu bestreichen, dazu dient eben die Infanterieschanze jenseits der Bahn mit Erdwall und ovalem Wassergraben.

171 Die Sperre ist ein Einheitswerk (verbindet demnach Fernkampf mit Nahkampfmitteln). Der Niederwall mit etwa zehn Meter Aufzug ist von Ziegeln, während der Hochwall wohl erst hätte im Fall der Ausrüstung aus Sandsäcken aufgesetzt werden sollen. Die Geschütze haben über Bank gefeuert, doch ist in den Schulterpunkten Beton sichtbar, den man nachträglich eingeflickt hat – vielleicht für das indirekte Schießen einer Steilfeuerbatterie. Auch kasemattierte Unterkünfte gibt es, mit Erdwällen eingedeckt und bepflanzt. In der Face ein Koffer, außen Anlagen zur Bestreichung der Flanken. Panzer nirgends. Durch seine Lage auf dem ins Ikwatal vorbringenden Kap, durch seinen hohen Aufzug beherrscht das Werk weithin das Gelände, ist aber auch aus Meilenferne sichtbar. Dem Befestigungsstil nach dürfte es aus den siebziger oder achtziger Jahren stammen und vor vier, fünf Jahren renoviert worden sein.

Das Poternensystem ist schlechthin großartig Es gibt Hauptpoternen, durch die ein beladener Heuwagen fahren könnte, gemauerte unterirdische Gänge und Nebengänge nach allen Richtungen, ein wahres Labyrinth. Alle Poternen sind durch Stahltüren verschlossen, die verrostet und durch starke Schienen verriegelt sind und darum jedem Werkzeug widerstehen. Man wollte sich durch die Poternen auf den Hochwall zurückziehen, wenn die Angreifer den Niederwall erobert hätten, und 172 von dort noch einmal kämpfen. Für den Minenkrieg sind im Ziegelwerk der Poternen Anbrüche ausgespart, also Wölbungen mit dünner Wand, die man durchstößt, um von hier aus den Stollen vorzutreiben.

Zur Verteidigung der Sperre vom Reduit des Hochwalls aus ist es nicht gekommen – einfach, weil ein Hochwall überhaupt nicht vorhanden war. So unglaublich es nach einjährigem Krieg und vier Monate nach dem Durchbruch von Gorlitze klingt: unser Angriff hat die Russen nicht etwa mitten in der Ausrüstung, nein, in deren Anfangsstadien überrascht.

Es ist erst ein Teil des Vorfeldes gelichtet, nämlich die Sektoren Süd und West. Anderswo steht noch ein üppiger Park mit dicken, alten Bäumen. Die Gebäude im Bauverbotsrayon, ein ganzes Dorf darunter, stehen, Minen sind nicht verlegt, Drahthindernisse nicht einmal gepflockt. Das alles hat uns die Arbeit natürlich sehr erleichtert – wieder ein Erfolg unsrer Raschheit.

Den großen Hof des Werkes nimmt fast völlig eine dreistöckige Kaserne mit Blechdach ein, ein leichter Ziegelbau mit schönen Risaliten. Westlich außerhalb des Werkes steht das Offizierswohnhaus; die Offiziere gelangten mit Hilfe einer Leiter und dem anschließenden Laufsteg aus ihrem Heim gradenwegs über Graben, Wall und Kaserndach hinweg bis in das Werk.

Die Russen haben lange, ehe sie die Sperre 173 an uns verloren, alles irgend wertvolle Gut weggebracht: die Einrichtung der Kasernkapelle, die des Offizierskasinos: sogar die Drähte der elektrischen Beleuchtung fand man abmontiert. Auch wieder bezeichnend für den Offensivgeist und das Selbstvertrauen der russischen Armee im September 1915.

Das Werk ist von einer kleinen Patrouille – ich glaube, Bolfrasinfanterie – besetzt worden. Beute: alles in allem ein Scheinwerfer; er weigerte sich aber hartnäckig, zu leuchten – unter dem Vorwand, er wäre ein Ventilator. 174

 


 


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