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XIV. 599–624

599. (1801) Der Wendepunkt der Schöpfung war der des Eintritts der Oxydation. Das Leben ist Kultus, das Leben ist Oxydation, folglich Oxydation = Kultus. Atmen wird religiöser Akt. Des Menschen Atmen ist sein Leben, die Art seiner Gottesverehrung. Gottesverehrung aber ist Sein in Gott, Erkennen Gottes. In der Verbrennung führen wir ein göttliches Leben, ja jedes Leben ist göttlich. Der Funken, der in Ewigkeit fortzündet, ist das Sinnbild der Unsterblichkeit, und die Flamme das Sichtbarwerden Gottes, so wie er im Leben fühlbar wird. – Flamme und Leben sind die beiden Pole des Wassers. Das Wasser ist der gegenwärtige Gott und die Mitte zwischen seiner Sichtbarkeit und Fühlbarkeit. Taufe = Gottesweihe = Deifikation. – Höhere Konstruktion der Taufe im Abendmahl, als Abend- oder Nachtmahl, Leben und Flamme zusammengebracht: Leben im Brot und Wein, Flamme in der entzündeten Kerze. Wasser = Mitte von Licht und Leben. – Dritte Potenz des Wassers oder Gottes in der Liebe. Man atmet die Geliebte, und dieses Leben, mit dem Besseren der Flamme, gibt die noch höhere Mitte. In der Liebe versteht man den Sinn der Flamme noch höher als im Abendmahl.

600. Unsere Aufgabe ist, erste Menschen zu sein.

601. (1802) Wenn man die Lebensjahre sämtlicher Patriarchen, wie sie 1 Mos., Kap. 5, angegeben sind, addiert, und mit der Zahl der Individuen dividiert, so erhält man zum damaligen Normalalter 8575/10 = 857,5; eine Zahl, die ganz in die Nähe der Burkhardtschen größern magnetischen Variationsperiode von 846 Jahren fällt, und vielleicht sie selbst ist. Ebenso nahe liegt ihr die in der spätem Geschichte sich beständig wiederholende Periode von 800 Jahren und darüber – so daß dort Individuen ganze Geschichtsperioden, höhere Menschen-Einheiten, zu sein scheinen. – Untersucht man, wie sich das antidiluvianische Normalalter zum gegenwärtigen verhält, so findet man 857,5 : 71 1/9 = 12 :1. Ferner: Henoch wurde bloß 365 Jahre alt, und ›dieweil er ein göttlich Leben führte: nahm ihn Gott hinweg, und ward nicht mehr gesehen‹. So läßt sich auch übersetzen, was von Christus geschrieben steht, und schon andere haben Henoch mit einem antidiluvianischen Christus verglichen. Wieder aber verhält sich 365 : 33 nahe wie 12, oder wenigstens doch schon über 11 : 1. – Interessant ist weiter, wie Adam den Henoch, der im Jahr der Welt 622 geboren wurde, noch erlebte, und Henoch wieder den Noah, der 959 geboren wurde, während Henoch erst 987 starb. Adam selbst erlebte noch den Methusalem, der 687 geboren wurde, während jener erst 930 starb; Methusalem starb erst im Jahre der Sündflut. So fällt Henochs Leben genau in die Mitte der antidiluvianischen Menschengeschichte, und Methusalem konnte noch im Jahre der Sündflut Adams Geschichte und alle frühere aus unmittelbarer Überlieferung, so wie die spätere aus eigenem Erleben, erzählen, und Noah, der die Sündflut 350 Jahr überlebte, war noch Zeuge von Henochs ›Himmelfahrt‹. – Kann eine Patriarchengeschichte einfacher und harmonischer sein, als diese? – wenigstens wäre sie schon als bloße Komposition ein Meisterstück.

602. Eva war ein weiblicher Christus; sie erlöste die Tiere, und sündigte als Mensch. – Alle Geburt Sünde, aller Tod Erlösung. Es ist hier aber von höheren Individuen, deren Gliedmaßen bloß sichtbar sind, die Rede. Es ist aber ein Christus zukünftig, welcher Androgyn sein wird. Eva war ohne Weib vom Manne geboren, Christus ohne Mann vom Weibe, der Androgyn aber wird von beiden geboren werden. Aber sie werden im Glanz zerfließen ganz und gar, das wird das Wunder sein, und der Glanz in einen Leib sich bilden, in einen Leib ohne Geschlecht, und also unsterblich;–gleich dem Golde, welches Fleisch würde, – wie wenn die ganze Alchymie nur Trauer um das Irdische, und ihr eigentlicher Zweck, ein Lebenselixier, ein Trank der Verjüngung, die Verkündigung des Himmlischen, die erste Prophezeiung des Androgyns, ist.

603. ›Das Wasser auf Erden nimmt ab, die Menschen dagegen nehmen zu‹, – heißt mit andern Worten: das Wasser wird Blut. Hieraus könnte man eins der Worte des Abendmahls deuten. Doch sagt Christus: Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut. Eher also zeigte er damit seine Identität mit dem höhern Organismus an. Die Erde selbst scheint Christus zu sein, und in Christo die Erde zu erscheinen.

604. (1803) Christus konnte nicht schön gewesen, und deshalb auch nie ein Ideal der bildenden oder malenden Kunst sein. Er war durchaus nur dem Gemüt nach schön, und nur in der Religion herrlich. Darum ist seine Geschichte so schön, er selbst aber nicht. Auch war niemand gegen Christus sinnlich entzückt, alle Liebe zu ihm war um sein Gemüt. Er bedurfte der Glorie, die sein Antlitz verschleierte.

605. (1804) ›Als der Mensch Gott werden wollte, sündigte er.‹ Hierin die Theorie der Sünde. Der Mensch war Gott, dieses Gottes Bestimmung, Mensch zu werden. Also Versuche einer Rückkehr zu Gott auf diesem Wege Sünde. Auch gelangen sie, wie keine Sünde, nie. Als der Mensch Mensch geworden war, wurde seine Bestimmung die umgekehrte, nämlich wiederum Gott zu werden. Dem Wesen nach also ist die alt-testamentalische Sünde = neu-testamentalischem Guten, und die neu-testamentalische Sünde = alt-testamentalischem Guten. Sünde ist überall das Retrograde in der Zeit. Das System der Zeit ist das System des Guten wie des Bösen. Und alles Gute, wie alles Böse, ist relativ. Was dem Menschen als Individuum Gutes ist, wird ihm als Menschheit Sünde, die Sünde des Individuums das Gute des Menschen als Menschheit. Und so viele Stufen (Staffeln, Himmelsstaffeln) hindurch. Der Kampf des Guten mit dem Bösen. Der Zweifel zwischen gut und böse. Die Unruhe der Seele, bis sie begnadigt ist, – bis die Sünde entsündigt ist. Denn die Sünde (der niedern Stufe) wird zum Guten (der höheren).

606. Nach I Mos., Kap. 3, V. 5 u. 7, ging das Auge mit der Sünde auf. Die Sünde führte in die Erscheinungswelt ein. Das Sehen muß retrograde Aktion sein. Das frühere Leben mußte in innerer Anschauung bestehen.

607. I Mos., Kap. 3, V. 15. Feindschaft zwischen der Schlange und des Weibes Samen. Des Weibes Same soll der Schlange den Kopf zertreten. Christus = Rückkehr der Individualität zum allgemeinen, des Menschen zu Gott. Schlange das Individualitätsprinzip, Christus der Töter desselben. Die Zeit von Adam bis Christus muß angesehen werden, als rückgängig in eine höhere Periode; die Zeit von Christus bis *** aber als einstimmend mit ihr. Die neue Zeit also wird weiter führen, als wo die ältere begann. Adam erscheint wieder, und das Paradies, und das Paradies geht in Gott höher ein.

608. (1806) Der erste Buchstabe aller Alphabete ist Menschenleben selbst, – der Odem. Erst am ›letzten‹ geht dieser über – zum Echo, und wird hörbar, – (dem Autor wie dem Publikum). ist auch beste Symbole des Tons. Man darf allenfalls rein akustisch konstruieren. wirft zurück nach a , was von a ausging.

Muß nicht zu dem Laut dem Odem ein Widerstand gesetzt werden, – seine ewige Konsonante? – Der Selbstlauter eben weil er › selbst Laut‹ ist, bedarf derselben beständig; – und so gibt es nur Silben, wie in der Musik nur Akkorde.

609. Gott der Vater, die Natur die Mutter, der Mensch das Kind. Adam aber war Bild Gottes; Eva, die erste Mutter, entsprang aus einer seiner Ribben; so also auch die Natur aus einer Ribbe Gottes. So war Gott schon Vater seiner Frau, die Natur seine Tochter, der Mensch Sohn der Natur, und Enkel Gottes. So ist noch heute jeder, Vater seiner Frau, das Kind der Sohn der Mutter und des Vaters Enkel.

610. Merkwürdig ist, daß Evas erster Sohn der böse war (Kain), der zweite aber war der gute, und wurde vom bösen erschlagen. So, kann man sagen, war der erste Sohn Gottes und der Natur der Teufel, und dieser schlug, weil seines Bruders Abel Opfer dem Herrn wohlgefiel, Abel, d. i. den guten Sohn Gottes in ihm, tot. Hier Ursprung der Sünde und des Unglücks des ganzen Menschengeschlechts, das Unglückliche aller Menschentendenz. In der Bibel kommt dieser Böse unter dem Namen: Schlange, vor.

611. Höchst merkwürdig ist es, daß man gerade ›vom Herrn zu predigen anfing‹, als Adam Großvater wurde. Wahrscheinlich predigte er selbst vom Herrn. Denn er sah nunmehr das Wunder der Schöpfung, das Vaterwerden, Kinderzeugen, usw., vor sich, gänzlich objektiv, ohne einen Schein von eigner Tat dabei. Spät noch muß die Fortpflanzung für höchste Gotteserinnerung gehalten worden sein; daher überall sogleich die Geschlechtsregister. Sie waren Gottesverherrlichungen, Aufzählungen seiner Werke, – Gebete.

612. (1805) Wenn die Patriarchen Androgyns waren, (schon wegen ihres hohen Alters), so werden sie auch auf weit minder sinnliche Weise gezeugt haben, als wir. Und so könnte der Ausdruck noch im heutigen Sinne wahr sein: Adam erkannte sein Weib. Zwar könnte es auch heißen, er erkannte sie für sein Weib, zum Beispiel daß sie geschickt sei, ihm Weib zu sein, und zwar gerade ihm; es könnte seine Liebe zu ihr andeuten sollen. Aber für jene Beziehung auf die Zeugung ist mehr da. Auch kommt das Beispiel eines solchen Erkennens noch einmal in der Bibel vor, bei Christus. Maria, von ihrem bloßen Brautstande mit Joseph wurde schwanger. Maria erkannte den Joseph; was wohl von dem verschieden sein könnte, daß Adam die Eva erkannte. Adam war hier mehr Magiker, mehr aktiv, Joseph hingegen passiv; wieder Eva passiv und Maria aktiv, soweit das nämlich ein Weib sein kann. Auch kann man glauben, daß ersten Menschen ein weit größerer Genuß des Zeugens gewesen sein muß, als später, und wieder, daß dieser gerade darin lag, daß alles bloß Liebe war. Bei uns ist eben das Fehlende in der Liebe das, was beim Zeugungsgeschäft, in Materie gehüllt, stumm vor uns, für uns, vorübergeht. Wir sind nachher beruhigt, aber ohne eigentlich erfahren zu haben, wodurch und warum? – Hierin liegt der vorzüglichste Grund, daß dieser Akt beständig wiederholt wird. Die Tiere wiederholen ihn in der Regel nicht, hier aber ist die Ursache die ganz entgegengesetzte. Alles fällt bei ihnen in die Materie, und der Genuß ist bloß körperlich.

613. Der Unterschied von fest und flüssig muß einer der allerwichtigsten sein, weil er das erste war, was die älteste Urkunde Gott bei der Schöpfung ausführen läßt.

Auch wurde zuerst das Feste als Denkmal, als Verehrung, gebraucht: der Stein. Es ist das Dauernde. Steine waren die ersten Denkmäler der Welt und Weltschöpfung (das Feste schied sich zuerst vom Flüssigen). Sie blieben daher auch überall Denkmal, und waren so doppeltes: Denkmal eines Denkmals selbst schon, noch vor weiterer spezieller Anwendung.

614. Was ist religiöseste Handlung, Sakrament, bis diesen Tag noch, als bloße Erinnerung, zu-Gemüte-Führung, dessen, was man so eben tut! – Das Gewöhnliche wird sacra mente vollzogen. – Die Handlung bei den Sakramenten ist gewissermaßen ein Auszug aller möglichen, und die selbst so eben geheiliget wird. So zum Beispiel das Abendmahl die Heiligung der Unterhaltung des Leibes, des Individuums, die Ehe Heiligung des Geschlechtsakts, der Gattungserhaltung usw., Geschichte der Sakramente.

615. ›Der die Berge festgestellet, als erhabne Himmelsstützen, als vorragende Säulen.‹ – Als ob Tempel Berge, die das Himmelsgewölbe trügen, vorstellten. Rund ist der Himmel, eben die Erde. Diese wird durch eine Linie, jene durch einen Kreis, gemessen. Das Verhältnis des Diameters zur Peripherie ist also ziemlich das von Erde zu Himmel, und eines wie das andere ein irrationales.

616. Merkwürdig, daß, (nach der Genesis), unmittelbar nach der Landbildung, (der Scheidung des Wassers vom Land), sogleich, und als wie unzertrennlich davon, die Vegetation begann. Als wäre sie eine Mitte von fest und flüssig, von Wasser und Erde.

617. Die Altäre müssen niedriger, als der Gott sein, daß man zu ihm hinaufsehen müsse, und je höher der Gott, je höher zu ihm hinauf. (Vitruv.) Das Knien und Sich-Niederwerfen ist zur Vergrößerung dieses Verhältnisses erfunden. Je höher der Gott ...., je tiefer die Beugung, endlich die Hinwerfung.

618. Licht = Gott. Sehen = Gottesanschauung. Auge = Gottessinn. Licht das Gute, der gute Gott, die Güte. Finsternis das Böse, Gottesabwesenheit, Sünde.

619. (1801) Zweck der Kunst: Vergegenwärtigung des Abwesenden, Monument. Die Geliebte selbst aber ist mehr als ihr Bild.

620. Bildhauerei zu Malerei wie Körper zu Schatten. Ein ausgemaltes Gemälde ein Schattenkörper.

621. Grabmäler sind Kunstwerke, sie vergegenwärtigen das Abwesende.

622. Mumien sind erhaltene Tote, natürliche Statuen.

623. (1805) Von allem sichtbar Gewordenen ist der Mensch das Höchste und Gott Nächste. Eben darum ist er Ideal der Kunst, die auch wieder nur Sichtbares darstellen kann.

624. ›Die Mechanik selbst ist von der Natur der Dinge erfunden, und von dieser Meisterin und Lehrerin uns in der Umdrehung des Himmels gelehrt worden.‹ (Vitruv.) – Die ersten Maschinen waren also Kopien des Weltsystems: Orrerys oder Planetarien. Die Maschinenlehre mußte zurückkommen auf den menschlichen Organismus, und den Organismus selbst als Orrery oder Planetarium darstellen. So greifen das kleine, und das große in der Natur, wie Räder ineinander ein, und die Idee der Nativitätsstellerei entsteht.


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