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XIII. 557–598

557. (1797) Wer alles Vernünfteln bei Untersuchungen über die Natur schlechterdings verwerfen will, scheint anzudeuten, daß er selbst wenig Vernunft haben müßte, um sich dadurch zu dispensieren, sich ihrer bedienen zu dürfen. Denn stellen wir, ehe wir einen neuen Versuch machen, nicht erst Räsonnement an? – Und ist dieses vom wirklichen Versuch nicht bloß durch Mangel des Tätigen verschieden? – Und endlich, zu was soll uns alle Vernunft, wenn wir sie nicht brauchen dürfen?

558. Der Begriff von Kraft widerspricht keinesweges dem der Gottheit und der von ihr angenommenen Eigenschaften. Allgegenwart ist ihr Charakter. Sie bleibt sich überall gleich, nimmt nie ab, nie zu; alles das legt man auch der Gottheit bei. Sie soll die Welt regieren; dies geschieht nach Gesetzen; von der Gottheit gilt das ebenfalls. Sie soll allweise sein, d. h., sie soll zu den besten Zwecken die besten Mittel wählen; aber in jedem nach Naturgesetzen Erfolgenden waren die Tätigkeiten, die durch kein freies Wesen abgeändert werden, die einzig möglichen Mittel zum erhaltenen Zweck, d.i., zu ihrem Produkt. Sie konnten nur ein Mögliches in einem bestimmten Augenblick geben, dies mußte also das beste sein, es mußte absolut gut sein, denn es konnte nach derselben Tätigkeit unter denselben Gesetzen kein anderes erfolgen. Und unter denselben Umständen war schlechterdings zu demselben Produkt keine andere Tätigkeit möglich, sie war also absolut gut. Kurz: es findet sich im Begriff der Kraft alles, was man der Gottheit beilegt, und nicht einen Augenblick sollte man zögern, das Tätige in der Kraft Gott zu nennen.

559. Haben die Menschen, die das schlechteste Rückerinnerungsvermögen besitzen, auch zugleich das schlechteste Vermögen, entfernte Gegenstände zu unterscheiden? – ihre Gestalt zu bestimmen usw.? – Denn es scheint, als ob bei der Bestimmung der Form, der Größe, usw., eines Gegenstands, man Schlüsse machen müßte, wozu die Prämissen den Augenblick erst einfielen. Lassen sich solche Personen am leichtesten durch Gemälde täuschen?

560. Zu untersuchen, wie ich auf den Gedanken komme, Attraktion und Repulsion durch eine Kraft vorzustellen in folgender Figur:

wo die Attraktiv- und die Repulsivkraft bedeutet. Daß nämlich dieselbe Kraft, indem sie sich, als Anziehungskraft, im Mittelpunkte, oder Centro, durchkreuzt, auf der entgegengesetzten Seite repulsiv wird und wirkt.

561. Urteilskraft zu Gedächtnis verhält sich wie Raum zu Zeit.

562. Man gewöhne sich alles Sprechendenken, Denken in Worten, ab, man vergesse die Sprache, und überlasse sich ganz sich selbst; so wird man reines Bewußtsein, reines Entstehen, haben, wenn man immerhin auch so in einen Zustand käme, über den man sich eben nicht wörtlich Rechenschaft zu geben wüßte, und welchen man auch den schwärmerischen nennen könnte. Er allein ist es, den man Ideenzufluß nennt, und diesen fasse man fest, ohne immer gleich nach Worten zu begehren. Liest man, so bilde man sich von jedem gegebenen Wort erst den Begriff, dann halte man ihn, vergesse das Wort, gehe weiter, und fahre so fort; auf diese Weise wird man den Verstand einer Sache am besten ins reine bringen, und allerdings gibt es Werke, die nur so gelesen werden dürfen. Aber nun denke man sich dieses Denken des Begriffes abermals, vergleiche das Denken beider Begriffe, und gebe acht auf ihre Differenz; sie wird sich dir von selbst ergeben, denn noch weißt du sie nicht, du kannst sie daher nicht wollen, du kannst sie nur innewerden, sie finden, dich so und so modifiziert finden. Hätte ich ein sprachloses System auf diese Art im Kopfe: gewiß, ich würde es nie verlieren. Auch würde sich auf diese Art das Ideal einer Sprache aufstellen, ja finden, lassen.

563. Würde der Gottesverehrer die Bibel verstehen können, wenn er nicht, was in der Bibel stände, in sich selbst fände? – Denn Worte geben ihm nichts als Worte, wie schon das Nichtverstehen fremder Sprachen beweist. Ideen müssen in ihm geweckt werden; diese aber könnten wahrlich nicht geweckt werden, lägen sie nicht vorher schon in ihm. Durch sein Wollen konnte er sie nicht wollen, da er sie sonst schon gekannt haben müßte. Er mußte nicht wissen, daß sie ihm gegeben waren, bis er sie fand. Christus war also der größte Philosoph, den es je gegeben. Und er fand es in sich, wie ich in mir, nur früher. Er war ein Teil der Gottheit, wie ich, nur in höherem Grade. Und Geben der Sinne setzten ihn in den Stand, frei zu handeln. Die Gottheit handelt in sich selbst notwendig, allweise, allgütig, – nicht frei. Wir sind frei, und eben durch diese äußere Einwirkung; die Sinne geben den Menschen. Je weniger Sinne, je weniger Mensch, je weniger Freiheit. Die schlechteste Kreatur mag der Gottheit am nächsten stehen. Ihr war der Grad der Freiheit eingeschränkter, als uns; sie konnte minder schlecht handeln, als wir. Im Kristall handelte sie am konsequentesten, im Polyp minder, minder in der Pflanze, minder im Insekt, wieder minder im Tier, und am mindesten im Menschen. Hier aber waren auch der Gebrauch der Freiheit, und ihre Begründung, am größten. Wer sie am meisten gebrauchte, wer ganz nur sie gebrauchte, war ganz Sinnenmensch, mußte, dieser Einförmigkeit wegen, es nach und nach satt bekommen, sich nach dem Gegenteil sehnen, – und dies war Handeln nach Notwendigkeit. So wie aber nun diese Notwendigkeit des Handelns, dies Handelsgesetz, in jedem vernünftigen Wesen dasselbe ist, so müssen auch alle überein handeln, und damit entsteht Harmonie. Der Mensch und die Menschen machen nur eines, sie machen die Gottheit im Ebenbild aus.

564. (1798) Was ist die Welt anders, als ein Denken unendlicher denkender Wesen? – Ein wechselseitiges Beschränken der Gedanken? – Alle diese Denkenden, sind sie wohl Organe eines absolut Zweckmäßigen, des absolut Denkenden, – Gottes? – Er ist das durch sich selbst Bestehende, Ewige, aber seine Teile erleiden Veränderungen, um eben dadurch seine ewige Existenz zu sichern.

565. Der Begriff von einem Besten, zum Beispiel einer besten Welt, entspringt aus der Natur eines endlichen Bewußtseins. Im Unendlichen kann es weder etwas Gutes, noch etwas Böses geben. Erst durch uns entsteht Gutes und Böses.

566. Einheit im Mannichfaltigen soll die Schönheit, die Harmonie, geben. Völliges Nachkommen nach dem Moralgesetz gibt mir so hohe Harmonie mit mir selbst; woher diese Harmonie? – Wie kann ich über etwas Gleichförmiges so viel Vergnügen haben? – Wird durch diese Übereinstimmung meines Sinnes mit dem Sittengesetz eine Kette (auf Art der galvanischen) hergestellt, ein Glied in eine Kette von mir unbekannten Gliedern gebracht? – Stelle ich dadurch eine Verbindung her, die nur Harmonie erweckt, die ich nur als Glied, so wie die übrigen, aber nicht allein für mich, ohne jene Glieder fühle? – Ist dies Gemeinschaft mit Gott? – Hier muß ich notwendig an ein höheres Wesen geknüpft sein. Hier ist der Beweis geistiger Anschauung; es muß ebenso eine geistige Welt, eine geistige Anschauung, geben, als eine empirische. Und so gut, als es möglich ist, daß ich die Gesetze dieser auffinde, die einzig möglich wahre Theorie derselben finden kann, ebenso muß ich auch die einzig möglich wahre Theorie jener finden können! – Welche Aussicht! – O hätte ich dies erreicht, wie ewig glücklich wäre ich! – Aber dazu muß ich mich gewiß erst auf dem Gesichtspunkt befinden, auf den mich bloß Harmonie mit mir selbst durch das Sittengesetz und dessen Befolgung bringe!

567. Möchte wohl die Idee von einem Ding außer uns, einem Ding an sich, und die Meinung, man kenne es, bloß daher gekommen sein, daß man zuerst das Objekt eines sinnlichen Begriffs nur in einer Beziehung, die man an ihm wahrnahm, und zwar mit einem Wort, was Subjekt und Prädikat zugleich in sich begriff, ausdrückt, nachher aber genötigt war, mehrere Prädikate zu unterscheiden, wobei man aber vergaß, daß das Subjekt überhaupt nur aus diesen Prädikaten bestände? – Die jene Begriffe zuerst trennen mußten, hatten wohl kein Ding an sich dabei im Kopfe, wohl aber die folgenden, denen, mit einem besonderen Wort, was alle Prädikate in sich begriff, noch etwas außer diesen Prädikaten gegeben zu sein schien.

568. Mag ich beim Spekulieren sehr vieles so zusammensetzen, wie ich mir ohngefähr √ - 1 vorstellen, eigentlich nur zusammensetzen, kann? – Und ist es nicht vorzügliche Pflicht, auf dergleichen Zusammensetzungen besonders zu achten, und sie zu vermeiden?

569. Skeptiker, welche sagen, daß man von nichts behaupten könne, daß man es mit Gewißheit gewisse, vergessen, daß ihrem Ausspruch nach auch dieser nur Schein sei.

570. Entspringt wohl aus dem moralischen Handeln, indem ich mit Freiheit die Natur beschränke in beständiger Rücksicht auf mich selbst, ein höheres Bewußtsein? –ein höheres Ich? – Sollten hier andere Gesetze stattfinden, als beim empirischen gemeinen Bewußtsein? – Vereinigt sich mein Bewußtsein mit dem eines Höheren absolut konsequent handelnden?

571. Wenn ich, nach Vernunftgründen, etwas durchaus nicht anders denken kann, als so und so, so werde ich mir, wenn es wirklich in der Erfahrung vorkäme, in alle Ewigkeit es nicht anders denken können, und wenn es so nicht zu denken möglich ist, werde ich es überhaupt nicht denken können, und es wird gar nicht für mich sein, – ich weiß nichts, und nie, davon. Und so zeigt sich, wie ich mit dem System des möglichen Denkens auch das des wirklichen, der Erfahrung, bestimmt habe, und wie sich alle Erfahrung a priori darstellen lassen muß. Weshalb man sich denn gar nicht zu wundern hat, daß die Erfahrung mit der Vernunft so übereinstimmt.

572. Mit dem Bewußtsein ist schlechthin Licht verbunden. Ich weiß mich im Licht; mein Wissen ist Licht; so weit Licht ist so weit weiß ich; wo es aufhört, wo Undurchsichtigkeit angeht, da weiß ich nicht mehr. So sagt man also ganz der Natur getreu: es geht mir ein Licht auf, – ich werfe einen hellen Blick wohin – usw. Wo mein Wissen begrenzt ist, da ist Undurchsichtigkeit; ich durchbreche diese Beschränkung, und es wird Licht, oder auch die Natur durchbricht sie. Bei fremder Erleuchtung fließt das Wissen eines andern mit dem meinigen zusammen, und dies Wissen ist eines. Hier Grund des Gefühls größerer Scham im Licht, als im Finstern, was sich von der frühesten Kindheit an äußert. Und so muß auch mein geistiges Wissen, im Licht, das Zusammenfließen meines Lichtes mit anderem sein. Alles Wissen begrenzt sich durch einander, so auch das Licht, und so entspringt moralische Scham, jedem von der Natur eingepflanzt. Alles Wissen aber ist identisch, somit auch alles Licht, somit auch die Begrenzung eines jeden voneinander. Hier Einheit des Sittengesetzes. Harmonie mit sich selbst, damit nichts zu tun, dessen man sich schämen darf. Aber nur der Disharmonie schämt man sich.

573. Eines falschen Schlusses, einer Inkonsequenz, scheint die Vernunft völlig unfähig zu sein. Nur die Prämissen waren falsch, wenigstens falsch aufgefaßt.

574. Licht = Wissen homogener Qualität, Wärme = Gefühl der Einung heterogener Qualität. Und so muß jedem Wechsel der Materie Licht (Bewußtsein der Identität) und Wärme (Bewußtsein der Heterogeneität) korrespondieren. – Durchsichtigkeit = Identität, Undurchsichtigkeit = Heterogeneität. Am undurchsichtigen Körper wird Licht zu Wärme. Wo man beim Denken großen Widerstand zu überwinden, das innere Licht mit Heterogenem zu kämpfen hat, sagt man daher höchst richtig: es wird mir warm im Kopfe, es hat Hitze gesetzt, den Kopf heiß gemacht usw.

575. Es muß sich erweisen lassen, daß der gegenwärtige Zustand der Welt allen andern möglichen an Vollkommenheit gleiche, daß diese Welt zum Himmel geschaffen werden könne, und daß es wider alle Religion sei, dieses Leben gegen ein künftiges schlecht zu nennen. Wie viele haben diese Idee, in übler Anwendung aber! Wichtig ist indes, daß sie da ist!

576. Was ich nicht kenne, kann ich nicht wollen. (Das Unbekannte kann ich nur unter diesem allgemeinen Begriff, im Gegensatz des mir Bekannten, wollen.) Wenn ich also nichts kenne, kann ich auch nichts wollen. Da aber zu jedem Wollen ein begehrtes Objekt gehört, dieses aber per hypothesin fehlt, so kann ich überhaupt nicht wollen. Dennoch kann ich wollen, ich will zum Beispiel wirklich. Es muß mir aber etwas gegeben sein, was ich wollen kann, ja daß ich überhaupt wollen kann, denn sonst würde ich jetzt nicht wollen können. Vor allem Wollen mußte mir also etwas ohne mein Wollen mir Gewordenes vorhanden sein, denn das Gegenteil ist unmöglich. Mit diesem mir-Werden mußte aber zugleich das Werden des Bewußtseins verbunden sein, denn auch mein Bewußtsein kann ich nicht wollen, denn dazu hätte Bewußtsein gehört, und dies sollte ich doch eben erst wollen. Selbst mein Wollen konnte ich nicht wollen, ich mich selbst nicht, denn auch das Vermögen zu wollen, und das erste Wollen, mußte ohne mich werden; nun erst konnte ich mein Wollen wollen, und mir war damit Freiheit gegeben. – Das also mir ohne mich Gewordene, durch was ich selbst erst wurde, (mein Bewußtsein nämlich), dies ist das, was ich Kenntnis a priori nenne, – deren Formen Raum und Zeit sind, die aber auch nicht durch mich (freier) entstanden sind. Und alle Erfahrung bringt sich in diese zwei Formen. Alle Erfahrung, denn so nenne ich das mir ohne mich Gegebene, Gewordene, ist also der Form nach mit der Kenntnis a priori dieselbe, und die letzte ist nur das erste Moment, wodurch ich mir, und damit Bewußtsein, und damit Objekte, und damit Vermögen zu wollen, wurde. Meine Erscheinung, Ich, ist also selbst Produkt eines Nicht-Ichs. (Ursprung des Gesetzes vom Gegensatz.) Anwendung auf Gewissen, Reue, Sittengesetz, Trieb nach Wahrheit, Funken der Erleuchtung usw.

577. Es muß gut sein, die Vordersätze zu untersuchen und aufzusuchen, die man so häufig bei so manchen und vielen Behauptungen zum Grunde legt. So würde man oft auf interessante allgemeine Sätze zurückkommen. Der absolute Major ist der Grundsatz der Wissenschaftslehre.

578. Ist das Leben ein Traum, in welchem ich mir des vorhergehenden nicht mehr bewußt bin, mir dessen aber mit dem Erwachen (im Tode) von neuem bewußt werde? – So könnte ich allerdings von Ewigkeit her sein.

579. Bei meiner Bildung zum Embryo ging ideale Tätigkeit über in reale, und damit entstand ich. Ich entsprang aus einem Höhern überall vorhandenen, und gehe endlich in dasselbe zurück.

580. Muß nicht meine ursprüngliche Tätigkeit notwendig in Zusammenhang stehen mit dem beständigen Sollizitieren der Schwere, welches doch in jedem Teile meines Körpers, und auch in den edelsten, statt hat?

581. (1799) Sicher muß eine Welt statt haben, die sich zur sinnlichen verhält, wie Pol zu Pol, oder die der Sinnenwelt das Gleichgewicht hält, sie erst integriert.

582. (1800) Die Zentralsonne der Natur ist = Spinozas Gott – nirgends und überall – das letzte wahre Natur-Ich. Sie existiert ohne Körper. Ihr Körper ist das All. Alles kreist immer ihr. Sonnen .... sind Keime aus einer unendlichen Wurzel. In der Liebe sieht der Mensch die Zentralsonne. Er schaut sie dann an, wie sie ist, ohne Gestalt, klar wie der Äther.

583. (1802) Das Universum ist ein Körper Voltaischer zweiter Klasse, die Weltindifferenz nämlich. Körper der ersten Klasse sind erst ihre Pole, – nicht beide, sondern Heterogeneität in einem Pole. Es kann ein Galvanismus mit Körpern einer dritten Klasse möglich sein, die nämlich dem, dem unsrigen entgegengesetzten, Weltpole zugehören.

584. Eine Theorie, welche unser Sonnensystem so eben erklärt, für die äußere unendliche Welt aber nichts übrig hat, wird nie die Theorie der ganzen Welt sein. Eine geschlossene Theorie des Sonnensystems zu erwarten, ist lächerlich. Das Sicherste, die Formel zu entdecken, nach der es in die Welten hinaus geht, ist immer noch, sich, resignierend, ganz einer tüchtigen Physik zu ergeben. Der Mensch ist die Idee des Universums, und es kommt ihm als Sklaverei vor, sich zwischen Sonne und Erde bändigen zu lassen. In den schönsten Stunden bleibt die Sonne niederes Objekt. Sie regiert die Erde, aber der Mensch erkennt die Gewalt, die endlich wieder beide auch regiert. Die Millionen Sterne .... liegen vor ihm, unter ihm; er läßt sich herab zu ihrer Würdigung. Im endlichen gibt es nur physikalische Deduktion, oder, alle physikalische Deduktion ist endlich. Und ersetzbar durch Reduktion. Die Reduktion ist nicht weitschweifiger, als die Deduktion. Der wahre Physiker aber kennt nur das Mittel beider, die Exposition, das Produkt der Gesamtanschauung. Die höchste Deduktion a priori ist ein Mißverstand, und der Mensch ist nicht ihr Herr. Sie ist, aber einmal nur; sie ist die Welt selbst. Der Künstler ist ihr Organ, sie selbst im einzelnen. Die Kunst ist der einzige Ort, in dem sie erscheint, – nicht als Wieder- sondern als Selbsterscheinung. Zum Bewußtsein kann sie nie kommen. Sie ist wie die Gesundheit, man weiß nichts von ihr, und – ist gesund.

585. Der Erdgeist erscheint im Menschen. Geschichte beider dieselbe. Tausendfach erscheint der Erdgeist als Mensch. Und alle diese Erscheinungen sind zusammen doch wieder nur eine von den tausendfachen eines höheren Geistes, des Sonnengeistes. – Planeten sind die Individuen des Sonnenstamms, Monden die Individuen des Planetenstamms. Sonnen sind wieder Individuen, tausendteilige Erscheinungen, – eines höhern Geistes, gleichsam die einzelnen Menschen dieser großen Erde. Solche Sonnen systeme sind dasselbige wieder für noch höhere, für Sternensysteme, und so fort, – bis zu einer gewissen Zahl. Denn alles Rückwärtsgehen hält doch wahrscheinlich bei einer gewissen Zahl, – einer heiligen, – inne. Das höchste, letzte, solche System = Weltgeist = letzter Identitätspol = Vultus divinus Kepleri. – Hiermit kann die äußere Welt geschlossen sein, und diese äußere Welt ist endlich. Aber sie ist der Anfang und Grund innerer Unendlichkeit.

586. Je näher die gegebene Ordnung der Weltkörper der Gottheit, desto weniger Individuen. Je entfernter von ihr, desto mehr. Und mit den Individuen wächst wiederum die Mannichfaltigkeit der Individualität auf dem einzelnen Individuum. Diese mannichfache Individualität zeigt sich in der Organisation. Auf der Sonne muß weit einfachere Organisation statt haben, als auf der Erde; alles daselbst von und in riesenhafter Gestalt. Und so weiter zurück. Dies gibt Götter, – und von den Göttern herab bis zu den Menschen .... die mannichfachsten Stufen. – Die Monde sollten eigentlich das individuellste Organisierteste sein; – unendliche Mannichfaltigkeit, – gleichsam die gordischen Knoten, die das Universum unmittelbar zerhauen muß, weil sie nicht mehr zu lösen sind. Vielleicht dort nur momentanes Dasein des Individuellen; – unendliche Ansätze zur Organisation, nichts Dauerndes: – die entfaltetste Organisation, die es gibt, – die höchste, aber die elendeste, unglücklichste. Ewiger Geburtstod. Auf der Sonne dagegen langes Leben, höhere Kunst, – ewige goldene Zeit.

587. Magnetismus ist die Polarität der Zeit, Elektrizität die Polarität des Raums. Der Konflikt beider gibt den chemischen Prozeß. Sch–g hat immer nur noch die Polarität des Raums, er ist eigentlicher philosophischer Elektriker und elektrischer Philosoph. Es fehlt noch die magnetische Seite, ein magnetischer Philosoph. Wer beides verbindet, wird ein chemischer Philosoph sein, und der höchste. – Die magnetische Polarität ist eine Polarität des ›Willens‹, des ›Werdens‹, die elektrische eine Polarität des Seins. In die erste gehört Religion, Kunst usw.

588. Philosophie ist durchaus nichts als Physik. Hat sie ihre Deduktion vollendet, wie etwa der Physiker eine Deduktion der Voltaischen Säule aus ihrem Prinzip vollenden kann, so bleibt ihr wieder nichts übrig, als, wie der Physiker, zu experimentieren – im Glauben. Religion ist ein Experimentieren dieser Art, und es wird den Geist auf selbige Weise eine Stufe oder Potenz höher heben, als gegenwärtig die Entdeckung des Ichs. Sch-g's Philosophie geht nicht über das Sonnensystem hinaus, und doch tat sie ihr Mögliches.

589. Alles ist, aber das Sein wird.

590. Ideen = Ebendieselben, mit mir dieselben, – der bloße Pluralismus von Idem.

591. Es ist ein schöner Ausdruck: bloß vegetieren. Es ist die Vegetation, zu der wir der Boden sind. Animalisieren ist mehr. Hier Ideen, Anschauungen, ›Tiere‹. Beim Vegetieren verhalten wir uns zu unserer Produktion, wie die Erde zu den Pflanzen; im Animalisieren verhalten wir uns, wie die Erde + Vegetation zu den Tieren.

592. Alles in der Welt wird rekonstruiert. Bleibt die Rekonstruktion ganz in sich selbst, so ist es Behauptung der Individualität. Ist sie genötigt, aus sich herauszutreten, in ein anderes über, und ebenso die eines andern in dieses über, so entsteht dadurch eine Gemeinschaft, – ein Gesamtsein beider von dem Grade, als der Grad ist, um welchen die Rekonstruktion eines jeden aus sich heraustrat. Im chemischen Prozesse lösen sich die Rekonstruktionen ganz in eine auf.

593. Alle Indifferenz zeigt auf sich beschränkte Rekonstruktion. Alle Polarität zeigt veräußerte Rekonstruktion, Sein in einer höheren Einheit. Alles Endliche im Universum muß sich im polarischen Zustande befinden, das Unendliche allein nicht.

594. (1803) Schellings System ist ein Fragment aus der Physik. Seine ›Vernunft‹ ist die Indifferenz der Erde und Sonne oder die magnetische Linie des Sonnensystems; er konstruiert aus ihr alles heraus. Aber das Leben darin ist erkünstelt. Es gebricht ihm, wie den Astronomen, noch an einer echten Sekulargleichung; er bedarf noch eines belebenden Dritten. Mit dem Geständnis von diesem aber hörte seine Identität auf, absolut zu sein, und wäre nichts weniger als Philosophie. Dieses dritte aber ist nicht mehr Sache des Wissens, sondern des Glaubens. Alles, was die Sonne übersteigt, muß überhaupt nur geglaubt werden. Und hier ist der Anfang der Religion. – Im strengsten Sinne also ist Sch-g Atheist, aber eben damit ist er der Religion selbst näher, als ein anderer. In ihm müßte der Atheismus sich eigentlich selbst zerstören.

595. Es gibt keine theoretische Religion. Was man so nennt, ist bloß negativ. Es schließt alles andere aus, und führt auf die Notwendigkeit der praktischen Religion. Diese selbst, als Aktivität, wird eben dadurch das Organ der Passivität; die Mitte ist Gott, oder das höchste Gut. Dies kann nur praktisch errungen werden, von ihm selbst aber ist nicht mehr zu sprechen. Es ist da, und wem dies nicht alles ist, bei dem ist es überhaupt nicht.

596. (1804) Die Geschichte des Menschengeschlechts ist auch die seines Verhältnisses zu der Natur. Polygamie = Herrschaft des Organismus, Monogamie = Herrschaft des Dualismus. Polygamie Zeit der Vernunft, Monogamie Zeit des Verstandes. Dualismus bloßes Verstandesgesetz, eine bloße Polizeinorm. Es soll die Natur zusammenhalten, wie das Gesetz die Menschen.

597. Alles Gegenwärtige muß als Kopula des Vor und Nach betrachtet werden. Es muß dieses sein Vor und Nach an sich tragen. Aber eben weil es Vor und Nach ist, kann es nicht absolute Gegenwart, und eben weil die Gegenwart doch das Vor und Nach verbindet, nicht absolutes Vor und Nach sein. Alle Polarität, alle Differenz muß als zeitlich betrachtet werden, als Geschichte und Differential derselben. Alle Gleichung ist geschichtliche. Und damit zwei Dinge sich gleich sind, müssen sie ungleich sein; nur in dieser Ungleichheit sind sie sich gleich. Absolute Indifferenz wäre Ausschluß der Zeit, absolute Differenz Ausschließung der Gegenwart. Heißt der Unterschied zweier Dinge Spannung, so wird sie sich verhalten müssen, wie das Moment der Zeit; das Moment der Zeit aber gibt zugleich das Moment des Widerstandes, folglich das der Isolation, und dies eben das Moment der Spannung. Die Voltaische Säule bestätigt dies alles aufs schönste.

598. Alle Trennung ist mit dem umgekehrten Abdruck dessen, was bei der Schließung geschah, begleitet. Sie hat somit überall Gehalt, und dieser, im Leben, wird das Material der Erinnerung. In ihr, wie in den Trennungsphänomenen, bleibt die Vergangenheit gegenwärtig, und dies so wirklich und buchstäblich, daß gar nichts Mystisches mehr übrigbleibt.


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