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XI. 481–504

481. (1801) Die beiden großen Dinge, der Hydrogenprozeß der Erde, und der Oxydationsprozeß derselben, scheinen das Gute und das Böse derselben auszumachen. Oxygenation ist die Quelle alles Irrtums, aller Hemmung, alles Stillstands, aller Angst und Qual. Das organische Treiben des Hydrogens dagegen ist freies Kunstgefühl Gottes, die Quelle des Guten. Nur das Organische ist gut; nur Liebe ist schön und herrlich. Alles Böse ist nur das Phänomen der Hemmung des Triebs zum Guten, der Verzehrung des Guten. – Das Weib ist gut; der Mann allein hat das Böse in sich zu überwinden.

482. Der Mann entbindet nur. So stolz sei er nicht, zu glauben, sein Kind sei seine Frucht. Er gibt allein dem Weibe ihre Natur zurück, er löst die Fesseln der Frau, und treibend gebiert die Erde durch sie. Sie ist die Fortsetzung der Erde. Der Mann ist das Fremde, die Frau das Einheimische auf Erden. Sie zu ehren ist sein Geschäft. Es ist daher nichts schrecklicher, als einseitige Unterwürfigkeit des Weibes; es heißt von ihrer Seite, der Erde ihr Recht vergeben. Man liebt nur die Erde, und durch das Weib liebt uns wieder die Erde. Darum findest du in der Liebe aller Geheimnisse Enträtselung. Kenne die Frau, so fällt das übrige dir alles zu.

483. (1802) Daß das Weib das Gebärende in der Natur ist, zeigt die höhere Stufe an, auf der es steht. Das Weib eigentlich ist die letzte Grenze der Erde, und der Mann steht durchaus eine Stufe niedriger.

484. Fähigkeiten und Neigungen werden nicht anerzogen, sondern angeboren. Im Moment der Zeugung werden sie erzeugt. – Die Geschichte des Embryo ist Mittel zu einer Theorie der Organismen; hier sieht man der Deduktion, die das Tier deduziert, zu; die Theorie aber will nur diese wiederholen. – Erziehung hat Einfluß auf Vernachlässigung und völliges Einwelken mancher Anlagen. Die hauptsächlichste Erziehung geschieht durch die Mutter, solange sie das Kind in sich trägt, und nachher säugt. Das Anfangsmoment dieser Erziehung, und zugleich das wichtigste von allen ist die Mutter selbst in der Stunde der Empfängnis. Hier an der Quelle haben alle Eindrücke die größeste Gewalt.

485. Die Stelle in Goethes Tasso: ›Willst du genau erfahren, was sich ziemt, so frage nur bei edlen Frauen nach; .... Und wirst du die Geschlechter beide fragen: Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte‹; – gibt ganz vortrefflich den Ort des Weibes in der natürlichen Welt an. Die Erde in ihrer höchsten freiesten Erscheinung ist die Sitte selbst; das Extraplanetarische auf Erden ist im Manne verklärt. Das Weib wird immer Indifferenz sein, der Mann dagegen Differenz, Pol.

486. Vegetation und Animalisation scheinen eine Skale zu bilden, – eine Linie mit den verschiedenen Verhältnissen von Mann und Weib. Je mehr das Weib hervortritt, desto mehr tritt der Mann zurück. Wie der Mann hervortritt, tritt das Weib zurück oder konzentriert sich. Das Menschenweib ist die konzentrierteste Pflanzenindifferenz (Indifferenz der beiden Pflanzengeschlechter) auf Erden, hier aber wird auch der Mann am freiesten. Daß der Mann nicht in reellen Auseinandergang, (wie das Weib, wenn es freier wird, in der Pflanze), liegt an der Erde als Erde. Auf der Sonne wird es allerdings der Fall sein, – so wie sich überhaupt Sonne und Erde durchaus entgegen stehen müssen. Die Sonne fängt an, wo die Erde aufhört. Auf ihr geht der Mann in Pole auseinander, oder ist in sie auseinander gegangen, und das Weib ist das Konzentrierteste, indem bei der Expansion (Polarisierung) des Mannes das Weib ganz verschwindet. – So wie es bei uns weibliche Kryptogamien gibt, so auf der Sonne männliche. – Merkwürdig ists, daß, je mehr die Pflanzen sich in Kryptogamien verlieren, sie desto tierischer werden, so wie die Tiere immer vegetabilischer werden mögen, je mehr sie sich den Pflanzen nähern. – Übrigens offenbart sich das doppelte Geschlecht im Manne schon durch seinen innern Zwiespalt, den das Weib nie kennt. Erst und nur im Weibe kommt der Mann zur Ruhe.

487. Freiheit ist Organ der Kunst. Ihr Mißbrauch wird Prinzip der Krankheit. Alle Krankheiten kommen vom Menschen her. Daher nur erkrank, – und die wenigen Tiere, die mit seiner Lebensweise in Kollision kommen. Haustiere. Wilde Tiere sind beständig gesund, und verfolgen die reine Linie von der Geburt bis zum Tode. – Das Krankheitsprinzip ist zugleich Individualisierungsprinzip. Spekulation ist Krankheit. Was beim Menschen die Spekulation, ist in der Natur das Individualisieren. Dieses sind die Ideen der Natur, die Äußerung ihrer Freiheit, die hier Kunst bleibt. Freiheit ist Individualisierungsprinzip im Menschen wie in der Natur. Krankheitsprinzip durch Mißbrauch kann sie nur im Menschen werden, oder in der Natur doch erst auf einer weit höheren Stufe. Der Mensch bliebe gesund, wenn er ewig ein Künstler bliebe. Merkwürdig ist, daß so vieler wahrhaft großen Künstler einzige Krankheiten nur örtliche waren, d. i. solche, die man so leicht nicht selbst verschuldet.

488. Das reine Leben ist eine ewige Gleichung. Was irgend Gleichungssetzung in unsern Geschäften ist, wird an die Gesundheit erinnern, sie selbst sein. Daher der Genuß, den selbst die Mathematik gewährt: Gesundheitssetzung. So ist in allem Treiben das Bleiben der Gleichung mit Wohlbefinden und Behaglichkeit verbunden. Eine Gleichung durch das ganze Leben wäre das Ideal desselben. Die höchste Gleichung die der Kunst.

489. Der Mensch ist ein perennierendes Tier. Er stirbt in der Liebe, zum Teil, ganz im Tode. Daß er die Liebe überlebt, ist ein unendlich merkwürdiges Faktum. Alle Liebe ist das Zurücksinken in die Erdmondkohäsionslinie so wie der Tod das Einsinken in die Erdsonnenkohäsionslinie; so geht es unendlichen Tod fort bis in Gott hinein. Auf dem Jupiter gibt es vier Stufen der Liebe, wenn alle Liebe auf Erden zusammen nur eine bildet. Vier Monde sind dort zu identifizieren. Auf dem Saturn noch mehr, und auf dem Uranus wieder noch mehr. Auf einem Planet, der keinen Mond hat, stirbt man in der Liebe, oder mit ihr. Die Sonne aber hat ungezählte Feierfeste der Liebe. Die Streifen auf dem Jupiter etc. sind bloße Gruppen von Liebenden.

490. Beständig findet man in der Geschichte der Ideen, daß die erste Idee über einen Gegenstand jedesmal die richtige war; aber sie wurde mißverstanden, in unendliche Specialia zersplittert, bis endlich das erschöpfte Detail auf die erste Idee zurückführte. Das ist das nämliche, was mit einem organischen Wesen, welcher Art es auch sei, geschieht. – Die Idee der Befruchtung bei den Pflanzen ist die Blüte. Die par excellence vollkommene Pflanze wäre die ewig blühende. Die Blüte will sich rekonstruieren. Aber nur in einem Momente fällt dieser Akt ganz in sie allein; im zweiten schon äußerlich. Das Samenkorn .... wird nach und nach diese sich aus sich heraus verloren habende Blüte. Der Samen ist die verkörperte Idee der Blüte über sich selbst. Und Ideen sind überall die außer das Individuum herausfallende Rekonstruktion desselben. Ideen konsumieren demnach gewaltig. Das Individuum verzehrt sich darüber, es stirbt ab. Über der Ausbildung des Samens stirbt die Blume, über dem Keimen des Samens die Hülle, über dem Kommen der Blüte der gekeimte Samen oder die Pflanze, ab. So am Embryo die Mutter, am Kind der Embryo, am Manne das Kind, am Tode der Mann. Den Tod wollte das empfangene liebe Kind, aber der Tag zergliederte seine Nacht, und stufenweise fällt es nun in ihn zurück. Das empfangene Kind teilt mit der Mutter eine Nacht und Liebe; immer unabhängiger aber wird es von ihr; der Tag und der Neid, – der Tag und die Eifersucht, – ergreifen es immer mehr und mehr. In der Geburt fällt es in seine eigene Nacht zurück, Liebe ist das zarte Geschöpf, wie es geboren wird; aber es erblickt das Licht des Tages, und dies löst die Liebe von neuem in Leben auf. Die Indifferenz wird immer mehr zur Differenz gestaltet. In Sehnsucht wird das ganze Wesen aufgelöst, es fällt zurück in Nacht, und liebt. Aber die neue Liebe geht in höhere Sehnsucht über; eine unsichtbare Sonne entfaltet die Liebe in unendliche Farben und Blätter; ganz in Sehnsucht aufgelöst fällt es abermals zurück, und stirbt. So wird jede Liebe zu Leben, jedes. Leben fällt in höhere Liebe zurück, und aus Abend und Morgen wird der andere Tag, – die Nacht nach beiden. So geht jedes Wesen in Nacht hinunter. Gott selbst ist die tiefeste Nacht, und das Leben des Endlichen ein Kampf derselben mit dem Tage, in dem sie siegt. Die Nacht ist der innere Tag, das Sehen fremder Nacht der äußere Tag. In zween Nächten besteht die Welt, aus ihrem Wechselspiel wird Leben und Liebe in Ewigkeit erzeugt. Die Indifferenz jener Nächte ist die Nacht der Nächte. Drei Nächte gibt es, und ihr Zentrum – ihre Peripherie zugleich – die große Nacht Gottes selbst. Hier die Dreieinigkeit des Höchsten, und die Dreifaltigkeit des Niedersten. Das Individuum hat eine Geschichte, nur bei ihm wechselt Tag und Nacht; in Gott ist keins von beiden.

491. Schlaf ist Liebe, Wachen Leben. Im Leben ist man des Tages, im Lieben der Nacht. Liebe ist Schlaf im Wachen – der Tag auf Erden, da der gewöhnliche der Sonne dienen muß. Im Tage hält das Licht die Liebe aufgelöst, wie Wasser Salz. In der Nacht schlägt sich die Liebe nieder, weil das Auflösungsmittel verdünstet.

492. Das liebende Paar wird im Tode wieder Individuum, aber Kind. Die Liebe ist der Embryo, der im Tode als Kind geboren wird; der Tod ist die Geburt desselben. Es bleibt Kind, aber das Kind entwickelt sich, und wird Jüngling, Jungfrau. Es ist die Geschlechtsentwickelung der Erde. In der Umarmung mit der Sonne flammt neue Liebe empor, – die wieder Embryo ist, der im folgenden Tode als Kind geboren wird. Die Sonne mit der Erde entstirbt, das Kind bekommt neues Geschlecht, und feiert mit der Sonne II neue Liebe, – die mit dem Tod der Individuen [(Sonne + Erde) und Sonne II] wieder als Kind auftritt – usw.

493. Das Individuum auf Erden scheint erst im Tode die irdische Liebe zu empfahen. Die irdische Liebe in bezug auf die himmlische gebiert Sehnsucht. Es wird dies eine neue Art von Individuum, und alle seine Geschichte eine besondere, eigene. Stirbt von der Gattung ein Individuum, so ist es Sehnsucht der Liebe nach der Bekannten. Stirbt das Individuum als solches, so ist es Sehnsucht der Liebe nach der Unbekannten.

494. In der Zeugung wird der ganze Körper Herz. Beide Körper schlagen einige Augenblicke; sie tun gleichsam die ersten Schläge für den Embryo. Schlagend wird er empfangen, schlagend lebt er fort.

495. (1803) Die Kunst scheint das Gebären des Mannes zu sein, das Trennungsphänomen vom Koitus, von der innigen Vereinigung der Liebe. Das Weib gebiert Menschen, der Mann das Kunstwerk. Sehnsucht wird nie ein Kunstwerk darstellen, nur die Ruhe der Schwangerschaft. Der Mann geht aus der Liebe schwanger mit dem Kunstwerk, das Weib schwanger mit dem Kinde, hervor. Menschheit und Kunst sind zwei Geschlechter.

496. Nur in der Kunst besteht der Mensch, nur im Menschen die Kunst. Als Gebärerin ist das Weib Künstlerin, als Künstler der Mann ein Gebärer. So begleitet die Kunst den Menschen durchs Leben.

497. Die Kunst im Manne ist das Phänomen der Wiedergeburt der Sehnsucht, so das Kind im Weibe ebenfalls, nur mit dem Unterschied, daß sie hier objektiv wird.

498. (1804) Die Unendlichkeit der Gerüche und der Arten von Geschmack scheinen von dem Prinzip der Individualität herzukommen. Wo sie ganz daheim sind, bei den Pflanzen, scheinen sie, besonders die Gerüche, unmittelbare Emanationen des formenden Prinzips selbst zu sein: Ausstrahlungen von die Masse oder Materie nichts mehr angehenden Bildungstendenzen, nur daß sie beim Geruch erst ein Medium durchgangen, beim Geschmack es aber noch nicht getan haben. Kann sich indes das formende Prinzip ganz vom Materiellen trennen? – Gibt es Zustände, die wir noch nicht kennen, und gehören diese Emanationen hierher? – Ist der Zustand, in den Eis zunächst übergeht, wenn es verdampft, in der Tat der gewöhnliche Dampf? – Gibt es noch andere Zustände, die zum Gas das nämliche Verhältnis üben, als der Dampf? – Die sich also durch die Luft verbreiten können, ohne von ihr mechanisch sollizitiert zu werden? – Haben die Prevostschen Erfahrungen über die Emanationen geruchstarker Substanzen mit der Bildung der Nebelbläschen einerlei Prinzip zum Grunde? – Dies scheint eine sehr wichtige Frage zu sein.

499. Der Saamen scheint eine noch weit höhere Dignität im organischen Reiche zu haben, als das Blut. Da selbst Pflanzensaamenstaub dem menschlichen an Mischung .... ähnlich ist, so muß man glauben, daß im Saamen das ganze organische Reich sich identischer ist, als im Blut. Überhaupt aber ist der Saamen wichtiger, als das Blut; im Saamen kommen die organischen Individuen zum chemischen Prozeß, d.i., der Saamen repräsentiert das ganze Individuum: die Totalitäten der Individuen begegnen sich in ihm.

500. Unendlich interessant muß für die höhere Physik die Biographie des Kindes sein. Die Empfängnis. Das Leben des Kindes ohne Respiration, wo die Mutter noch für das Kind mit respiriert; Geburt ist eigentlich bloß Differenzierung der Respiration. Eintritt der Milch mit der Geburt des Kindes. Bestimmung des Kindes für die Brust der Mutter, natürliches Hingehören dahin. Aufhören der Milch mit dem Tode des Kindes. Mitwissen der Mutter um den Tod des Kindes, solange sie es säugt. Sorgenlosigkeit des Kindes durch die Fürsorge der Mutter. Freilassung, Übergebung zur eignen Sorge, mit der Zeit der Pubertät. Denn nur Liebe kann Sorge tragen; alle Sorge Sorge aus Liebe. Sorge für sich der Sorge um des andern willen. Geschlechtsunterschied Grund aller Sorge, alles Bedürfnisses. Echtheit alles Bedürfnisses erst mit der Liebe oder Sehnsucht. Bis zur Pubertät bleibt und bleibe das Kind der mütterlichen Sorgfalt. – Die Geschichte der Empfängnis und Geburt etc. ist eigentlich die Geschichte des Trennungsprozesses überhaupt. Empfängnis = erste Differenzierung, die die Hemmung immer mehr überwindet, bis die Differenzierung in leiblicher Hinsicht absolut wird, und nach der Geburt auch in höherer immer weiter schreitet. Schwangerschaft = Schema des Magnetismus. Geburt – Schema der völligen Differenzierung. Polarität muß Schema der Familie, und umgekehrt Familie das Schema der Polarität, werden. Am Menschen und dessen Geschichte studiert, erkennt und versteht man es am besten.

501. Das Weib in Sehnsucht = Indifferenz.

Das Weib auf dem Wege zur Erfüllung = beginnender Differenz.

Das Weib in vollendeter Erfüllung = totaler Differenz.

Der Mann differenziert; das Verlangen darnach ist seine Sehnsucht; sie ist auf dem Wege der Erfüllung mit der Gewißheit des Differenz-veranlaßt-Habens; sie ist vollendet, wie die Differenz absolut geworden ist. Eigentlich wird dem Manne in der vorschreitenden Differenz des Weibes bloß seine Erfüllung gewiß, gleichsam durch die äußere Erscheinung bewiesen. Das Gefühl ihres Daseins war schon von Anfang in seiner Befriedigung zu ihm gelangt, so wie dem Weib die ihrige durch ihre Befriedigung, – und das Weib muß bestimmt sagen können, seit wann sie empfangen hatte, denn von da muß ihr jede folgende Vereinigung nur Erinnerung scheinen, statt daß früher jede für sie Hoffnung war. So etwas muß auch beim Manne vorkommen und kommt vor. Merkwürdig ist, daß die Tiere nur die Hoffnung (im Instinkt), aber nicht die Erinnerung (in der Vernunft), haben. Merkwürdig die Menstruation beim menschlichen Weibe, – als wenn sie eine unvollkommene Differenzierung zu sehr niederer Stufe wäre, doch auf demselben Wege, als nachmals die höhere, oder die auf allen Stufen geschehende. Sie (jene) hört auf, indem das Weib sich freier differenzieren kann; sie hört aber nur scheinbar auf. denn sie wird jetzt unterstützt durch die übrigen Stufen, zu einem höhern Zweck verwandt.

Offenbar zeigt der Typus der Familie die Triplizität in jedem (hier organisch-) chemischen Prozeß. Nur als Differenz kann das eine Geschlecht (das Weib) eingehen in die Differenz mit dem Mann. Der Mann wird indifferent im Eingang in die Differenz der Frau. Das Weib gibt ihre Individualität auf; die Einheit geht zur Zweiheit über, und Sehnsucht nach Aufgabe derselben ist überhaupt die Sehnsucht des Weibes. Welche Trennung aber wird im Manne in der Liebe aufgehoben? – Ist es der so oft genannte Kampf zwischen Wissenschaft und Liebe? – besser: zwischen Wissenschaft und Sehnsucht? – Der Mann sucht Individualität. Erst wenn er als Mann in die Familie eingeht und in derselben steht, hat er Individualität gefunden, und ist eins geworden.

So ist denn keine Einigung ohne Trennung. Die Trennung selbst geschieht für die Einigung, und diese für die Trennung.

Mit dem vollen Verständnis des Übergangs von 1 in 2 wird erst das Wahre gefunden sein.

Zu bemerken ist ferner: wie das Weib in höchster Trennung vom Kinde doch wieder indifferent wird; wie der Mann wieder different wird nachher; wie sie wieder ganz die vorigen werden. Daß jedes wieder wird, was es war, – es wird, indem es eben aufhörte, zu sein, was es war, – ist vor allem merkwürdig. Weil das Weib wieder indifferent wird, steht und kommt es in höchste Differenz vom Kinde. Man könnte sogleich im allgemeinen sagen: der eine Pol kehrt überall wieder zur Indifferenz zurück, und gibt dadurch beständig von neuem wieder den andern her. Der eine Pol ist gleichsam überall das Kind, der Sohn, vom andern, welcher die Mutter ist, aber der Vater liegt nicht hierin. – So ist denn das Verhältnis von + und – nicht das der Liebe der Geliebten, sondern das der Liebe zwischen Mutter und Kind. Doch ist von diesem Verhältnis nur die Rede, insofern + und - sich nebeneinander erhalten. Insofern sie in Indifferenz gehen und gehen können, ist es das Verhältnis der Liebe der Geliebten oder der Einigung, der sogenannten Indifferenzierung. Hier ist der Wohnsitz tiefer Geheimnisse. Bis sie indes gelöst sind, bleibt die Madonna mit dem Kinde das schönste Symbol der Polarität. Johannes daneben ist gleichsam das Differenzierende, so wie die Madonna mit dem Kinde das in der Differenzierung Begriffene.

502. Wenn organische Berührung (= tierischem Magnetismus) organisch- elektrischer Prozeß, und Koitus organisch- chemischer, ist, so kann man alle Gesetze der elektrisch-galvanischen Kette auf Organismen bequem übertragen. Eine Reihe Individuen in bloßer Berührung werde eine Klasse ausmachen. Man setzt aber zwischen zwei Gliedern in dreigliedriger Kette chemischen Prozeß (Koitus), und man hat eine organisch-galvanische Kette mit verstärktem Koitus. Man wiederholt diese Kette viele Male, und man bekommt eine (tierisch-magnetische) galvanisch-organische Batterie, mit überall in steigendem Verhältnis verstärktem Koitus, und die Möglichkeit, so wie Wasser durch Gold und Gold differenziert (geschwängert) wird, ob es sich gleich nur in bloßer Berührung mit ihm befindet, auch ein weibliches Individuum durch bloße männliche Berührung zu schwängern.

503. (1805) Das Bildende, oder der Grund der Individualität. Eine kosmische Eigenschaft, – bloß geschichtlich zu kennen und zu verehren. Prometheus, – biblische Schöpfungsmythe. Beweis ihrer Gültigkeit. Vom Zeugen. Daß die Individualität der Körper mit dem Leben gleiche Verhältnisse zeige. Man kann sie nicht einsetzen, wohl aber aufheben. Sie ist durchaus organisch, pflanzt sich organisch fort in der organischen Natur, erhält sich organisch in der toten Natur. Sie ist das Unsterbliche am Sterblichen, offenbart sich nur an ihm. Sie bildet (gestaltet) das Wasser und stellt sich an ihm dar, wie die Schönheit am Marmor, ohne doch dort das Wasser, wie hier der Marmor nicht, selbst zu sein.

504. (1807) Liebe – herausgetretener innerer Erhaltungsakt des Individuums. Wie Kunst, wie Bienenzelle, wie Gespinst, nimmt er sich hier aus.

Zeugung – ist allerdings Sekretionsphänomen, Phänomen der Sekretion seiner selbst. So beim Manne. – Die Frau scheint hier eher zu assimilieren, aber sie scheint es auch nur, denn sie sezerniert sich selbst ebenfalls, nur als Materie, während der Mann als Geist, als Idee, und so wird das Beseelte formiert. Der Mann in der Liebe ist Maler, Musiker, die Frau Plastiker. Die Frau bleibt geistiger, der Mann körperlicher, zurück. Die Frau entwickelt, und der Mann verwickelt, sich.

Bei der Zeugung – Kraft der Phantasie. Nichts als bloßes Gebilde des andern. Magie, wegen Wirkung der Chiffer, der Form, des Buchstabens (des organischen). Denn beide geben, keines eigentlich empfängt. Die Gestalt des Mannes muß ideell wirken, denn sie ruft dem Weibe die Materie hervor, die Gestalt der Frau materiell, denn sie ruft den Geist, die Idee, hervor. Beide vermählen sich, wie schon gesagt, zur Seele, zum Lebendigen. Der Mann ist der Frau ein Gott, die Frau dem Manne eine Natur. Gott und Natur gehen zu Welt zusammen. – Alles zeigt, daß das Wesen der Zeugung durchaus tiefer zu suchen ist, als in den bloßen Gesetzen der Materie.


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