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Achtzehntes Kapitel.

Wie ich eine Wohnung bezog und der Unfall, der mir in ihr begegnete.

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Ich ging aus dem Gefängnis, und befand mich nun allein und ohne die Freunde und obwohl sie mir meldeten, daß sie den Weg nach Sevilla gingen, auf Kosten der christlichen Liebe, so wollte ich ihnen doch nicht folgen. Ich beschloß in eine Mietwohnung zu gehen, wo ich ein Mädchen fand, rot und weiß, mit hellen Augen, bald naseweis, bald zurückhaltend und ausgelassen. Sie lispelte ein wenig, fürchtete sich vor Mäusen und bildete sich viel auf ihre Hände ein; und um sie zu zeigen, putzte sie immer die Lichter und schnitt das Essen vor bei Tisch. In der Kirche faltete sie immer die Hände, auf der Straße zeigte sie, welches Haus dem, welches jenem gehöre, auf der Estrade Die Estrade ist ein mit einem Teppich bedeckter, gewöhnlich erhöhter Platz in den Zimmern, auf dem die Spanier ihre Besuche annehmen. hatte sie beständig eine Nadel an ihrem Kopfputz zu befestigen, und wenn sie irgend ein Spiel spielte, war es immer Pizpirigaña, Pizpirigaña, ein Spiel, bei dem man sich unter dem Aussprechen gewisser Worte leicht in die Hände kneipt. weil es Gelegenheit gibt, die Hände zu zeigen. Sie tat als gähne sie, wenn schon sie keine Lust dazu hatte, um ihre Zähne zu zeigen und Kreuze auf den Mund zu machen. Kurz, sie hatte das ganze Haus schon so gehandhabt, daß es selbst ihren Eltern lästig wurde.

Sie beherbergten mich sehr gut in ihrem Haus; denn sie trieben das Gewerbe, es nebst sehr gutem Hausgerät zu vermieten, aber nur an drei Bewohner. Der eine war ich, der andre ein Portugiese und noch ein Katalonier. Sie erzeigten mir eine sehr gute Aufnahme, und mir schien das Mädchen zum Zeitvertreib nicht übel, wozu noch die Bequemlichkeit kam, sie im Haus zu haben. Ich begann ein Aug auf sie zu werfen, erzählte ihnen Geschichten, die ich ersonnen hatte, sie zu unterhalten, brachte ihnen Neuigkeiten, obgleich ich nie welche hatte, und diente ihnen in allem, was ich umsonst haben konnte. Ich sagte ihnen, ich verstände mich auf Zauberein und sei ein Schwarzkünstler und könne machen, daß es schiene, als ob das Haus versinke oder verbrenne, und andre Dinge mehr, die sie als leichtgläubige Leute glaubten.

Damit gewann ich bei allen Zuneigung aus Erkenntlichkeit, aber nicht aus Liebe. Denn da ich nicht so gut gekleidet ging, als es sich gebührte (obschon ich meinen Anzug etwas verbessert hatte, mit Hilfe des Kerkermeisters, den ich immer besuchte, indem ich die Verwandtschaft des Bluts unterhielt, bloß des Fleisches und Brotes wegen, das ich bei ihm aß), so machten sie doch nicht so viel aus mir, als billig war. Ich verfiel darauf, um mich in den Ruf eines reichen Manns zu bringen, der ich zu sein vorgab, Freunde in meine Wohnung zu schicken, mich zu suchen, wenn ich nicht in ihr war. Zuerst trat einer aus und fragte nach dem Señor Don Ramiro de Guzman; denn so, sagte ich, sei mein Name, weil die Freunde mir gesagt hatten, daß es nicht kostspielig sei, seinen Namen zu ändern, vielmehr sehr nutzenbringend. Kurz, er fragte nach Don Ramiro, einem reichen Geschäftsmann, der jetzt zwei Kontrakte mit dem König abgeschlossen habe. Die Wirtsleute erkannten mich nicht als diesen und antworteten, daß hier nur ein Don Ramiro de Guzman wohne, mehr lumpig, als reich, klein von Körper, häßlich von Gesicht und arm. – »Das ist der, den ich meine«, erwiderte jener, »und ich möchte nicht mehr Renten im Dienst Gottes haben, als die, die er über zweitausend Dukaten hat.« – Er erzählte ihnen noch andre Lügen. Sie waren erstaunt, und er ließ ihnen einen nachgemachten Wechsel da, den er auf mich zu ziehn hatte, von neuntausend Scudos. Er sagte, sie möchten ihn mir geben, damit ich ihn akzeptiere, und ging weg.

Das Mädchen und die Mutter glaubten den Reichtum und bestimmten mich gleich zum Mann der ersten. Ich kam mit großer Verstellung und beim Eintritt gaben sie mir den Wechsel und sagten: »Geld und Liebe verhehlen sich schlecht, Señor Don Ramiro. Wie, Euer Gnaden verbergen uns, wer Sie sind, da wir doch so viele Ansprüche auf Ihr Wohlwollen haben?« – Ich tat, als ob ich unwillig wäre über das Dalassen des Wechsels, und ging auf mein Zimmer. Merkwürdig war es, wie sie mir sagten, da sie glaubten, ich habe Geld, daß alles mir wohl stände. Sie rühmten meine Worte, und es gab keinen solchen Witz wie den meinigen.

Da ich sie so töricht sah, erklärte ich dem Mädchen meine Zuneigung, und sie hörte mich mit vielem Vergnügen an und sagte mir tausend Schmeichelein. Wir trennten uns, und um sie mehr in der Meinung von meinem Reichtum zu bestärken, verschloß ich mich in einer Nacht in mein Zimmer, das von dem ihrigen nur durch eine sehr dünne Wand getrennt war, holte fünfzig Scudos heraus und zählte sie so viele Male, daß sie sechstausend Scudos zählen hörten. Dies bewirkte, da sie mich mit so vielem Geld sahn, daß ich alles erlangte, was ich nur wünschen konnte; denn sie trugen wachsame Sorge, mich gut zu bewirten und zu bedienen.

Der Portugiese nannte sich Señor Vasco de Meneses, Ritter vom Katechismus, ich meine von Christus. Der Christusorden, ein militärischer Orden in Portugal. Er trug einen schwarzen Mantel, Stiefeln, einen kleinen Halskragen und großen Knebelbart. Er brannte für Doña Berenguela de Rebolledo, denn so nannte sie sich, liebelte mit ihr, wenn er zur Unterhaltung bei ihr saß, und seufzte mehr als eine Betschwester in einer Fastenpredigt. Er sang schlecht und sagte dem Katalonier unaufhörlich Stichelein. Dieser war die traurigste und erbärmlichste Kreatur, die Gott erschaffen hatte. Er aß, wie das dreitägige Fieber, von drei zu drei Tagen, und so hartes Brot, daß es kaum Lästerzähne hätten beißen können. Er wollte für einen Raufbold gelten, und außer dem Eierlegen fehlte ihm nichts zu einer Henne, denn er gackerte bemerkbar.

Als diese beiden sahn, daß ich solche Fortschritte machte, verfielen sie darauf, Böses von mir zu reden. Der Portugiese sagte, ich wäre ein lausiger, kahler Spitzbube; der Katalonier behandelte mich als feig und niederträchtig. Ich wußte alles, und manchmal hörte ich es; aber ich hatte nicht den Mut, darauf zu antworten. Dennoch sprach das Mädchen mit mir und nahm meine Briefe an. Ich fing mit dem Gewöhnlichen an: »Mein Erkühnen und Ihre große Schönheit« usw., dann sprach ich davon, wie meine Flamme mich verzehre, behandelte meine Pein, erbot mich zu ihrem Sklaven und Unterzeichnete ein Herz mit einem Pfeil.

Endlich kamen wir zum Du und Du, und um den Glauben an meinen Stand noch mehr zu nähren, ging ich aus dem Hause, mietete einen Maulesel, kam verhüllt und mit verstellter Stimme in die Wohnung und fragte nach mir selbst, mit den Worten, ob hier Seine Gnaden der Señor Don Ramiro de Guzman, Herr von Valcerrado und Vellorete wohne. – »Hier wohnt«, erwiderte das Mädchen, »ein Kavalier dieses Namens, klein von Körper.« – Und nach dem Zeichen sagte ich, er wäre es, und bat sie, ihm zu sagen: Diego de Solorzano, sein Rentmeister, reise eben durch zur Zinsenerhebung und sei gekommen, ihm die Hände zu küssen. Damit ging ich weg und kehrte in einer Weile nach Hause zurück. Sie empfingen mich mit der größten Freude von der Welt und sagten, warum ich es ihnen denn verborgen hielte, daß ich Herr von Valcerrado und Vellorete wäre. Sie richteten mir den Auftrag aus.

Dies gab dem Mädchen vollends den Rest, und lüstern nach einem so reichen Manne, veranstaltete sie es, daß ich, sie zu sprechen, um ein Uhr des Nachts auf eine Galerie kommen sollte, die auf ein Dach stieß, wohin das Fenster ihrer Kammer ging. Aber der Teufel, der immer bei der Hand ist, ordnete es, daß, als die Nacht gekommen war, und ich, begierig die Gelegenheit zu nützen, die Galerie bestieg, um von da auf das Dach zu kommen, was nötig war, mir die Beine ausgingen, und ich auf das des Nachbars, eines Gerichtsschreibers, einen so ungeheuern Fall tat, daß ich alle Ziegel zerbrach, die sich in meine Rippen einprägten. Beim Lärm erwachte das halbe Haus, und in der Meinung, es wären Diebe, nach denen die Leute dieses Amts immer lüstern sind, stiegen sie auf das Dach. Als ich dies sah, wollte ich mich hinter einen Schornstein verstecken, aber das hieß den Verdacht noch vermehren; denn der Schreiber und zwei Bediente und sein Bruder durchwalkten mich mit Prügeln und banden mich angesichts meiner Dame, ohne daß mir irgend eine Ausflucht half. Das Mädchen aber lachte laut; denn da ich ihr gesagt hatte, daß ich Täuschungen und Zauberein machen könnte, glaubte sie, ich wäre aus Kurzweil und durch Magie gefallen, und sie tat nichts, als mir zuzurufen, ich möchte hinaufsteigen, es wäre schon genug. Deswegen und wegen der Prügel und Fauststöße, die sie mir gaben, erhob ich ein Geschrei; und das beste war, daß sie dachte, alles wäre Blendwerk, und nicht aufhörte zu lachen.

Sogleich fing der Schreiber an, den Handel gerichtlich niederzuschreiben, und weil mir einige Schlüssel in der Tasche klirrten, sagte und schrieb er, daß es Dietriche wären, obgleich er sie sah, ohne daß es ein Mittel gab, ihm begreiflich zu machen, es wären keine. Ich sagte ihm, ich sei Don Ramiro de Guzman; aber er lachte sehr darüber. Traurig, daß ich mich vor meiner Dame mit Prügeln hatte durchwalken sehn lassen, und daß ich mich gefangen sah ohne Ursache unter einem schimpflichen Namen, wußte ich nicht, was ich tun sollte. Ich fiel vor dem Schreiber auf die Knie und bat ihn um der Liebe Gottes willen; aber weder durch das eine, noch das andre brachte ich ihn dahin, mich loszulassen. Alles dies ging auf dem Dach vor; denn solche Leute erheben selbst von den Ziegeln herab falsche Zeugnisse. Man gab den Befehl, mich herunterzubringen, und sie taten es durch ein Fenster, das in eine Kammer ging, die zur Küche diente.


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