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Fünfzehntes Kapitel.

In dem die angefangne Materie fortgesetzt wird, nebst andern seltnen Vorfällen.

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Gott der Herr ließ es Tag werden, und wir traten alle unter die Waffen. Schon war ich so gemein mit ihnen, als ob wir alle Brüder wären; denn diese Leichtigkeit und anscheinbare Annehmlichkeit findet sich immer bei schlechten Dingen. Es war lustig zu sehn, wie der eine das Hemd, das in zwölf Lumpen zerrissen war, auf zwölfmal anzog, bei deren jedem er ein Gebet sprach, wie ein Priester, der sich ankleidet. Diesem verirrte sich ein Bein in den Seitengäßchen der Hosen und kam da zum Vorschein, wo es sich am wenigsten ziemt. Ein andrer verlangte einen Wegweiser, damit er das Wamms anziehn könnte, und in einer halben Stunde konnte er damit nicht zurecht kommen. Als dies zustand gebracht war, und es war nicht wenig sehnswert, griffen alle nach Nadel und Zwirn, um an dem einen oder dem andern Riß ein paar Stiche zu tun. Der eine flickte sich unter dem Arm aus und machte sich, indem er ihn ausstreckte, zu einem L; ein andrer, der sich auf die Knie niedergelassen hatte, bildete die Ziffer Fünf, indem er seinen Hosenbeinen zu Hilfe kam; noch ein andrer steckte den Kopf zwischen die Beine, um die Hosenzwickel zu falten. So seltsame Stellungen malte selbst Bosco Hieronymus Bosco oder Bos, ein Maler des fünfzehnten Jahrhunderts, der das Schreckliche, Drollige und Phantastische am liebsten als Gegenstände seiner Gemälde wählte. Im Eskurial sind mehrere seiner Bilder aufbewahrt. nicht, als ich sah, wie sie flickten, und die Alte ihnen die Materialien, Lumpen und Lappen von verschiednen Farben zulangte, die sie am Sonnabend zusammengelesen hatte. Die Flickstunde (denn so nannten sie sie) ging zu Ende, und sie besahn sich einer den andern, ob etwa noch etwas schlecht beschaffen wäre.

Sie beschlossen nun auszugehn, und ich sagte, ich wünschte, daß sie meine Kleidung bestimmen möchten, weil ich die hundert Realen zu einer verwenden und meinen Studentenrock ablegen wollte. Das nicht, antworteten sie; das Geld werde in Verwahrung niedergelegt. Wir wollen ihn sogleich aus dem Vorrat kleiden und ihm seinen Bezirk in der Stadt anweisen, wo er allein stäubern und schießen darf.

Es dünkte mir gut; ich gab das Geld in das Depositum, und in einem Augenblick machten sie mir aus dem Studentenrock ein tuchnes Trauerkleid, und indem sie den Mantel verkürzten, war alles in Ordnung. Das was von ihm abfiel, vertauschten sie gegen einen aufgefärbten Hut und befestigten auf ihm, statt des Hutbands, ein paar im Tintenfaß sehr fein geschwärzte Baumwollstreifen. Die Halskrause und Pluderhosen nahmen sie mir ab und zogen mir an ihrer Statt ein Paar mit Nesteln angeheftete Strumpfhosen an, mit Schlitzen, aber bloß vorn; denn die Seiten und Hinterteile waren von Gemsleder. Die seidnen Halbstrümpfe waren eigentlich nicht einmal halbe Strümpfe; denn sie reichten nicht weiter als vier Finger unter das Knie, und diese vier Finger bedeckte ein knapper Stiefel auf meinem natürlichen fleischfarbnen Strumpf. Die Halskrause stand ganz offen, vor lauter Zerrissenheit. Sie legten sie mir an und sagten: »Die Halskrause ist hinten und an den Seiten etwas hinfällig. Wenn Euer Edeln einer ansehn sollte, müßt ihr Euch nur damit drehn wie die Sonnenblume; wenn es zwei sind und sie Euch von den Seiten ansehn sollten, so schreitet vorwärts, und für die von hinten tragt beständig den Hut über den Nacken heruntergeschlagen, dergestalt, daß die Krempe die Krause bedeckt und die ganze Stirn offen läßt, und dem, der Euch fragen sollte, warum ihr so geht, antwortet, weil ihr durch die ganze Welt gehn könntet mit offnem Gesicht.« Sie gaben mir eine Schachtel mit schwarzem und weißem Zwirn, Seide, Bindfaden und Nadel, Fingerhut, Tuch, Leinwand, Atlas und andern Abfällen, auch ein Messer; sie steckten mir ferner ein Suppennäpfchen in den Gürtel und Schwamm und Feuerstahl in einen ledernen Beutel, indem sie sagten: »Mit dieser Schachtel könnt Ihr durch die ganze Welt gehn, ohne Freunde und Verwandte nötig zu haben; in ihr befindet sich alle unsre Hilfe; nehmt und bewahrt sie wohl.«

Sie wiesen mir als Quartier, um meinen Unterhalt zu suchen, das des St. Luis an, und so trat ich meine Tagereise an, indem ich mit dem andern aus dem Haus ging. Weil ich aber ein Neuling war, gaben sie mir, damit ich die Gaunerhantierung beginnen könnte, wie einem Priester, der die erste Messe liest, als Paten den mit, der mich eingeführt und bekehrt hatte. Wir traten aus dem Haus, langsamen Schritts, mit Rosenkränzen in der Hand, und nahmen den Weg nach meinem angewiesnen Stadtviertel. Allen erwiesen wir Höflichkeiten; vor den Männern zogen wir den Hut ab, indem wir wünschten, dasselbe mit ihren Mänteln zu tun; den Frauen machten wir Reverenzen; denn diese freuten sich darüber und die geistlichen Väter noch weit mehr. Zu einem sagte mein guter Hofmeister: »Morgen bringt man mir Geld;« – zu einem andern: »Warten Euer Gnaden nur noch einen Tag; denn die Wechselbank hält mich mit Worten hin.« – Dieser forderte ihm den Mantel ab, jener drängte ihn wegen des Gürtels, woraus ich erkannte, daß er ein so großer Freund seiner Freunde war, daß er nichts Eignes hatte. Wir gingen in Schlangenlinien von einer Seite der Straße zur andern, um nicht auf die Häuser der Gläubiger zu stoßen. Bald forderte einer von ihm den Mietzins vom Haus, ein andrer vom Degen und noch ein andrer von den Bettüchern und Hemden, dergestalt, daß ich völlig inne wurde, er sei ein Mietritter, wie es Mietesel gibt.

Es traf sich hierauf, daß er von weitem einen Menschen erblickte, der ihm die Augen ausriß (wie er sagte) wegen einer Schuld, der es aber nicht mit dem Geld dahin brachte; und damit er ihn nicht erkennen möchte, löste er das Haar hinter den Ohren, das er zusammengebunden trug, stellte einen Nazarener Die Büßenden, die am Karfreitage mit fliegendem Haupthaar einhergehn, nennt man in Spanien Nazarener. vor und glich so halb einem Christusbild, halb einem zottigen Ritter. Er heftete sich ein Pflaster auf ein Auge und fing an, italienisch mit mir zu sprechen. Dies alles konnte er tun, während der andre kam, der ihn noch nicht gesehn hatte, weil er in einen Klatsch mit einer alten Frau vertieft war. Ich versichere, daß ich den Mann sich im Kreis um uns herumdrehn sah, wie einen Hund, der sich niederlegen will. Er machte mehr Kreuze als ein Segensprecher und ging zuletzt fort, indem er sagte: »Jesus! ich dachte, er wär es; wer aber Ochsen verloren hat usw.«

Ich kam beinah um vor Lachen, die Figur meines Freunds zu sehn. Er trat nun unter eine bedeckte Halle, um das Stirnhaar wieder zu ordnen und das Pflaster abzunehmen, und sagte: »Dies sind die Erfordernisse, seine Schulden nicht anzuerkennen; lernt es, Bruder, denn Ihr werdet tausend dergleichen Dinge in der Stadt sehn.«

Wir gingen weiter, und da es noch früh war, nahmen wir an einer Gassenecke zwei Schnitte Brotkuchen und Branntwein bei einer Küchendirne, die es uns unentgeltlich gab, nachdem sie meinen Führer willkommen geheißen hatte. Er sagte zu mir: »Damit kann ein Mann heute unbekümmert wegen des Essens sein; dies zum wenigsten kann nicht fehlen.« – Ich betrübte mich, indem ich erwog, daß es mit dem Mittagsmahl noch zweifelhaft stand, und antwortete ihm ganz traurig von seiten meines Magens, worauf er entgegnete: »Wenig Glauben habt Ihr an die Religion und den Orden der Gelegenheiten; es verläßt der Herr die Raben und Krähen nicht, auch nicht einmal die Schreiber, und er sollte die Hungerverzehrten verlassen? Einen mutlosen Magen müßt Ihr haben.« – »Wahr ist's,« sagte ich; »aber ich fürchte einen noch schlechtern zu haben und nichts darin.«

Währenddes schlug die Glocke zwölf; und da ich ein Neuling war in dem Gewerb, so waren meine Eingeweide nicht zufrieden mit dem Brotkuchen, und ich hatte Hunger, gleich als ob ich noch gar nichts gegessen hätte. Mein Gedächtnis wurde dadurch wieder aufgefrischt, und ich wendete mich zum Freund und sagte: »Bruder, das mit dem Hunger ist ein hartes Noviziat. Der Mensch ist geschaffen, mehr zu fressen als eine Frostbeule und man hat mir Fasttage auferlegt. Wenn sie es für Euch nicht sind, so ist das kein Wunder; denn aufgezogen mit Hunger von Kind auf (wie jener König mit Schierling [Mithridates]) ernährt Ihr Euch nun mit ihm. Ich sehe Euch keinen nachdrücklichen Fleiß anwenden, etwas zu beißen, und so bin ich entschlossen, so viel anzuwenden als ich kann.«

»Gottes Sakrament über Euch!« entgegnete er; »eben schlägt es zwölf, und doch solche Eile? Ihr habt einen sehr pünktlichen Appetit; aber es ist ihm nötig, einige rückständige Zahlungen in Geduld zu ertragen. Lieber gar den ganzen Tag essen. Was tun denn die Tiere mehr? Es steht nicht geschrieben, daß jemals einer unsrer Kavaliere den Durchlauf gehabt habe; vielmehr aus bloßem Mangel an Notdurft verrichten wir sie nicht. Schon habe ich Euch gesagt, daß Gott niemanden verläßt; und wenn Ihr so viel Eile habt, so geh ich nach der Suppe des St. Hieronymus, Der Orden des St. Hieronymus, ein vom Papst Gregor XI. im Jahre 1373 gestifteter Mönchsorden, der ein Kloster in Madrid besitzt. wo jene mit Milch wie Kapaune gemästeten Ordensbrüder leben, und dort werde ich den Magen füllen. Wenn Ihr mir folgen wollt, so kommt, wo nicht, so versuche ein jeglicher sein Glück.« – »Mit Gott!« sagte ich; »mein Bedürfnis ist nicht so gering, daß es sich ersetzen ließe durch die Überbleibsel von andern. Ein jeglicher geh seine Straße.«

Mein Freund ging mit gravitätischen Schritten fort, indem er seine Füße beschaute. Er zog einige Brotkrümchen hervor, die er zu solchem Zweck immer in einem Schächtelchen bei sich trug und streute sie sich auf den Bart und die Kleider, dergestalt, daß er gegessen zu haben schien. Ich ging hustend und die Zähne stochernd, um meine Magenschwäche zu verbergen, strich mir den Knebelbart, hüllte mich in den Mantel, der auf der linken Seite hing, und spielte mit dem Zehner von Rosenkranz, denn das war er, weil er nicht mehr als zehn Körner hatte. Alle, die mich sahn, hielten mich für einen Gespeisten, und wenn sie von Läusen geglaubt hätten, so würden sie nicht geirrt haben. Ich vertraute meinen Tälerchen, wiewohl mich das Gewissen biß, weil es gegen den Orden war, daß der auf seine Kosten esse, der mit kostenfreien Eingeweiden in der Welt lebt. Schon war ich entschlossen, das Fasten zu brechen.

Damit kam ich an die Ecke der Straße St. Luis, wo ein Pastetenbäcker wohnte. Am Fenster stand eine goldbraune Achtquartospastete. Mit dem Duft des Ofens drang sie mir in die Nase, und augenblicks stellte ich sie gleich einem Hühnerhund. Die Augen darauf gerichtet, betrachtete ich sie mit solcher Gier, daß die Pastete vertrocknete wie ein durch Blicke Bezauberter. Betrachtenswert waren die Schliche, die ich anwendete, sie zu stehlen. Dann entschloß ich mich, sie zu bezahlen.

Indem schlug es eins, und ich betrübte mich dergestalt, daß ich beschloß, in eine Garküche zu schlüpfen. Als ich schon nach einer flüchtete, traf ich (Gott wollte es so) auf einen gewissen Lizentiaten Flechilla, meinen Freund, der schwänzelnd die Gasse herunterkam, mit mehr Blattern im Gesicht als ein Pockenkranker, und so vielen Schmutzlappen, daß er einer Dreckkarre glich. Er kam auf mich zu, als er mich erblickte, und wie ich aussah, war es viel, mich zu erkennen. Ich umarmte ihn, und er fragte mich, wie ich mich befände. Ich sagte ihm darauf: »Herr Lizentiat, was für Dinge habe ich Ihnen zu erzählen! Es tut mir nur leid, daß ich diese Nacht abreisen muß.« – »Das tut mir vielmehr leid, und wenn es nicht spät wäre und ich eilig zum Essen gehn müßte, würde ich verweilen. Es erwartet mich nämlich eine verheiratete Schwester und ihr Mann.« – »Wie, meine Señora Anna ist hier? Und wenn ich auch alles versäumte, laßt uns hingehn, denn ich will meine Schuldigkeit tun.« – Ich öffnete die Augen, als ich hörte, daß er noch nicht gegessen habe, ging mit ihm und fing an, ihm von einem Fraunzimmer zu erzählen, daß er in Alcala sehr geliebt hatte, daß ich wüßte, wo sie sich befände, und daß ich ihm Zutritt verschaffen könnte in ihrem Haus. Das Anerbieten machte alsbald einen tiefen Eindruck auf ihn; denn es war ein Kunstgriff, ihm von Lieblingsgegenständen zu sprechen. Damit beschäftigt kamen wir an sein Haus und traten ein. Ich empfahl mich seinem Schwager und seiner Schwester angelegentlichst, und sie, die sich nichts andres einbildeten, als daß ich ein besondres Anliegen hätte, weil ich zu solch einer Stunde kam, sagten, wenn sie gewußt hätten, daß sie einen so lieben Gast haben würden, würden sie sich darauf eingerichtet haben. Ich ergriff die Gelegenheit und lud mich ein, indem ich sagte, ich gehöre ja zum Haus und sei ein alter Freund; man würde mir eine Beleidigung zufügen, wenn man solche Komplimente mit mir machte.

Sie setzten sich, und ich setzte mich ebenfalls, und damit es der andre besser aufnehmen möchte, denn er hatte mich weder eingeladen, noch war es ihm in den Sinn gekommen, köderte ich ihn von Zeit zu Zeit mit dem Mädchen, indem ich ihm sagte, sie hätte mich nach ihm gefragt und trüge ihn in ihrer Seele, und andre Lügen dieser Art. Dadurch wurde er nachsichtiger gegen mein Schlucken; denn eine solche Verwüstung, als ich in das Voressen anrichtete, würde keine Kugel in einem Büffelwamse angerichtet haben. Wortspiel mit dem Wort ante, das sowohl Voressen, als auch Büffelleder bedeutet. Es kam die Olla, und ich aß sie in zwei Bissen beinah ganz auf, zwar ohne böse Absicht, aber mit einer so furchtbaren Eile, daß es schien, als ob ich sie auch zwischen den Zähnen noch nicht für sicher hielte. Gott ist mein Zeuge, daß der Grabhügel in der Kirche unsrer lieben Frau de la Antigua zu Valladolid keinen Leichnam schneller verzehrt (er zerstört ihn in vierundzwanzig Stunden), als ich das Ordinäre abfertigte; denn es ging mit mehr Eile als eine Extrapost. Wortspiel mit ordinario, in dem Doppelsinn als gewöhnliche Kost, Hausmannskost (das die olla bei den Spaniern ist) und ordinäre reitende Post. Sie mochten wohl mein wütendes Suppe-Schlucken und die Art, die Schüssel zu leeren, bemerken, sowie die Verfolgung der Knochen und Zerstörung des Fleisches. Und wenn man die Wahrheit sagen will, so füllte ich unter Wendungen und Kurzweil meine Taschen mit Brotbrocken.

Die Tafel wurde aufgehoben, wir, ich und der Lizentiat, traten beiseite, um von einem etwaigen Gang in das Haus der Genannten zu reden, den ich ihm als sehr leicht vorstellte; und während ich mit ihm an einem Fenster stehend sprach, that ich, als ob man mich auf der Gasse riefe, und sagte: »Ich, Señor? ich komm schon herab.« – Ich bat ihn um Erlaubnis, indem ich sagte, ich werde gleich zurückkehren. Bis heute wartet er auf mich; denn ich verschwand wegen des verzehrten Brotes und der vorgegebnen Begleitung. Er begegnete mir noch vielemal, und ich entschuldigte mich bei ihm, indem ich ihm tausend feine Lügen erzählte, die nicht zur Sache gehören.

Ich ging mit Gott durch die Straßen, kam an das Tor Quadalaxara und setzte mich auf eine von den Bänken, die die Kaufleute vor ihren Türen haben. Gott wollte, daß an den Laden zwei Damen kamen von denen, die auf ihre Gesichter eine Anleihe suchen, die Hälfte der Augen verschleiert, mit einer Alten und einem Pägchen. Sie fragten, ob vorzüglich gearbeitetes Seidenhaarzeug vorhanden sei. Um eine Unterredung anzuknüpfen, fing ich sogleich zu scherzen an über das Wort Seide und Haar und auf das Haar nach dem Haar und haarig und ließ keinen gesunden Knochen an dem Wort. Ich merkte, daß meine Freiheit ihnen eine Gewährleistung auf etwas aus dem Laden gegeben hatte, und gleich einem, der wagt, weil er nichts zu verlieren hat, bot ich ihnen an, was sie verlangten. Sie weigerten sich, indem sie sagten, daß sie nichts annähmen von jemanden, den sie nicht kennten. Ich benutzte die Gelegenheit und sagte, daß es eine große Kühnheit gewesen sei, ihnen etwas anzubieten; sie möchten mir aber die Gnade erzeigen, einige Stoffe anzunehmen, die man mir von Mailand geschickt habe. Gegen Abend werde sie ein Page überbringen, den ich für den meinigen ausgab, weil er gegenüberstand und seinen Herrn erwartete, der in einem andern Laden war, weshalb er den Hut abgenommen hatte. Und damit sie mich für einen angesehnen und bekannten Mann halten möchten, tat ich nichts, als den Hut abziehn vor allen Räten und Kavalieren, die vorbeigingen, und ohne einen zu kennen, erwies ich ihnen Höflichkeiten, gleich als ob ich vertraut mit ihnen wäre. Sie schlossen daraus und aus einem Goldgulden, den ich von denen, die ich hatte, hervorzog, mit dem Vorwand, einem Armen, der mich darum ansprach, ein Almosen zu geben, daß ich ein vornehmer Kavalier wäre.

Es schien ihnen Zeit zu gehn, weil es schon spät war, und so nahmen sie Abschied von mir, indem sie mir noch Vorsicht empfahlen, mit der der Page kommen müsse. Ich erbat mir von ihnen als Gunst und als eine Gnade einen in Gold gefaßten Rosenkranz, den die Hübscheste von ihnen trug, zum Pfande, daß ich sie den andern Tag ohne Fehl wiedersehn würde. Sie weigerten sich, mir ihn zu geben; ich bot ihnen zum Pfande die hundert Scudos, und sie sagten mir ihr Haus, und in der Absicht, mich noch mehr zu rupfen, trauten sie mir und fragten mich nach meiner Wohnung, indem sie sagten, es könne der Page nicht zu jeder Stunde in die ihrige kommen, weil sie Personen von Stand waren. Ich führte sie durch die große Straße, und beim Eintritt in die Karrenstraße wählte ich ein Haus, das mir am besten und größten schien, wo eine Kutsche ohne Pferde vor der Tür stand, und sagte ihnen, daß dies das meine wäre, und es stünde hier mit Kutsche und Herrn zu ihren Diensten. Ich nannte mich Don Alvaro de Cordova und ging vor ihren Augen zur Tür hinein. Und ich erinnre mich, daß, als wir aus dem Laden traten, ich einem der Pagen mit der Hand winkte, indem ich mir ein wichtiges Ansehn gab. Ich tat, als sagte ich ihm, sie sollten alle dableiben und mich hier erwarten; die Wahrheit ist, daß ich ihn fragte, ob er ein Bedienter des Komturs meines Onkels wäre. Er sagte nein, und solchergestalt bediente ich mich fremder Bedienten als ein ächter Kavalier.

Die dunkle Nacht brach an, und wir zogen uns alle nach Haus zurück. Ich trat hinein, und fand einen lumpigen Soldaten mit einer Wachsfackel, die man ihm gegeben hatte, eine Leiche zu begleiten; er war aber mit der Fackel durchgegangen. Er nannte sich Magazo und war gebürtig von Olias. Er war Kapitän in einer Komödie gewesen und hatte sich mit Mauren herumgeschlagen in einem Tanz. Wenn er mit denen, die in Flandern gewesen waren, sprach, sagte er, er wäre in China gewesen, und zu denen aus China, in Flandern. Er handelte oft davon ein Schlachtfeld anzuordnen, und verstand nichts davon, als sich darin zu lausen. Er nannte Kastelle, und hatte sie doch kaum auf den Ochaven gesehn. Ochava, eine Münze, auf die ein Kastell geprägt ist. Er feierte sehr das Andenken des Señor Don Juan Don Juan von Österreich, ein natürlicher Sohn Kaiser Karls V. und Bruder König Philipps II. von Spanien, bekannt als tapfrer Krieger gegen die Mauren. Er gewann unter andern die berühmte Seeschlacht bei Lepanto gegen die Türken. und ich hörte ihn vielmals sprechen vom Luis Quixada, Don Luis Quixada, Oberhofmeister Kaiser Karls V. und Erzieher des oben erwähnten Don Juan. der ihm ein geehrter Freund gewesen wäre. Er nannte Türken, Gallionen und Kapitäne, von denen allen er in einigen Liedern gelesen hatte, die davon handelten, und da er nichts vom Meer wußte, denn er kannte nichts davon, als Meerrüben zu essen, so sagte er, wenn er die Schlacht erzählte, die der Señor Don Juan bei Lepanto geliefert hat, daß dieser Lepanto ein sehr tapfrer Mohr gewesen wäre. Da der Tropf nicht wußte, daß es der Name des Meers war, so hatten wir herrlichen Spaß mit ihm.

Hierauf trat mein Begleiter herein, die Nase zerschlagen und den ganzen Kopf mit Lappen umwickelt, voll von Blut und sehr schmutzig. Wir fragten ihn nach der Ursache, und er sagte, er wäre nach der Suppe des heiligen Hieronymus gegangen und hätte eine doppelte Portion verlangt, indem er vorgegeben hätte, es sei für einige verschämte Arme. Man habe sie den übrigen Bettlern entzogen, um sie ihm zu geben und diese wären ihm voll Verdruß nachgegangen und hätten gesehn, wie er in einem Winkel hinter der Tür gestanden und sie wacker hinuntergeschlürft habe. Darüber nun, ob es wohlgetan sei, zu betrügen, um zu schlucken und es andern zu entziehn für sich selbst, habe sich ein Geschrei erhoben, und nach diesem die Knüttel, und nach den Knütteln Beulen und Schmarren an seinem armen Kopf. Sie fielen ihn mit zwei Krügen an, und den Schaden an der Nase machte ihm einer mit einer hölzernen Schüssel, die er ihm zu riechen gab, mit mehr Eile als es sich ziemte. Sie nahmen ihm den Degen, und auf das Geschrei kam der Türsteher heraus, und kaum konnte dieser sie zur Ruh bringen. Kurz der arme Bruder sah sich in so großer Gefahr, daß er ausrief: »Ich will ja zurückgeben, was ich gegessen habe.« Aber auch dies half nichts; denn sie nahmen auf nichts weiter Rücksicht als darauf, daß er für andere gebettelt habe und selbst nicht für einen Suppenesser gelten wolle. Ein Lumpenstudent, einer von denen mit den Almosenkörben, Ein Name der Mönche des S. Juan de Dios oder barmherzigen Brüder in Spanien, die Almosen in Körben einsammeln. ein großer Schmarotzer, rief: »Betrachtet ihn nur, allenthalben Lumpen, wie eine Kinderpuppe, trauriger als eine Pastetenbude in den Fasten, mit mehr Löchern als eine Flöte und mehr Flecken als eine Schecke und mehr Sprenkeln als ein Jaspis und mehr Punkten als ein Notenbuch. Es gibt Männer bei der Suppe des gebenedeiten Heiligen, die Bischof sein oder jede andre Würde bekleiden könnten, und es schämt sich so ein Don Lumpenhund sie zu essen. Graduierter Bakkalaureus der Künste zu Siguenza bin ich.« – Der Türsteher schlug sich ins Mittel, als er sah, daß ein Alter, der dastand, sagte, obschon er die Armensuppe frequentiere, sei er doch ein Abkömmling des großen Kapitäns Der Kriegsheld Don Gonsalvo Fernandez de Cordova, geboren im Jahre 1443, der unter Ferdinand und Isabella diente, erhielt wegen seiner Tapferkeit diesen ehrenvollen Beinamen. und habe die vornehmste Verwandtschaft. Dabei ließ er es, denn der Kamerad war schon fort und hatte seine Knochen aus dem Gedräng gezogen.


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