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Sechzehntes Kapitel.

In dem dieselbe Materie fortgesetzt wird, bis alle ins Gefängnis kamen.

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Merlo Diaz trat herein, und sein Gürtel war eine Schnur von Krügen und Gläsern, die er, indem er an den Drehfenstern der Nonnen zu trinken gefordert hatte, mit wenig Gottesfurcht mit fortnahm. Aber den Rang lief ihm Don Lorenzo del Pedroso ab, der mit einem sehr guten Mantel eintrat, den er an einem Billardtische vertauscht hatte, gegen den seinigen, der dem, der ihn trug, nicht ein Haar bedeckte, weil er selbst haarlos war. Er pflegte nämlich den Mantel abzutun, als ob er spielen wollte, und ihn zu andern zu legen; und darauf, als wenn er keine Partie fände, ging er nach seinem Mantel, nahm den, der ihm am besten schien, und ging fort. So machte er es beim Ringtreiben Das Ringtreiben, im Spanischen argolla genannt, ein Spiel, das darin besteht, daß man einen eisernen Ring mit einem Stift in den Boden befestigt und hölzerne Kugeln mit einer Schaufel durchzutreiben sucht. und beim Kegelspiel. Aber alles war nichts dagegen, den Don Cosme hereintreten zu sehn, umringt von Kindern mit Kröpfen, Krebs und Aussatz, Wunden und Lähmungen. Er hatte sich zum Segensprecher gemacht durch gewisse Zauberkreuze und Gebete, die er von einer Alten gelernt hatte. Es gewann dieser für alle; denn wenn der, der sich heilen zu lassen kam, nicht ein Bündel unter dem Mantel trug, nicht mit Geld in der Tasche klimperte, oder wenn nicht einige Kapaune piepten, so fand er keinen Zutritt. Das halbe Königreich hatte er zugrund gerichtet. Er machte glauben, was er wollte; denn ein solcher Künstler im Lügen ist nicht geboren worden; er war es so sehr, daß er auch nicht einmal aus Unachtsamkeit eine Wahrheit sagte. Er sprach vom Kindlein Jesus, trat in die Häuser mit einem Deo Gratias, oder sprach: »Der heilige Geist sei mit euch allen!« Er führte die ganze Gerätschaft eines Heuchlers bei sich, einen Rosenkranz mit ungeheuern Körnern. Wie aus Nachlässigkeit ließ er unter seinem Mantel ein Stück einer Bußgeißel sehen, bespritzt mit Blut aus der Nase. Er machte glauben, daß die Läuse sein härnes Hemd wären und sein hündischer Hunger freiwilliges Fasten. Er erzählte Versuchungen, und wenn er den Teufel nannte, sagte er: »Gott erlöse und behüte uns!« Er küßte die Erde beim Eintritt in die Kirche, nannte sich einen Unwürdigen und hob die Augen nicht auf zu den Weibern, wohl aber die Röcke. Mit diesen Dingen zog er das Volk so an sich, daß man sich ihm empfahl, und das war ebensoviel als sich dem Teufel zu empfehlen; denn außer dem, daß er ein Spieler war, war er auch (wie man es mit einem Schimpfnamen nennt) ein Teufelsbetrüger. Er schwur bei dem Namen Gottes bald vorgeblich, bald ohne Not. Sodann, was die Weiber betrifft, so hatte er einige Kinder und zwei Betschwestern, die schwanger waren. Kurz, die Gebote Gottes, die er nicht brach, verdrehte er.

Falanco kam nun, erhob einen großen Lärm und verlangte einen grauen Sack, ein großes Kreuz, einen langen falschen Bart und ein Glöckchen. Des Nachts ging er auf diese Weise aus, indem er rief: »Denkt an den Tod und tut Gutes den Seelen usw.« Damit sammelte er viel Almosen und ging in die Häuser, die er offen sah, und wenn es keine Zeugen gab, noch sonst ein Hindernis, stahl er soviel er fand. Traf er jemanden, so rührte er das Glöckchen und sprach mit einer Stimme, die er sehr bußfertig herabstimmte: »Denkt, Brüder, an den Tod usw.«

Alle diese Kniffe, zu stehlen und die sonderbaren Lebensweisen lernte ich in dem Zeitraum eines Monats kennen. Kehren wir jetzt dahin zurück, wie ich ihnen den Rosenkranz zeigte und die Geschichte erzählte. Sie rühmten die List sehr, und die Alte empfing ihn auf Treu und Glauben, um ihn zu verkaufen. Sie ging in die Häuser und sagte, er sei von einer armen Jungfer, die ihn veräußern müsse, um zu leben. Außerdem hatte sie für jedes Ding ihre Lüge und Schelmerei in Bereitschaft. Die Alte weinte bei jedem Schritt, faltete die Hände und seufzte bitterlich, nannte alle Kinder und trug über einem sehr guten Hemd, Kamisol, Rock, Unterrock und Mantel einen zerrissenen härnen Bußkittel von einem ihrer Freunde, einem Einsiedler, den sie in den Gebirgen von Alcala hatte. Sie hielt Haus, gab Rat und machte die Hehlerin.

Es wollte aber der Teufel, der niemals müßig ist in Sachen, die seine Diener betreffen, daß, als sie in ein Haus ging, ich weiß nicht was für Kleidungsstücke und andre Sächelchen zu verkaufen, einer, ich weiß nicht was, als sein Eigentum erkannte. Er holte einen Alguazil, man ergriff die Alte, die sich Mutter Lebruska nannte, und sie bekannte sogleich den ganzen Vorfall und sagte aus, wie wir alle lebten, und daß wir Raubritter wären. Der Alguazil ließ sie im Gefängnis, kam in das Haus und fand in ihm alle meine Kameraden und mich mit ihnen. Er brachte ein halbes Dutzend Häscher (Polizei zu Fuß) und führte das ganze Gaunerkollegium ins Gefängnis, wo sich die Ritterschaft in großer Gefahr sah.


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