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Zehntes Kapitel.

Von dem, was ich in Madrid vornahm, und was mir begegnete bis zur Ankunft in Ceracedilla, wo ich schlief.

—————

Er begab sich eine Weile beiseite, um auf Unsinn und Albernheiten für die Blinden zu sinnen. Indessen kam die Tischzeit heran. Wir aßen, und darauf bat man mich, die Verordnung zu lesen. Weil ich nichts andres zu tun hatte, zog ich sie hervor und las sie. Ich setze sie hierher, weil sie mir witzig geschienen hat und passend zu dem, was man darin hat tadeln wollen. Sie lautete folgendermaßen:

Verordnung
wider die leeren, schalen und wäßrigen Poeten.

Dies verursachte dem Küster das größte Gelächter von der Welt, und er sagte: »Morgen wollen wir weiter reden! Bei Gott, ich meinte, es solle sich auf mich beziehn, und es ist doch bloß wider die wäßrigen Poeten.« – Es belustigte mich sehr, ihn dies sagen zu hören, gleich als wäre er so rar als Kapwein oder Muskateller. Ich überschlug die Vorrede und fing das erste Kapitel an, das also lautete:

»In Erwägung, daß diese Art von Ungeziefer, die man Poeten nennt, unsre Nächsten und Christen sind (wiewohl böse), in Anbetracht dessen, daß sie das ganze Jahr Augenbrauen, Zähne, Bänder und Schuhe anbeten, und andre noch ungeheurere Sünden begehen: befehlen wir, daß man die Karwoche hindurch alle öffentlichen und Winkelpoeten einsperre wie die liederlichen Dirnen, daß man sie aus dem Irrwahn, in dem sie sich befinden, zu reißen und sie zu bekehren suche; und hierzu weisen wir eigne Zuchthäuser an.«

»Item: erwägend die große Hitze, die in den Hundstagen und in den keine Nacht kennenden Gedichten der Sonnendichter statthat, die, gleich Rosinen, kraft der Sonnen und Sterne, die sie bei ihrer Verfertigung verschwenden, zusammengewelkt sind: legen wir ihnen ewiges Stillschweigen auf in Sachen des Himmels, indem wir für die Musen Schonzeiten bestimmen wie für die Jagd und Fischerei, damit sie sich nicht, bei dem rastlosen Gebrauch, erschöpfen.«

»Item: da wir erwogen haben, daß diese höllische Sekte von Menschen, verdammt zu einem immerwährenden Ideenflug, Zerstückler der Wörter und Verdreher der Perioden, auch die Fraun mit dieser Pest der Reimerei angesteckt hat: so erklären wir, daß wir uns für entschädigt halten durch dieses Übel, das wir ihnen zugefügt, für das, was sie uns verursachten seit Anfang der Welt; und weil diese Welt arm ist und dürftig, so befehlen wir, die Gedichte der Poeten auszubrennen, gleich alten Fransen, um das Gold, Silber und die Perlen herauszuziehn; denn in den meisten Versen verleihn sie ihren Damen alle Metalle.«

Hier konnte es der Küster nicht länger ertragen, und indem er aufsprang, schrie er: »Weiter nicht! lieber gar uns unser Hab und Gut genommen! Fahren Euer Edeln nicht weiter fort! denn dagegen gedenk ich zu appellieren, aber nicht an das Revisionsgericht, sondern an meinen eignen Richter, um meinem Kleide und meiner Würde keine Beeinträchtigung zu verursachen. Und in Verfolgung dieser Sache werde ich, was ich besitze, aufwenden. Das wäre schön, daß ich, als Geistlicher, diesen Schimpf ertragen sollte! Ich werde beweisen, daß die Verse eines geistlichen Poeten einer solchen Verordnung nicht unterworfen sind, und sogleich will ich gehen, es vor den Richterstuhl zu bringen.«

Einesteils machte er mir Lust zu lachen; aber um mich nicht aufzuhalten (denn es wurde schon spät), sagte ich zu ihm: »Señor, diese Verordnung ist ja nur zum Scherz gemacht und hat weder Kraft noch Gewalt, weil ihr die obrigkeitliche Beglaubigung fehlt.« – »Bei meiner armen Seele,« rief er sehr aufgebracht, »billig hätten Euer Edeln mir die größte Unruhe von der Welt ersparen sollen. Wissen denn Euer Edeln, was es heißt für einen Mann, der achtmal hunderttausend bare Dichtungen liegen hat, so etwas zu hören? Fahren Euer Edeln fort, und Gott verzeih Ihnen den Schrecken, den Sie mir verursacht haben.« – Ich fuhr also fort:

»Item: anlangend, daß, nachdem sie aufgehört haben, Mauren zu sein (wiewohl sie demungeachtet noch einige Reliquien bewahren), sie sich in Hirten umgewandelt haben, weshalb die Herden mager sind, vom Trinken ihrer Tränen, versengt von ihren brennenden Seufzern und so betäubt von ihrer Musik, daß sie nicht werden: also verordnen wir, daß sie dieses Geschäft verlassen, indem wir die Freunde der Einsamkeit unter ihnen anweisen, Einsiedler zu werden, die übrigen aber (weil es eine lustige und wüste Lebensart ist), als Maultierknechte zu dienen.«

»Irgend ein Schuft, Hahnrei, Sodomit oder Jude verordnete so etwas; und wenn ich wüßte, wer er wäre, würde ich eine Satire auf ihn machen, die ihn und alle, die sie sähen, ärgern sollte. Man denke nur, wie gut einem bartlosen Mann, wie ich bin, der Eremit stehn würde! Und ein ernster Mann und Küster soll Maultierknecht werden? Gehn Sie, Señor! das sind schwere Kränkungen!« – »Schon hab ich ja Euer Edeln gesagt,« entgegnete ich, »daß es nur Scherz ist, und daß sie es als solchen hören sollen.« – Ich fuhr also fort:

»Item: um die großen Diebstähle zu verhindern: so befehlen wir, keine Gedichte von Aragonien nach Kastilien, noch von Italien nach Spanien zu versetzen, bei Strafe, daß der Poet, der solches tut, gut gekleidet, und bei einem Rückfalle, eine Stunde lang reinlich gehn soll.«

Dies fiel ihm sehr ins Lachen, denn er trug einen Leibrock mit vor Alter grauen Haaren und mit so vielen Kotflecken, daß, um sich zu beerdigen, nichts weiter nötig war, als ihn über sich auszureiben. Mit dem Mantel hätte man zwei Acker Feld düngen können. Und so sagte ich ihm, halb lachend:

»Es befiehlt auch, die Weiber, die sich ohne weiteres in einen Poeten verlieben, unter die Zahl der Verzweifelten zu zählen, die sich selbst erhenken oder entleiben, und sie als solche in keinen geweihten Boden zu begraben. Und angesehn die große Ernte der Gedichte, Lieder und Sonette, die es in diesen unfruchtbaren Jahren gegeben hat: befehlen wir, daß die Bündel, die wegen ihrer Untauglichkeit den Krämerbuden entwischten, auf die geheimen Gemächer gebracht werden sollen, ohne Appellation.«

Um ans Ende zu kommen, ging ich zum letzten Kapitel über, das so lautete:

»Aber angesehn, mit Augen des Mitleids, daß es im Staate drei Arten von Leuten gibt, die so im höchsten Grad elend sind, daß sie nicht leben können ohne solche Poeten, als da sind Komödianten, Blinde und Küster: so ordnen wir, daß es einige dieser Kunst Beflißne geben könne, mit dem Beding, daß sie von den Oberältesten der Poeten, die in ihrem Bezirk sind, einen Examinationsschein haben, indem wir die Poeten der Komödianten dahin einschränken, daß sie die Zwischenspiele weder mit Stockschlägen, noch mit Teufeln, und die Komödien nicht mit Heiraten endigen: und die der Blinden, daß sie die Begebenheiten nicht in Tetuan vorfallen lassen, Tetuan, eine angesehne Handelsstadt in Afrika, wo viele Juden wohnen. und die Worte zu dieser Frist und Sterneleingefunkel Landes verweisen; auch befehlen wir ihnen, daß sie statt Zorn nicht sagen Zoren; denen der Küster aber, daß sie keine Festlieder mehr mit Gil und Pasqual machen Zwei komische Personen, die man an großen Festtagen in den Kirchen sieht, und die durch ihre Gebärden und Possen die Freude ausdrücken, die diese Feste mit sich bringen., daß sie nicht mit den Worten spielen, noch die Gedanken auf Schrauben stellen, so daß sie, mit veränderten Namen, auf jedes Fest passen. Und endlich gebieten wir allen Poeten insgemein, sich vom Jupiter, von der Venus, dem Apollo und andern Göttern loszumachen, bei Strafe, daß sie sie zu Vorbittern haben sollen in der Todesstunde.«

Allen, die die Verordnung hörten, schien sie so gut, als sich nur sagen läßt, und alle baten mich um eine Abschrift; nur das Küsterlein fing an zu schwören beim Leben der feierlichen Vesper, des Introibo und Kyrie, daß es eine Satire auf ihn wäre, wegen des, was sie von den Blinden sage, und er wisse besser, was er zu tun hätte, als irgend einer. Zuletzt sagte er: »Ich bin ein Mann, der mit Liñan in einem Wirtshause gewohnt, und mehr als zweimal mit Espinel gespeist hat.« Auch habe er, fuhr er fort, in Madrid so nahe bei Lope de Vega gestanden, als er bei mir stehe, und den Don Alonso de Ercilla habe er tausendmal gesehn und besitze auch in seinem Hause ein Bild des göttlichen Figueroa; ja er habe die Hosen gekauft, die Padilla Alles Namen berühmter spanischer Dichter und Gelehrten. abgelegt hatte, als er Mönch wurde, und trage sie noch bis auf den heutigen Tag, obwohl in schlechtem Zustand. – Er zeigte sie und dies gab allen so viel zu lachen, daß sie das Wirtshaus gar nicht verlassen wollten.

Indes war es schon zwei Uhr, und da die Abreise drängte, verließen wir Madrid. Ich nahm Abschied von ihm, wiewohl es mir leid tat, und begann meinen Weg nach dem Bergpasse. Gott wollte, daß ich, um nicht auf Böses zu sinnen, auf einen Soldaten stieß. Wir knüpften sogleich ein Gespräch an, und er fragte mich, ob ich vom Hof käme? Ich sagte, nur im Vorbeigehen sei ich daselbst gewesen.

»Mehr muß man auch nicht,« erwiderte er alsbald; »denn er ist ein Aufenthalt für schlechtes Volk. Lieber will ich, bei meiner armen Seele! in einer Belagerung im Schnee stehen bis an den Gürtel, zu einem Sonnenzeiger gemacht, und Holz fressen, als die Beleidigungen erdulden, die man daselbst einem Mann von Ehre zufügt.«

Darauf entgegnete ich ihm, er möchte doch erwägen, daß am Hof alle Arten von Leuten zu finden wären und daß man jeden Mann von Verdienst daselbst schätze.

»Schätzen?« sagte er sehr aufgebracht; »wo ich mich sechs Monate lang um eine Fähnrichstelle beworben habe, nach zwanzig Dienstjahren, und mein Blut im Dienste des Königs verloren habe, wie diese Wunden es bezeugen?« – Er wies mir eine handbreite Schnittwunde am Unterleib, die so gewiß von einer Leistenbeule war, als die Sonne scheint; zugleich zeigte er mir an den Fersen zwei andre Narben und sagte, sie wären von Kugeln. Ich schloß aus zwei ähnlichen, die ich habe, daß es Frostbeulen gewesen waren. Er nahm den Hut ab und zeigte mir sein Gesicht: es war durch sechzehn Heftstiche ausgebessert, denn so viele enthielt ein Hieb, der ihm die Nase teilte. Es hatte auch noch drei andre Schmarren, die es zur Landkarte machten, durch lauter Linien.

»Diese,« sagte er, »gaben sie mir in Paris, im Dienste Gottes und des Königs, für den ich mein Antlitz zerfetzt sehe; und nichts habe ich erhalten als gute Worte, die heutzutage die Stelle böser Werke ersetzen. Lesen Sie, Herr Lizentiat, beim Element! diese Papiere; denn es ist, bei Gott! noch kein so ausgezeichneter Mensch zu Feld gezogen, so wahr Gott lebt!«

Und er sprach Wahrheit; denn er war ausgezeichnet durch lauter Hiebe. Er zog jetzt eine blecherne Büchse hervor und zeigte mir Papiere, die einem andern gehören mochten, dessen Namen er angenommen hatte. Ich las sie und sagte tausend Dinge zu seinem Lobe: daß weder der Cid, Mit dem Namen Cid (auf arabisch Herr) bezeichnen die Spanier gewöhnlich den Rodrigo Diaz de Vivar, einen der größten spanischen Helden des elften Jahrhunderts, der den Mauren die Stadt Valencia nahm und fünf ihrer kleinen Könige, die er zu Kriegsgefangnen machte, zwang, ihm einen jährlichen Tribut als Lösegeld zu zahlen. noch Bernardo Bernardo del Carpio ebenfalls ein Held. Ihm wird größtenteils die Niederlage, die Karl der Große im Jahre 778 bei Roncesvalles (so spanisch, französ.: Roncevaux) erlitt, zugeschrieben; andre erklären seine Geschichte für eine Fabel. das getan hätten, was er ausgeführt habe. Er sprang dabei auf und rief: »Das was ich ausgeführt habe? So war Gott lebt! weder Garcia de Paredes, Julian Romero, Zwei berühmte spanische Kriegshelden. noch andre brave Männer haben so Großartiges vollbracht wie ich. Hols der Teufel, wenn es damals Artillerie gegeben hätte! Ich schwöre zu Gott! Bernardo hätte nicht eine Stunde ausgehalten in jetziger Zeit! Fragen Euer Edeln nur in Flandern nach den Taten des Zahnlück, und Sie werden sehn, was man Ihnen sagt.«

»Sind das Euer Edeln vielleicht selbst?« fragte ich ihn. – Und er antwortete mir: »Nun wer anders? Sehn Sie denn nicht die Lücke, die ich in den Zähnen hab? Aber lassen wir dies; denn es steht einem Mann schlecht an, sich selbst zu loben.«

Unter diesen Gesprächen zogen wir weiter und begegneten einem auf einem Esel reitenden Eremiten, mit einem so langen Bart, daß er damit den Kot wegfegte; er war hager und in graues Tuch gekleidet. Wir begrüßten ihn mit dem gewöhnlichen Deo Gratias, und er fing an die Saat zu loben und in ihr die Barmherzigkeit des Herrn. Der Soldat sprang auf und rief: »Ach Pater, dichter habe ich die Piken über mir gesehn; und straf mich Gott! wenn ich bei der Plünderung von Antwerpen nicht getan habe, was ich konnte! Ja, ich schwör es bei Gott! – Der Eremit verwies es ihm, daß er so oft schwöre. Der Soldat antwortete: »Wohl kann man sehn, Pater, daß Ihr kein Soldat gewesen seid, weil Ihr mir mein eignes Handwerk tadelt.« – Es machte mich sehr lachen, zu sehn, worein er das Wesen des Soldaten setzte; und ich wurde gewiß, daß er irgend ein Gauner war; denn es gibt keine Gewohnheit, die von achtungswerten und verdienstvollen Soldaten, wo nicht von allen, so sehr verabscheut würde.

Wir kamen an den Eingang des Passes. Der Eremit betete den Rosenkranz an einem Fuder Holz, das zu hölzernen Kugeln verarbeitet war, die bei jedem Ave Maria wie Billardkugeln klangen, und der Soldat verglich im Gehn die Felsen mit Schlössern, die er gesehn hatte, indem er bemerkte, welcher Ort fest wäre und wo man das Geschütz aufpflanzen müßte. Ich betrachtete sie beide, und fürchtete ebensosehr den Rosenkranz des Eremiten mit seinen ungeheuren Kugeln wie die Lügen des Soldaten. – »O! wie wollte ich mit Pulver einen großen Teil dieses Passes sprengen,« sagte er; »und ich würde den Reisenden einen guten Dienst erweisen!«

Unter diesen und andern Gesprächen kamen wir nach Cerecedilla. Wir traten alle drei zusammen im Wirtshaus ab, als es schon Nacht wurde. Es war grade ein Festtag, und wir ließen das Abendessen zubereiten. Der Eremit sagte: »Machen wir uns indes etwas zu schaffen; denn Müßiggang ist aller Laster Anfang. Spielen wir Ave Marias;« – und ließ ein Spiel Karten einzeln aus dem Ärmel fallen. Ich mußte laut lachen, als ich dies sah, und zugleich die Rosenkranzkörner betrachtete. Der Soldat sagte: »Nein! aber laßt uns lieber freundschaftlich auf hundert Reale spielen, die ich bei mir habe.« – Geldgierig, sagte ich, daß ich um ebensoviel spielen wolle, und der Eremit, um das Spiel nicht zu verderben, nahm es an und sagte, er habe hier das Lampenöl Almosen zur Unterhaltung der Lampen in den Kirchen und Kapellen. bei sich, und es wären an zweihundert Realen. Ich gesteh es, ich hoffte seine Eule zu sein und es ihm auszusaufen; aber so mögen dem Türken alle seine Pläne gelingen! Es wurde Lanzknecht gespielt, und das beste war, daß er sagte, er kenne das Spiel nicht, und bat, wir möchten es ihm lehren. Der heilige Mann ließ uns zwei Spiele gewinnen und setzte uns dann so zu, daß er uns kahl am Tische ließ. Er beerbte uns bei Lebzeiten, und der Spitzbube strich alles ein mit den Ballen der Hand, daß es eine Schande war. Er verlor ein simples und gewann dafür zwölf verruchte Spiele. Der Soldat stieß bei jedem Abzug ein Dutzend Gottverdammmich aus, und ebensoviele Elemente, mit schweren Nöten gefüttert. Ich nagte mir die Nägel ab, während der Mönch die seinigen in meinem Geld beschäftigte. Er ließ keinen Heiligen, den er nicht anrief. So rupfte er uns vollends. Wir wollten mit ihm auf Pfänder spielen, aber er, nachdem er mir sechshundert Realen, alles was ich bei mir trug, abgenommen hatte und dem Soldaten die hundert, sagte, es sei nur zum Zeitvertreib, und wir wären ja seine Nächsten; Andeutung auf ein Sprichwort, das heißt: Der Spieler hat keinen Nächsten. von etwas anderm sei nicht die Rede. »Schwört nicht,« sagte er; »denn mir ist es gelungen, weil ich mich Gott empfahl.« – Und da wir die Geschicklichkeit, die er von den Fingern zum Handgelenk besaß, nicht kannten, glaubten wir es, und der Soldat schwor, nie mehr zu spielen, und ich ebenfalls. »Schwerenot!« rief der arme Fähnrich (denn jetzt sagte er mir, daß er es wäre), »unter Lutheranern und Mauren habe ich mich befunden, aber eine solche Plünderung habe ich nicht erlitten.«

Jener lachte zu diesem allen, zog seinen Rosenkranz wieder hervor, um zu beten, und ich, der ich nun keine Blanke mehr hatte, bat ihn, mir eine Abendmahlzeit zu geben und für uns beide bis nach Segovia die Zehrung zu bezahlen, weil wir in puribus waren. Er versprach es zu tun, und man setzte ein Schock Eier für uns auf. So etwas sah ich in meinem Leben nicht. Er sagte sodann, er wolle nun schlafen gehn. Wir schliefen alle in einem Saal, nebst andern Leuten, die sich daselbst befanden, weil die Zimmer von andern schon besetzt waren. Ich legte mich nieder mit großer Traurigkeit, und der Soldat rief den Wirt und gab ihm seine Papiere mit der blechernen Büchse, die sie enthielt, und ein Bündel alter Hemden in Verwahrung. Wir legten uns nieder; der Pater bekreuzte sich, und wir bekreuzten uns über ihn. Er schlief ein, aber ich blieb wach, sinnend, wie ihm das Geld wieder abzunehmen sei. Der Soldat sprach im Schlafe von den hundert Realen, als ob sie nicht rettungslos verloren gewesen wären.

Es kam die Stunde zum Aufstehn. Der Eremit verlangte sehr eilig Licht, man brachte es, und der Wirt überreichte dem Soldaten das Bündel, hatte aber die Papiere vergessen. Der arme Fähnrich erschütterte das Haus durch Schrein und flehte, man möchte ihm seine Dekrete geben. Der Wirt wurde verlegen, und da wir alle riefen, daß er sie ihm doch geben möchte, lief er fort und brachte drei Nachtgeschirre mit den Worten: »Hier ist für jeden ein besondres; wollen Sie noch mehr Sekrete?« – denn er meinte, wir alle hätten den Durchlauf. Jetzt sprang der Soldat im Hemd mit dem Degen hinter dem Wirt her und schrie, er werde ihn umbringen, weil er Spott treibe mit ihm, der doch im Seetreffen bei St. Quentin und bei andern gewesen sei, indem er ihm Sekrete brächte statt der Papiere, die er ihm übergeben habe. Wir alle liefen hinter ihm her, ihn zurückzuhalten, aber wir konnten es nicht. Der Wirt rief: »Señor, Euer Gnaden verlangten Sekrete; ich bin nicht verbunden zu wissen, daß in der Soldatensprache die Bescheinigungen der Kriegstaten so heißen.«

Wir beruhigten sie und kehrten in das Zimmer zurück. Der argwöhnische Eremit blieb im Bett und sagte, der Schrecken habe ihm Schaden getan. Er bezahlte für uns, und wir reisten aus dem Ort, dem Passe zu, ärgerlich über das Benehmen des Eremiten, und weil wir sahen, daß wir ihm das Geld nicht hatten abnehmen können.

Wir stießen auf einen Genueser (ich meine einen von jenen antichristlichen Münzkippern), der den Paß hinaufzog, mit einem Pagen hinter sich, der ihm einen Sonnenschirm nachtrug, recht nach reicher Leute Art. Wir fingen ein Gespräch mit ihm an, und alles leitete er auf die Materie vom Geld; denn es sind Leute, die von Natur für den Beutel geboren sind. Er erwähnte im Gespräche Bisanzon, und ob es gut sei oder nicht, Geld auf Bisanzon zu geben, so daß wir, der Soldat und ich, ihn fragten, wer denn dieser Kavalier sei? Worauf er lächelnd antwortete: »Es ist eine Stadt in Italien, wo die Geschäftsleute zusammenkommen, die wir hierzulande Federschelme nennen, um den Kurs zu bestimmen, den das Geld haben soll.« – Daraus entnahmen wir, daß man in Bisanzon den Nägelmusikern den Takt angibt.

Er unterhielt uns unterwegs, indem er erzählte, daß er zugrund gerichtet wäre, weil ein Wechselhaus gefallen sei, das ihm mehr als sechzigtausend Taler schulde; und alles beschwor er bei seinem Gewissen, wiewohl ich glaube, daß es mit dem Gewissen der Kaufleute wie mit der Jungfernschaft einer Hure steht, die verkauft wird, ohne daß sie vorhanden ist. Keiner unter allen dieses Gewerbes hat ein Gewissen; denn da sie gehört haben, daß es beißt, waren sie bedacht, sich gleich bei der Geburt mit der Nabelschnur davon loszumachen.

Unter diesen Gesprächen erblickten wir die Mauern von Segovia, und meine Augen erheiterten sich, trotz des Andenkens, das mit den Unfällen beim Ziege meiner Freude widersprach. Ich kam an die Stadt heran, und am Tor erblickte ich meinen Vater am Wege harrend. Ich wurde gerührt und ging hinein, etwas verändert als ich auswanderte, mit einem Ansatz von Bart und gut gekleidet. Ich verließ die Gesellschaft und überlegte, wer wohl außer dem Galgen meinen Oheim am besten kennen möchte im Ort, fand aber niemand, der mir dazu passend schien. Ich machte mich an viele Leute, um nach Alonso Ramplon zu fragen, aber niemand gab mir Auskunft, und alle sagten, sie kennten ihn nicht. Ich freute mich sehr, so viele ehrliche Leute in meiner Vaterstadt zu finden. Damit beschäftigt, hörte ich den Vorläufer der Peitsche Ein Ausrufer, der vor dem Verbrecher, der zur Strafe geführt wird, hergeht und das Urteil kundtut. aus voller Kraft schrein und meinen Oheim zugleich das seinige tun. Es kam eine Prozession Nackter, alle mit entblößten Köpfen, vor meinem Oheim her, der ganz gegen ihren Willen, mit einer Peitsche in der Hand, einen Gassenhauer spielte auf den Rücken von fünf Lauten, die nur statt der Saiten mit Stricken bezogen waren. Indem ich dies mit ansah mit einem Mann, bei dem ich mich, als er danach fragte, für einen vornehmen Kavalier ausgegeben hatte, erblickte ich meinen guten Oheim, der, als er näher kam und die Augen auf mich warf, auf mich zulief, mich zu umarmen, und mich Neffe nannte. Ich meinte zu sterben vor Scham, und drehte mich nicht um, um von jenem, bei dem ich stand, Abschied zu nehmen. Ich ging mit fort, und er sagte zu mir: »Du kannst nur mitziehn, indes ich diese Leute abfertige; denn schon sind wir auf dem Rückweg, und du wirst heute bei mir essen.«

Da ich ritt, und in dieser Reihe nicht viel weniger als ein Gestäupter ausgesehn habe würde, so sagte ich, ich wolle ihn hier erwarten. Und so entfernte ich mich, so beschämt, daß, wenn nicht die Erhebung meines Vermögens von ihm abgehangen hätte, ich ihn in meinem Leben nicht wieder gesprochen haben, noch je unter Menschen erschienen sein würde. Er fegte jenen die Schultern vollends ab, kehrte zurück und führte mich in seine Behausung, wo ich abstieg, und wo wir sodann aßen.


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