Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

c. Iason und Medea.

Die beiden Hauptpersonen der Sage, beide offenbar von allgemeinerer religiöser und symbolischer Bedeutung.

Iason gehört vorzüglich zur thessalischen Sage von Iolkos, doch war auch die Sage von seinen Nachkommen auf Lemnos eine sehr alte (Il. 7, 468; 23, 747). Seinem Namen nachἸάσων von ἰάομαι, Schol. Apollon. 1, 554 ὅϑεν καὶ Ἰάσων ἐκλήϑη παρὰ τὴν ἴασιν, vgl. die Heilgöttin Ἰασὼ neben der Πανάκεια und Ὑγεία b. Arist. Pl. 701, Paus. 1, 34, 2. ist er der Helfer, der Heilbringer, der das goldne Vließ, das Palladium der Wohlfahrt des Landes, aus dem fernen Morgenlande holt und dem von dort die leidenschaftliche und alles Zaubers kundige Medea folgt, welche sicher ein Bild des Mondes ist. Iason dagegen scheint eine dem Asklepios und Aristaeos verwandte Gestalt zu sein, daher er seine Jugend auf dem kühlen Pelion und in der Pflege des Chiron zubringt, ein Dämon des lichten Frühlings mit seiner milden Sonne und seinen befruchtenden Regengüssen, aber auch der Sühnung und Befreiung des Landes von der auf ihm ruhenden Schuld, der als solcher das Vließ wiederbringt, welches durch Phrixos nach Aea entführt worden war. Auch dieser ist mit einer Tochter des Aeetes vermählt, die unter verschiedenen Namen (gewöhnlich heißt sie Χαλκιόπη) nur den Mond bedeuten kann; wobei zu bedenken ist daß man wie der ganzen Natur, so auch dem Vollmonde des Frühlings von jeher eine besondere Bedeutung beigelegt hat. Auch Medea d. h. die an Mitteln und Anschlägen reiche, die weise Frau, daher Tochter der Ἰδυῖα d. h. der WissendenHesiod th. 960. Μήδεια, bei den Alexandrinern auch Μήδη, von μήδομαι d. i. βουλεύεσϑαι, μηχανήσασϑαι im guten und bösen Sinne, vgl. μῆδος μήδεα Il. 3, 202; 16, 120; 24, 88. 674 u. A., scheint der Sage von Iolkos bekannt gewesen zu sein, wo sie vielleicht in dem 319 Hekatedienste von Pherae, der Stadt des Admet, eine Stütze fand. Aber vorzüglich wissen wir von ihr aus der korinthischen Sage, wo sie für eine einheimische Heroine d. h. für die Tochter des einheimischen Königs Aeetes, des Sohnes des Helios und der Antiope galt, welcher mit seiner Tochter von Korinth nach Aea Kolchis ausgewandert sei. Sie ist durchaus griechische Mondgöttin und ihr Kommen von Morgen nach Griechenland nur das gewöhnliche Spiel des mythischen Bildes, wie umgekehrt Io und Helena sich aus ihrer Heimath in den Orient entfernen. Ihr wesentlicher Charakter ist der der leidenschaftlichen Liebe, wodurch sie zur Verherrlichung der Aphrodite dient, wie denn mehr als ein Bild dieser Leidenschaft in der griechischen Dichtung in seiner ersten Bedeutung eine Allegorie des Mondes ist. Ferner eignet ihr die Kunde aller verborgenen Kraft der Kräuter und Zauberei, worin ihr jene Tochter des Augeias in Elis und die ihr nahe verwandte Kirke auf dem westlichen Aea gleichen (1, 339), nur daß die griechische Sage und namentlich die Poesie der attischen Bühne auf kein Bild der Zauberei so viel Kunst und grelle Farben der Schilderung verwendet hat als auf MedeaSie ist die φαρμακὶς schlechthin, eine andre Ἀγαμήδη, ἣ τόσα φάρμακα ᾔδη ὅσα τρέφει εὐρεῖα χϑών Il. 11, 741 vgl. Theokr. 2, 15 φάρμακα ταῦτ' ἔρδοισα χερείονα μήτε τι Κίρκας μήτε τι Μηδείας μήτε ξανϑᾶς Περιμήδας (d. i. Ἀγαμήδη). Vgl. die Schilderung b. Ovid M. 7, 179 ff. u. Welcker kl. Schr. 3, 20 ff. Auf Bildwerken wird sie charakterisirt durch das Kästchen mit Zaubermitteln.. Ohne Zweifel gehörte sie ursprünglich zur mythischen Vorstellung von Aea und erst durch die Identification von diesem mit Kolchis ist sie auf das letztere übergegangen. In Korinth galt sie für unsterblich und für eine Wohlthäterin der Stadt, welche sie von einer Hungersnoth befreit habe, oder für eine alte Königin der Stadt, wie dieses namentlich Eumelos in seinen korinthischen Geschichten und Simonides ausgeführt hatten. Auch erzählte man daß Zeus sie geliebt, Medea aber diese Liebe aus Ehrfurcht vor der Hera verschmäht habe, weshalb sie der Hera ἀκραία auf der Burg von Korinth so theuer geworden sei daß Medea ihre Kinder vom Iason, sieben Knaben und sieben Mädchen, im Heiligthume dieser Göttin begraben durfte, wo Hera ihnen Unsterblichkeit verlieh und die Korinthier sie durch jährliche Sühnungsgebräuche verehrtenPaus. 2, 3, 6–8, Schol. Pind. Ol. 13, 74, Schol. Eurip. Medea 10. 20. 276. 1369, Philostr. Her. p. 325 K., Eumelos b. Markscheffel p. 397 sqq. Auch Euripides Medea 1378 ff. spielt auf diese Gebräuche an. Doch wußte die gewöhnliche Ueberlieferung nur von zwei Kindern der Medea.. Die Verbindung der Medea mit dem 320 Iason und daß sie ihm nach Griechenland folgt und Kinder von ihm gebiert, dieses gehört zu den elementaren Grundzügen der Sage, die sich bei der weiteren Ausführung und Verbreitung derselben aber auch sehr veränderten. Nach der ältesten Sage blieben Iason und Medea in Iolkos, wo sie von ihm den Medeios (Μήδειος) gebar, der wieder vom Chiron auf dem Pelion erzogen wurde, also gleich dem Vater und der Mutter ein Dämon der sinnigen Klugheit und Heilung istHesiod th. 997–1002, Kinaethon b. Paus. 2, 3, 7. Simonides hielt es für nöthig dieser ältesten Sage zu widersprechen b. Schol. Eur. Med. 20 vom Iason: ὁ δ' ἵκετ' εἰς Κόρινϑον οὐδὲ Μαγνησίαν ναῖεν, ἀλόχου δὲ Κολχίδος σύνϑρονος ἄστεος Λεχαίου τ' ἄνασσεν.. Später wurde ihre Vermählung mit Iason gewöhnlich nach dem von Korinth colonisirten Kerkyra, der dauernde Aufenthalt von beiden nach Korinth verlegt, bis Iason ihr untreu wird und ihre Kinder den Tod fanden, nach der gewöhnlichen korinthischen Ortssage nicht durch sie selbst, sondern durch die KorinthierOffenbar wollte man dadurch jene Sühnungsgebräuche im Culte der Hera motiviren.. Darauf begiebt sich Medea zum Aegeus nach Athen, von dem sie nun den Medos gebiert, der in der späteren ethnographischen Sage zum Herrscher im Morgenlande d. h. zum Könige der Meder ward. Oder sie kehrt zurück zu ihrem Vater Aeetes nach Aea, oder sie wird in Elysion die Gattin des Achill, des herrlichsten aller HeroenApollon. 4, 811 ff., Apollod. 1, 9, 28. Von Aegeus s. oben S. 291. Wahrscheinlich eigentlich der Aegaeische Poseidon und erst später auf den attischen König übertragen., wie nach anderen Sagen Helena. Lauter Andeutungen von einer weitverbreiteten Anwendung dieses alten mythologischen Bildes, das erst durch die gewöhnliche Argonautensage eine so viel enger begrenzte Bedeutung bekommen hat.


 << zurück weiter >>