Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

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c. Herakles und Apollo.

Sehr eigenthümlich und folgenreich ist ferner das Verhältniß zwischen Herakles und Apollo und zwar sind wir auch hier vorzüglich durch antike Bildwerke unterrichtet. Schon aus Pausanias wußte man von der Darstellung eines Kampfes zwischen Apollo und Herakles um den pythischen Dreifuß, der zu Delphi in einer größeren Statuengruppe ausgeführt war, und auch die Dichter haben demselben Schriftsteller zufolge einst von diesem Kampfe gesungenPaus. 10, 13, 4 παραδεξάμενοι δὲ οἱ ποιηταὶ τὸν λόγον μάχην Ἡρακλέος πρὸς Ἀπόλλωνα περὶ τρίποδος ᾄδουσιν. Ueber die Veranlassung jener Gruppe Herod. 8, 27, Paus. 10, 1, 4, Müller Handb. § 89, 3.. Neuerdings sind als Belege dazu 163 viele alterthümliche Reliefs desselben Inhalts, die auf ein anathematisches Vorbild zurückweisen, und eine große Anzahl von älteren und jüngeren Vasenbildern derselben Darstellung bekannt gewordenZoega Bassiril. t. 66, Passow verm. Schr. 237 ff., Welcker A. D. 2, 298 ff.; 3, 268 ff., E. Curtius Herakles der Satyr u. Dreifußräuber, B. 1852. Der Dreifußraub zwischen den Symbolen des pythischen Apollo- und Dionysosdienstes auf der Dresdner Dreifußbasis b. Gerhard D. u. F. 1858 t. 111 vgl. t. 117., so daß diese Thatsache jedenfalls eine sehr bedeutsame gewesen sein muß. Immer ist Herakles im Begriff den Dreifuß davonzutragen, Apollo ihn daran zu hindern, worüber ein Kampf zwischen beiden entbrennt, bei welchem andere Götter vermittelnd einschreiten. Darauf versöhnen sich der Gott und der Heros, ja sie sind seitdem die innigsten Freunde und Verbündete geworden, gerade wie Apollo und Hermes nach dem Streite um die Heerden Apollons und um die Leier (Bd. 1, 301), welcher Vorgang überhaupt mit jenem die größte Aehnlichkeit hat. Beide scheinen nehmlich in der That nur darum erdichtet zu sein, um nach Art der mythologischen Motivirung durch den Streit dessen Ausgang und Resultat d. h. die innige Verbrüderung des lichten Gottes und des lichten Helden um so nachdrücklicher hervorzuheben. Denn Herakles ist als solcher nicht blos Diener und Verherrlicher der argivischen Hera, sondern auch des pythischen Apollo, und der Dreifuß, das Symbol des pythischen Apollo, ist bei diesen Ueberlieferungen nicht blos der mantische, in welchem Sinne die Alten jenen Streit erklären, sondern das Symbol des pythischen Dienstes überhaupt in dem ganzen Umfange seiner Stiftungen, Eroberungen und Sühnungen, wie Herakles denn von der Sage als Diener und Gehülfe des Gottes in allen diesen Beziehungen geschildert wird. Schon als Knabe war er nach thebanischer Sage ein Daphnephor des ismenischen Apollo seiner Vaterstadt, wofür der Vater nach herkömmlicher Sitte in dessen Tempel einen Dreifuß weihetePaus. 9, 10, 4 vgl. Pindar P. 11, 5 Schol.. Dann erscheint Herakles in manchen örtlichen Legenden als Verbreiter des pythischen Gottesdienstes, indem selbst von seinem Wegtragen des Dreifußes und von dem Streite mit Apollo nicht selten in diesem Sinne berichtet wirdVgl. besonders die Sage von Pheneos, wo H. für den Gründer des Pythion galt, Paus. 8, 15, 2, Plut. d. s. n. v. 12 und die von Gytheion Paus. 3, 21 7 und von Ambrakia Antonin. Lib. 4. Auch die Legende von Tripodiskos zeugt für diese weitere Bedeutung des pythischen Dreifußes, P. 1, 43, 7, desgleichen die Dreifüße auf den Münzen so vieler Städte, z. B. Krotons, wo Herakles auch für den Gründer galt. Scheint es doch in älterer Zeit allgemein herkömmlich gewesen zu sein, bei solchen unter der Hoheit des pythischen Apollo unternommenen Ansiedelungen einen geweihten Dreifuß von Delphi mitzunehmen, Zenob. 5, 48.. Ferner ist Herakles in verschiedenen hellenischen, 164 namentlich auch den dorischen Stammsagen offenbar der heroische Vorkämpfer des Apollinischen Dienstes zu Delphi, in welchem Sinne er z. B. den Kyknos erlegt, die Dryoper unterjocht und die thessalischen Lapithen züchtigt, den Gottesfrieden auf der heiligen Straße nach Norden schützt und überhaupt in jedem Sinne ein Held der pythischen Amphiktyonie ist. Endlich ist Herakles aber auch eben so deutlich ein Bild und Diener des pythischen Sühnungswesens, worüber sich sein eigener Charakter im Laufe der Zeit nicht wenig verändert hat. Herrscht nehmlich in den älteren Dichtungen durchaus das Ideal des unter allen Gefahren ausdauernden und löwenmuthigen Heroen vor, so ist er mit der Zeit mehr und mehr zum Σωτὴρ und Ἀλεξίκακος geworden, der durch seine Thaten Götter und Menschen von allem Unheil befreit und der allgemeine Erretter und Heiland ist: eine Auffassung welche der des Apollinischen Lichtdienstes nahe verwandt ist. Schon die Hesiodische Dichtung kennt ihn von dieser Seite und seine Bedeutung in der Sage vom Prometheus und in der Gigantomachie ist im Wesentlichen dieselbe. In anderen Fabeln tritt noch die höchst merkwürdige, aber der pythischen Religion durchaus entsprechende Auffassung hinzu daß Herakles, welcher als sehr leidenschaftlich und von Zeit zu Zeit Geistesstörungen unterworfen gedacht wurde, erst selbst zum Verbrecher wird und als solcher das pythische Orakel und die pythische Sühnungsstätte aufsucht, welche ihm dann bestimmte Werke der Buße auflegt, damit er durch diese wieder zur Reinheit und zur Versöhnung gelange: wodurch selbst die Bedeutung seiner Dienstbarkeit beim Eurystheus mit der Zeit eine ganz andere geworden ist. Die spätere Ueberlieferung pflegt namentlich zwei Thaten des Herakles als solche Verbrechen hervorzuheben und danach sogar die ganze Geschichte des Helden in zwei Hauptabschnitte zu zerlegen. Zuerst den Mord seiner Kinder von der thebanischen Megara, bei welchem unverkennbar ein älterer Naturmythos zu Grunde liegt und zu dessen Sühnung ihm nach der gewöhnlichen Sage von Apoll der Dienst beim Eurystheus aufgelegt wurde, dessen Dauer nun auch nach Maaßgabe der pythischen Sühnungsgebräuche auf eine Ennaeteris bestimmt wurdeApollodor 2, 4, 12 spricht von zwölf Jahren, nehmlich mit Beziehung auf die zwölf Arbeiten. Aber 2, 5, 11 heißt es ausdrücklich: τελεσϑέντων δὲ τῶν ἄϑλων ἐνὶ μηνὶ καὶ ἔτεσιν ὀκτώ, vgl. Eustath. p. 717, 58.. Zweitens den 165 Mord seines ihm arglos vertrauenden Gastfreundes Iphitos, dessen schon die Odyssee 21, 22 ff. mit starker Mißbilligung erwähnt und um dessentwillen ihm nach späterer Sage vom pythischen Apoll der Dienst bei der lydischen Omphale auferlegt wurde. Und bei dieser Gelegenheit bringt die gewöhnliche Tradition nun auch jenen merkwürdigen Kampf um den Dreifuß zur Sprache, indem sie denselben durch den zuletzt erwähnten Vorgang motivirtApollod. 2, 6, 2, Paus. 10, 13, 4, Plut. de Εἰ ap. Delph. 6, welcher diese Gewaltthat des Herakles mit seiner damaligen Jugend entschuldigt.. In Folge seines Verbrechens an schwerer Krankheit leidend habe Herakles Auskunft und Hülfe von der Pythia gefordert, diese aber sich dessen mit Abscheu geweigert. Darauf bricht Herakles mit GewaltWie nach der bekannten Erzählung, also nach dem Vorgange seines Ahnen, Alexander d. Gr., Plut. Alex. 14, Ps. Kallisth. 1, 45, wo Alexander sagt: εἰ μὴ βούλει μαντεύσασϑαι, βαστάξω κἀγὼ τὸν τρίποδα ὥσπερ ὁ Ἡρακλῆς ἐβάσταξε τὸν φοιβόλαλον τρίποδα, die Scene aber nicht in Delphi spielt, sondern in Tegyra, wie es scheint, vgl. über das dortige Orakel Plut. Pelop. 16 u. Bd. 1, 218, [612]. Dieselbe Parallele scheint dem Künstler Euthykrates vorgeschwebt zu haben, Plin. 34, 66 optime expressit Herculem Delphis et Alexandrum. in den Tempel, reißt den heiligen Dreifuß des Orakels von seinem Postamente und trägt ihn fort um damit anderswo ein Orakel zu seinem Gebrauch zu stiften. Dawider erhebt sich Apollo kämpfend und es wäre zum ernsten Streit gekommen, wenn Zeus nicht einen Blitz zwischen seine Söhne geschleudert hätte. Endlich erhält Herakles den Spruch daß er zur Sühne seines Verbrechens dienstbar werden müsse und fügt sich der auferlegten Buße willig, so daß er also während derselben im Sinne der pythischen Sühnungsgebräuche ein Geweihter und Hierodul des Apollo war, so gut wie Orestes und andre Büßende.


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