Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

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f. Perseus.

Auch diese Fabel beruht auf alten Märchen von der Natur der Dinge, welche ins Wirkliche hinabgezogen sich dann auch geographisch immer weiter ausgebreitet haben. Der Kern ist der Mythos vom Perseus dem Sieger über die schreckliche Gorgo, seine Anfänge werden in dem Kreise der argivischen Dienste des Zeus und der Athena zu suchen seinNach der Sage von Nemea stiftete Perseus den Dienst des Zeus Apesantios auf der Höhe Apesas, welche auch in der Sage vom nemeischen Löwen bedeutsam hervortritt, vgl. Bd. 1, 98, [213]. Ohne Zweifel wußte die Sage von Myken noch viel mehr vom Perseus zu erzählen.. Den Namen kennen wir aus der Theogonie als den eines Titanen, welcher Bruder des Astraeos und Pallas und von der Asteria Vater der Hekate, also eine Personification himmlischer Lichterscheinungen istBei Hesiod heißt er Πέρσης, bei Andern Περσεύς oder Περσαῖος. Man hat den Namen bald von περάω abgeleitet bald von πρήϑω d. i. πίμπρημι mit dem Aor. ἔπρεσε für ἔπρησε b. Hesiod th. 856, vgl. Schoemann op. 2, 232. 243 und Bd. 1, 40., 59 wie denn auch die Okeanine Perse oder Perseis, die Gemahlin des Helios und Mutter der Kirke und des Aeetes, des Königs auf dem Sonneneilande Aea (1, 338, [1014]), auf eine ähnliche Vorstellung führt. Der argivische Perseus aber wird noch bestimmter durch die Sage selbst als Sonnenheros und eine jener lichten Gestalten charakterisirt, welche die Heldensage aller Völker viel beschäftigt haben; in der griechischen sind Bellerophon und Herakles seine nächsten Verwandten. Ausgerüstet von gütigen Göttern und unter ihrem Geleite eilt er freudig seine Bahn über das große Weltmeer in den nächtlichen Untergang, um von dort als Sieger über die Gorgo zurückzukehren, diesen Inbegriff alles Grauens und aller Schrecknisse der Nacht und des Todes. Mit dem abgeschlagenen Haupte des Ungeheuers kehrt er zurück und durch ihn ist es ein Schmuck an der Brust der Pallas geworden (1, 152). Vorher aber übt es in seinen eignen Händen jene versteinernde Wirkung, welche die Sage immer geflissentlich hervorhebt und bei fortgesetzter Ueberarbeitung sogar zur Hauptsache macht. Dieses und der andere Umstand, daß sich auch hier verwandte Ueberlieferungen des Orients mit den griechischen verschmolzen, hat einen wesentlichen Einfluß auf die späteren Erzählungen ausgeübt.

Eine jüngere Stelle der Ilias kennt die Liebe des Zeus zur schönen Danae, der Tochter des Akrisios, und den vielberühmten Perseus als deren FruchtIl. 14, 319 οὐδ' ὅτε περ Δανάης καλλισφύρου Ἀκρισιάνης, ἣ τέκε Περσῆα πάντων ἀριδείκετον ἀνδρῶν., da Homer sonst nur die Gorgo und ihre schrecklichen Blicke und ihr Haupt an der Aegis des Zeus und der Athena oder am Schilde seiner Helden und in den Händen der Persephone, der furchtbaren Königin der Unterwelt kenntIl. 5, 740 ff.; 8, 349; 11, 36; Od. 11, 634.. Bei Hesiod th. 270 ff. und sc. Herc. 216 ff. liegt der Mythos von Perseus, dem Sieger über die Gorgo, ziemlich vollständig vor, auch finden sich hier zuerst die Graeen und die Gorgonen, beide in der Mehrzahl, und der Name Medusa für die enthauptete Gorgo. Hernach sammelte vorzüglich Pherekydes die zerstreuten NachrichtenSchol. Apollon. 4, 1091. 1515, vgl. Apollod. 2, 4, 1. 2, Zenob. 1, 41, Tzetz. Lyk. 838.. Unter den Tragikern hat Aeschylos die Fabel in einer Trilogie behandelt, während Sophokles und Euripides einzelne Acte daraus, namentlich die Sage von Perseus 60 und der Andromeda bearbeitetenVon Aeschylos gehörten dahin die Δικτυουλκοὶ und die Φορκίδες. Von Sophokles gab es eine Andromeda und einen Akrisios in Larisa, von Euripides eine Danae, eine Andromeda und einen Diktys, von Naevius eine Danae und eine Andromeda, beide wahrscheinlich nach Euripides. Vgl. Hygin f. 63. 64.. Auch die bildlichen Ausführungen dieser Sage sind zum Theil sehr alterthümlich, insbesondere die auf einer der Metopen von Selinus und auf archaistischen Vasenbildern, welche sehr an die Beschreibung bei Hesiod im Schilde des Herakles erinnern.

Akrisios, der Burgherr von Larisa, ist ohne Nachfolge, die er sich sehnlichst wünscht. Das Orakel zu Delphi warnt ihn, er werde eine Tochter bekommen, diese aber einen Sohn gebären, der ihn selbst tödten und über sein Land und viele andere Länder herrschen werdeNach dem apokryphischen Prolog zur Danae des Euripides b. Nauck trag. gr. fr. p. 552 nannte das Orakel den Perseus einen geflügelten Löwen, ὑπόπτερον λέοντα. Die Frau des Akrisios heißt gewöhnlich Εὐρυδίκη, eine T. Λακεδαίμονος καὶ Σπάρτης τῆς Εὐρώτα Apollod. 3, 10, 3, b. Hygin f. 63 Ἀγανίππη.. Dennoch wird ihm eine Tochter geboren. Er nennt sie Danae und sperrt sie, um eine Geburt von ihr unmöglich zu machen, in ein unterirdisches GewölbePherek.: ϑάλαμον ποιεῖ χαλκοῦν ἐν τῇ αὐλῇ τῆς οἰκίας κατὰ γῆς. Apollod.: ὑπὸ γῆν ϑάλαμον κατασκευάσας χάλκεον, vgl. Soph. Antig. 944. Offenbar so ein mit ehernen Platten ausgeschlagener Thalamos wie die s. g. Schatzhäuser bei Myken und ähnliche Gebäude der vorhellenischen Zeit.. Aber der goldene Regen des Zeus d. h. die Ergießung des himmlischen Lichtes dringt bis in das tiefe Dunkel des unterirdischen Verließes, oder wie sich die gewöhnliche Tradition ausdrückte: Zeus verwandelt sich aus Liebe zur Danae in Gold und strömt so durch die Decke des GefängnissesPherek.: ἐκ τοῦ ὀρόφου χρυσῷ παραπλήσιος ῥεῖ, ἡ δὲ ὑποδέχεται τῷ κολπῷ, καὶ ἐκφήνας αὐτὸν ὁ Ζεὺς τῇ παιδὶ μίγνυται, ein erklärender Zusatz, denn eigentlich ist der goldne Regen das Befruchtende. Soph. Antig. 950 Ζηνὸς γονὰς χρυσορύτους. Pind. P. 12, 17 υἱὸς Δανάας, τὸν ἀπὸ χρυσοῦ φάμεν αὐτορύτου ἔμμεναι. Derselbe soll anderswo den Proetos als Verführer der Danae und dieses den Grund des Krieges zwischen Proetos u. Akrisios genannt haben, Schol. Il. 14, 319. χρυσὸς ῥυείς Isokr. Hel. 59. Perseus ὁ χρυσόπατρος Lykophr. 838, quam clausam implevit foecundo Iupiter auro Ovid M. 4, 698. Danae und der goldne Regen, Mutter und Kind von Akrisios in den Kasten gesperrt, auf einer Vase aus Caere Gerhard Danae B. 1854, vgl. Welcker Rh. Mus. 10, 235 ff. u. Mon. ed. Ann. d. Inst. 1856 t. 8 p. 37. Ein Pompej. Gemälde b. Zahn t. 68, geschnittener Stein b. Müller D. A. K. 2, 3, 48. Ueber die bildliche Bedeutung des goldnen Regens, welcher sich auch bei der Geburt der Athena und des Herakles zeigt, vgl. Pind. Ol. 1, 1, 1 ὁ δὲ χρυσὸς αἰϑόμενον πῦρ ἅτε διαπρέπει νυκτί u. Bd. 1, 152, [391]; 1, 186.. So wird Perseus geboren, der Sohn des Lichtes aus dem tiefen Dunkel, in demselben Sinne wie Apollo ein Sohn des Zeus und der nächtlichen Leto ist.

61 Akrisios erfährt von dem Kinde, da er seine Stimme beim Spiele hört, läßt seine Tochter beim Hausaltare des Zeus die Wahrheit beschwören ohne ihr zu glauben und sperrt darauf Mutter und Kind in einen Kasten, den er den Fluthen des Meeres übergiebt. Voll Demuth und Ergebung harrt die Mutter mit dem schlummernden Kinde der Rathschlüsse des Zeus, wie dieses Simonides in einem ergreifend schönen Gedichte ausgeführt hatteDionys. H. de comp. verb. 26, Poet. lyr. ed. Bergk p. 822.. Ein eben so rührendes als anmuthiges Bild des neugeborenen Licht- und Sonnengottes, wie er sanft schlummernd und von geängsteter Mutterliebe und seinem himmlischen Erzeuger behütet, noch in dunkler Haft verborgen von den Fluthen des Meeres geschaukelt wird: ein Bild welches von selbst an die schwimmende Insel der Geburt des Apollon (1, 185) und an den in seinem goldnen Becher schlummernden, von der strömenden Fluth des Okeanos seinem neuen Aufgange entgegengeführten Helios(1, 339) erinnert.

Endlich landet der Kasten bei Seriphos, einer Insel wie Delos, welche mehr Klippe als Land war, ein Aufenthalt der Fischer und von so elender Beschaffenheit, daß sie in dieser Hinsicht sprichwörtlich geworden war. Der damalige Zustand aber wird nach Märchenart ganz anders geschildert. Zwei Brüder bewohnen die Insel, Diktys und Polydektes, jener durch seinen Namen als Netzfischer, dieser als gastlicher König bezeichnetAuch Hades heißt Πολυδέκτης und zwar in demselben Sinne s. 1, 626. Aber daraus folgt nicht daß Polydektes auf Seriphos und der unterweltliche dieselbe Person sind. Bei den Genealogen galten die Brüder bald für Söhne des Magnes, Hesiod p. 259 G., Apollod. 1, 9, 6, bald für die des Peristhenes, eines Abkömmlings des Nauplios, Pherek. b. Schol. Apollon. 4, 1091.. Diktys ist ein redlicher, frommer und genügsamer Mann, wie die armen Fischer von Seriphos bei ihrer harten Arbeit gewesen sein mögen, Polydektes ist verschlagen und lüstern. Diktys rettet die Mutter und das Kind, indem er sie mit seinen Netzen aus dem Meere emporziehtDaher die Δικτυουλκοὶ des Aeschylos. Bei Euripides in der Danae trieben die Nereiden den Kasten in die Netze der Fischer von Seriphos. Vgl. das Gemälde bei R. Rochette peint. de Pompéi t. 14. und sich ihrer darauf schützend und 62 behütend annimmt, Polydektes begehrt der schönen Mutter und trachtet dem Sohne deshalb nach dem Leben. Dazu bietet ein Schmaus Gelegenheit, wo der König nach alter Sitte von seinen versammelten Edlen Beiträge zu seiner Brautfahrt fordert, auf welcher er angeblich um Hippodamia, die Tochter des Oenomaos zu werben dachteEin s. g. Eranos, vgl. Pind. P. 12, 14, Pherek. b. Sch. Apollon. 4, 1515, Apollod. l. c, Schol. Pind. P. 10, 72, Tzetz l. c.. Die Andern versprechen Pferde, der hochherzige Perseus verspricht Alles und sollte Polydektes selbst den Kopf der Medusa fordern. Der hält ihn beim Wort und damit beginnt die Heldengeschichte des Perseus.

Traurig geht der Jüngling seines Weges, da erscheinen ihm Hermes und Athena, die Führer aller Helden, denen sie durch Muth und List über alle Gefahren helfen. Sie verschaffen ihm Wehr und Waffen gegen das gräßliche Ungethüm, lehren ihn deren Gebrauch, führen ihn zur That und helfen ihm bei der Ausführung, gerade wie dem Herakles in seinen zahllosen Abenteuern. Namentlich ist Athena die Schutzgöttin des Perseus auf allen seinen WegenAristid. 1 p. 25 (φασὶ γὰρ) Περσέα αὐτόπτερον εἰς Γοργόνων χώρους κομισϑῆναι τῆς Ἀϑηνᾶς προπεμπούσης καὶ οὔτε ἁλῶναι τῇ ϑέᾳ, καὶ ὡς ἀπέτεμε τὴν κεφαλὴν κομίσαντα ὀπίσω τοὺς μὲν σὺν ὕβρει ταῦτα ἐπιτάξαντας καὶ τὸ πολὺ τοῦ δήμου λίϑους ποιῆσαι αὐτὸν δ' ἀπαϑῆ διαφυγεῖν εἰς τέλος, ἀλεξιφάρμακον τὴν τῆς Ἀϑηνᾶς ἔχοντα παρουσίαν εἰς ἅπαντα., wobei die Bedeutung der himmlischen Göttin, welche das Haupt der Medusa an ihrer Brust trägt, wohl zu beachten ist.

Das Abenteuer führt den Perseus zuerst zu den Graeen, dann zu den Gorgonen, denn beide sind in derselben Weltgegend zu Hause und hängen auch in der Vorstellung aufs engste zusammen. Immer wohnen diese fabelhaften Wesen nehmlich an den äußersten Enden der Welt, bei Hesiod im Okeanischen Westen, wo die Quellen des Okeanos, die Hesperiden und Atlas zu finden sind, wo die Sonne untergeht und die Nacht mit ihren Kindern haust, bei Aeschylos Prom. 793 ff. in einer Gegend des äußersten Südens oder Westens, wo weder Sonne noch Mond scheint, bei noch Anderen im äußersten Westen von Libyen, oder in den Gegenden des fabelhaften Tritonsees oder in denen von Tartessos: immer an den Enden der Welt und am Okeanos, denn dieses ist das Wesentliche solcher Beschreibungen, bei denen es mit jenen nach genauerer geographischer Bestimmung 63 herumtastenden Bildern nicht so genau zu nehmen istSchol. Pind. P. 10, 72 αἱ δὲ Γοργόνες κατὰ μέν τινας ἐν τοῖς Ἐρυϑραίοις μέρεσι καὶ τοῖς Αἰϑιοπικοῖς, ἃ ἐστι πρὸς ἀνατολὴν καὶ μεσημβρίαν, κατὰ δέ τινας ἐπὶ τῶν περάτων τῆς Αἰβύης, ἅ ἐστι πρὸσ δύσιν. Vgl. Eurip. Bacch. 990 Γοργόνων Λιβυσσᾶν γένος, Ovid M. 4, 772.. Bei Hesiod th. 270 ff. sind beide, die Graeen und die Gorgonen, die Töchter des Phorkys und der Keto, der personificirten Ungeheuerlichkeit des Meeres und der Fluth und so haftet namentlich an den Graeen der Name der PhorkidenDaher die Φορκίδες des Aeschylos, in welchem Stücke dieser Dichter die That des Perseus schilderte. Auch bei ihm sind die Graeen und Gorgonen Schwestern, vgl. Pind. P. 12, 13 Φόρκοιο γένος. Die Kyprien wußten von einer Sarpedonischen Insel im Okeanos, wo die Gorgonen, die Kinder des Phorkys und der Keto wohnten. Stesichoros in seiner Geryoneïs setzte dieselbe Insel ins Atlantische Meer.. Graeen (γραῖαι) das sind Greisinnen, ja sie sind als solche d. h. mit grauen Haaren zur Welt gekommenἐκ γενετῆς πολιαί Hesiod th. 270, γραῖαι ἐκ γενετῆς Apollodor.. Aeschylos nennt sie κυκνόμορφοι d. h. gestaltet wie der troische Kyknos, dessen Kopf oder dessen ganzer Leib gleichfalls von seiner Geburt an weiß warTheokr. 16, 49 τίς – ϑῆλυν ἀπὸ χροιᾶς Κύκνον ἔγνω; Schol. λευκὸς γὰρ ἦν τὴν χροιὰν ἐκ γενετῆς, ὥς φησιν Ἑλλάνικος. – Ἡσίοδος δέ φησιν αὐτὸν τὴν κεφαλὴν ἔχειν λευκήν., eine Andeutung seiner Meeresnatur wie bei der Leukothea und andern Wesen der Art, während der Name der Graeen und jene Schilderung an die Meeresgreise Proteus, Phorkys, Nereus erinnert, welche man schlechthin die Greise (γέροντες) nannte und gleichfalls mit weißen Haaren ausstatteteBd. 1, 433, [1331]; 437. 470, [1453]; 477.. Die Namen der drei Schwestern sind Πεφρηδώ, welcher ängstliches Geschwätz oder Ueberlegung, Ἐνυώ, welcher jähes Geschrei, Δεινώ, welcher beständige Angst ausdrücktΠεφρηδὼ von φράζω oder φράζεσϑαι. Eine andre Lesart ist Πεφριδὼ von φρίσσω, die Zitternde. Ἐνυὼ wie Ἐνυάλος und dessen Mutter 1, 254. Andre Erklärungen b. Schoemann op. 2, 211., wie sich die griechische Volksdichtung denn überhaupt gern auf die Charakteristik solcher alten und verlebten Weiber einließVgl. die Ortsnamen γραίας στῆϑος, γραὸς γάλα, καλογραίας βουνός d. i. στῆϑος, γραίας γονύ, γραίας σῆμα b. Meineke Steph. B. p. 601, z. Theokr. 5, 121.. Alle drei haben nur ein Auge und einen Zahn, die sie abwechselnd gebrauchen und dann einander zureichen. Doch wissen sie von verborgenen Dingen, ein neues Merkmal der Dämonologie des Meeres, welchem schon die Alten diese Greisinnen zugewiesen 64 habenEustath. Il. 116, 25 ἰστέον δὲ ὅτι πολιὰν ἅλα ὁ μῦϑος λέγει τὴν γραῖαν καϑὰ καὶ τὸν Νητέα γέροντα, ὁ δ' αὐτὸς καὶ Γραίας τινὰς πλάττει ϑαλασσίας δαίμονας ἐκ γενετῆς, καϑὰ καὶ ὁ τῆς ἱστορίας Κύκνος περιάδεται. Vgl. 976, 54.. Nur daß hier nicht von dem gewöhnlichen Meere die Rede ist, sondern vom Okeanos d. h. dem großen Weltmeere und der Gegend des Sonnenunterganges und der Nacht, mit allen ihren verborgenen Geheimnissen und Schrecknissen. Diese letzteren sind in den Schwestern der Graeen personificirt, den Gorgonen, welche in der Perseussage gleichfalls in der Dreizahl auftreten. Ihr Aeußeres wird eben so furchtbar beschrieben als es auf den Bildwerken erscheint, namentlich auf den älteren. Sie haben thierische Ohren, eine geplätschte Nase, einen grinsenden Mund, aus welchem große Schweinshauer hervorragen, Schlangen in den Haaren, Flügel zum Verfolgen, eherne Fäuste zum Packen; dazu die versteinernde Wirkung ihres AnblicksAesch. Pr. 798 ἀδελφαὶ τρεῖς κατάπτεροι δρακοντόμαλλοι Γοργόνες βροτοστυγεῖς, ἃς ϑνητὸς οὐδεὶς εἰσιδὼν ἕξει πνοάς. Apollod. εἶχον δὲ αἱ Γοργόνες κεφαλὰς μὲν περιεσπειραμένας φολίσι δρακόντων, ὀδόντας δὲ μεγάλους ὡς συῶν καὶ χεῖρας χαλκᾶς καὶ πτέρυγας χρυσᾶς δι' ὧν ἐπέτοντο, τοὺς δὲ ἰδόντας λίϑους ἐποίουν. Vgl. die Bd. 1, 153, [395] citirten Abhandlungen und Müller u. Wieseler D. A. K. 2, 901–920.. Ihre Namen sind Σϑενώ d. h. die Gewaltige, Εὐρυάλη die Weitschweifende, Μέδουσα die HerrschendeΕὐρυάλη von ἀλᾶσϑαι Schoemann op. 2, 211. Auch die Mutter des Orion 1, 351 wird besser so erklärt werden.. Diese letztere ist sterblich als die von Perseus getödtete, die beiden andern sind unsterblich. Dieser Umstand und die Dreizahl, auch der Gattungsname Gorgo d. h. die Schreckliche und die drei Eigennamen vereinigen sich am besten zu der Vorstellung daß auch bei diesen Schreckbildern einer sehr alten Ueberlieferung der Mond gemeint sei, und zwar der Mond als das gespenstische Gesicht der Nacht und als jene Gottheit von unheimlicher Wirkung auf alle Natur, namentlich auf Gemüth und Geist der Menschen, mit welcher sich der Aberglaube aller Völker so viel beschäftigt, der der Griechen in den Ueberlieferungen von der Hekate, der thessalischen Brimo, der Kirke, der Medea. Auch ist es nicht der Mond in seiner gewöhnlichen Erscheinung, welchen diese Fabel wenn ich sie recht verstehe meint, sondern er ist das kosmische Bild der Nacht und des Unterganges der Dinge überhaupt, wie Helios so oft den lichten Tag und den Aufgang der Dinge bedeutet; daher die Gorgonen in derselben Gegend zu Hause sind wo die 65 Phantasie der Griechen solche Schrecknisse überhaupt zu denken gewohnt war, jenseits des großen Weltmeers in tiefer tiefer Nacht, wo Perseus sie in einer finstern Höhle schlafend antrifft. Möglich daß bei ihrer Dreizahl und dem Tode der Medusa wieder der Wechsel des Mondes und der Neumond im Spiele ist; jedenfalls ist Perseus der freudige Sonnenheld, welcher unter dem Schutze gütiger Himmelsmächte leichten Fluges dem Dunkel entgegeneilt, um selbst in seinem Untergange noch über die Mächte des Todes und der Finsterniß zu triumphiren. Medusa dagegen wird noch in dem Augenblicke ihres Todes die Mutter furchtbarer Erscheinungen. Denn als Perseus ihr den Kopf abhaut, springt aus dem Rumpfe hervor der gewaltige Chrysaor d. h. Goldschwerdt und das bekannte Flügelpferd Pegasos, dieser ein Bild für die geflügelte Donnerwolke, daher er sich gleich zum Throne des Zeus emporschwingtHesiod th. 278 ff. vgl. Bd. 1, 94, [195]. Zum Χρυσάωρ vgl. den karischen Zeus mit dem Attribut des Doppelbeils 1, 109, [252], wo hinzuzusetzen Sueton reliq. p. 223 ed. Reiffersch: splendor fulguris ad instar securis arborem procul caedentis., Chrysaor eine Personification des blitzenden Feuerstrahls, welcher wie ein goldenes Schwerdt aus dem dunkelnden Ungewitter hervorzuckt: beide die Frucht einer Umarmung des Poseidon, welcher nach Hesiod auf weicher Wiese unter Frühlingsblumen neben der Medusa geruht hatte. Auch dieses paßt auf den Mond, dem man von jeher einen eminenten Einfluß auf das Wetter zugeschrieben hat und von welchem die Alten glaubten daß er aus dem Meere und anderem Gewässer die Dünste aufsauge und daraus Gewölk und Gewitter braueVgl. Bd. 1, 231, Schoemann op. 2, 207 und Sueton p. 210 luna larga est roris et dux humentium substantiarum. Die Zeit des Mondwechsels galt für besonders stürmisch, Theophr. d. vent. 7, Veget. d. re mil. 5, 10., wie andrerseits den Sonnenhelden, namentlich dem Bellerophon und Herakles, auch sonst eine Macht über Blitz und Donner zugeschrieben wird. Medusa hat darüber, entweder weil sie als Geliebte Poseidons gedacht wurde oder weil die Erscheinung des Mondes von selbst dazu einlud, den Charakter einer zugleich höchst anziehenden und höchst verderblichen Gewalt bekommen, in welchem Sinne sie sowohl von der jüngeren Poesie geschildert als von der jüngeren Kunst gebildet wird. Schon bei Pindar heißt sie schönPind. P. 12, 16 εὐπαράου κρᾶτα συλάσαις Μεδοίσας. Vgl. 1, 154, [396]. Auch das Medusenhaupt der jüngeren Kunstbildung zeichnet sich immer durch sehr schönes und reiches Haar aus, dazu durch Flügel über den Schläfen und zwei größere als Kopf- und Halsband geknotete Schlangen. und die späteren 66 Dichter gehen darin noch weiter, namentlich in dem Preise ihrer schönen Haare, welche bei den Göttern des Lichts immer bedeutsam sind. Ja man erzählte nun daß sie sich wegen dieses Vorzugs und der Buhlerei mit Poseidon den Zorn der Minerva zugezogen und darüber zu den Schlangenhaaren gekommen und von Perseus, dem Ritter der Minerva, getödtet worden sei.

Ueber den Weg auf welchem Perseus zu den Gorgonen gelangt und seine Ausrüstung liegen verschiedene Erzählungen vor. Nach Pherekydes und Apollodor führen ihn Hermes und Athena zuerst zu den Graeen. Als hier gerade eine der andern das gemeinsame Auge und den Zahn reicht, also keine sieht, nimmt Perseus ihnen beide weg. Nun jammern und schreien sie und bitten flehentlich um Rückgabe des Unentbehrlichen. Perseus versteht sich dazu nicht eher als nachdem sie ihm den Weg zu den Nymphen gewiesen, welche den Helm des Aïdes, die Flügelschuhe und den Sack (κίβισις) besitzen, deren er bei dem bevorstehenden Abenteuer bedarfDer κίβισις gedenken Hesiod sc. Herc. 224 u. A. Nach Hesych war das Wort auf Cypern im Gebrauch. Man erklärte es παρὰ τὸ κεῖσϑαι ἐκεῖ ἐσϑῆτα καὶ τὴν τροφήν oder leitete es ab von κίειν, s. Et. M. u. den alten Zusatz zu Apollodor. Also eine Jagd- Boten- oder Reisetasche. Auf späteren Bildwerken erscheint sie als Gefäß und wird auch von jüngeren Berichten ἀγγεῖον genannt. Jedenfalls hatte es auch mit dieser Tasche eine besondre Bewandtniß.. Die Graeen sagen ihm den Weg, Perseus giebt den Zahn und das Auge zurück und eilt weiter zu jenen Nymphen, von denen er das Verlangte erhält. Also wirft er jetzt den Sack um, welcher später das Medusenhaupt bewahrt, wenn es nicht gesehen werden soll, bindet die Flügelschuhe an seine Füße, kraft deren er wie ein Vogel durch die Luft fliegt, und setzt den Helm des Aïdes auf seinen Kopf, der ihn unsichtbar macht, während er selbst Alles sieht. Dazu giebt ihm Hermes die Harpe von gehärtetem Stahl, womit er dem Argos den Kopf abgeschlagenἅρπη ist ein griechisches Wort (1, 45, [59]), doch ist die Waffe des Perseus nicht immer dieselbe. Bald ist es eine Sichel bald ein Schwerdt, gewöhnlich ein Sichelschwerdt d. h. ein dolchartiges Schwerdt mit einem sichelartigen Widerhaken, wie auch Hermes Argeiphontes oft ein solches führt. Dieses scheint orientalischen Ursprungs zu sein und eine hieratische Bedeutung gehabt zu haben. Man sieht es noch auf den Taurobolienaltären der römischen Kaiserzeit., und so geht die Fahrt weiter zu den Gorgonen. Die Nymphen, welche diese wunderbaren 67 Gegenstände besitzen, werden auch in der Heraklessage genannt, bei der Fahrt dieses Helden zu den Hesperiden. Sie heißen hier Töchter des Zeus und der Themis, wohnen in einer Höhle am Eridanos und lehren Herakles den Nereus finden, welchen der Held zwingt ihm den Weg zu den Hesperiden zu offenbarenPherekydes b. Schol. Apollon. 4, 1396, Apollod. 2, 5, 11.. Ein alterthümliches Vasenbild nennt sie Najaden, denn auch die Tradition der Künstler kannte diese Version der PerseussageIm T. der Chalkioekos zu Sparta sah man ein Bild davon wie die Nymphen dem Perseus jene Gegenstände geben, Paus. 3, 17, 3. Dieselbe Darstellung auf dem Vasenbilde b. Gerhard A. V. B. t. 323, 2., und auch Pindar muß sie gekannt haben, da er unsern Helden P. 10, 30 ff. auf der Fahrt zu den Gorgonen zu den Hyperboreern kommen und an ihren Opferschmausen theilnehmen läßt; denn der Eridanos gehört zu den Hyperboreern. Jene Nymphen oder Najaden des Eridanos scheinen also in diesem Zusammenhange dämonische Wesen des hohen Nordens zu bedeuten, der Region der Stürme und des Nebels. Daher die windesschnellen Flügelschuhe und der Helm des Aïdes, welcher nichts Anderes ist als die auch unsern Märchen und Sagen wohlbekannte Tarn- oder Nebelkappe (1, 622).

Bei Aeschylos Prom. 794 dagegen wohnen die Graeen und die Gorgonen nahe bei einander, beide in derselben Gegend einer ewigen Nacht, wo weder Sonne noch Mond scheint. Und so hatte er auch in den Phorkiden gedichtet, in welchem Stücke das Abenteuer des Perseus ausführlich beschrieben wurde. Er hatte in demselben die Graeen die Vorhut der Gorgonen genannt, also wahrscheinlich auch im Uebrigen so gedichtet wie die sich auf ihn berufenden Erklärer des Sternbildes Perseus erzählenHygin P. A. 2, 12, Eratosth. catast. 22, Schol. Arat. Phaen. u. German. Arat. 250. Nach Artemid. 4, 63 gab Hermes dem Perseus nur einen Schuh, indem er den andern behielt.. Dem Hermes verdankt dieser hier die Nebelkappe und die Flügelschuhe, wozu Hephaestos ihm die Harpe schenkt. Als Perseus zu den Graeen kommt, wartet er den Augenblick der Uebergabe des Auges ab und wirft dieses in den Tritonsee, so daß die Graeen die Pflicht ihrer Wache nicht mehr erfüllen können. Darauf dringt er in die Höhle der GorgonenSo ist wohl der Vers b. Athen. 9, 65 zu verstehn: ἔδυ δ' ἐς ἄντρον ἀσχέδωρος ὥς d. h. wie ein Eber. Auch b. Ovid M. 4, 772 ff. wohnen die Graeen am Eingange einer Schlucht am Atlas, in welcher die Gorgonen hausen, Alles in ihrer Nähe versteinert., findet sie schlafend und enthauptet die Medusa.

68 Ein andrer oft wiederholter Zug dieser Sage ist daß Perseus von seiner Schutzgöttin Athena unterrichtet wird, wie er die Medusa ohne sie anzusehen d. h. ohne versteinert zu werden enthaupten kann. Athena schenkt ihm deshalb einen spiegelblanken Schild von Erz und läßt ihn in den Spiegel desselben nach dem Haupte blicken welches er mit seiner Harpe abschneidet, oder sie führt ihm wohl gar selbst die HandSo erzählen Pherekydes, Apollodor, Lukian D. M. 14, Ovid und Lucan 8, 659 ff. Vgl. die im Bullet. Napolet. 1853 t. 5, 1 abgebildete Terracotta u. das Gemälde b. Zahn 3, 23, Mus. Borbon. 12, 49. Bei Schol. German. l. c. ist der Schild von Glas und Perseus kann durch ihn die Gorgonen sehen ohne von ihnen gesehen zu werden.. Jüngere Vasenbilder gehen so weit die Göttin mit ihrem Schützlinge förmliche Vorübungen an einem Phantom anstellen zu lassen, bei denen Perseus in den Spiegel eines Brunnens blicktS. das Vasenbild b. O. Jahn Leipzig. Ber. 1, 287 ff. und die etr. Spiegel b. Gerhard t. 122–124..

Sobald Perseus das Haupt der Medusa abgeschlagen hat, springen aus ihrem Rumpfe hervor jene beiden Kinder Poseidons, der geflügelte Pegasos und Chrysaor, der Vater des Geryoneus, in welchem Sinne er dieses ist wird sich später zeigen. Auch diese Geburt veranschaulichen verschiedene BildwerkeZ. B. die Metope aus Selinus b. O. Müller D. A. K. 1, 4, 24 u. die Terracotta ib. 14, 51. Vgl. Iuvenal 3, 117 ripa nutritus in illa, ad quam Gorgonei delapsa est pinna caballi d. h. Perseus auf dem Pegasos. Bei Ovid M. 4, 786 entstehen der Pegasos und Chrysaor aus dem Blute der Medusa., das eine so daß Perseus auf dem Pegasos davon reitet wie sonst Bellerophon. Doch war diese Tradition auch den Dichtern bekannt.

Schnell steckt er das Medusenhaupt in jene Tasche und eilt davon »hurtig wie ein Gedanke«. Die beiden Schwestern der Medusa aber wachen nun auf und klagen und die Schlangen an ihrem Haupte pfeifen und zischen, was Athena auf die Erfindung der Flötenmusik, insbesondere des vielköpfigen Nomos gebracht haben soll (1, 176, [478]). Sie verfolgen den Mörder ihrer Schwester, aber vergeblich, denn der Helm des Aïdes machte ihn unsichtbar. So enteilend war Perseus auf dem Schilde des Herakles nach der Beschreibung Hesiods und auf dem Kypseloskasten abgebildet und so sieht man ihn noch jetzt auf alterthümlichen VasenbildernHesiod sc. Herc. 230, Paus. 5, 18, 1, Gerhard A. V. t. 88, etr. Sp. t. 121, Wieseler D. A. K. 2, 71, 897 ff.. Es ist der siegreich aus dem Kampfe mit der 69 Finsterniß zurückkehrende, leicht am Himmel dahin schwebende Sonnenheld, ὁ πετόμενος ἱερὸν ἀνὰ Διὸς αἰϑέρα γοργοφόνος, wie es in einem Verse des Euripides heißtPlut. Symp. 9, 15, 2.. Immer ist diese schwebende Leichtigkeit ein Merkmal seiner Erscheinung, ja sie wurde auch an seinen Nachkommen gerühmtHimer or. 8, 4. Perseus der erste Jäger, namentlich der schnellen Thiere, Oppian Kyneg. 2, 8..

Schon Herodot, Pherekydes und Kratin kennen die Fabel vom Kepheus und der Andromeda im fernen OstenHerod. 2, 91; 7, 61, Pherek. b. Schol. Apollon. 4, 1091. Kratin b. Poll. 10, 156.. Doch gehört die weitere Ausführung dieses neuen Abenteuers der späteren Zeit, namentlich den Tragikern, und die alexandrinischen Dichter und Fabulisten sind noch einen Schritt weiter gegangen, indem sie sich darin gefielen vorzugsweise die versteinernden oder sonst schädlichen Wirkungen des Medusenhauptes auszumalen. Da Perseus über Libyen hinflog, sollen Tropfen vom Blute der Medusa auf die Erde gefallen und daraus die vielen giftigen Schlangen der libyschen Wüste entstanden seinApollon. Rh. 4, 1513 ff., wo Perseus den Beinamen Εὐρυμέδων führt, den ihm die Mutter gegeben, Ovid M. 4, 617 ff., Lucan 9, 619 ff.. Andre lassen auch den Atlas durch Perseus zu Stein werden und selbst die Korallen im Meere durch das Medusenhaupt entstehenOvid M. 4, 631 ff. 744 ff., wie diese jüngere Poesie denn solche Metamorphosen nicht wenig liebte, während die jüngere Kunst Parodieen suchte und in diesem Sinne Perseus mit dem Medusenhaupte oder einem Phantome desselben unter die Satyrn gerathen ließSo auf Vasengemälden b. Millingen peint. de vas. t. 3 u. Curtius Herakl. d. Satyr, auch auf einem etr. Spiegel Mon. d. Inst. 6 t. 24, wo Tarsu i. q. Σάτυρος zu sein scheint.. Ohne Zweifel erzählte man sich auch in örtlichen Sagen oft von diesem Spuk, wie sich davon noch in den Traditionen des Mittelalters gewisse Nachklänge nachweisen lassenGervas. otia imper. p. 11 und 93 ed. Liebrecht. Aber auch als Apotropaeon diente das Gorgoneion oft; daher ein merkwürdiger, von Stephani Apollo Boedr. t. 4, 7. 8 S. 34, 5 edirter Sardonyx, auf der einen Seite Perseus mit dem Medusenhaupte und der Harpe fliegend , auf der andern die Worte: φύ[γε] ποδάγρα, Περσεύς σε διώχι d. h. διώκει..

Das Ziel seiner Fahrt nach Osten aber ist Aethiopien, wobei vielleicht wieder die Beobachtung des Sonnenlaufs zu Grunde liegt. Hier findet er Andromeda, die Tochter des Königs 70 Kepheus, an eine Klippe gebunden und einem Meeresungeheuer preisgegeben. Denn Kassiepeia, die Frau des Kepheus, hatte sich vermessen mit den Nereiden an Schönheit zu wetteifern, ja sie rühmte sich vorzüglicher zu sein als alle zusammen. Deshalb zürnten die Nereiden und Poseidon mit ihnen, daher er das Land mit Ueberschwemmung und einem schrecklichen Ungeheuer aus dem atlantischen Meere heimsuchte, welches Menschen und Heerden vertilgte. Das Orakel des Ammon versprach Hülfe in dieser Noth, wenn die schöne Andromeda, die Tochter der Kassiepeia, dem Ungeheuer als Beute preisgegeben werde, und der unglückliche Vater wurde von seinen Aethiopen gezwungen sie wirklich preiszugeben, daher man sie an den Felsen im Meere gebunden hatte. Perseus sah sie, liebte sie und versprach dem Kepheus sie zu retten, wenn er sie ihm zum Weibe geben wolle. Als der Vater es geschworen, tödtet er von oben sich herabstürzend den Drachen, befreit Andromeda und führt sie aus dem Rachen des Todes zur Vermählung. Doch war sie von ihren Eltern schon früher verlobt worden, an den eigenen Bruder des Kepheus, den König Phineus, welcher deshalb den Perseus bei der Hochzeit mit einer starken Schaar von Kriegern überfällt, worauf unser Held sie alle mit seinem Medusenhaupte versteinert. Endlich bricht er mit seiner Andromeda auf nach der Heimath, so sehr die Eltern ihr Kind auch zu halten suchten. In dieser Gestalt ungefähr wurde die Fabel in den Tragödien des Sophokles und Euripides überliefert, von denen namentlich der letztere eines seiner besten Stücke derselben entlehnt hatteHygin P. A. 2, 9–11, Eratosth. catast. 15–17, vgl. Nauck trag, gr. p. 312 sqq. Die spätere Dichtung vertritt Ovid M. 4, 662 – 5, 235, wo namentlich der Hochzeitsschmaus und die Unterbrechung des Festes durch Phineus sehr ausführlich beschrieben wird. Vgl. auch Lukian D. M. 14.. Die Schönheit des hülflosen Mädchens, ihre begeisterte Liebe zu ihrem Befreier, dem sie selbst als Sklavin durch die ganze Welt zu folgen bereit ist, das Glück ihrer Vermählung wurde mit den lebhaftesten Farben geschildert. Daher dieses Paar und die glückliche Errettung der Andromeda aus so großer Gefahr auch in der späteren Poesie und Kunst immer sehr beliebt geblieben ist, namentlich hat die letztere diese Vorgänge in manchen schönen Gruppen und Gemälden verewigtBeschreibungen solcher Gemälde b. Philostr. 1, 29 u. Achill, Tat. 3, 6. 7. Gruppe von Marmor u. A. b. K. F. Hermann Pers. u. Androm. Gött. 1851, Pompejan. Gemälde b. R. Rochette t. 26. Perseus u. Andromeda an einer Quelle, er ihr das Haupt im Spiegel derselben zeigend, Mus. Borbon. 12 t. 49–52.. Der Ort war nach der älteren Ueberlieferung 71 das mythische Land der Aethiopen und Kephenen, deren Eponym König Kepheus ist, ein Volk welches man in den Südosten von Asien verlegte, ohne über diese Weltgegend und ihre Bevölkerung genauer unterrichtet zu seinΚηφεὺς und Φινεὺς seit Euripides Söhne des Βῆλος. Κηφῆνες hießen nach Herodot 7, 61 ehemals die Perser, nach Hellanikos b. Steph. B. v. Χαλδαῖοι die Chaldaeer, vgl. Movers Phöniz. 2, 1, 284 ff. Spätere hielten sie für einen Stamm der Aethiopen, Strabo 1, 42.. Später verlegte man das Abenteuer in die Gegend von Iope an der philistaeischen KüsteStr. 16, 759, Paus. 4, 35, 5 u. A. Daher Iope nun eine Frau des Kepheus und dieser der Gründer von Iope wird, Steph. B. v. Ἰόπη, Tzetz. Lyk. 836, vgl. Stark Gaza S. 593. Auch b. Iuven. 3, 117 ist diese Küste vorauszusetzen, Schoemann op. 3, 271–273. Warte des Perseus an der Küste von Aegypten, Herod. 2, 15.. Der tiefere Grund scheint auch hier eine alte Naturfabel zu sein, die sich in der Sage vom Herakles und der Hesione und in der vom Iason und der Medea wiederholt. Es ist der Mond in der Gestalt einer schönen Jungfrau, den die Finsterniß in der Gestalt des Drachen zu verschlingen droht, ein Märchen welches beinahe alle Völker kennen.

Nun kehrt Perseus nach Seriphos zurück, wo er seine Mutter und Diktys als Schutzflehende an den Altären findet, dahin hatten sie sich vor der Gewalt und der Begierde des Polydektes retten müssen. Es galt diesem das gegebene Wort zu lösen. Also heißt er ihn seine Edlen versammeln, zeigt ihnen das als Beitrag zum Eranos versprochene Haupt der Medusa und versteinert Alle, auch die InselSo erzählt Pindar Pyth. 10, 46; 12, 12 ff., ohne der Episode in Aethiopien zu gedenken. Vgl. Schol. Pyth. 10, 72, Apollon. 4, 1515., auf welcher es seitdem sehr stille und öde geworden ist. Nur der gute Diktys und die Seinigen sind dort geblieben, ein Volk von Fischern, welche dem Meere mühsam das tägliche Brot abgewinnenEin solches Leben schildern Euripides fr. 672 und die Fischer Theokrits.. Selbst die Frösche, so behauptete ein griechisches Sprichwort, waren auf Seriphos verstummt, das sich nun noch obenein von den Komikern mußte verspotten lassenStr. 10, 487, welcher auf die Komiker verweist. Namentlich hatte Kratin Σερίφιοι und darin von der Fahrt des Perseus gedichtet, Meineke fr. com. gr. 2, 1, 132–141..

Nachdem Perseus auf solche Weise sein Wort gelöst und die Mutter befreit hatte, giebt er die Flügelsohlen, den Sack und 72 die Nebelkappe dem Hermes, der sie zurück an die Nymphen bringt, das Medusenhaupt aber der Athena, welche es auf ihren Schild setzt. Er selbst eilt mit der Danae und Andromeda nach Argos, um seinen Großvater Akrisios aufzusuchen. Aber dieser hat aus Angst vor dem Orakel, welches ihm den Tod von der Hand des Sohns verkündete, inzwischen Argos verlassen und ist zu den thessalischen Pelasgern nach Larisa gegangenPherek. s. Schol. Apollon. 4. 1091 εἰς τοὺς Πελασγοὺς εἰς Λάρισαν, Apollod. ἀπολιπὼν Ἄργος εἰς τὴν Πελασγιῶτιν ἐχώρησε γῆν, Paus. 2, 16, 2 ἐς Λάρισαν τὴν ἐπὶ τῷ Πηνειῷ. Die Sagen von dem pelasgischen Argos in Thessalien und die von Argos im Peloponnes durchkreuzen sich mehr als einmal. Auch der Sohn des Königs Pelasgos b. Aeschyl. Suppl. 250 ff. regiert über beide Länder. Bei Hygin f. 63. 273 stirbt Akrisios bei den Leichenspielen des Polydektes auf Seriphos., wo die Sage und örtliche Denkmäler auch von einem Könige Akrisios erzählten, welcher sogar als Stifter der Delphischen Amphiktyonie genannt wurdeStr. 9, 420, Schol. Eur. Or. 1087.. Also läßt Perseus Weib und Kind in Argos und sucht den Akrisios auf in Thessalien. Schon ist es ihm gelungen ihn zur Rückkehr zu bewegen, da ereilt ihn dennoch das Verhängniß. Teutamias, so heißt der König von Larisa, giebt seinem verstorbenen Vater zu Ehren Leichenspiele. Perseus schleudert den Diskos, dieser fällt auf den Fuß des Akrisios, der darüber den Tod findet. Also begraben ihn der Enkel und die Larisaeer vor den Thoren der StadtNach Clem. Al. Protr. p. 39 befand sich das Grab im T. der Athena auf der Burg von Larisa. und Perseus kehrt zurück nach Argos. So hatte Sophokles in seinem Akrisios oder die Larisaeer gedichtet. Ein alter Zug scheint der unglückliche Diskoswurf zu sein, welcher wie in der Fabel von Apoll und Hyakinthos (1, 197) die tödtlichen Strahlen der Sonne bedeuten möchte.

Perseus kehrt endlich nach Argos zurück, vermeidet aber die Burg des von ihm getödteten Akrisios, die er an Megapenthes, einen Sohn des Proetos, gegen Tiryns austauscht, neben welchem er noch die beiden Burgen Midea und Mykenae gründet, das berühmte Mykenae, welches sich des Perseus vorzugsweise als seines Stifters rühmteMan erklärte den Namen bald durch μύκης in der Bedeutung der Scheide (τοῦ ξίφους γὰρ ἐνταῦϑα ἐξέπεσεν ὁ μύκης αὐτῷ) oder in der Bedeutung des Pilzes (Perseus habe einen Pilz aus der Erde gerissen und darunter Wasser gefunden um seinen Durst zu löschen), bald durch eine in der Odyssee und den Eoeen erwähnte Heroine Μυκήνη, eine Tochter des Inachos, oder einen Heros Μυκηνεύς, den man einen Sohn des Sparton und Enkel des Phoroneus nannte, Paus. 2, 16, 3, Steph. B. v. Μυκῆναι u. A.. Bei seiner Ummauerung sollen wie in 73 Tiryns die Kyklopen geholfen haben, welche Perseus von seinen Fahrten mitbrachteEurip. Iph. A. 1500, Schol. Apollon. 4, 1091 vgl. oben S. 55 u. 1, 490. Auch der Pfirsich, περσέα, persica, soll durch Perseus aus Asien nach Myken verpflanzt worden sein, Nikand. Alexiph. 101 ff. Schol., Plin. 15, 46.. Er wird dann der Stammvater des berühmten Geschlechtes der Persiden, aus welchem die beiden ungleichen Vettern Eurystheus und Herakles stammtenSthenelos und Eurystheus sind als Persiden schon der Ilias bekannt, 19, 116. 123. Außerdem nannte man als Söhne des Perseus: Alkaeos, den Vater des Amphitryon, und Elektryon, den der Alkmene, ferner Mestor, den Stammvater der Taphier, und Heleios, den Gründer von Helos in Lakonien, endlich eine Tochter Gorgophone. In einer argivischen Inschrift C. I. n. 1123 heißt es ᾧ καὶ ἐψαφισάμεϑα τὰς Περσέως καὶ Ἡρακλέος τιμὰς καὶ χρυσοφορεῖν μετὰ πορφύρας., welcher letztere in mehr als einer Hinsicht für den wiedererstandenen Perseus gelten kann.

Aber auch im Orient wurde Perseus oft genannt, ohne Zweifel in Folge ähnlicher Ueberlieferungen. Namentlich galten die Könige der Perser für seine Nachkommen, oder wie sich die damalige Welt- und Völkerkunde ausdrückte, noch im Orient bei ihrem Vater Kepheus hatte Andromeda dem Perseus einen Sohn Namens Perses geboren, welcher beim Kepheus blieb und Stammvater des königlichen Geschlechts der Perser wurdeHerod. 7, 61 vgl. 150, wo sogar Xerxes diese Abkunft seiner Vorfahren und die Verwandtschaft mit Argos anerkennt, obwohl die Perser nach Herod. 6, 54 den Perseus eigentlich für einen Assyrier hielten.. Daher sich die Könige von Pontos und Kappadokien, welche diesem Stamme verwandt waren, derselben Abkunft rühmten und das Bild des Perseus auf den Münzen dieser Gegenden oft zu sehen ist. Er selbst wurde darüber immer mehr zum Orientalen, wie sein Costüm auf den jüngeren Vasenbildern und anderen Kunstdenkmälern lehrt. Aber auch in Aegypten fand Herodot den argivischen Perseus, welcher nach seiner Ueberzeugung durch Danaos und Lynkeus eigentlich aegyptischer Abkunft warHerod. 2, 91. Auch Herakles ist also aegyptischer Abkunft, 2, 43.. Ferner galt er nach späteren Traditionen für den Gründer von Tarsos in Kilikien, dessen Münzen sich seiner gleichfalls rühmenDio Chrysost. 33 p. 451 ed. Emper., Liban. or. 28 ad senat. 620, Io. Antiochen fr. p. 544 der Hist. Gr. vol. 4.. In Argos nannte man ihn in derselben Zeit als Sieger über den indischen Bacchus und seine Maenaden, ja Bacchus soll durch ihn den Tod gefunden haben und in den lernaeischen See versenkt worden 74 seinSchol. Il. 14, 319, Lobeck Agl. 573, Köhler Nonn. v. Panop. 89, vgl. Bd. 1, 548, [1727]., eine Tradition der lernaeischen Mysterien wie es scheint. Endlich fabelte man vom Rasten der Danae und dem Perseus zu Ardea an der latinischen Küste, wo Turnus darüber zum Helden aus argivischem Stamme geworden istVirg. A. 7, 371 vgl. Röm. Myth. 684..


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