Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

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V. Die Apotheose des Herakles.

Die Erzählung von der Apotheose des Herakles hatte in der älteren Poesie offenbar so wenig einen bestimmten Ort als die meisten andern Sagen von den Thaten und Leiden dieses Helden, welche sehr lange romanzenartig behandelt zu sein scheinen. Viele Dichter und Sagenschreiber ließen sie auf die Gigantomachie folgen, in welcher Herakles, der vom sterblichen Weibe Geborne, den Göttern helfen mußte und mit ihnen den Triumph über die bezwungenen Riesen feiertePind. N. 1, 68 ff., Eur. Herc. f. 177 ff., Diod. 4, 15, wo Herakles u. Dionysos nach der Gigantomachie unter die Olympischen Götter aufgenommen werden. Eben so sind die von Henzen Ann. d. Inst. 29, 101 sq. besprochenen Verse einer Inschrift an der Basis eines dem Herakles geweiheten Kraters mit seinen Arbeiten zu verstehen, wo es u. a. heißt: οὕς ποτ' ἄναξ ἐτέλεσσας ὑπερφιάλους ἀδίκους τε ἄνδρας ἰδ' ὠμηστὰς ϑῆρας ἐναιρόμενος. τῷ σε καὶ υἷα δίκῃ Κρονίδας ϑετὸν ἐγγυάλιξε, εὖτέ μιν ὑβρισταὶ φῶτες ἄτιμον ἄγον, wo diese Uebermüthigen offenbar die Giganten sind., andre auf den Cyclus der zwölf Kämpfe, entweder auf die Bezwingung des Höllenhundes, welcher Kampf nach dem Vorgange Homers bei den griechischen Dichtern gewöhnlich für den letzten und schwersten galt, oder auf den dessen Preis die Hesperidenäpfel in seiner Hand waren. Dagegen die trachinische und oetaeische Sage, welche mit der Selbstverbrennung auf dem diese Gegend beherrschenden Berge endigte, natürlicher Weise bei einem Ereigniß in der Nähe anknüpfte, und zwar bei der Zerstörung von Oechalia, dem entweder in der unmittelbaren Nähe von Trachis oder auf Euboea gelegenenS. oben S. 225. Ein Trachinier heißt Iphitos b. Schol. Pind. Ol. 9, 43.. Schon das epische Gedicht des Kreophylos von der Einnahme Oechalias erzählte die Apotheose vermuthlich in diesem Zusammenhange; für uns ist die Erzählung dieser Ereignisse in den Trachinierinnen des Sophokles die wichtigsteVgl. Apollod. 2, 7, 7, Diod. 4, 37 ff.. Es ist die Rache für jene schimpfliche Abweisung, welche Herakles zu diesem letzten Zuge treibt, da Eurytos ihm die schöne Iole, den Preis seines Bogens verweigerte, worüber Herakles den Iphitos gemordet hatte und sich dem 255 schmachvollen Dienste bei der Omphale unterziehen mußte. Er bricht auch hier gen Trachis auf, angeblich mit Arkadern d. h. Pheneaten, trachinischen Maliern und epiknemidischen Lokrern. Sein Verhältniß zur Iole ward als ein sehr leidenschaftliches geschildert. Daß Herakles von heftiger Liebe zu ihr entzündet war sagt Sophokles wiederholt und daß Iole diese Liebe, nachdem sie früher der Aphrodite widerstrebt hatte, nicht weniger leidenschaftlich erwiderte, verräth EuripidesSoph. Tr. 351 ff. 497 ff. Die Allmacht des Eros zeigt sich auch an dem sonst unbezwungenen Helden, wie Deianeira v. 441 mit Demuth anerkennt. Vgl. Eurip. Hippol. 549 δρομάδα τιν' Ἄιδος ὥστε βάκχαν σὺν αἵματι, σὺν καπνῷ φονίοις ϑ' ὑμεναίοισιν Ἀλκμήνας τόκῳ Κύπρις ἐξέδωκεν. Ion von Chios hatte eine Tragödie Εὐρυτίδαι gedichtet und verschiedene leidenschaftliche Züge sind bewahrt von Plut. Parall. 13, wo Iole sich von der Mauer stürzt, aber durch ihr sich bauschendes Gewand gerettet wird, wahrscheinlich durch die Vorsorge der Aphrodite, wie in der folgenden Geschichte, und b. Hygin f. 35, wo H. den Vater und die Brüder vor ihren Blicken tödtet und darauf die auch den Tod Erwartende als Gefangne davon führt, vgl. Seneca Herc. Oet. 205 ff. 422. u. Serv. V. A. 8, 291. Eine alterthümliche Darstellung der Schlacht auf einer Vase aus Vulci mit den Namen des Eurytos, der Iole (Ἰολείας) und denen von drei Söhnen des Eurytos ist herausgegeben von Minervini Nap. 1851.. Aus der Zerstörung der brennenden Burg, bei welcher ihr Vater und ihre Brüder durch blutigen Tod umkommen, folgt sie dem triumphirenden Sieger, auf welchen in Trachis die doppelt verlassene Deianeira in ängstlicher Spannung wartet. Herakles landet auf der Rückkehr bei dem Vorgebirge Kenaeon auf Euboea, der lokrischen Küste gegenüber, um hier auf von ihm geweihter Stätte seinem Vater Zeus zu opfern. Dazu sendet ihm Deianeira das mit dem Blute des aetolischen Kentauren getränkte Feierkleid. Als Herakles es anlegt und beim Opfer warm geworden ist, dringt ihm das schreckliche Gift in die Haut. In der ersten Wuth schleudert er den Lichas, der das Gewand überbracht hat, vom Vorgebirge ins Meer, wo sein Bild als Klippe aus dem Wasser hervorragteOvid M. 9, 226, Hygin f. 36, Meineke Vind. Str. 168. Λιχάδες hießen die Klippen beim Vorgeb. Kenaeon. Λίχας selbst ist dasselbe Wort wie λίϑος λιϑάς λιχάς vgl. ὄρνιχος ὄρνιϑος u. Vischer Erinn. a. Griechenl. 660. Von der Wirkung des Giftes s. Euphorion b. Meineke Anal. Alex. 96 und Statius Theb. 11, 234., reißt den festgeklebten Rock vom Leibe daß ganze Stücke Fleisch sich mit ablösen und leidet entsetzliche Qualen. Dann bringt man ihn zu Schiff nach Trachis, Deianeira nimmt sich das Leben, Herakles empfiehlt Iole seinem Sohne Hyllos, der sich später mit ihr vermählt. Der pythische Apoll befiehlt nun den leidenden 256 Helden auf den Gipfel des Oeta, eine wie die meisten Bergeshöhen dem Zeus geheiligte Stätte zu tragen. Hier wird ein mächtiger Scheiterhaufen errichtet, daher der Ort seitdem schlechthin Pyra hießLiv. 36, 30, auch Φρυγία, was dasselbe sagt, Kallim. Dian. 159, Steph. B. und Πρηστών, Lutat. Stat. Theb. 4, 158.. Keiner will diesen in Brand stecken, bis Poeas, der Vater des Philoktet aus Meliboea in Thessalien zufällig des Weges kommt und diesen Dienst verrichtet, wofür ihm Herakles seinen Bogen und den Köcher mit den immer tödtlichen Pfeilen schenkt, die von ihm auf seinen Sohn übergegangen sind, welcher von Andern anstatt des Vaters genannt wurdeVermuthlich zuerst bei Euripides und von daher auf dem römischen Theater, vgl. Cic. Tusc. 2, 7, 19, Seneca Herc. Oet. 1485 ff. 1604 ff., Hygin f. 102, Lactant. 1, 9, 11. Daher Lucan 6, 353 pretio nefandae lampados Herculis fortis Meliboea pharetris. Mela 5, 3 Philoctetes alumnus Meliboeam illuminat.. Darauf geschieht das Wunder, welches in der Geschichte des religiösen Glaubens der Völker von nicht geringem Interesse ist. Die einfachere Erzählung läßt den leidenden Helden einfach verschwindenLysias epitaph. 11 ἐπειδὴ Ἡρακλῆς ἐξ ἀνϑρώπων ἠφανίσϑη, der gewöhnliche Ausdruck für das »Nicht mehr gesehen werden« bei Griechen und Römern., die mythologische Gewölk über dem brennenden Scheiterhaufen zusammentreten und unter Donner und Blitz den Sohn des Zeus zum Himmel emportragenApollod. καιομένης δὲ τῆς πυρᾶς λέγεται νέφος ὑποστὰν μετὰ βροντῆς αὐτὸν εἰς οὐρανὸν ἀναπέμψαι. Um den Scheiterhaufen zu löschen entspringt das Flüßchen Dyras, Herod. 7, 198.. Für die Kunst ward ein bilderreicher Vorgang daraus, indem die Götter den Verklärten in den Himmel förmlich einführten, voran Athena, die auch nach der irdischen Laufbahn des Herakles mit seiner Verherrlichung stets beschäftigte, und Apollo, welcher ihn durch sein Orakel in die harte Knechtschaft des Eurystheus gebracht, aber dabei im voraus auf den Preis der Unsterblichkeit verwiesen hatteSchol. Il. 15, 639; 19, 119 nach Rhianos. Vgl. die Bildwerke am Amyklaeischen Thron: Ἀϑηνᾶ ἄγουσα Ἡρακλέα συνοικήσοντα ἀπὸ τούτου ϑεοῖς Paus. 3, 18, 7 und Ἡρακλῆς ὑπὸ Ἀϑηνᾶς καὶ ϑεῶν τῶν ἄλλων ἀγόμενος ἐς οὐρανόν ib. 19, 4 und das Gemälde des Artemon b. Plin. 35, 139 Herculem ab Oeta monte Doridos exuta mortalitate consensu deorum in caelum euntem. In demselben Sinne sind jene Vasenbilder aufzufassen, wo Athena den Herakles zu Wagen führt und Apollo Dionysos Hermes u. s. w. sie begleiten, z. B. bei Gerhard A. V. t. 136–140, desgleichen die Bildwerke der capitolinischen und der korinthischen Brunnenmündung.. Oder man dachte sich diese 257 Erhöhung wie eine Himmelfahrt, indem bald Athena bald Zeus bald die Siegesgöttin den mit neuer Jugend Bekleideten auf einem Viergespann zum Himmel emporführt, während unten die Dämonen des Waldes, Nymphen und Satyrn, mit der Löschung des Scheiterhaufens beschäftigt sindSo auf verschiedenen apulischen Vasen b. Millingen peint. de vas. pl. 36, Gerhard Ant. Bildw. t. 31, Mon. d. I. 4 t. 41, Bullet. Nap. 1855 t. 14. Vgl. Ovid M. 9, 271 quem pater omnipotens inter cava nubila, raptum quadriiugo curru radiantibus intulit astris und Welcker A. D. 3, 298 ff.. Oder man sagte, eine in der hellenistischen und römischen Zeit sehr beliebte Auffassung, daß das Feuer den sterblichen Theil des Herakles verzehrt und das Göttliche in ihm sich gereinigt und geläutert zu den Unsterblichen emporgeschwungen habeTheokr. 24, 82 δώδεκά οἱ τελέσαντι πεπρωμένον ἐν Διὸς οἰκεῖν μόχϑους, ϑνητὰ δὲ πάντα πυρὰ Τραχίνιος ἑξεῖ, γαμβρὸς δ' ἀϑανάτων κεκλήσεται. Lukian Hermot. 7 καϑαρόν τε καὶ ἀκήρατον φέρων τὸ ϑεῖον ἀνέπτατο ἐς τοὺς ϑεοὺς διευκρινηϑὲν ὑπὸ τοῦ πυρός. Seneca Herc. Oet. 1966 quiquid in nobis mortale fuerat ignis tulit, paterna coelo pars data est.. Im Himmel aber folgte zunächst die Versöhnung mit der Hera, deren Zorn die eigentliche Ursache seines mühsamen Lebens gewesen war und welche ihm fortan eine freundliche Mutter wurdeAuf die Versöhnung durch Zeus deutet das Spiegelbild b. Gerhard t. 147. Während den Alten die Vermählung mit der Hebe, also der Schwiegersohn genügte, ließ man Hera später den Herakles förmlich adoptiren, nach herkömmlichem Adoptionsritus wie ihn Diod. 4, 39 beschreibt vgl. Hesych δευτερόποτμος u. Bd. 1, 550, [1735]. Daher Hera b. Lykophr. 39 die δευτέρα τεκοῦσα des Herakles genannt wird und nach Ptolem. Heph. in Theben ein Hymnos gesungen wurde, in dem man ihn den Sohn des Zeus und der Hera nannte.. Ja sie gab ihm ihre einzige Tochter Hebe, das blühende Kind der Liebe des Zeus, die Personification des Genusses einer unsterblichen Jugend, deren Beilager mit Herakles nach Menschen und Olympischer Götter Art mit einem festlichen Schmause gefeiert wurde, bei welchem die Götter, wie Sappho dichtete, dem Herakles zuerst Ambrosia zutrankenSappho fr. 51 κῆ δ' ἀμβροσίας μὲν κράτηρ ἐκέκρατο, Ἑρμᾶς δ' ἕλεν ὄλπιν ϑεοῖς οἰνοχόησαι· κῆνοι δ' ἄρα πάντες καρχήσιά τ' ἦχον κάλειβον, ἀράσαντο δὲ πάμπαν ἔσλα τῷ γάμβρῳ. Die Vermählung an einem silbernen Altare im T. der Hera zu Myken, Paus. 2, 17, 6, auf einem apulischen Vasenbilde b. Gerhard t. 15. Herakles und Hebe als Paar in Phlius Aelian N. A. 17, 46 vgl. 1, 391, im Kynosarges P. 1, 19, 3.. Also wohnte der Vielgeprüfte fortan im Himmel wie er auf Erden angebetet wurde, als Gott unter den Göttern und Gemahl der Hebe, in ewiger Freude und Ruhe und in ewigem 258 Genusse der himmlischen FreudenVgl. die Bd. 1, 391, [1198] u. oben S. 168, [Anmerkung 609] citirten Stellen u.Pind. N. 1, 69 αὐτὸν μὰν ἐν εἰράνα καμάτων μεγάλων ἐν σχερῷ ἀσυχίαν τὸν ἅπαντα χρόνον ποινὰν λαχόντ' ἐξαίρετον ὀλβίοις ἐν δώμασι, δεξάμενον ϑαλερὰν Ἥβαν ἄκοιτιν καὶ γάμον δαίσαντα πάρ Δὶ Κρονίδᾳ σεμνὸν αἰνήσειν νόμον. Vgl. Soph. Philokt. 1413 ff., Eurip. Heraklid. 910 ff., Or. 1686 ff., Prop. 1, 13, 23, Ovid Tr. 3, 5, 42, Martial 9, 65, 13 u. A. Auch auf Vasenbildern erscheint Herakles oft als Gott unter den Göttern., welche sich die Alten so wenig wie die dieser Welt ohne ein sinnliches Genießen zu denken vermochten. Nur daß Herakles auch im Himmel derbe und unersättlich geblieben sein soll wie er es auf Erden war, daher auch sein Olympisches Dasein die Komiker zu travestirenden Bildern reizte, nachdem Epicharm die Hochzeit der Hebe in demselben Geschmack geschildert hatteἭβας γάμος von Epicharm, darin viel Schilderung von leckeren Tafelfreuden, Ahrens dial. Dor. 439 sqq. Vgl. Kallim. Dian. 159 οὐ γὰρ ὅ γε Φρυγίῃ περ ὑπὸ δρυὶ γυῖα ϑεωϑεὶς παύσατ' ἀδηφαγίας. Horat. Od. 4, 8, 31 Iovis interest optatis epulis impiger Hercules.. Dahingegen seine höhere Bedeutung für das menschliche Leben, die im Cultus überall anerkannte, in den Namen seiner beiden mit der Hebe im Himmel erzeugten Söhne hervortritt, Alexiares und Aniketos d. i. der Abwender alles Bösen und der UnbesiegbareἈλεξιάρης u. Ἀνίκητος Apollod. 2, 7, 7, jenes wie Hesiod sc. Herc. 29 ὄφρα ϑεοῖσιν ἀνδράσι τ' ἀλφηστῇσιν ἀρῆς ἀλκτῆρα φυτεύσαι vgl. O. D. 464 νειὸς ἀλεξιάρη παίδων εὐκηλήτειρα, Hesych, Et. M. v., Paus. 9, 25, 6.. Sie stellen die beiden Hauptstücke seiner göttlichen Verehrung dar, die des Herakles Kallinikos und des Alexikakos, also in demselben Sinne wie man den Dioskuren zwei Söhne gab, welche ihr schützendes und hülfreiches Wesen in besonderen dämonischen Personificationen vergegenwärtigtenS. oben S. 98. Auch die Apotheose der Psyche b. Apul. M. 6, 23. 24 ist zu vergleichen, welche der des Herakles nachgebildet ist. Sie wird nach ihrer Verklärung Mutter der Voluptas..


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