Paul, Hermann
Prinzipien der Sprachgeschichte.
Paul, Hermann

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352 Zwanzigstes Kapitel.

Die Scheidung der Redeteile.

§ 244. Die übliche Scheidung der Redeteile in den indogermanischen Sprachen, wie sie der Hauptsache nach von den antiken Grammatikern überkommen ist, beruht nicht auf konsequent durchgeführten logischen Prinzipien, sie ist vielmehr zu Stande gekommen unter Berücksichtigung sehr verschiedener Verhältnisse. Sie trägt daher den Charakter der Willkürlichkeit an sich. Ihre Mängel lassen sich leicht zeigen. Es würde aber nicht möglich sein etwas wesentlich Besseres an die Stelle zu setzen, so lange man darauf ausgeht, jedes Wort in eine bestimmte Klasse unterzubringen. Der Versuch, ein streng logisch gegliedertes System aufzustellen, ist überhaupt undurchführbar.

Es sind drei Punkte die bei der üblichen Einteilung massgebend gewesen sind: die Bedeutung des Wortes an sich, seine Funktion im Satzgefüge, sein Verhalten in Bezug auf Flexion und Wortbildung.

§ 245. Was den ersten Punkt betrifft, so korrespondieren zunächst die grammatischen Kategorieen Substantivum, Adjektivum, Verbum mit den logischen Substanz, Eigenschaft, Tätigkeit oder richtiger Vorgang.Schwerlich ist es richtiger, mit Wundt (II, 136) die Bezeichnung von Zuständen als die eigentliche Funktion des Verbums anzusehen. Aber wenn es auch die eigentliche Funktion des Substantivums ist eine Substanz zu bezeichnen, wozu ein Adj. oder Verb. nicht fähig ist, so gibt es doch auch substantivische Bezeichnungen der Eigenschaft und des Geschehens. Es gibt ferner Verba, die dauernde Zustände, Eigenschaften bezeichnen. Die Rücksicht auf die Bedeutung der Wörter an sich hat ferner dazu mitgewirkt, dass man die Pronomina und die Zahlwörter als besondere Klassen aufgestellt hat. Wenn man diese nun den Klassen der Substantiva und der Adjektiva koordiniert, so liegt darin ein starker logischer Fehler. Der Gegensatz von Subst. und Adj. geht 353 auch durch die Pronomina und Zahlwörter hindurch. Anderseits müsste man, wenn man auf dem Gebiete der Nomina die Pronomina und Zahlwörter als besondere Klassen ausscheidet, dieselbe Ausscheidung auch auf dem Gebiete der Adverbia vornehmen; denn bene - huc - bis verhalten sich zueinander wie bonus - hic - duo.

§ 246. Sieht man auf die Funktion im Satzgefüge, so könnte man die Wörter vielleicht zunächst scheiden in solche, die für sich einen Satz bilden, solche, die fähig sind als Satzglieder zu dienen, und solche, die nur zur Verbindung von Satzgliedern dienen, Verbindungswörter.

Unter die erste Klasse könnten wir die Interjektionen stellen, die isoliert als unvollkommene Sätze zu betrachten sind. Aber dieselben kommen doch auch als Satzglieder vor, die mit einem Subst. teils unmittelbar, teils durch Vermittlung einer Präposition zu einem Satze verbunden werden, vgl. wehe dem Lande, o über die Toren, mhd. ach mînes lîbes.

Ein vollkommenerer Satz mit Andeutung von Subj. und Präd. ist ursprünglich das Verb. finitum. Wir finden dasselbe aber daneben schon auf der ältesten überlieferten Stufe als blosses Präd. neben einem besonders ausgedrückten Subjekte und in unserer jetzigen Sprache nur so, abgesehen vom Imperativ. Es ist daher doch nicht möglich die Satznatur als Kennzeichen des Verbums hinzustellen. Und weiter sind die sogenannten Hilfszeitwörter zu Verbindungswörtern degradiert.

Die Verbindungswörter sind, wie wir § 206 gesehen haben, durch eine Gliederungsverschiebung aus selbständigen Wörtern entstanden. Dieser Prozess wiederholt sich immer von Neuem. Sie sind daher schon deshalb nicht scharf abzugrenzen. Dazu kommt, dass ein Wort innerhalb des Einzelsatzes, dem es angehört, Selbständigkeit haben, aber doch zugleich zur Verknüpfung dieses Satzes mit einem andern dienen kann. Sage ich z. B. ein Mensch der das glaubt ist ein Narr, so ist der innerhalb des Relativsatzes selbständiges Glied, aber zugleich Verbindungswort zwischen Haupt- und Nebensatz. Das Nämliche gilt überhaupt von dem relativen Pron. und Adv. Es gilt auch von dem Demonstrativum, soweit es auf den vorhergehenden oder folgenden Satz weist, dagegen wieder nicht, soweit es auf die vorliegende Anschauung geht.

Versuchen wir dann eine weitergehende Teilung, so verwickeln wir uns wieder in Schwierigkeiten. Das Subst. hat im Gegensatz zum Adjektivum und Verbum vor allem die Funktion als Subj. zu dienen und danach als Objekt im weitesten Sinne. Wenn neben den Substanzbezeichnungen auch solche Substantiva geschaffen sind, die eine Eigenschaft oder ein Geschehen bezeichnen, so beruht dies wohl anfänglich auf einer phantasievollen Anschauung, durch welche Eigenschaften und 354 Vorgänge zu Dingen oder Personen gestempelt werden. Weiterhin aber ist es eben die Fähigkeit der substantivischen Bezeichnungen beliebig als Subj. oder Obj. zu dienen, was die Veranlassung gibt, sie zu schaffen. Bei alledem aber kann doch wieder auch das Subst. attributiv und prädikativ verwendet werden wie ein Adj., und können anderseits auch andere Wörter als Subj. fungieren; ich meine nicht etwa bloss als psychologisches Subj. im weitesten Sinne, sondern auch als grammatisches Subj. in dem üblichen beschränkten Sinne. Vgl. Sätze wie frisch gewagt ist halb gewonnen, aufgeschoben ist nicht aufgehoben, hin ist hin, verloren ist verloren, grün ist die Farbe der Hoffnung; ehrlich währt am längsten, doppelt genäht hält gut, jung gefreit hat niemand gereut, allzu scharf macht schartig, gleich wieder ist die beste Bezahlung, geradezu gibt gute Renner. Auch als Obj. kann zuweilen ein Adj. erscheinen, vgl. er hält gut für böse; ferner abhängig von Präpositionen, vgl. schwarz auf weiss, aus arg ärger machen.

Wenden wir uns zu den Verbindungswörtern, so erregt die Klasse der Konjunktionen, wie sie gewöhnlich aufgestellt wird, allerhand Bedenken. Zunächst ist die Scheidung von den demonstrativen und relativen Adverbien, deren Stellung oben (S. 353) charakterisiert ist, eine ziemlich willkürliche, indem man z. B. wo als Adv., als, während als Konjunktionen bezeichnet. Im Einzelsatze unterscheidet man dann Präpositionen und Konjunktionen, je nachdem Kasusrektion stattfindet oder nicht, d. h. also im allgemeinen je nachdem Hypotaxe oder Parataxe stattfindet. Vollständig decken sich allerdings diese beiden Unterscheidungen nicht. Dagegen bezeichnet man alle Verbindungswörter, die Sätze untereinander verknüpfen, als Konjunktionen, während man doch hier auch den Unterschied zwischen Hypotaxe und Parataxe machen sollte. Man bezeichnet z. B. ehe, seit, während, wo sie im einfachen Satze auftreten, als Präpositionen, wo sie zur Verknüpfung von Sätzen dienen, als Konjunktionen, während doch die Funktion in beiden Fällen analog ist.Über die Verwendung von Präpositionen zur Einleitung von Nebensätzen im Engl. vgl. § 119.

§ 247. Am konsequentesten lässt sich noch die Scheidung nach der Flexionsweise durchführen. Und in der Tat wird danach die Scheidung in drei Hauptklassen gemacht, Nomina, Verba und flexionslose Wörter (Indeklinabilia, Partikeln). Aber auch hierbei zeigen sich die Nominalformen des Verbums und die substantivierten Indeklinabilia widerstrebend. Und zu einer weiteren Sonderung reicht die Rücksicht auf die Flexion nicht aus. Die indeklinablen Partikeln lassen sich danach überhaupt nicht weiter einteilen. Die Pronomina weichen in 355 der Flexion zum Teil von den übrigen Nomina ab, aber nur zum Teil und dann wieder untereinander. Der Unterschied zwischen substantivischer und adjektivischer Flexion ist kein durchgängiger. Auch die Bildbarkeit der Steigerungsformen kann nicht als entscheidendes Kennzeichen des Adjektivums gelten, da schon die Bedeutung mancher Adjektiva keine Steigerungsformen zulässt.

§ 248. Wenn demnach bei der üblichen Scheidung der Redeteile so verschiedenartige Rücksichten in Frage kommen, die miteinander in Konflikt geraten können, so ist es ganz natürlich, dass diese Scheidung überhaupt nicht wirklich durchführbar ist. Die dabei in Betracht kommenden Verhältnisse sind zu mannigfaltig und erscheinen in zu verschiedenartigen Kombinationen, als dass eine Einordnung in acht oder neun Rubriken genügen könnte. Es gibt eine Menge Übergangsstufen, vermöge deren ein allmählicher Übergang aus der einen Klasse in die andere möglich ist. Ein solcher Übergang erfolgt nach den allgemeinen Regeln des Bedeutungswandels und der Analogiebildung, wie wir sie in den voraufgehenden Kapiteln kennen gelernt haben. Verfolgt man diese Übergänge, so erhält man damit zugleich Aufklärung über die Ursachen, die ursprünglich eine Differenzierung der Redeteile hervorgebracht haben.

§ 249. Betrachten wir zunächst den Unterschied zwischen Subst. und Adj. Die formelle Scheidung beider beruht in den indogermanischen Sprachen auf der Wandelbarkeit des letzteren nach dem Geschlecht und auf der Bildung der Steigerungsformen. In einzelnen Sprachen haben sich dazu noch weitere Unterscheidungsmittel herausgebildet. So hat namentlich das germanische Adj. die Möglichkeit einer doppelten, wir können sogar sagen dreifachen Flexionsweise erlangt (vgl. gut - guter - der gute), wobei sich Formen finden, die in der Flexion der Substantiva gar keine Analogie haben.

Man ist auf Grundlage solcher Kriterien z. B. nicht zweifelhaft, dass man Hund für ein Subst., jung für ein Adj. erklären muss. Aber trotz aller formellen Differenzierung kann das Adj. ohne weiteres die Funktion eines Substantivums erhalten, zunächst okkasionell, dann auch usuell. Es findet dabei eine Bereicherung des Bedeutungsinhaltes statt, indem entweder die ganz allgemeinen Vorstellungen eines Dinges oder einer Person mit aufgenommen werden oder speziellere, aus der Situation sich ergebende (vgl. § 222). Diese Operation können wir okkasionell mit jedem beliebigen Adj. machen, welches denn auch unser jetziger Schreibgebrauch durch Verwendung der Majuskel als Subst. anerkennt. Durch traditionelle Verwendung kann sich dann aus dem substantivierten Adj. ein reines Subst. entwickeln, zumal wenn es gegen die sonstigen Formen des Adj. irgendwie isoliert wird. Der Fortschritt 356 in der Substantivierung bekundet sich hinsichtlich der Konstruktion namentlich durch die Verknüpfung mit einem attributiven Adjektivum, welches an Stelle des Adverbiums tritt, oder mit einem Gen., der eventuell an Stelle eines vom Adj. regierten Dativs tritt. Vgl. lat. bonum publicum, malum publicum, amicus fidelis; auch ohne dass die Substantivierung schon so traditionell geworden ist, sagt man nonnulli nostri iniqui, nonnullis invidis meis (vgl. Draeg. § 16); vgl. ferner engl. my like, equal, better, younger etc. (Mätzn. III, S. 232), his worthier (Milton); mhd. mîn gelîche (woher nhd. meines Gleichen). Dabei findet sich Mischung substantivischer und adjektivischer Konstruktion, vgl. lat. multorum bene factorum (Cic.). In anderer Weise vermischt sich die Auffassung, indem trotz der Substantivierung ein Superlativ gebildet wird: mei familiarissimi, pessimo publico (vgl. Draeg. § 16). Im Lat. geht die völlige Substantivierung ohne Schwierigkeiten vor sich, weil keine Abweichung in der Flexion besteht. Im Deutschen dagegen erinnert auch bei schon sehr fortgeschrittener Substantivierung doch die adjektivische Flexion an die ursprüngliche Natur des Wortes. Der Bekannte, Verwandte, Gesandte, Vertraute, Geliebte, Verlobte, Beamte, Bediente, Liebste werden jetzt als Substantiva empfunden und demgemäss konstruiert (der Bekannte des Mannes, mein Bekannter), aber als Adjektiva verraten sie sich noch durch den regelmässigen Wechsel starker und schwacher Flexion (der Bekannte - ein [mein] Bekannter), die entsprechenden Feminina dazu durch die schwache Flexion im Sing., die beim eigentlichen Subst. ausgestorben ist (der Bekannten gegen der Zunge). In vollständige Substantiva aber umgewandelt sind der Junge (ein Junge), der Greis (mhd. grîse vom Adj. grîs), der Jünger (die beide aus der schwachen Deklination in die starke übergetreten sind), Oberst. Älteren Ursprungs sind Feind, Freund, Heiland, mhd. wîgant (Kämpfer), vâlant (Teufel), alles alte Partizipia Präs., ferner Fürst (alter Superl.), Herr (alter Kompar. von hehr), Mensch (Adj. mennisch von man) und die Neutra Gut, Übel, Recht, Leid. Diese Verwandlung des Adjektivums in ein Subst. ist allbekannt und lässt sich in allen Sprachen nachweisen.

§ 250. Nicht so bekannt und viel interessanter ist der umgekehrte Vorgang, die Verwandlung eines Substantivums in ein Adj. Diese kommt zu Stande dadurch, dass etwas aus dem Bedeutungsinhalt ausgeschieden wird, indem mindestens von der Vorstellung einer Substanz abgesehen wird, so dass nur die der Substanz anhaftenden Qualitäten übrig bleiben. Okkasionell findet diese Verwandlung eigentlich schon statt, sobald ein Subst. als Präd. oder Attribut verwendet wird. Denn es werden dadurch der Substanz des Subjekts oder des bestimmten Wortes nur Qualitäten beigelegt, es wird nicht ausser dieser noch eine neue Substanz gesetzt. 357 Die Apposition nähert sich namentlich da der Natur des Adjektivums, wo sie zur Spezialisierung einer Gattung gebraucht wird, zumal wenn die Verbindung noch eine vom Normalen abweichende Kühnheit enthält. Vgl. griech. anê`r polítês, rhê'tôr, hoplítês etc., gunê` déspoina, sogar parthénos cheír; lat. exercitus victor (Liv.), tirones milites (Cic.), bellator equus (Virg., Ov.), bos arator (Sueton); franz. un dieu sauveur (Voltaire); flatteur und andere Wörter auf -eur müssen geradezu auch als Adjektiva angesehen werden. Die adjektivische Natur kann sich durch Beifügung eines eigentlich nur dem Adj. zukommenden Adverbiums bekunden; vgl. weg du Traum, so Gold du bist (Goe.); diesen Widerspruch, so Widerspruch als er ist (Le.); so Kriegerinn als sie war (id.); so Bedienter, so weit unter seinem Herrn er auch immer ist (id. und so öfter); man hält ihn zu sehr für Kind, wenn man sein Ganzes verwirft, und zu wenig für Kind, wenn man sein Probestück nicht ansehen will (Herder); so ist er Fuchs genug (Le.); lat. nemo tam puer est (Seneca); franz. il n'est pas si diable qu'il est noir (Sprichwort). Wendungen wie er ist Tor genug, zu sehr oder zu wenig Geschäftsmann sind ganz üblich.

Einige Substantiva werden im Nhd. in prädikativer Verwendung schon geradezu als Adjektiva empfunden, unterscheiden sich aber doch dadurch von wirklichen Adjektiven, dass sie nicht attributiv und mit adjektivischer Flexion gebraucht werden. Hierher ziehen lässt sich wohl schon Herr oder Meister sein (werden). Goethe sagt: als wenn sie (Narciss und Landrinette) Herr und Meister der ganzen Truppe wären. Hier zeigen die beiden Wörter noch substantivische Natur, insofern ein Gen. davon abhängt, aber zugleich sind sie wie prädikative Adjektiva behandelt, da sie sonst nicht unflektiert neben einem pluralischen Subjekte stehen könnten und ausserdem zu der einen weiblichen Person nicht passen würden. Noch entschiedener hierher zu ziehen ist einem feind sein wegen des Dativs. Ferner schuld sein, wobei sich die Isolierung gegenüber dem Subst. Schuld in der Orthographie zeigt; weniger entschieden es ist Not, Zeit, worin es von Hause aus Gen. ist. Noch weiter geht die Isolierung in es ist schade, indem das Subst. jetzt gewöhnlich Schaden lautet. Im Mhd. war die Entwickelung schon noch weiter gegangen. Hier wird schade auch als Prädikat zu persönlichen Subjekten gebraucht und es kommt auch ein Komparativ und Superlativ davon vor, z. B. im Trojanerkrieg Konrads v. Würzb. der was den Kriechen scheder dan iemen anders bî der zît;Auch von andern Substantiven kommen im Mhd. Steigerungsformen vor, selbst wo das Satzgefüge die Auffassung als Adj. nicht zulässt. So von zorn vgl. dô enkunde Gîselhêre nimmer zorner gesîn; von nôt, vgl. dîner helfe mir nie noeter wart; von durft vgl. wand im nie orses dürfter wart. Von Angst gibt es im älteren Nhd. einen Komp., vgl. also viel engster sol dir werden (Lu., s. DWb. I, 359a). In diesen Fällen hat nicht sowohl die Analogie des Adj. als die des Adv. gewirkt. Das zeigt schon die häufige Verbindung angst und bange (bange ist ursprünglich nur Adv.). In Gottfrieds Tristan 17845 heisst in was dô zuo einander vil anger und vil ander; ange ist Adv. zu enge, ande Subst. (Schmerz). Wir verwenden das Adv. noch so in mir ist wohl, weh. Lateinische Superlative aus Substantiven kommen bei Plautus vor: oculissime homo, patrue mi patruissime, jedoch wohl mit beabsichtigter komischer Wirkung. Lafontaine sagt le plus diable des chats. Über Steigerungsformen von Substantiven im Ungarischen vgl. Simonyi S. 245. 358 ferner wird dazu ein Adv. gebildet wie zu einem Adj. swie schade er lebe (Mhd. Wb. IIb 63b). Ebenso wie schade wird im Ahd. fruma (Vorteil) gebraucht, z. B. Otfrid III, 10, 33, ,nist' quad er thô ,fruma thaz` (es ist das kein Vorteil). Schon im Mhd. ist daraus ein wirkliches Adj. frum, nhd. fromm geworden. Man sagt ein frumer man etc. Wie sehr dabei die Grenzlinie verwischt wird, zeigt eine Stelle im Flore 1289 daz wirt in nütze unde frume (: kume), wo wir mit Rücksicht auf die Verbindung nütze das Adj., mit Rücksicht auf das auslautende e noch das Subst. annehmen müssten. Auch das Adj. ernst, welches bei Luther zuerst auftritt, ist auf die nämliche Weise wie fromm aus dem Subst. entstanden. Das Subst. Geck ist in nieder- und mitteldeutschen Dialekten zum Adj. geworden. Entwicht aus mhd. ein wiht, enwiht (eigentlich »ein unbedeutendes Wesen« = »gar nichts, nichtig«) ist im sechzehnten Jahrh. vollständiges Adj., vgl. entwicht vnd ark (H. Sachs), du bist vil entwichter (id.), die bös entwichten (Ayrer).

Der nämliche Prozess hat sich schon in einer viel früheren Sprachperiode vollzogen. Sämtliche sogenannte Bahuvrîhi-Komposita sind ursprünglich Substantiva. Denn ein rhododáktulos, barúthumos, bathúthrix, eúelpis, magnanimus, ignipes, misericors sind ja eigentlich `Rosenfinger, Schwermut, Tiefhaar, gute Hoffnung, Grossinn, Feuerfuss, mitleidiges Herz'. Der substantivische Ursprung dokumentiert sich zum Teil noch in einem mangelhaften Ausdruck der adjektivischen Funktion. Die Maskulinform rhododáktulos muss auch für das Femininum dienen.

Etwas anders verlaufen ist die Entwickelung bei barfuss aus bar vuoz (blosser Fuss). Dasselbe wurde zunächst als Nom. oder Akk. absolutus gebraucht in der Verbindung barvuoz gân. Jetzt wird es als Adj. empfunden. Wirkliche adjektivische Flexion findet sich z. B. bei Hans Sachs: mit barfussen Füssen.Noch eine andere Art des Überganges ist § 166 besprochen.

§ 251. Wenn wir davon absehen, ob das Nomen unter der Kategorie Ding aufgefasst wird oder nicht, so gibt es allerdings noch in einer andern Richtung einen Gegensatz zwischen Subst. und Adj. Das Adj. bezeichnet eine einfache oder als einfach vorgestellte Eigenschaft. das Subst. schliesst einen Komplex von Eigenschaften in sich. 359 Betrachten wir diesen Unterschied als die Hauptsache, so können wir allerdings orator in einer Verbindung wie Cicero orator oder Cicero est orator noch als ein reines Subst. fassen. Aber dieser Unterschied ist wieder nicht festzuhalten. Er kreuzt sich mit den andern Unterschieden, vgl. einerseits Adjektiva wie königlich, kriegerisch etc., anderseits substantivierte Adjektiva wie der Gute. Auch zwischen diesen Gegensätzen gibt es eine Vermittelung, die unvermerkt von dem einen zum andern hinüberführt. Der Übergang aus der Bezeichnung einer einfachen Eigenschaft in die eines Komplexes von Eigenschaften geht so vor sich, dass ein substantiviertes Adj. kat' exochê'n gebraucht und in dieser Gebrauchsweise traditionell wird. Wer das Wort zuerst so gebraucht, der ergänzt die Vorstellungen, die in der bisher üblichen Bedeutung des Wortes noch nicht ausgedrückt sind. Einem späteren aber, dem dieser Gebrauch übermittelt wird, können sich von Anfang an die ergänzten Vorstellungen ebenso direkt an den Lautkomplex anfügen wie die Grundvorstellung, und diese braucht sich ihm nicht mehr vor den andern ins Bewusstsein zu drängen. Wenn dies nicht mehr geschieht, so ist von seiten der Bedeutung der Übergang zum Subst. vollkommen, und durch weitere Isolierungen kann dann die gänzliche Loslösung vom Adj. eintreten, vgl. die oben angeführten Beispiele.

Der umgekehrte Vorgang, dass in einer Komplikation von Eigenschaften alle übrigen gegen eine einzelne zurücktreten, lässt sich an adjektivischen Ableitungen aus Substantiven beobachten, die sich zu Bezeichnungen ganz einfacher Qualitäten entwickeln. Besonders lehrreich sind in dieser Hinsicht die Farbenbezeichnungen, vgl. griech. porphúreos von porphúra (Purpurschnecke), phoiníkeios von phoínix, aérinos (luftfarben), mê'linos (quittengelb), lat. coccinus von coccum (Scharlachbeere), croceus, crocinus von crocus, luteus von lutum (Wau), miniaceus von minium (Zinnober), niveus, roseus, violaceus. In allen diesen Wörtern liegt an und für sich keine Beschränkung der Beziehung auf die Farbe des mit dem Grundworte bezeichneten Dinges, und sie werden zum Teil auch ohne diese Beschränkung verwendet, vgl. unguentum crocinum, vinculum roseum (Rosenkranz) etc. Auch Substantiva können direkt zu Farbenbezeichnungen werden, vgl. porphúra, coccum, crocus, lutum und die modernen lila (= lilac spanischer Flieder), rosa, die auch adjektivisch verwendet werden (ein rosa Band).

Nach Massgabe dieses Vorganges ist die erste Entstehung von Bezeichnungen für einfache Qualitäten zu beurteilen. Dass diese jünger sind als die Bezeichnungen für Komplikationen ist selbstverständlich, wenn wir davon ausgehen, dass ganze Anschauungen die allererste Grundlage sind. Auch hier kann es anfänglich nur die momentane 360 Auffassung des Sprechenden gewesen sein, wodurch die übrigen in dem Komplexe enthaltenen Qualitäten von der einen in den Hintergrund gedrängt sind. Es ist das im Grunde derselbe Prozess, wie bei der bildlichen Verwendung eines Wortes. Wenn wir z. B. sagen der Mensch ist ein Esel, ein Ochse, ein Schaf, ein Fuchs, so haben wir dabei immer nur eine bestimmte Eigentümlichkeit des betreffenden Tieres im Auge und abstrahieren von den sonstigen Eigenschaften. Dies ist nur möglich, wo ein Wort prädikativ oder attributiv gesetzt wird. Denn sowie man die Vorstellung eines selbständigen Dinges damit verbindet, verbindet man auch die Vorstellung des ganzen Komplexes von Eigenschaften damit. Indem bei einer Anzahl von Wörtern, die sich dazu besonders eigneten, die Verwendungsweise traditionell wurde, war der erste Ansatz zur Bildung einer besonderen Wortklasse gemacht.

§ 252. Auch der Unterschied zwischen Nomen und Verbum ist trotz der stärkeren formellen Differenzierung kein absolut fester. Es sind sehr verschiedene Punkte, durch welche das Verb. gegenüber dem Nom. charakterisiert ist: Personalendung, Unterscheidung von Aktivum und Medium oder Passivum, Modus- oder Tempusbezeichnung. Es ergibt sich danach die Möglichkeit der Existenz von Formen, die nur einen Teil dieser Charakteristika an sich tragen, und der Spielraum der Mannigfaltigkeit erweitert sich noch dadurch, dass solche Formen die positiven Charakteristika des Nomens, Kasusbezeichnung und Geschlechtsunterschied an sich tragen können oder nicht. Und endlich ist bei einer Differenzierung der Konstruktionsweise des Verbums und Nomens die Gelegenheit zu mannigfachen Übergängen und Vermischungen gegeben.

Gewöhnlich werden die Personalendungen als das eigentlich formelle Charakteristikum des Verb. angesehen. Danach würden Part. und Inf. von den Verbalformen ausgeschlossen, genau genommen auch viele Formen der 2. Sg. Imp.; denn ein bálle oder bále ist nichts anderes als der blosse Stamm des Präs. oder Aor. Die Personalendungen sind demnach, wenn wir von der 2. Sg. Imp. absehen, ursprünglich ein notwendiges Erfordernis für die Funktion des Verbums als normaler Satz und weiterhin für seine Funktion als Präd. oder Kopula im normalen Satze. Sie sind aber doch kein absolutes Erfordernis zur Satzbildung, und andere Eigentümlichkeiten des Verbums sind von ihnen ganz unabhängig.

§ 253. Der Bedeutungsgegensatz, in den man gewöhnlich das Verb. zum Adj., respektive dem prädikativ oder attributiv gebrauchten Subst. setzt, hat mit den Verbalendungen an sich nichts zu schaffen. Er kann ohne dieselben bestehen und kann trotz ihnen fehlen. Ein griechisches enkoteîs, basileúeis kann gerade soviel bedeuten wie énkotos eî, basileùs eî. Der Gegensatz ist nur so lange scharf, als das Adj. 361 (Subst.) eine bleibende Eigenschaft, das Verb. einen zeitlich begrenzten Vorgang ausdrückt. Nun kann aber das Adj. nicht bloss zur Bezeichnung einer zum Wesen eines Dinges gehörigen Eigenschaft, sondern auch zur Bezeichnung einer vorübergehenden Eigenschaft gebraucht werden, und damit nähert es sich dem verbalen Charakter. Umgekehrt kann das Verb. auch zur Bezeichnung von Zuständen, auch von bleibenden Zuständen gebraucht werden. Wie nahe sich die beiden Bedeutungen des sich Befindens und des Geratens in einen Zustand miteinander berühren, haben wir oben § 191 gesehen.

§ 254. Indem sich mit adjektivischer Form und Funktion die Bedeutung eines zeitlich begrenzten Vorganges verbindet, entsteht das Partizipium, welches vor allem den Wert hat, dass es den Ausdruck für ein Geschehen in bequemer Weise attributiv zu verwenden ermöglicht. Wir können den Übergang aus dem eigentlichen Adj. in das Part. in mehreren Fällen historisch nachweisen. Unter andern gilt dies von dem deutschen sogenannten Part. Perf. oder Prät. (gegeben, gelegt), welches so entstanden ist, dass die aus dem Idg. übernommenen Adjektiva auf -no- und -to- sich in der Bedeutung an die aus der gleichen Wurzel gebildeten Verba derselben angelehnt haben, was dann weiterhin auch manche formale Anlehnungen zur Folge gehabt hat. Ebenso verhält es sich mit dem lateinischen und slawischen Part. Perf. Wir müssen eine entsprechende Entstehung auch für die älteren, schon im Idg. vorhandenen Partizipia annehmen. Wir dürfen ganz gewiss nicht, wie es von manchen Seiten her versucht ist, die Kategorie des Adj. aus der des Part. entstehen lassen, sondern umgekehrt die erstere muss vollkommen entwickelt gewesen sein, bevor die letztere entstehen konnte. Sie wird ausgegangen sein von Formen, die ebensowohl als Ableitungen aus dem Präsens- oder Aoriststamm aufgefasst werden konnten wie als Ableitungen aus der Wurzel, nach deren Muster dann Adjektivformen zu andern Verbalstämmen gebildet wurden.

Die Teilnahme an dem Tempusunterschiede ist der charakteristische Unterschied des Part. von dem sogenannten Verbaladjektive. Eine weitere Konsequenz der Anlehnung an die Formen des Verb. ist die Übernahme der Konstruktionsweise desselben. Als Nomen wird das Part. nur in Rücksicht auf das Subst. konstruiert, zu dem es als Attribut gestellt wird. Es kann sich aber noch weiter von dem nominalen Charakter entfernen, in dem es seinen besonderen Weg in der Weiterbildung der Konstruktionsweise geht. Dadurch, dass in unserem er ist gegangen, er wird gefangen, er ist gefangen worden Kasus und Geschlecht nicht mehr erkenntlich gemacht werden, ist auch das Gefühl für den nominalen Charakter geschwächt, wenn auch die Konstruktion in den beiden ersten Verbindungen die des gewöhnlichen Adjektivums ist, in der letzten sich 362 davon nur durch das worden gegen sonstiges geworden abhebt. Eine völlige Loslösung von der Konstruktionsweise eines Adj. müssen wir in er hat ihn gefangen, er hat geruht etc. anerkennen. Zwar lässt sich historisch nachweisen, dass ersteres ursprünglich so viel ist wie `er hat ihn als einen Gefangenen', aber das ist für das jetzige Sprachgefühl gleichgültig. Früher sagte man habet inan gifanganan, und damals war natürlich der nominale Charakter unverkennbar. Eigentümlich sind die Verhältnisse bei den entsprechenden Verbindungen in den jetzigen romanischen Sprachen. Es lässt sich daran deutlich der Übergang aus der allgemein adjektivischen in die speziell partizipiale Konstruktion beobachten. Im Franz. sagt man zwar j'ai vu les dames, aber je les ai vus, les dames que j'ai vues. Im Italienischen kann man auch noch sagen ho veduta la donna, ho vedute le donne neben ho veduto. Im Spanischen ist die Flexion bei der Umschreibung mit haber schon überall getilgt; man sagt la carta que he escrito gerade wie he escrito una carta. Aber bei der erst später üblich gewordenen Umschreibung mit tener ist sie umgekehrt überall gewahrt: tengo escrita una carta wie las cartas que tengo escritas.

Umgekehrt aber kann das Part. stufenweise wieder zu rein nominaler Natur zurückgeführt werden. Diese Rückführung ist eigentlich schon vollzogen, wenn das Part. Präs. für die dauernde oder sich wiederholende Tätigkeit, das Part. Perf. für das Resultat der Tätigkeit verwendet wird, wie ja jede Form des Präs. oder Perf. verwendet werden kann. Eine Gebrauchsweise kat' exochê'n oder im metaphorischen Sinne oder sonst irgend eine Art von Isolierung kann die Verwandlung vollständig machen, vgl. Beispiele wie schlagend, treffend, reizend, zwingend, bedeutend, getrieben, gelungen, berufen, verstorben, verzogen, verschieden, bekannt, unumwunden, verlegen, gewogen, verwegen, erhaben, bescheiden, trunken, vollkommen etc. Selbst die Verbindung mit einem andern Worte nach den Gesetzen verbaler Konstruktion hindert diesen Prozess nicht, nur dass dann das Ganze im Stande sein muss, sich an die Analogie nominaler Komposition anzulehnen, vgl. ansprechend, auffallend, ausnehmend, anwesend, abwesend, zuvorkommend, hochfliegend, hellsehend, wohlwollend, fleischfressend, teilnehmend; abgezogen, ausgenommen, hochgespannt, neugeboren, wohlgezogen etc.

Als ein Charakteristikum für die Verwandlung in ein reines Adj. kann die Bildung eines Komparativs und Superlativs angesehen werden. Bisweilen erscheint dieselbe jedoch neben verbaler Konstruktion, vgl. dazu erschien mir nichts wünschenswerteres, den Charakter der Nation ehrenderes (Goe.); die Östreich kräftigendsten Elemente (Köln. Zeit.).Andr. 119ff. 363 Ein anderes Kriterium ist die Konstruktionsweise, z. B. die Verbindung mit einem Gen. im Lat.: amans tuorum ac tui (Cic.), religionum colentes (id.), solitudinis fugiens - societatis appetens (id.).Draeger, § 297.

Zum Subst. wird das Part. wie jedes Adj., und das substantivierte Part. kann wie das adjektivische eine momentane Tätigkeit oder einen Zustand bezeichnen. Es kann auch ebenso wie dieses substantiviert werden, vgl. der Liebende, Vorsitzende, Geliebte, Gesandte, Abgeordnete, Beamte (= beamtete), mhd. der varnde, gernde (beide = Spielmann), aus älterer Zeit Heiland, Freund, Feind etc., Zahn = lat. dens = gr. odoús (Part. zu essen, edere).

§ 255. Auch das Nomen agentis kann ebenso wie das Part. entweder eine momentane oder eine dauernde resp. sich wiederholende Tätigkeit bezeichnen. In der ersten Verwendung bleibt es immer eng an das Verb. angeschlossen, und es wäre recht wohl denkbar, dass es ebenso wie das Part. einmal verbale Konstruktionsweise annähme, dass man etwa sagte der Erzieher den Knaben, wie man ja wenigstens im Kompositum Knabenerzieher den ersten Bestandteil als Akk. empfindet und in Analogie zu Knaben erziehen setzt. Schon in Verbindungen wie der Sieger in der Schlacht, der Befreier aus der NotVgl. noch auffallendere Verbindungen mit Präpositionen bei Andr. S. 209. ist verbaler Charakter ersichtlich, noch mehr in solchen wie griech. upêrétês toîs nómois oder gar lat. dator divitias, justa orator. Umgekehrt kann das Nom. agentis als Bezeichnung dauernder oder wiederholter Tätigkeit sich mehr und mehr dem Verb. gegenüber isolieren und damit schliesslich überhaupt den Charakter eines Nom. agentis einbüssen, vgl. Schneider, Beisitzer, Ritter, Herzog (Heerführer) etc.

§ 256. Noch ein anderer Weg führt vom Verb. zum Nom. Neben den Nomina agentis stehen die Nomina actionis. Diese können wie die substantivischen Eigenschaftsbezeichnungen ihren Ursprung nur einer Metapher verdanken, indem die Tätigkeit unter der Kategorie des Dinges aufgefasst wird. Auch sie können eine momentane oder eine dauernde wiederholte Tätigkeit bezeichnen. Auch sie können sich der verbalen Konstruktion nähern, vgl. die Befreiung aus der Not, hê toîs nómois hupêresía, Knabenerziehung. Und es ist wieder die Bezeichnung der dauernden, wiederholten Tätigkeit, die zum Verlust des Charakters eines Nomens actionis führt. Es entwickelt sich daraus die Bezeichnung eines bleibenden Zustandes, vgl. Besinnung, Bewegung, Aufregung, Verfassung, Stellung, Stimmung.

Von hier aus ist dann auch eine Weiterentwickelung zu Dingbezeichnungen möglich, wie schon oben § 70 gezeigt ist. Dabei kann 364 das Korrespondieren der Bedeutung mit der des Verbums abgebrochen werden, vgl. Haltung, Regung, Gleichung, Rechnung, Festung etc. Und durch weitere Isolierung kann dann jede Spur des verbalen Ursprungs vernichtet werden.

§ 257. Soweit verhält sich das Nom. actionis dem Nom. agentis analog. Es wird aber auch dem verbalen Charakter noch weit mehr angenähert als dieses, weiter sogar als das Adj. (Part.), nämlich dadurch, dass aus ihm der Infinitiv (das Supinum) entspringt. Der Inf. verhält sich in sehr vielen Beziehungen dem Part. analog. Aber während dieses im allgemeinen die adjektivische Form und die adjektivische Konstruktionsweise neben der verbalen bewahrt und nur hie und da mit Aufhebung der formellen Charakteristika des Adj. für sich eine eigenartige Konstruktionsweise entwickelt, so ist für den Inf. Isolierung gegenüber der Form und Konstruktionsweise des Nomens Bedingung seiner Entstehung. Der Inf. ist, wie die formelle Analyse beweist, ein Kasus eines Nom. actionis und muss ursprünglich nach Analogie der sonst für die Verbindung des Nomens mit dem Verb. geltenden Konstruktionsweisen gesetzt sein. Aber er darf als Kasus nicht mehr empfunden werden, die Konstruktionsweise darf nicht mehr in Analogie zu den ursprünglichen Mustern gesetzt werden, oder es ist noch kein Inf. Die isolierte Form und die isolierte Konstruktionsweise werden dann die Basis für die Weiterentwickelung. Die Form und Konstruktionsweise des Inf. ist nach der einen Seite hin verbal wie die des Part., nach der andern Seite hin aber nicht nominal, sondern spezifisch infinitivisch.

Auch für den Inf. gibt es eine stufenweise Rückkehr zu nominaler Natur, aber er findet dabei mehr Hindernisse als das Part. wegen des Mangels der Flexion. Die Annäherung an den nominalen Charakter zeigt sich daher, solange nicht besondere Unterscheidungsmittel angewendet werden, zunächst in solchen Fällen, wo die Charakterisierung durch eine Flexionsendung am wenigsten erforderlich ist, d. h. in der Verwendung als Subjekt oder Objekt. In Satzformen wie wagen gewinnt, lat. habere eripitur, habuisse nunquam (Sen.), vollends in solchen wie hic vereri (= verecundiam) perdidit (Plaut.) dürfen wir wohl mit Sicherheit annehmen, dass der Inf. nach Analogie eines Nomens konstruiert ist. Weniger sicher ist das in solchen wie ich lasse schreiben, ich lerne reiten. Jedenfalls, wenn hier einmal der Inf. nach Analogie eines Objektsakkusativs gesetzt ist, so ist diese Analogie für das jetzige Sprachgefühl nicht mehr vorhanden. Schon weniger leicht tritt die Verbindung mit Präpositionen ein. Im Mhd. ist besonders durch mit dem Inf. üblich; in der römischen Volkssprache tritt die Verbindung von Präpositionen mit dem Inf. an die Stelle des Gerundiums (ad legere für ad legendum etc.); ebenso zuweilen bei Dichtern und späten Prosaikern: 365 praeter plorare (Hor.), multum interest inter dare et accipere (Sen.). Eine weitere Annäherung des Inf. an das Nom. bedarf besonderer begünstigender Umstände. Es gelangen dazu im allgemeinen nur solche Sprachen, die in dem Artikel ein Mittel der Substantivierung und Kasusbezeichnung haben. Daher ist das Griechische in dieser Beziehung weiter gegangen als das Lateinische, in welchem letzteren allerdings doch auch Demonstrativpronomina eine ähnliche Wirkung haben können, vgl. totum hoc philosophari (Cic.), inhibere illud tuum (id.). Das Nhd. aber und die romanischen Sprachen sind wieder weiter gegangen als das Griechische, indem in ihnen der Inf. auch rücksichtlich der Flexion dem reinen Nomen gleichgesetzt wird. Diese Gleichsetzung ist in den romanischen Sprachen durch die allgemeine Tilgung des Kasusunterschiedes ermöglicht. Das Altfranzösische und Provenzalische gehen aber auch soweit dem Inf. das Nominativ -s zu geben: li plorers ne t' i vaut rien; meliers chanza es donars que penres. Für das Nhd. kommt einerseits der Umstand in Betracht, dass die Kasusunterschiede bei den Substantiven auf -en bis auf den Gen. getilgt sind, anderseits die Anlehnung des Gerundiums (mhd. gebennes, ze gebenne) an den Inf., mit dem es ursprünglich gar nichts zu tun hat.

Bei dieser Entwickelung sind auch verschiedene Stufen in Bezug auf die Beibehaltung der verbalen Konstruktion möglich. Ohne Beifügung eines Artikels oder Pronomens findet sie in der Regel statt, vgl. z. B. mhd. durch behalten den lîp, durch âventiure suochen. Im Griech. hindert auch der Artikel nicht; man sagt tò skopeîn tà prágmata, tò heautoùs exetázein, epì tô^ beltíô katastê^sai tê`n hautô^n diánoian. Im Nhd. ist, der Annahme der nominalen Flexion entsprechend, die verbale Konstruktion auf dasselbe Mass beschränkt wie beim Nom. actionis. Im Mhd. dagegen kommt zuweilen noch echt verbale Konstruktion vor; ja sogar ein auf den Inf. bezogenes Relativum kann verbale Konstruktion haben, vgl. Hartmann Greg. 2667 des scheltens des in der man tete; Tristan 1067 diz sehen daz ich in hân getân. Auch in den romanischen Sprachen findet sich verbale Konstruktion des mit Artikel oder Pron. versehenen Infinitivs neben nominaler, vgl. it. al passar questa valle (aber auch il trapassar del rio); span. el huir la occasion (aber auch al entrar de la ciudad); afranz. au prendre le congié, noch bei Montaigne il se penoient du tenir le chasteau; ferner it. il conoscer chiaramente, span. el bien morir, afranz. son sagement parler.

Sobald der durch die Flexion bewirkte Abstand zwischen Inf. und Nomen getilgt ist, steht der Verwandlung des ersteren in ein reines Nomen nichts mehr im Wege und diese ist daher im Nhd. sehr häufig, auch in den romanischen Sprachen nicht selten, vgl. nhd. Leben, Ableben, 366 Leiden, Scheiden, Schreiben, Tun und Treiben, Wesen, Vermögen, Betragen, Belieben, Einkommen, Abkommen, Auskommen, Ansehen, Aufsehen, Andenken, Vorhaben, Wohlwollen, Wohlergehen, Gutdünken etc.; franz. être, plaisir, pouvoir, savoir, savoir-faire, savoir-vivre etc. Dabei können dieselben Bedeutungsveränderungen eintreten wie sonst bei den Nomina actionis und dieselbe Isolierung dem Verbum gegenüber.

§ 258. Die Adverbia sind, soweit wir ihren Ursprung erkennen können, fast durchweg aus erstarrten Kasus von Nominibus hervorgegangen, teilweise aus der Verbindung einer Präposition mit einem Kasus. Es ist danach zu vermuten, dass auch die älteste Schicht der Adverbia auf ähnliche Weise aus Nominibus hervorgegangen ist, nur mit dem Unterschiede, dass dieser Prozess vor die Entwickelung der Flexion fällt, und dass daher noch nicht ein Kasus, sondern die reine Stammform zur Verwendung gekommen ist. Das Adv. hat die nächste Verwandtschaft mit dem Adj. Es verhält sich zunächst zum Verbum, dann auch zum Adj. analog wie ein attributives Adj. zu einem Subst. Diese Proportionalität zeigt sich dann auch darin, dass im allgemeinen aus jedem beliebigen Adj. ein Adv. gebildet werden kann.

Die formelle Scheidung des Adjektivums von dem Adv. beruht auf der Flexionsfähigkeit des ersteren und der dadurch ermöglichten Kongruenz mit dem Subst. Wo dies formelle Kriterium fortfällt, da kann auch die Scheidung von dem Sprachgefühl nicht mehr strikt aufrecht erhalten werden. Im Nhd. ist sie wirklich zum Teil durchbrochen, nachdem das Adj. in prädikativem Gebrauche unveränderlich geworden ist, und nachdem der im Mhd. meist noch bestehende Unterschied zwischen der flexionslosen Form des Adj. und dem Adv. (starc - starke, schoene - schône, guot - wol, bezzer - baz) aufgehoben ist. Wir haben eigentlich kein Recht mehr gut in Sätzen wie er ist gut gekleidet, er spricht gut und gut in Sätzen wie er ist gut, man hält ihn für gut einander als Adv. und Adj. gegenüberzustellen. Das Sprachgefühl weiss von diesem Unterschiede nichts. Das ersieht man am besten daraus, dass die Adverbialform des Superlativs in die Stelle eingerückt ist, die sonst der flexionslosen Form des Adj. zukommt. Man sagt es ist am besten und selbst du bist am schönsten, wenn etc.

Anderseits nehmen in verschiedenen Sprachen manche Adverbia neben einem Adjektivum adjektivische Flexion an. So sagt man im Franz. toute pure, toutes pures; entsprechend it. tutta livida, span. todes desnudos etc.; ebenso it. mezza morte, span. medios desnudos. Auch in vielen deutschen Mundarten sagt man ein ganzer guter Mann, eine ganze gute Frau; solche schlechte Ware; eine rechte gute Frau (Le.).

Die Funktion des Adjektivums stimmt besonders überein mit der des Adverbiums neben Nomina actionis und agentis, vgl. eine gute 367 Erzählung, ein guter Erzähler. Hier bezeichnet das Adj. genau so die Art und Weise eines Vorganges wie sonst das Adv. Die letztere Verbindung ist aber zweideutig, indem man gut auch auf die Person des Erzählers überhaupt beziehen kann. Diese Zweideutigkeit würde vermieden werden, wenn man etwa für den einen Fall nach Analogie der verbalen Konstruktion das Adv. anwendete; und so sagt man im Engl. an early riser. Im Deutschen helfen wir uns durch Vereinigung der Begriffe in ein Wort, vgl. Frühaufsteher, Langeschläfer, Schönschreiber, Feinschmecker etc., Ableitungen aus früh aufstehen etc. Die berührte Zweideutigkeit ist übrigens nicht auf die Nomina agentis beschränkt, vgl. ein guter Kutscher, ein arger Narr, ein grosser Esel, ein junger Ehemann. Das Adj. kann entweder auf die Person schlechthin bezogen werden oder auf die Eigenschaft, welche ihr durch das Subst. beigelegt wird. Im letzteren Falle verhält es sich zu dem Subst. wie ein Adv. zu dem Adj., das es bestimmt. Entsprechend verhält sich das Adj. zu substantivischen Qualitätsbezeichnungen vgl. die hohe Vortrefflichkeit, grosse Güte.

Da Adj. und Adv. derartig miteinander korrespondieren, so ist auch das Bedürfnis vorhanden für jeden einzelnen Fall beides neben einander zu haben. Nun gibt es aber eine grosse Menge von Adverbien, die nicht aus einem Adjektivum abgeleitet sind, und die daher auch kein solches zur Seite haben. Hier treibt das Bedürfnis dazu auf das Adv. auch die Funktion des Adjektivums zu übertragen. Am leichtesten wird das Adv. prädikativ verwendet, indem neben ihm das Verb. ebenso wie neben dem Adj. zum Verbindungswort herabgesunken ist. In Sätzen wie er ist da, er ist auf, die Tür ist zu, alles ist vorbei, er wird mir zuwider wird die Konstruktion vom Sprachgefühl nicht anders aufgefasst als in solchen wie die Tür ist geschlossen, er wird unangenehm. Das Adv. tritt aber auch, indem es einem Subst. als Bestimmung beigefügt wird, auf gleiche Linie mit dem adjektivischen Attribut. Wenn wir im Nhd. sagen der Berg dort, die Fahrt hierher, der Baum drüben, so liegt die Gleichstellung mit dem Adj. noch fern wegen der abweichenden Stellung. Anders steht es schon mit lateinischen (nicht häufigen) Konstruktionen wie nunc hominum mores vides? (Plaut.), ignari sumus ante malorum (Virg.), discessu tum meo (Cic.).Vgl. Draeger § 79. Am meisten aber nähert sich das Adv. der adjektivischen Funktion, wo es zwischen Art. und Subst. eingeschoben wird, wie im Griech.: tê`n ekeî paídeusin, tê`n plêsíon túchên, tô^ nûn génei, hê lían truphê'; im Engl. on the hither side, the above discourseVgl. Mätzner III, S. 148. 9.; im Span.: la sempre señora mia. Im Nhd. ist eine derartige Verwendung des Adv. nicht möglich. Man hat um dem 368 Bedürfnis zu genügen flektierbare Wörter geschaffen. Einerseits durch sekundäre Ableitungen, die nur attributiv, nicht prädikativ verwendet werden, vgl. alleinig, hiesig, dortig, obig, jetzig, vorig, nachherig, sofortig, alsbaldig, vormalig, diesseitig; seltener solche, die auch prädikativ verwendet werden wie niedrig, übrig (auch alleinig in oberdeutschen Mundarten). Anderseits haben manche Adverbia ohne weiteres Flexionsendung angenommen, was dadurch begünstigt ist, dass in prädikativer Verwendung das Adj. sich formell nicht vom Adv. abhob, weil die flexionslose Form angewendet wurde. Vgl. nahe, selten, zufrieden, vorhanden, behende (aus ahd. bi henti), ungefähr, teilweise, anderweit, apart. Dialektisch sagt man ein zues Fenster, ein weher Finger, bairisch ein zuwiderer Mensch; Arndt sagt etwas Überausses und Ungemeines. Das aus dem Adv. (eigentlich Dat. Pl.) neugebildete Adj. einzeln hat das diesem zu Grunde liegende Adj. einzel verdrängt. Auch oft erscheint nicht selten flektiert, z. B. die allzuofte Wiederholung eben desselben Wortes (Le.), vgl DWb. 7, 1194; allgemein üblich sind dazu adjektivische Steigerungsformen; vgl. dazu lat. propior, proximus zu prope und griech. engúteros, engútatos zu engús.

In nahe Berührung mit dem Adv. tritt das Adj. als prädikatives Attribut. Dieser Satzteil steht in nächster Beziehung zum Subj., an welches er durch die Kongruenz angeschlossen ist, ist aber doch demselben gegenüber verselbständigt und kann eben deshalb auch in eine direkte Beziehung zum Präd. treten. Das Adv. dagegen ist an das Präd. angeschlossen, kann aber diesem gegenüber in ähnlicher Weise verselbständigt werden und dadurch dem Subj. näher treten. Es gibt nun auch Fälle, in denen eine Bestimmung ebensowohl zum Subj. wie zum Präd. passt. So begreift es sich, dass in manchen Sprachen für den gleichen Fall sowohl das Adj. als das Adv. gesetzt werden kann, oder dass in einer Sprache dieses, in der andern jenes üblich ist. Im Nhd. steht häufig das Adv. einem Adj. anderer Sprachen gegenüber, vgl. allein gegen lat. solus, franz. seul etc.; zuerst und zuletzt gegen lat. primus und postremus etc.; gern gegen griech. hekô'n, ásmenos, lat. libens neben libenter; ungern gegen lat. invitus neben seltenerem invite. Auffallender für uns und auch in den fremden Sprachen nicht allgemein üblich sind Konstruktionen wie griech. heûdon pannúchioi (Hom.), krê'nê áphthonos rhéousa (Xen.), Asôpós potamòs errhúê mégas (Thuc.), lat. beatissimi viveremus, propior hostem collocatus, proximi Rhenum incolunt, nocturnusque vocat clamore Cithaeron (Virg.), Aeneas se matutinus agebat (Virg.), frequens te audivi (Cic.), in agmine atque ad vigilias multus (= frequenter) adesse (Sall.), est enim multus in laudanda magnificentia (Cic.), is nullus (= non) venit (Plaut.), tametsi nullus moneas (Ter.); it. che più lontana se ne vada (Ariost). 369

§ 259. Die Präpositionen und Konjunktionen sind als Verbindungswörter immer erst in Folge einer Gliederungsverschiebung aus selbständigen Wörtern entstanden. Diese Verschiebung muss eine definitive sein. Okkasionell können ja die verschiedenartigsten Satzteile zu Verbindungsgliedern herabgedrückt werden. Erst wenn ein Wort mit einer gewissen Regelmässigkeit als Verbindungswort verwendet wird, kann es eventuell als Präp. oder Konj. betrachtet werden. Es gehört dazu aber auch noch eine Isolierung seiner Konstruktionsweise gegenüber derjenigen, die es als selbständiges Wort hatte. Aber auch dann kann es daneben als selbständiges Wort funktionieren, so dass es also nicht möglich ist es einfach unter eine bestimmte Wortklasse unterzubringen. Dies ist erst möglich, wenn das Wort in seiner selbständigen Verwendung untergegangen ist, oder wenn sich mit den beiden Verwendungsweisen eine lautliche Differenzierung verbunden hat, oder wenn sonst irgend eine Isolierung eingetreten ist.

So können wir für die Präposition folgende Definition aufstellen: die Präp. ist ein Verbindungswort, mit welchem ein Kasus eines beliebigen Substantivums verknüpft werden kann, ohne dass die Verbindungsweise noch in Analogie zu einer nominalen oder verbalen Konstruktionsweise steht. Nach dieser Definition werden wir entsprechend in einem Satze wie er hat ihn seinen Verdiensten entsprechend belohnt nicht für eine Präp. erklären, denn seine Konstruktion ist die des Verbums entsprechen. Anders verhält es sich schon mit anstatt. In anstatt des Mannes ist der Gen. ursprünglich das reguläre Zeichen der nominalen Abhängigkeit. Ob er aber noch als solches empfunden wird, hängt davon ab, ob man anstatt noch als Verbindung der Präp. an mit dem Subst. Statt empfindet. Wo nicht, tritt auch die Konstruktion mit dem Gen. aus der Gruppe, in die sie bisher eingereiht war, heraus, und die Präp. ist geschaffen. Es kann in diesem Falle das Sprachgefühl recht wohl noch schwankend, bei verschiedenen Individuen verschieden sein. Denn allerdings ist Statt kein allgemein übliches Subst. mehr, sondern auf gewisse isolierte Verbindungen beschränkt. Sagt man aber an meiner Statt, so wird man noch stärker an die substantivische Natur von Statt erinnert. In andern Fällen ist die Isolierung eine absolute geworden. Unser nach ist ursprünglich Adv. = nahe. Aber zwischen seinem Ende nahe und nach seinem Ende ist jede Beziehung abgebrochen, wiewohl beide auf die nämliche Konstruktionsweise zurückgehen. Hier ist es die Verdunkelung der etymologischen Beziehung durch divergierende Bedeutungsentwickelung, was die Isolierung der Konstruktionsweise veranlasst hat. In anderen Fällen ist es das Verschwinden dieser Konstruktionsweise aus dem lebendigen Gebrauche. Im Idg. wurde nach dem Komp. wie im Lat. 370 der Abl. gebraucht. Diese Konstruktion war im Altgermanischen noch bewahrt, nur dass der Abl. wie allgemein sich mit dem Instr. und Dat. mischte. Indem sie im allgemeinen unterging, erhielt sie sich unter andern bei zwei adverbialen Komparativen, die durch diese Isolierung zu Präpositionen wurden, mhd. ê (nhd. noch in ehedem) und sît (nhd. seit) = got. seiþs in þanaseiþs, lautlich regelmässiger Komp. zu seiþus. Wie die ältesten Präpositionen des Idg. aus Adverbien entstanden sind, haben wir § 204 gesehen.

§ 260. Die Entstehung der Konjunktionen lässt sich zum Teil wie die der Präpositionen historisch verfolgen. Die satzverbindenden entwickeln sich zum grossen Teil aus den konjunktionellen Adverbien oder isolierten Formen der konjunktionellen Pronomina, die eventuell mit andern Wörtern verknüpft sind (vgl. daher, darum, deshalb, deswegen, weshalb, indem). Diese Wörter sind also schon satzverknüpfend, bevor sie reine Konjunktionen geworden sind. Ob man sie als solche gelten lassen will, hängt sehr von der subjektiven Empfindung ab, eine bestimmte Grenze lässt sich nicht ziehen. Es kommt namentlich darauf an, bis zu welchem Grade der Ursprung des Wortes verdunkelt ist. Eine solche Verdunkelung ist notwendig, wenn man das Wort als bloss satzverbindend empfinden soll.

Eine besondere Entstehungsweise von Konjunktionen ist § 211 besprochen. Auch hier liegt meist ein konjunktionelles, und zwar demonstratives Pron. oder Adv. zu Grunde, entweder für sich oder in Verbindung mit einem anderen Worte. Doch gibt es auch Fälle ohne Demonstrativum wie nhd. weil, falls, engl. because, in case. Aber auch hier hat schon den zu Grunde liegenden Substantiven der Hinweis auf das Folgende angehaftet.

Eine Anzahl von Konjunktionen entsteht aus Wörtern, die einen Vergleich ausdrücken; vgl. ingleichen, ebenfalls, gleichfalls, gleichwohl, andernfalls, übrigens; griech. hómôs, allá; lat. ceterum; ferner die Komparative ferner, weiter, vielmehr; lat. potius, nihilominus; franz. mais, plutôt, néanmoins. Durch diese Wörter ist auch von Anfang an eine Beziehung ausgedrückt, es fehlt dagegen an einem Ausdruck dafür, worauf die Beziehung geht; dies muss aus dem Zusammenhang erraten werden.

Anders verhält es sich dagegen, wo Versicherungen zu satzverbindenden Konjunktionen geworden sind, vgl. allerdings, freilich, nämlich, wohl, zwar (mhd. ze wâre fürwahr); got. raihtis (aber oder denn); lat. certe, verum, vero, scilicet, videlicet etc. Diese Wörter drücken an sich gar kein Verhältnis zu einem andern Satze aus. Das logische Verhältnis, in welchem der Satz, in dem sie enthalten sind, zu einem andern steht, wird ursprünglich, ohne sprachlichen Ausdruck zu finden, 371 hinzugedacht. Indem es nun aber gerade dieses Verhältnis ist, weswegen der Sprechende eine ausdrückliche Versicherung hinzuzufügen für nötig erachtet, so kommt es, dass allmählich dies Verhältnis als durch die Versicherung ausgedrückt erscheint. Ebensowenig bezeichnet lat. licet ursprünglich eine Beziehung zu dem regierenden Satze; auch hier hat sich eine ursprünglich nur gedachte Beziehung sekundär an diese Verbalform angeheftet, die eben dadurch zur Konjunktion geworden ist.

Ein Mittel zur Bezeichnung der Beziehung zweier Sätze oder Satzteile aufeinander liefert die anaphorische Setzung zweier an sich nicht konjunktioneller Adverbia, vgl. bald - bald, jetzt - jetzt, einmal - einmal; modo - modo, nunc - nunc, tum - tum u. dergl. Hiervon zu scheiden ist natürlich die entsprechende Verwendung von solchen Wörtern, die an sich schon Konjunktionen sind.

§ 261. Der Parallelismus in dem Verhältnis von Satzgliedern und dem von ganzen Sätzen zueinander zeigt sich darin, dass die für das eine Verhältnis geschaffenen Verbindungswörter analogisch auf das andere übertragen werden. So werden von alters her für beide Verhältnisse die gleichen kopulativen und disjunktiven Partikeln verwendet. Die Übertragung von Satzglied auf Satz kann man deutlich verfolgen bei den Wörtern wie weder, entweder, mhd. beide, vgl. § 208. Ebenso besteht Übereinstimmung in der Verwendung der demonstrativen und relativen Vergleichungspartikeln. Hier werden wir die umgekehrte Übertragung von Satz auf Satzglied anzunehmen haben. Über die sonstige Verwendung ursprünglich satzeinleitender Konjunktionen vor Satzgliedern und über die von Präpositionen vor Sätzen vgl. § 119.

Der Unterschied von Präp. und Konj. im einfachen Satze ist durch die Kasusrektion der ersteren scharf bestimmt. Doch finden sich nichtsdestoweniger Vermischungen des Unterschiedes. Ob man sagt ich mit (samt) allen übrigen oder ich und alle übrigen kommt dem Sinne nach ungefähr auf das Gleiche hinaus, und so geschieht es, dass man zu einer durch mit hergestellten Verbindung das Präd. oder die Apposition in den Pl. setzt, wo die Berücksichtigung des eigentlichen grammatischen Verhältnisses den Sg. verlangen würde; vgl. Scherz mit Huld in anmutsvollem Bunde entquollen dem beseelten Munde (Schi.); griech. Dêmosthénês metà tô^n sustratêgô^n speúdontai (Thuk.); lat. ipse dux cum aliquot principibus capiuntur (Liv.); filiam cum filio accitos (id.), engl. old Sir John with half a dozen more are at the door (Sh.); franz. Vertumne avec Pomone ont embelli ces lieux (St. Lambert); weitere Beispiele aus verschiedenen Sprachen bei Delbrück, Grundriss, 5, 255, aus romanischen bei Diez III, 301, aus slawischen bei Miklosich IV, 77. 78. 372 Hier müssen wir das Verbindungswort, wenn wir auf den dabei stehenden Kasus sehen, als Präp., wenn wir auf die Gestalt des Prädikats sehen, als Konj. anerkennen. Beispiele für den wirklichen Übertritt von der Präp. zur Konj. bieten nhd. ausser und ohne, vgl. z. B. niemand kommt mir entgegen ausser ein Unverschämter (Le.), dass ich nicht nachdenken kann ohne mit der Feder in der Hand (Le.), kein Gott ist ohne ich (Lu.). Umgekehrt wird die Konj. wan im Nhd. zu einer Präp. c. Gen., vgl. daz treip er mit der reinen wan eht des alters einen (Konr. v. Würzb.). Man begreift demnach, dass da, wo noch keine Kasus ausgebildet sind, eine Grenzlinie zwischen Präp. und Konj. kaum bestehen kann.

Die Überführung aus der Unterordnung in die Beiordnung ist noch leichter, wenn von Anfang an keine Kasusrektion besteht, das Verbindungswort also schon Konjunktion (konjunktionelles Adv.) ist. Dies zeigt sich namentlich bei der Korrelation sowohl - als auch u. dergl., vgl. die Zurückweisung, welche sowohl Fichte als auch Hegel . . erfahren haben (Varnhagen v. Ense), Schade, dass Steinhöwel wie Wyle auf die Grille fielen (Gervinus); engl. your sister as well as myself are greatly obliged to you (Fielding); lat. ut proprium jus tam res publica quam privata haberent (Frontinus); franz. la santé comme la fortune retirent leurs faveurs à ceux qui en abusent (Saint-Evremont); Bacchus ainsi qu' Hercule étaient reconnus pour demi-dieux (Voltaire).


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