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V.
Der Bräutigam.

Ein wüstes Geschrei ward gehört, ein wildes Getümmel entstand jetzt. Die kühne That des Baiern hatte die Tyroler überrascht und in Verwirrung gebracht, sie hatten auf einen Moment die Soldaten vergessen und nur Aug' und Sinn für deren Hauptmann gehabt.

Er war unbeschädigt, denn im Herabspringen war er gerade auf die Rücken zweier Tyroler gefallen, hatte diese mit sich niedergerissen und war dadurch im Fallen weich und gefahrlos gebettet worden.

Jetzt, bevor noch die betäubten, so plötzlich zur Erde geschleuderten beiden Tyroler wieder ihrer Sinne mächtig waren, stand Ulrich schon wieder auf seinen Füßen, und sein Seitengewehr ziehend, machte er sich Bahn durch die scheu zurückweichende Menge.

Zu mir, meine Soldaten, zu mir her! rief er mit keuchender Stimme.

Hier sind wir, Herr Hauptmann, schrieen zwanzig Soldaten, sich mit mächtigen Hieben durch die Menge vorwärts drängend. Sie hatten den glücklichen Moment, wo man die Fenster nicht beachtet hatte, benutzt und waren hinabgesprungen.

Nun entstand eine Scene wilden, verzweiflungsvollen Streites, ein rasender Kampf Mann gegen Mann. Nichts hörte man als das wilde Fluchen und Schreien der Kämpfenden, das Schmerzgeheul der Verwundeten und Sterbenden, das Angstgeschrei der Kinder und Weiber.

Aber inmitten des Kampfes und der allgemeinen Verwirrung hatte Anton Wallner nicht seine Besonnenheit verloren. Zwanzig Schützen waren von ihm vor den Fenstern, hinter denen sich die Soldaten befanden, aufgestellt, und mit erhobenem Stutzen drohten sie Jedem den Tod, der es wagen würde, sich den Fenstern zu nahen. Die. Soldaten hatten sich daher in den Hintergrund der Zimmer zurückgezogen und beriethen sich, was sie thun wollten. Aber ihre Gesichter waren ängstlich und unentschlossen, und leise murmelten sie untereinander: Wenn unser Hauptmann fällt, bleibt uns nichts übrig, als uns zu ergeben.

Aber noch war ihr Hauptmann nicht gefallen, noch lebte er, noch vertheidigte er sich, umgeben von seinen Soldaten, muthig gegen die Tyroler, die mit wüthendem Geschrei auf ihn eindrangen, mit den Kolben ihrer Stutzen die Streiche der scharfen Waffen auffingen, aber nicht Raum hatten und auch nicht wagten, auf ihn zu schießen, aus Furcht, im wilden Gewühl statt des Feindes einen Freund, einen der Ihren zu treffen.

Aber die Zahl der Feinde war zu sehr überlegen, von den Kolbenstößen waren sechs der Soldaten niedergeschmettert. Den Fallenden hatten die Tyroler ihre Gewehre entwandt, und mit ihnen waren sie auf die übrigen Soldaten eingedrungen. Ein wüthendes Gemetzel war nun entstanden, der Dampf des Blutes, das in Strömen über den Boden floß, das Geschrei des Kampfes, der Haß und Zorn, mit dem die Feinde sich gegenüber standen, das Alles hatte die Gemüther erhitzt, und die Kampfgier zur rasenden Wuth gesteigert. Niemand gab Pardon, Niemand wollte Pardon. Unter den Kolbenschlägen der Tyroler brachen die Baiern mit einem Blick des Hasses zusammen, von den Gewehren der Baiern durchbohrt, sanken die Tyroler mit einer Verwünschung auf den Lippen zusammen.

Immer noch war Ulrich von Hohenberg unerschüttert geblieben, aber sein Degen hatte Tod und Verderben rings um ihn her verbreitet, immer noch rief er mit lauter Stimme nach seinen Soldaten, aber seine Stimme begann schon matt zu werden, und das Blut floß ihm aus einer breiten Wunde an der Schulter nieder.

Zu mir her, meine Soldaten, rief er jetzt mit einer letzten Kraftanstrengung, duldet es nicht, daß Euer Hauptmann von den elenden Bauern erschlagen werde. Zu mir her, steht mir bei, oder erschießt mich, damit ich eines ehrlichen Todes sterbe, und nicht von den Verräthern gemordet werde.

Ich will Euch den Willen thun, schrie Anton Wallner, mitten durch das blutige Getümmel zu dem Hauptmann hinspringend, ja, sterben sollt Ihr, und es soll endlich ein End' gemacht werden mit Euch!

Und sein Arm, mit dem blanken Gewehr eines gefallenen Baiern bewaffnet, hob sich drohend über dem Haupt Ulrichs empor, während zwei andere Tyroler mit wüthendem Geschrei von hinterwärts auf ihn eindrangen.

In diesem Moment packten zwei krampfhafte Hände Wallners Arm, und eine laute angstvolle Stimme rief: Vater, tödte ihn nicht! Er ist mein Bräutigam!

Ihr Bräutigam! riefen die Tyroler erstaunt zurücktretend.

Dein Bräutigam? fragte Anton Wallner entsetzt, auf seine Tochter Elise hinblickend, die bleich, mit flammenden Blicken, den einen Arm um den Hals Ulrichs geschlungen, den andern Arm drohend emporgehoben, ihrem Vater gegenüberstand, ihn mit trotzigem, entschlossenem Ausdruck anstarrte.

Laß ihn los, Lisel, schrie Wallner wüthend, ich kann's nit glauben, daß mein Kind mir solche Schmach anthun will, einen Baiern zu lieben.

Ja, ich lieb' ihn, rief Elise mit flammender Gluth auf den Wangen. Wenn Ihr Ihn tödtet, so müßt Ihr mich zuerst tödten, denn wir haben uns geschworen, daß wir mit einander leben und sterben wollen. Er ist mein Bräutigam, Vater, und er soll mein Mann werden, so wahr mir Gott helfe.

Nein, nimmermehr, schrie Ulrich von Hohenberg, bemüht, Elise von sich abzuwehren. Nimmermehr kann die Bauerdirn' mein Weib werden. Hinweg von mir, Elise, ich habe nichts mehr zu schaffen mit Dir!

Und hast mir doch eben erst geschworen, das Du nichts Lieber's auf der Welt hast, als mich allein, sagte Elise laut, und hast mich himmelhoch gebeten, daß ich sollt' mit Dir in die Welt 'naus gehen, und immer bei Dir bleiben?

Aber niemals habe ich gesagt, daß ich Dich heirathen wollte, rief Ulrich, bleich vor Zorn, und immer bemüht, Elise von sich abzuwehren.

Nit heirathen wollt'st sie, schrie Anton Wallner, blos in's Unglück wollt'st sie stürzen, Du stolzer Herr Baier. Dacht'st, ein Tyroler Bauermad'l wär' grad' gut genug zum Spaß und Zeitvertreib, aber im Ernst wollt'st nie nit zu schaffen haben mit ihr?

Vater, Vater, flehte Elise, sich fest an Ulrichs Seite schmiegend, Vater, ich liebe ihn, und ich will nit ohn' ihn leben. Er ist mein Bräutigam!

Nein, nein, rief Ulrich, und ein wildes Wort der Verwünschung gegen Elise tönte von seinen Lippen.

Die Tyroler hatten indeß lange schon die wenigen Soldaten besiegt, und sich, angezogen von der seltsamen Scene, in dichtem Kreise um die ungewöhnliche Gruppe gedrängt, nur die zwanzig Schützen standen noch mit ihren angelegten Gewehren vor den Fenstern der Soldaten, und bewachten sie mit drohenden Blicken.

Anton Wallner hatte seine Waffe fallen lassen, und in düsterm Sinnen vor sich hingestarrt, jetzt, bei des Hauptmanns beleidigendem Wort, zuckte er zusammen, und richtete sein Antlitz, auf welchem eine dunkle Zornesröthe brannte, wieder empor.

Hört nur, Ihr Brüder, sagte er mit einem kalten ruhigen Ton, den nur der tiefinnerlichste Zorn verleiht, hört den Verräther. Erst hat er der Dirn' mit seiner Lieb' und seinen Schwüren den Kopf und's Herz verdreht, daß sie ihren Vater und ihr Tyrol vergessen hat, und jetzt will er sie nit heirathen und beschimpft sie!

Er hat's nur in der Wuth gesprochen, Vater, aber er liebt mich doch, rief Elise, trotz des Hauptmanns Widerstand sich immer wieder in seine Arme schmiegend und bemüht, ihm die Waffe zu entwinden.

Geh' von mir, Elise, schrie Ulrich, oder – er stieß sie mit Gewalt von sich, und hob rasch den Arm mit dem Degen gegen sie, aber eben so rasch stürzten zwei Tyroler zu ihm hin, packten mit heftiger Kraft seinen Arm, entwanden ihm die Waffe, warfen sie weit von sich und riefen mit triumphirendem Ton: jetzt, Baier, ergieb' Dich, jetzt bist Du unser Gefangener!

So erschießt mich wenigstens, schrie Ulrich, außer sich vor Wuth, erschießt mich, sag' ich, es ist besser, als die Schande, der Gefangene solchen elenden Bauerngesindels zu sein.

Schweig, mein Geliebter, um Gotteswillen, schweig, sagte Elise, ihn zärtlich umklammernd.

Er stieß sie mit Gewalt von sich. Geh' fort von mir, Du heuchlerische Dirne, schrie er, rasend vor Zorn, ich will nichts mit Dir zu schaffen haben.

Sollst aber mit ihr zu schaffen haben, sagte Anton Wallner mit stolzer Ruhe. Das Mädel sagt, daß sie Dich liebt, und daß Du ihr die Eh' versprochen hast. Schlecht ist's von Dir gewesen, daß Du hinter'm Rücken ihrer Aeltern sie beschwatzt, und ihr armes Herzel bethört hast, und für Deine Schlechtigkeit sollst Du jetzt bestraft werden. Sollst die Liesel heirathen! Der reiche, vornehme Herr Baron, der die Tyroler Bauern so sehr verachtet, der soll jetzt zur Straf' 's Tyroler Bauermädel heirathen.

Ja, ja, so ist's recht, riefen die Tyroler jauchzend und mit der Zunge schnalzend, der vornehme Herr Baron soll's Tyroler Bauermädel heirathen.

So kommt hinunter nach dem Ort, sagte Anton Wallner, der Herr Pfarrer soll sie gleich in der Kirch' zusammenthun, und ihre Eh' einsegnen, und dann mögen sie Beid' machen, daß sie aus dem Ort kommen, und nimmermehr sollen sie sich unterstehen, wieder nach Windisch-Matrey zu kommen, nimmermehr soll die Frau vom bairischen Hauptmann Ulrich von Hohenberg sich unterstehen zu sagen, daß sie Elise Wallner, die Tochter des Tyrolers Anton Wallner Aichberger, des Wirths von Windisch-Matrey sei. Ich hab' kein Tochter mehr, ich reiß' sie aus meinem Herzen, wie sie Ehr' und Treu und Glauben aus ihrem Herzen ausgerissen hat.

Elise winkte mit ungestümer Handbewegung zwei Tyroler zu sich. Haltet ihn, sagte sie, auf Ulrich deutend, der bleich und schwankend, erschöpft von der Anstrengung und dem Blutverlust, kaum noch seiner Sinne mächtig war, haltet ihn, ich hab' mit meinem Vater zu sprechen.

Sie sprang zu ihm hin, sie faßte, trotz seines Widerstrebens, seine beiden Hände, und brachte sein Antlitz so nah' dem ihren, daß sein glühender, keuchender Athem ihre Wangen brennend berührte, aber er wandte seine Augen mit düstrem Grollen zur Seite, und vermied es ihren flammenden Blicken zu begegnen.

Willst mich nit kennen, Vater? fragte sie schmerzlich. Wend'st Dein' Augen ab von Deinem Liesel, die Du noch gestern Dein lieb' muthig' Tyroler Kind nennt hast?

Bist keine Tyrolerin, bist nit mein Kind, rief ihr Vater mit schmerzlichem Zorn. Willst den Baiern heirathen, willst eine vornehme Dame werden.

Ist mir ganz gleich, ob der Ulrich da ein vornehmer Herr ist, oder nicht, sagte Elise, stolz ihr Haupt schüttelnd, ich lieb' ihn blos, weil er mir so gar sehr gefällt, und weil er mich so heiß und inbrünstig liebt. Aber sagen sollst nit, Vater, daß ich kein richtig Tyrolerkind bin, und daß ich's Vaterland nit lieb'. Ich will's Euch Allen beweisen, daß ich's liebe, und dem da, dem Ulrich, der mich bereden wollt', heimlich mit ihm davon zu laufen, und der mich zur Straf' dafür heirathen muß, dem will ich's auch beweisen, daß ich nit eine Baronin bin, obwohl ich ihn lieb', und daß ich nit seinen König lieb' und seine glänzend' Uniform, sondern daß ich meinem Kaiser allein treu bleiben will. Hör' also, Vater, und Ihr Alle hört. Der Ulrich von Hohenberg ist mein Bräutigam, und darum sollt Ihr ihn nit tödten, und ihm nix Schlechtes thun, sondern Ihr sollt ihn als unsern Gefangenen 'nunter führen in meines Vaters Haus, aber nit, um daß er mit mir zur Trauung geh', sondern, um daß wir ihn da gefangen halten, und ihn pflegen. Aber, das schwör' ich bei Gott und der heiligen Jungfrau, ich heirath' ihn erst, wenn wir gesiegt haben, erst, wenn alle Baiern aus 'm Land gejagt sind, und der Kaiser Fränzel wieder Herr ist von Tyrol. Und i' bleib' auch nit daheim, um meinen Herrn Bräutigam zu pflegen, und mit ihm von Lieb' und vom Heirathen zu sprechen, sondern ich geh' mit Euch fort, und kämpf' mit Euch für unser Tyrol und unsern Kaiser. Ich werd' mit meinem Vater und den Landsleuten kämpfen, i' will's beweisen, daß ich ein ächt Tyroler Kind bin. Wenn Ihr nix zu essen habt, so koch' ich für Euch, und wenn Ihr in den Kampf geht mit den Baiern, so kämpf' ich mit Euch. Des Vaters lahmer Knecht aber, der treue Schröpfel, der soll meinen Bräutigam bewachen, wie seinen Gefangenen, und soll sehen, daß er nit davon lauft, und soll ihn hüten, daß ihm Keiner was anthut, bis wir wieder kommen. Aber wir kommen nit eher wieder, als bis das liebe Tyrolerland frei ist, und der Kaiser wieder unser Herr ist. Dann aber, nit wahr, Vater, dann, wenn Dein Liesel mit Euch tapfer gekämpft und gestritten hat für's liebe Tyrol, dann wirst Du ihr erlauben, daß sie den Mann heirathet, den sie liebt, und wirst nit mehr sagen, daß sie nit Deine Tochter ist?

Nein, Liesel, ich werd's dann nit mehr sagen, und auch nit mehr denken, rief Wallner, überwältigt von Rührung seine Tochter an sein Herz drückend. Ja, Du bist ein brav Tyroler Kind, und Du sollst mit uns 'naus ziehen zum Kampf, und wenn wir wiederkommen, sollst Deinen Baiern heirathen. Sagt, Ihr lieben Freund', soll's so sein?

Ja, es soll so sein, riefen die Tyroler. Wenn wir. wieder kommen, und Tyrol frei ist, dann soll die Hochzeit sein.

Nein, nein, schrie Ulrich, mit einer letzten Kraftanstrengung sich aufrichtend, nein, niemals wird sich meines Vaters Sohn so tief entehren, daß er eine Bauerndirne –

Mehr sagte er nicht, das Blut quoll ihm in purpurnen Strömen aus dem Munde, seine Wangen überzog eine tödtliche Blässe, seine Augen schlossen sich, mit einem schmerzlichen Aechzen sank er zusammen.

Er stirbt, er stirbt, rief Elise schmerzvoll, und sie stürzte zu ihm hin, sank neben ihm auf die Kniee nieder, und umschlang ihn fest mit beiden Armen, daß sein Haupt an ihrer Brust ruhte.

Ein Schrei, ein lauter qualvoller Schrei ertönte über ihr in der Luft, Aller Augen wandten sich empor nach dem Balcon hin, aber Niemand war dort, nur einen Moment war es, als schlüpfe eine Frauengestalt durch den Saal dahin.

Elza, das war Elza, murmelte Elise. Warum kommt sie nit her zu mir, warum – Eben schlug Ulrich die Augen wieder auf, und ein voller, stolzer Blick des Hasses traf Elise's zärtlich über ihn geneigtes Angesicht.

Ich liebe Dich nicht, ich verabscheue Dich, sagte er zwischen seinen krampfhaft auf einander gepreßten Zähnen hervor.

Er lebt, Gott sei Dank, er lebt, rief Elise, nun ist Alles gut, nun fürcht' ich nichts mehr. Schröpfet, komm her zu mir, lad' ihn auf Deine Schultern, guter Schröpfel, oder laß den Hannes mit anfassen, und tragt Ihr ihn Beide, legt ihn in meine Kammer auf mein Bett. Aber Du schwörst mir bei der heiligen Mutter Gottes, daß Du ihn treu bewachen willst?

Ich schwör's bei der heiligen Mutter Gottes, sagte Schröpfel, seine beiden starken nervigten Fäuste zum Himmel erhebend, und dann seine kleinen blitzenden Augen mit einem Blick auf Ulrich heftend, wie etwa ein Kettenhund den Knochen bewacht, den man ihm entreißen könnte.

Und nun laßt uns ein End' machen mit den Soldaten, sagte Anton Wallner, zu den Fenstern hinschreitend, vor denen die Schützen noch immer in Reih und Glied standen.

Ihr da drin, rief er mit lautschallender Stimme, ergebt Euch. Der Kampf ist zu Ende, Euer Hauptmann ist unser Gefangener. Ergebt Euch, oder Ihr seid verloren, wir stecken's Haus in Brand, und wer zum Fenster 'naus springt, den schießen wir todt. Wenn Euch Euer Leben lieb ist, ergebt Euch.

Einer der Unterofficiere erschien an dem Fenster.

Wir sind eingeschlossen, sagte er, wir haben keine Munition, und unser Hauptmann ist gefangen. Wir ergeben uns also, wenn Ihr uns freien Abzug versprecht.

Freien Abzug, aber ohne Waffen, sagte Anton Wallner gebieterisch. Kommt Alle, zu vier und vier Mann, an die Fenster und reicht uns Eure Büchsen und Eure Seitengewehre hinaus. Es sind Eurer noch hundert Mann da drin, wenn wir also hundert Büchsen und hundert Seitengewehre haben, so machen wir Euch das Thor auf, und lassen Euch hinaus und Ihr könnt heim gehen nach Baiern, und den Euren sagen, daß im Pusterthal, im Pinzgau und im Passeyrthal keine Südbaiern wohnen, sondern richtige Tyrolersleut'!

Es sei so, wie Ihr's sagt, rief der Unterofficier, kommt also her, und nehmt unsere Waffen in Empfang.

Die Tyroler traten an die Fenster, an welchem jeden jetzt vier Soldaten erschienen und schweigend, mit grollenden Blicken, ihre Waffen hinausreichten, welche die Tyroler nahmen, und in der Mitte des Schloßhofes auf einander stellten.

Jetzt will ich gehen, und nachsehen, wo mein' Elza bleibt, und sich versteckt hat, sagte Elise leise zu sich selber, und sie schlüpfte hastig durch die Reihen der Tyroler dahin in das Schloß hinein.

Niemand war jetzt auf dem großen Flur zu sehen, und unbemerkt und ungefragt sprang Elise die Stufen der Treppe hinauf, eilte den Corridor hinunter, und trat in den Saal ein.

Der Instinct ihres Herzens hatte sie richtig geleitet; da, in der äußersten Ecke des Saals, die Hände über den Knieen gehalten, das Haupt tief auf die Brust gesenkt, saß Elza, laut ächzend wie im bittern Weh, und in ihrer Schmerzen Qual es gar nicht gewahrend, daß Elise zu ihr eintrat, daß sie rasch und doch leise auf den Zehen den Saal durcheilte, und jetzt dicht vor ihr stand.

Was weinst Du, mein' Elza? fragte jetzt Elise, vor der Freundin auf die Kniee sinkend.

Elza schrak zusammen und hob rasch ihr Angesicht empor über welches die Thränen in hellen Bächen niederrollten. Ich weine gar nicht, Elise, sagte sie leise.

Elise? fragte sie verwundert. Nennst mich Elise? Bin also nit mehr Dein Liebling, nit mehr Dein Liesel? Hast mir nit beistanden, als ich drunten im Hof Deinen Vetter, den Ulrich retten mußt? Hast laut geschrieen, als er halbtodt mir im Schooß lag, und bist nit kommen, ihm und mir beizustehen? Und jetzt nennst mich Elise?

Was sollte ich auch drunten? fragte Elza mit bitterm, schmerzvollem Ton. Er war gut gebettet an Deiner Brust, er braucht' mich nicht. Ich bin ja nur seine Cousine, aber Du, Du bist ja seine Braut.

Aber früher, nit wahr, Elza, früher da sollt' er Dein Bräutigam sein? fragte Elise mit leiser, bebender Stimme. Oh, ich hab's immer gedacht und gewußt, obwohl Du's mir nimmer gesagt hast. Hab' mir immer gedacht, die Elza und der Ulrich das muß ein Paar werden, die passen gut zusammen, und werden sich lieben und glücklich sein. Nit wahr, Elza, der Ulrich sollt' Dein Bräutigam sein?

Wozu nutzt es, jetzt noch davon zu reden? fragte Elza heftig. Er ist Dein Bräutigam, Dir hat er ewige Liebe geschworen, ich mache ihn Dir nicht streitig. Heirathet Euch und seid glücklich.

Und wär' Dein Liesel glücklich, wenn ihre Elza nit mit ihr zufrieden wär'? fragte Elise zärtlich. Sag' mir nur dies, Elza, nit wahr, Dein Vater und seine Aeltern hatten gedacht, Ihr zwei solltet ein Liebespaar werden?

Es ist wahr, flüsterte Elza mit wieder hervorstürzenden Thränen, mein Vater hatte mir gestern gesagt, daß es sein Wunsch und auch der von Ulrich's Aeltern sei.

Und der Ulrich hat Dir auch gesagt, daß er Dich liebt, und daß er Dich zum Weib nehmen will? Sag's frei heraus, Elza. Denk' nit dran, daß ich drunten im Hof gesagt hab', der Ulrich sei mein Bräutigam. Denk' nur dran, daß ich Dein Liesel bin, die Dich mehr liebt, als sie's sagen kann, aber die Dir's beweisen wird, wenn der liebe Herrgott ihr's erlauben will. Sag' also, mein Herzensliebling, der Ulrich hat Dir gesagt, daß er Dich liebt, und Dich zum Weib haben will?

Nein, gesagt hat er's nicht, Liesel, aber, – aber, ich habe es gedacht, glaube ich und er hat es auch gedacht, und – ach Gott, ich glaube, daß ich ihn liebe. Ich habe es wie einen Stich in meinem Herzen gefühlt, als Du sagtest, daß er Dein Bräutigam sei. Ich konnt's nicht ertragen, und rannte in's Haus, um nichts weiter zu sehen, nichts weiter zu hören. Ich wollte mich im Saal still niedersetzen und Alles über mich geschehen lassen, und doch zog's mich zum Balcon hin, und wie ich zu ihm hinstürzte, sah ich, wie Du ihn in Deinem Schooß hieltest, und sein liebes blasses Haupt an Deine Brust drücktest. Es war, als wenn der Himmel über mir zusammen stürzte, ich mußt' laut aufschreien vor Angst und Qual, und sprang in den Saal hinein, fiel auf meine Kniee nieder und betete, daß der Tod kommen möcht', mich zu erlösen. Oh Gott, Gott, er ist nicht gekommen, und ich muß das Leben weiter tragen, und kann nicht sterben!

Sie schlug ihre beiden Hände vor ihr Angesicht und weinte laut.

Elise war, während Elza sprach, immer bleicher, immer ernster geworden, ein leises Beben war durch ihre ganze Gestalt hingeflogen, und sie hatte die Lippen fest aufeinander gepreßt, als wollte sie den Schrei zurückdrängen, der ihre wogende Brust beklemmte.

Jetzt legte sie leise ihre Hand auf Elza's Haupt. Du liebst ihn, Elza, sagte sie sanft, ich versteh' Dein Herz, mein' Elza, Du liebst ihn. Und nun trockne Deine Thränen, und hör', was ich Dir zu sagen hab'. Aber anschauen mußt mich erst, Elza, und Dein liebes Gesicht mußt mich sehen lassen, sonst sag' ich Dir nit, was ich Dir Gutes zu sagen hab'.

Elza ließ ihre Hände von ihrem Gesicht niedergleiten; und blickte unter Thränen mühsam lächelnd in Elise's Angesicht, das jetzt wieder ganz heiter und ruhig erschien.

Nun hör', mein Elza, sagte sie leise und hastig. Der Ulrich ist nicht mein Bräutigam, und nimmer hat er mir gesagt, daß er mich liebt.

Elza stieß einen Freudenschrei aus, das flog wie Sonnenschein über ihr Antlitz hin.

Ich sagt's blos, um ihn zu retten, fuhr Liesel fort, blos darum that ich die unverschämte Lüg', die der Herrgott mir verzeihen mög'. Sah', wie mein Vater eben ihn tödten wollt', und da kam's in mein Herz, daß ich ihn retten müßt', und ich stürzt' zum Vater hin, und die Wort' kamen über meine Lippen, ich wußt' selber nit wie. Ich sagt', daß ich ihn liebt', daß er mich heirathen und zum Weib haben wollt', und das hat ihn gerettet, denn er wollt' ja mit Gewalt sterben, wollt's lieber, als dem Bauerngesindel, wie er's nennt, lebendig in die Hände fallen. Darum war er so muthig, und schimpft' auf die Tyroler und wollt' nit aufhören zu kämpfen. Ich mußt' ihn also retten, nit blos vor meinem Vater, sondern auch vor seinem eigenen Zorn, und ich that's.

Aber Du liebst ihn nicht? fragte Elza lächelnd.

Weißt' nit, daß der Joseph Thurmvalder schon seit einem Jahr um mich freit? Mein Vater wird's gern sehen, wenn ich ihn heirath', denn er ist reicher Leute Kind und der schönste und geschickteste Jägersmann im ganzen Pusterthal.

Aber Du hast mir oft gesagt, daß Du ihn nicht liebst?

Hast mir nit auch oft gesagt, daß Du den Ulrich nit liebst, Elza? Wir Mädels sind eben wunderlich Volk, und wenn wir lieben, das sagen wir nit!

Doch Ulrich? Er liebt Dich! Ja, ja, ich weiß, er liebt Dich, und ich habe es lange schon geahnt, und ihn immer mit seiner Liebe geneckt und gefoppt.

Und er hat's immer geleugnet, nit wahr?

Ja, das hat er, und dennoch –

Und hat's auch heute geleugnet, heute, als ihm die Lüg' das Leben retten konnt'. Wollt' doch lieber sterben, als einer Bauerndirne Bräutigam sein! Siehst also, daß er mich nit liebt, Elza. Aber meine Lüg' hat ihm das Leben gerettet, und kein Mensch darf's wissen, daß der Ulrich nit mein Bräutigam ist. Denn wenn das mein Vater wüßt' und die Landsleut', so würden sie ihn erschlagen, weil er sie gar so sehr beleidigt hat. Mein Bräutigam muß er bleiben, bis wieder Ruh' im Land ist.'

Ja, mein Liesel, mein Liebling, rief Elza, ihre beiden Arme um Elise's Nacken legend, ja, laß ihn Deinen Bräutigam sein, Du, mein kluges, tapferes Tyroler Kind. Hab's immer gesagt und gewußt, daß Du eine Heldin sein wirst, wenn es darauf ankommt, einer Gefahr entgegen zu treten, und heute bist Du eine Heldin gewesen.

Noch nit, Elza, aber ich werd's sein. Will's meinem Vater und den Männern Allen beweisen, daß ich ein treu Tyroler Kind bin, wenn auch der bairische Hauptmann mein Bräutigam ist. Und jetzt lebe wohl, mein' Elza, ich muß wieder hinunter zu meinem Vater! Aber hör', Eins muß ich Dir noch sagen! Ich geh' heut fort von hier mit meinem Vater. Wir ziehen mit unserm Haufen zum Andreas Hofer hin, denn die Tyroler müssen sich Alle zusammen thun, damit sie stark sind, wenn der Feind ihnen entgegen tritt. Drum war es schon von Anfang an beschlossen, daß, so wie's an der Zeit wär', und es los ging, der Speckbacher mit seinen Schaaren und ebenso der Vater mit seinen Männern aus dem Pusterthal sich aufmachen sollten, um mit Andreas Hofer und den Passeyrn zusammenzutreffen. Drum, weiß ich, zieht der Vater noch heut von hier ab, und ich geh' mit ihm, Elza. Fürcht' mich nit vor dem Tod und vor dem Feind, weiß, daß unsere Sach' gut ist, und daß der liebe Herrgott ihr den Segen geben wird.

Aber doch werden für die gute Sache viele edle Herzen durchbohrt werden, und das Deine, mein Liesel, kann darunter sein, rief Elza, die Freundin zärtlich umschlingend. Oh, bleib' hier, mein Liebling, laß den Männern den Kampf, bleib' hier.

Nein, Elza, ich muß fort. Meine Ehre will's haben und leidet's nit, daß ich daheim bleib' im Haus', wo der Ulrich von Hohenberg ist, um deß willen mein Vater mich heut vor aller Welt' ein schlecht' Tyroler Kind geheißen hat, und wollt' mich für immer aus seinem Herzen verstoßen. Ich muß es vor aller Welt beweisen, daß ich ein gutes Tyroler Kind bin, und ich fühl's, Elza, es wird mir gut thun, auch mein Scherflein beizutragen zur Befreiung des Vaterlandes! Bin nit so sanft und geduldig, daß ich zu Haus sitzen kann und warten, bis die liebe Freiheit zu mir in die Thür 'neinschaut, und mir zuruft: grüß' Dich Gott, Liesel, jetzt bin ich da, und Du kannst auch profitiren von dem Glück, daß ich da bin. – Nein, Elza, ich muß hinausgehen, muß sie in den Bergen und Thälern aufsuchen helfen, die liebe Freiheit, und muß ihr entgegen rufen: grüß Dich Gott, Freiheit, jetzt bin ich da, und Du kannst auch profitiren von meinem Arm und von meiner Kraft, und ich will Dir helfen, daß Du frei daher wallst, wie die Sonne über die Berge und die Thäler vom lieben Tyrolerland.

Oh, Liesel, bist ein ächtes Heldenmädel, rief Elza, ich schäm' mich vor Dir, daß ich nit auch mit geh', und für die Freiheit kämpfe.

Du darfst es nit, sagte Liesel ernst. Du hast einen alten Vater, der daheim bleibt und den Du pflegen mußt, und die Armen und die Kranken, die hoffen auf Dich, denn sie wissen's, daß Elza allzeit ihr hülfreicher Engel sein wird. Bleib' daheim, und bet' für mich. Geh' aber nimmer hinunter in meines Vaters Haus, frag' nit nach dem Ulrich und versuch' nit, ihn hinauf zu bringen in Euer Schloß. Der Schröpfel bewacht ihn, und er würd' ihn erschießen, wenn er Verdacht schöpft, daß nit Alles so ist, wie's sein sollt'. Sollt's aber der liebe Gott wollen, daß ich sterben müßt', Elza, dann wäre ja der Ulrich von selber frei, und mein Vater wird ihm nichts anhaben, weil er ja seiner Liesel Bräutigam war, dann wird er ihn frei lassen, und der Ulrich wird wieder zu Dir kommen, und dann Elza, dann wirst Du ihm sagen, er soll nit schlecht denken von der Liesel Wallner, und nit vermeinen, sie hab' nur die Gelegenheit benutzen wollen, um einen vornehmen Mann zu bekommen. Wirst ihm sagen, daß ich ihn nur hab' erretten wollen vom Tod und daß ich niemals daran gedacht hab', ihn heirathen zu wollen. Wirst ihm auch sagen, daß ich ihm vergeben hab', was er heute Schlimmes an mir gethan hat, und daß ich den lieben Gott für ihn bitten werd'. Und wenn Ihr dann beid' zusammen vor dem Traualtar steht, und der Herr Pfarrer Eure Händ' in einander legt, so gedenket an mich, und daß ich auf Erden Dich, mein Elza, am meisten lieb gehabt hab'! Und nun ade, Elza, ich küss' Dich nit mehr, denn das macht mir das Herz schwer.

Liesel, Liesel, rief in diesem Augenblick eine mächtige Stimme von außen her. Liesel, wo bleibst denn? 'S ist Zeit zum Aufbruch!

Hier bin ich, lieb' Vater mein, rief Liesel, rasch auf den Balcon hinaustretend. Ich komm' jetzt hinab zu Dir! Hab' nur von der Elza Abschied genommen. Jetzt bin ich bereit, daß wir abziehen, und daß wir kämpfen für's liebe Tyrolerland und für den lieben Kaiser Franzl!

Hurrah, das wollen wir, riefen die Tyroler. Wollen kämpfen für's liebe Tyrolerland und für den lieben Kaiser Franzl! Hurrah! Es geht los! Die Baiern jagen wir fort, die Oesterreicher sind in's Land kommen! Hurrah! Tyrol muß wieder frei werden!


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