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III.
Der Courier und der Gesandte.

Der Kaiser war wieder in sein Cabinet eingetreten und hatte, gleich der Kaiserin, dasselbe sorgfältig hinter sich verriegelt. Dann wandte er sich hastig nach dem Courier um, der drüben neben der Thür stand und eben dem Kaiser die vorschriftsmäßige, ceremonielle Verbeugung machte.

Hudelist, Sie sind es also wirklich selbst? fragte der Kaiser hastig. Haben halt ohne meine Erlaubniß Ihren Posten neben dem Metternich verlassen, um hierher nach Wien zu kommen? Konnten halt keinen Andern finden, der Ihre Depeschen überbracht? Hatte Ihnen doch Auftrag gegeben, dem Metternich immer zur Seite zu bleiben, ihn getreulich zu bewachen und zu beobachten, und mir Rapport abzustatten über sein Thun und Denken.

Majestät, ich bringe meinen Rapport mit, sagte Hudelist, und was Ew. Majestät Befehl anbelangt, dem Herrn Grafen Metternich immer zur Seite zu bleiben, so habe ich eigentlich kaum dagegen gesündigt, indem ich jetzt hierher komme, denn ich denke, der Graf wird mir wohl in einigen Tagen schon nachfolgen. Wenn Ew. Majestät ihn nicht abberufen, wird der Kaiser Napoleon ihn aus Paris fortjagen, vermuthe ich.

Ei, schauen's, rief Franz, mit den Achseln zuckend. Sie meinen, er wird gegen den Metternich ein Manifest erlassen, wie er's gegen den preußischen Herrn von Stein gethan? Nun, lassen's hören! Was giebt's denn Neues, und was haben Sie mir zu berichten?

Majestät, so Vieles und Wichtiges, daß gerade deshalb es dem Herrn Grafen und mir zweckmäßiger erschien, Ew. Majestät lieber mündlich genauer Bericht abzustatten, als eine Depesche zu senden, die doch nur dürftig das gesprochene Wort ersetzten kann. Ich bin deshalb ohne Aufenthalt in einer Tour von Paris hierhergereist und erst vor einer Viertelstunde hier angelangt. Bitte also meine Reisekleider zu entschuldigen.

Setzen Sie Sich, Sie müssen ermüdet sein, sagte der Kaiser mit einem gutmüthigen Ausdruck, indem er sich auf seinen Lehnstuhl niederwarf und mit der Hand auf den Stuhl ihm gegenüber deutete. Und nun fangen's an!

Majestät, sagte Hudelist geheimnißvoll, und ein seltsamer Ausdruck boshafter Schadenfreude flog über sein häßliches, bleiches Gesicht hin, Majestät, der Kaiser Napoleon ist aus Spanien nach Paris zurückgekehrt.

Kaiser Franz zuckte zusammen und seine Stirne ward finster. Weshalb? fragte er.

Weil er gegen Oesterreich marschiren will, sagte Hudelist, dessen Antlitz immer freudiger ward. Weil Herr Napoleon dem Frieden nicht mehr traut und überzeugt ist, daß Oesterreich losschlagen will. Außerdem schien es ihm in Spanien für seine liebe Person nicht mehr recht geheuer und in Paris waren allerlei Verschwörungen angezettelt, die vielleicht seine Rückkehr nach Frankreich unmöglich machen konnten, wenn er noch länger gezaudert hätte.

Wer hatte diese Verschwörung angezettelt?

Talleyrand und Fouché, die lieben Freunde und die gehorsamen Diener des Kaiser Napoleon. Er kennt sie recht gut und weiß, was er von ihrer Freundschaft und Ergebenheit zu halten hat. Er ließ die beiden Herren deshalb auch gut überwachen, und wie es scheint, hatten seine Spione ihm genauen Bericht abgestattet, denn er hat seine beiden Herrn Minister bei seiner Heimkehr gar grimmig angefahren, ihnen in ganz gemeiner corsischer Wuth ihre Jämmerlichkeit und seine Erhabenheit unter die Nase gerieben, und ihnen ganz ohne alle Hofetiquette die Wahrheit gesagt.

Und er möcht' halt doch so gern ein Kaiser ganz nach der Hofetiquette sein, sagte der Kaiser lachend, möcht' gern recht feine Höflinge um sich haben, und einen Hofhalt wie Ludwig der Vierzehnte. Aber der Advokatensohn schlägt den Herrn Kaiser immer wieder in den Nacken und so Gott will, wird er ihn einmal so heftig schlagen, daß der Kaiser mit all' seiner Herrlichkeit zu Boden purzelt.

Und so Gott will, werden Ew. Majestät dann in seiner Nähe sein, um ihm den Fuß auf den Nacken zu setzen und den kleinen Advokatensohn zu verhindern, daß er aufsteht und sich wieder der große Kaiser dünkt, rief Hudelist mit einem Lachen, das sein Gesicht wunderbar verzerrte, und zwischen den blassen Lippen seines großen Mundes zwei Reihen großer gelber Zähne hervorleuchten ließ. Noch freilich steht er aufrecht und brüllt seine Minister an, wie weiland Nero seine Freigelassenen. Talleyrand sogar war noch ganz erschüttert davon, als er eine Stunde nachher mit dem Grafen Metternich und mir in den Gewächshäusern des Ministers Fouché eine Zusammenkunft hatte. Allerdings, die Phrasen, die er anführte, waren wohl geeignet, selbst das Blut eines geduldigen Ministers in Wallung zu bringen. Er ließ die beiden Minister gleich nach seiner Ankunft rufen, dann als sie kamen, ließ er sie wie demüthige Supplicanten an der Thür seines Cabinets stehen, und vor ihnen auf und nieder rennend, mit flammenden Zornesblicken sie betrachtend, machte er ihnen Vorwürfe über ihr Betragen, sagte er ihnen, daß er alle ihre Umtriebe kenne, daß er wisse, sie conspirirten mit Oesterreich, mit Spanien, und durch Spanien mit England. Dann blieb er auf einmal, die Hände auf dem Rücken gefaltet, vor ihnen stehen, und seine Blicke würden die beiden Minister zu Boden geschleudert haben, wenn sie nicht gar so eine abgehärtete Haut hätten. Gegen mich, schrie er mit Donnerstimme, gegen mich wollen Sie conspiriren? Wem danken Sie Alles, Ihre Ehrenstellen, Würden und Güter? Mir allein! Wie können Sie dieselben bewahren? Durch mich allein! Blicken Sie rückwärts, prüfen Sie Ihre Vergangenheit. Wären statt meiner die Bourbonen wieder zum Thron gelangt, so würde man Sie Beide als Königsmörder und Hochverräther gehängt haben! Und gegen mich machen Sie Complotte? Sie müssen eben so hirnlos als undankbar sein, wenn Sie glauben, daß irgend ein Anderer Sie eben so fördern und stützen könnte, als ich. Wenn eine neue Revolution zum Ausbruch gekommen wäre, so würden Sie Beide, auf welche Seite Sie Sich auch gestellt hätten, jedenfalls die Ersten gewesen sein, die von ihr zerschmettert worden wären Napoleons eigene Worte. Siehe: Schlosser, Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts. Th. VII a. 488..

Das ist allerdings eine ziemlich derbe Kost, die der Herr Bonaparte seinen Ministern da zu schlucken gab, sagte Franz lachend. Aber Talleyrand und Fouché haben einen gesunden Magen, sie werden's halt verdauen, und nit davon Congestionen bekommen, vorausgesetzt, daß der Kaiser sie nit auf andere Weise straft.

Er hat vorläufig blos Talleyrand gestraft, und ihm die Stelle und den Gehalt eines Oberkammerherrn entzogen. Fouché ist Polizeiminister geblieben, aber beide Herren werden Tag und Nacht von Napoleons besonderer geheimer Polizei genau bewacht. Dennoch fanden sie Gelegenheit zu einigen unbewachten Zusammenkünften mit uns. Auch von anderer sehr intimer Seite her erfuhr Graf Metternich sehr viele genaue Details über die Absichten und das Wollen des Kaisers Napoleon.

Was wollen Sie damit sagen, und was ist das für eine intime Seite? fragte der Kaiser.

Majestät, sagte Hudelist mit einem seltsamen Grinsen, Graf Metternich ist ein sehr schöner Mann; die Frau Königin Caroline von Neapel aber, Madame Murat, welche die Lieblingsschwester Napoleons ist, hat sehr viel Sinn für Männerschönheit, und nahm die Huldigungen des Grafen sehr zuvorkommend auf. Uebrigens geschah das mit Bewilligung Napoleons, denn bevor er nach Spanien ging, sagte er bei einem öffentlichen Ballfeste so laut, daß einige unserer Freunde es hörten, zu seiner Schwester: amusez nous ce niais Monsieur de Metternich. Nous en avons besoin à présent! Hormayr: Kaiser Franz und Metternich. Ein Fragment. S. 55. Durch die Frau Caroline Murat erfuhr Graf Metternich zum Beispiel, daß es die Könige von Baiern und Würtemberg sind, welche hier in Wien für Napoleon ihre Spione halten, und daß sie Napoleon dringend beschworen, aus Spanien heimzukehren, um den Krieg gegen Oesterreich zu beginnen. Und Napoleon ist entschlossen, jetzt ihren Wünschen nachzugeben. Er ist mit der Schnelligkeit eines Couriers von Madrid nach Paris gereist, nur in Villadolid hat er unterwegs Rast gemacht, und von dort aus hat er seine Befehle an die Rheinbundsfürsten gesandt, sofort ihre Kriegscontingente zu stellen. Er will diese Alle mit andern Truppen zusammenstellen zu einer Armee, der er den Ehrentitel: »die deutsche Armee des Kaisers Napoleon« zu geben beabsichtigt. – Obwohl Graf Metternich dies Alles wußte, beeilte er sich doch bei dem großen Empfang, der nach der Rückkehr Napoleons in den Tuilerien stattfand, zu erscheinen, um ihm die Versicherungen der Ergebenheit des österreichischen Kaiserhofes zu erneuern. Aber Napoleon gönnte ihm keine Zeit dazu. Mit wüthender Geberde fuhr er ihm entgegen, und mit seiner lauten Schlachtenstimme donnerte er ihm zu: »Nun, Herr von Metternich! Schöne Neuigkeiten aus Wien. Was soll das bedeuten? Ist man bei Ihnen von der Tarantel gestochen? Wer bedroht Sie denn? Mit wem wollen Sie anbinden? Wollen Sie abermals die ganze Welt in Verwirrung und Aufruhr bringen? Als sich meine Armee in Deutschland befand, fühlten Sie Ihre Existenz nicht im Mindesten davon bedroht, jetzt aber, wo sie in Spanien ist, finden Sie dieselbe compromittirt? Das ist ein seltsames Raisonnement. Was wird die Folge davon sein? Ich werde rüsten, weil Sie rüsten, denn am Ende, ich habe zu fürchten, und ich bin dafür bezahlt, auf meiner Hut zu sein!« Napoleons eigene Worte. Siehe Schlosser: Th. VII a. S. 490.

Frecher Gesell, murmelte Kaiser Franz vor sich hin. Und Metternich? Was antwortete er?

Gar nichts, Majestät. Er zog sich zurück, begab sich sofort in das Gesandtschaftshotel, und in derselben Nacht noch reiste ich ab, um Ew. Majestät diese Nachrichten zu überbringen. Majestät, es leidet keinen Zweifel mehr, Napoleon ist entschlossen, den Krieg gegen Oesterreich aufs Neue zu beginnen. Seine Erbitterung ist auf das Höchste gestiegen, und die Begebenheiten in Spanien haben seinen Zorn und seinen Rachedurst nur noch gesteigert.

Er ist also nicht glücklich in Spanien? fragte der Kaiser, dessen Augen aufleuchteten.

Spanien bietet ihm noch immer Trotz, es kämpft mit der Begeisterung eines heldenmüthigen Volkes, das lieber den Tod erleiden, als sich von einem Tyrannen unterjochen lassen will. Es nimmt den Kaiser Josef, den Napoleon ihm gegeben, nimmermehr an, und da es sich von seiner Königsfamilie aufgegeben und verlassen sieht, so richten die spanischen Patrioten ihre Blicke auf Oesterreich, und sind bereit, einen der Brüder Eurer Majestät zum König von Spanien zu ernennen, wenn Ew. Majestät ihnen denselben mit einem Hülfsheer senden wollen.

Das wär' mir halt eine schöne Geschicht', rief der Kaiser auffahrend. Schweigen's davon. Wenn meine Herren Brüder das hören, brennt ihnen gleich das helle Feuer zum Kopf 'raus, denn sie sind Alle sehr ehrgeizig, meine Herren Brüder, und es ist daher besser, wenn sie gar nichts von dem spanischen Luftschloß mit der Königskron' erfahren. Sagen's mir lieber, wie sieht's in Frankreich aus? Ist das Volk noch zufrieden mit seinem Herrn Kaiser von Volkes Gnaden?

Nein, Majestät! Man darf vielmehr sagen, daß nicht blos Napoleons nächste Umgebung, seine Marschälle, seine Minister unzufrieden mit ihm sind, sondern das ganze Volk, diejenigen, welche Geld besitzen sowohl, als diejenigen, welche kein weiteres Eigenthum besitzen, als ihr Leben. Den Begüterten nimmt er durch immer erneuerte und vermehrte Auflagen und Steuern ihr Hab und Gut, und denen, welche nur ihr Leben besitzen, bedroht er auch dieses, indem er ihnen das Gewehr aufdringt, und sie zum Kriegsdienst preßt. Schon ist abermals eine Conscription ausgeschrieben, und diese trifft, bei der abnehmenden Bevölkerung von Frankreich, schon die jungen Menschen von sechzehn bis achtzehn Jahren. Frankreich ist des ewigen Krieges, des ewigen Blutvergießens müde, und es verwünscht nicht mehr blos heimlich, sondern schon laut genug, um zuweilen von Napoleon vernommen zu werden, denn nimmer rastenden Schlachtendurst seines Kaisers.

Und die Armee?

Die Armee ist ein Theil Frankreichs, und sie denkt, wie das übrige französische Volk. Die Marschälle sind untereinander uneins, und hassen zum Theil Napoleon, der ihnen niemals Frist giebt, auf ihren Lorbeeren zu ruhen, und ihrer eroberten Schätze zu genießen. Das Heer ist durchwühlt von Complotten, geheimen Verbindungen und mysteriösen Gesellschaften, welche zum Theil die Wiederherstellung der Republik, zum Theil die Wiedererhebung der Bourbonen begründen. Napoleon, der von seinen Spionen wenigstens gut bedient wird, weiß von allen diesen Dingen. Er fürchtet die Unzufriedenheit und den Ungehorsam seiner Marschälle und Generäle, die Complotte in der Armee, die Verrätherei seiner Minister, das Murren seines Volkes, er fürchtet außerdem, daß der Fanatismus der Spanier einige Schatten auf seinen Kriegsruhm werfen könnte, und er fühlt daher die Nothwendigkeit, sein Volk durch neue Kriegsthaten zu begeistern, durch neue Siege die Unzufriedenen zum Schweigen zu bringen, den Geist der Armee zu beleben! Diese Siege erhofft er in Deutschland mit seiner deutschen Armee gegen Oesterreich zu erkämpfen. Der Krieg ist daher bei ihm eine fest beschlossene Sache, und es kommt nur darauf an, ob Ew. Majestät ihm zuvorkommen, oder seine Kriegserklärung erwarten wollen. – Das ist in der Hauptsache Alles, was ich Ew. Majestät zu berichten habe, die nähern Beweisstücke und Papiere werde ich die Ehre haben, in der kaiserlichen Kanzlei niederzulegen.

Der Kaiser antwortete nicht, sondern blickte, tief in sich versunken, starr vor sich nieder. Hudelist ließ seine kleinen blitzenden Augen auf der zusammengebeugten Gestalt des Kaisers ruhen, und wie er dieses sorgenvolle düstere Gesicht mit den hängenden Zügen, der vorspringenden Unterlippe, der schmalen, beschränkten Stirn, wie er diese dürre, gebrechliche und beklagenswerthe Gestalt des Kaisers betrachtete, flog ein Ausdruck höhnischen Spottes über das Gesicht des Staatskanzleihofraths hin, und der aufgeworfene Mund, das blitzende Auge schienen zu sagen: Du bist Kaiser, aber ich beneide Dich nicht, denn ich bin mehr als Du, ich bin ein Mann, der weiß was er will!

In diesem Augenblicke begann die Pendule langsam zu schlagen, und ihre schrillenden Klänge erweckten den Kaiser aus seinem Nachsinnen.

Fünf Uhr, sagte er, sich aufrichtend. Die Stunde, in welcher ich dem französischen Gesandten eine Audienz bewilligt habe. Hudelist, gehen Sie in die Kanzlei, und warten Sie da, bis ich Sie rufe. Sie werden jedenfalls nicht nach Paris zurückkehren, sondern Ihren Posten in der Hofstaatskanzlei wieder antreten. Es ist mir auch recht lieb, daß Sie wieder da sind, denn ich halte Sie für einen treuen, gewandten und zuverlässigen Mann, mit dem ich zufrieden sein kann, und der hoffentlich mein Vertrauen nicht täuschen wird. Ich weiß, Hudelist, Sie sind ehrgeizig, und möchten gern hoch hinaus. Nun, dienen's Mir, hören's wohl, Mir ganz allein, ehrlich und treu, beobachten Sie mir Alle und Alles gut, lassen's Sich niemals einfallen, auf die Gunst und Freundschaft Anderer zu speculiren, oder neben mir andere Gönner und andere Protection zu suchen, und ich werde Ihnen immer gewogen bleiben, auch dafür Sorge tragen, daß Ihrem Ehrgeiz genug geschieht. Gehen's also, wie gesagt, da in die Staatskanzlei, und wenn Sie mich wieder zurückkommen hören, so treten's wieder hier ein, ich hab' Ihnen noch Mancherlei zu sagen! –

Ich versteh ihn ganz gut, sagte Hudelist, mit einem leisen Lächeln dem Kaiser nachblickend, der so eben die Thür des Cabinets hinter sich zudrückte, um sich in den kleinen Empfangssaal zu begeben, ja, ich verstehe ganz gut, was der Herr Kaiser meint. Er ist froh, daß er mich wieder hat, bin ihm ein nützlicher Spürhund bei den Herren Brüdern, auf die er eifersüchtig ist, und die er Alle miteinander von Herzen haßt. Wenn's mir eines Tages gelingt, ihm Sachen mitzutheilen, welche im Stande sind, die Erzherzöge zu verdächtigen, oder gar eines Unrechts zu überführen, so wird der Kaiser mich belohnen und befördern, und wie er sagt, meinem Ehrgeiz genug thun. Nun, nun, wir werden ja sehen! Wenn man einen Menschen recht sorgsam überwacht, und den ernstlichen Willen hat, etwas Verdächtiges an ihm auszuspüren, so findet man zuletzt ganz gewiß irgend ein kleines Häkchen, an dem man ihn festhalten und das man nach und nach so pressen und dehnen kann, daß ein Haken daraus wird, groß genug, um den ganzen Mann daran aufhängen zu können. Ich werd' zunächst mein Augenmerk auf den Erzherzog Johann richten, denn er ist seinem Herrn Bruder zunächst ein Gegenstand des Zorns und der Eifersucht. Ha, wenn ich an dem so'n Häkchen ausfindig machen könnt', um ihn festzuhalten, das würd' mir der Kaiser mit Geld, Ehrenstellen und Orden belohnen, und das würde sein Vertrauen zu mir unerschütterlich machen! Nun, ich werd's überlegen, der Gedanke ist gut, und des Nachdenkens werth! Ich werd' mir einen Plan machen, um den guten, freigebigen Erzherzog Johann zu der Leiter zu machen, auf welcher ich aufwärts steige. – Siegen muß ich, und wenn ich das nur kann, indem ich Andere herunterreiße, nun, dann ist es Pflicht der Selbsterhaltung, daß ich das thue! – Ich will mich jetzt in die Kanzlei begeben und meinen Herrn Kaiser erwarten. Ach, wie ihm die dürren Glieder schlotterten, als er von der Rückkehr Napoleons hörte, wie verdrießlich und schwer er an den schlimmen Nachrichten würgte, die ich ihm als Bonbonniere mitbrachte. Es giebt keinen ergötzlicheren Anblick, als ein Menschenantlitz zu beobachten, wenn es alle Stadien der Erregung durchmacht und ganz unwillkührlich in seinen Zügen die fünf Aufzüge einer Tragödie durchspielt. Und nun gar, wenn dies Menschenantlitz einem Kaiser angehört! Hatte mich während der ganzen Reise von Paris auf diesen Anblick und auf die Pandorabüchse gefreut, die ich dem Kaiser überbracht. Er will keinen Krieg, und er muß ihn nun doch wollen, das ist der Hauptspaß. Ha, ha, es ist allerliebst, die Götter dieser Erde so in menschlicher Bedrängniß zu sehen! Ich hätte laut auflachen können vor Wonne über die unglückliche Figur des Kaisers! Aber still, still, ich will in die Kanzlei gehen, bis er wieder kommt. –

Der Kaiser hatte sich während deß in den kleinen Audienzsaal begeben, in welchem Graf Andreossy, der französische Gesandte, ihn schon erwartete.

Franz erwiderte die ehrerbietige Begrüßung des Gesandten mit einem kaum merklichen Kopfneigen, und schritt grad' aufgerichtet bis in die Mitte des Saales vor. Hier blieb er stehen, und einen strengen, fast herausfordernden Blick auf den Abgesandten werfend, sagte er in vollkommen steifer Grandezza, und ohne seiner Zunge den gewohnten Wiener Jargon zu erlauben: Sie haben auf eine sehr ungewöhnliche Weise von mir eine Audienz erbeten. Ich habe sie Ihnen aber gewährt, um Ihnen meine Bereitwilligkeit zu beweisen, mit Frankreich in gutem Einvernehmen zu bleiben. Jetzt also sprechen Sie. Was hat der Abgesandte des Kaisers von Frankreich dem Kaiser von Oesterreich zu sagen?

Majestät, ich habe zuerst dem Kaiser von Oesterreich die Grüße meines aus Spanien heimgekehrten Gebieters zu vermelden, sagte Andreossy feierlich.

Franz nickte langsam mit dem Kopfe. Und weiter? fragte er dann.

Weiter habe ich von meinem Souverain einen sehr schwierigen Auftrag erhalten, für dessen Ausführung ich mir zuerst und vor allen Dingen die Verzeihung Eurer Majestät erflehen möchte.

Sie sind der Diener Ihres Herrn, und es ist Ihre Pflicht, ihm zu gehorchen, sagte der Kaiser trocken. Sagen Sie also, was er Ihnen befohlen hat, zu sagen!

Nun denn, mit Eurer Majestät Erlaubniß habe ich zu sagen, daß mein Gebieter, der Kaiser von Frankreich, sich sehr bitter gekränkt fühlt von dem feindseligen Betragen, das Oesterreich in der letzten Zeit gegen ihn beobachtet hat.

Und was ist es, das Ihr Kaiser uns Oesterreichern vorwirft? fragte der Kaiser vollkommen gelassen.

Zuerst hat sich der Kaiser Napoleon sehr unangenehm davon berührt gefühlt, daß Oesterreich noch immer zögert, den Bruder meines Gebieters, den König Josef Bonaparte, als König von Spanien anzuerkennen, und einen beglaubigten Gesandten an ihn abzuschicken.

Ich war unsicher, wohin ich meinen Gesandten schicken sollte, und wo er den Herrn Josef Bonaparte, zeitweiligen König von Spanien, finden könnte, ob in Madrid, oder in Saragossa, im Heerlager, auf dem Schlachtfeld, oder auf der Flucht. Deshalb unterließ ich es, einen Gesandten an ihn zu schicken. Sobald aber die spanische Nation mir Auskunft geben kann, wo ich ihren gewählten und anerkannten König zu suchen habe, werde ich sogleich einen bevollmächtigten Gesandten an ihn abschicken. Sagen Sie das Ihrem Monarchen.

Ferner beschwert sich Seine Majestät der Kaiser Napoleon schmerzlich darüber, daß Oesterreich, statt darauf bedacht zu sein, sich seinen Frieden mit Frankreich intact zu erhalten, alle Mittel angewandt hat, um die Feinde Frankreichs, welche sich untereinander bekriegten, zu versöhnen, und den Frieden unter ihnen wieder herzustellen, und daß es Oesterreichs rastlosen Bemühungen jetzt wirklich gelungen ist, einen Friedenstractat zwischen der Türkei und England zu Stande zu bringen. Dies muß mein Herr und Kaiser aber als eine von Seiten Oesterreichs gegen Frankreich gerichtete feindselige Handlung betrachten, denn England mit der Türkei versöhnen, heißt Frankreich mit der Türkei entzweien, oder wenigstens ihm allen Einfluß bei der Pforte entziehen.

Die Türkei ist mein Nächster Nachbar, und es ist für Oesterreich von Wichtigkeit, daß es nicht von allen Seiten von Krieg und Unruh umgeben sei, nicht überall seine Grenzen von Kriegsschaaren beunruhigt sehe, sagte der Kaiser. Es muß jedem unabhängigen Staat frei stehen, seiner eigenen Politik zu folgen, und sobald diese gegen andere unabhängige Staaten dadurch nicht feindselig auftritt, wird Niemand daran Anstoß nehmen können. Sind Sie zu Ende mit Ihren Beschwerdepunkten?

Nein, Majestät, sagte Andreossy fast traurig. Das Schwierigste und Bitterste bleibt mir noch zu sagen; aber, wie Ew. Majestät vorher gnädigst bemerkten, ich muß den Befehlen meines Herrn gehorchen, und es ist sein Wille, daß ich jetzt Ew. Majestät mit den Worten meines Herrn und Gebieters seine Ansichten darlege. Der Kaiser Napoleon ist aber auf das Unangenehmste davon berührt, daß Oesterreich in offenbarer Feindschaft sich Frankreich gegenüber stellt, während Frankreich doch ihm so viel Beweise seiner Langmuth gegeben, und Oesterreich bis jetzt immer noch geschont hat, trotz der vielen falschen Schritte und der offenbaren Feindseligkeit des österreichischen Hofes. Napoleons eigene Worte. Siehe: Hormayr: Allgemeine Geschichte Th. III. S. 206. Der Kaiser Napoleon läßt Ew. Majestät wissen, daß er sehr wohl die ehrgeizigen Pläne Oesterreichs kenne, daß er aber nicht glaube, daß Ew. Majestät Kräfte genug besäßen, um dieselben zu verwirklichen. Er bittet, daß Ew. Majestät niemals aus Ihrem Gedächtniß die Erinnerung an die Großmuth verlieren möchten, welche Se. Majestät der Kaiser Napoleon Allerhöchst Ihnen nach der Schlacht von Austerlitz bewiesen habe. Ew. Majestät wüßten, wie sehr Sie der Großmuth des Kaisers vertrauen könnten, und was ihm die Heiligkeit der Verträge gelte! Neapel, Preußen und Spanien würden noch aufrecht stehen, wenn ihre Beherrscher ihrer eigenen Einsicht vertraut hätten und nicht ihren Ministern, oder gar Höflingen, Weibern und jungen ehrgeizigen Prinzen Gehör gegeben hätten. Se. Majestät läßt den Kaiser von Oesterreich beschwören, keinen gehässigen Rathschlägen Gehör zu geben, nicht der kriegslustigen Partei zu folgen, welche nur ihren persönlichen, leidenschaftlichen Ehrgeiz zu befriedigen trachtet, und deren Augen nicht sehen wollen, daß sie Oesterreich einem Abgrund entgegentreiben, in welchem es zu Grunde gehen muß, wie Preußen, Neapel und Spanien in demselben zu Grunde gegangen sind. Hormayr: Allgemeine Geschichte. Th. III. S. 205.

Se. Majestät der Kaiser Napoleon ist sehr gütig, mir so freundschaftlich und besorglich seine Rathschläge zu ertheilen, sagte Kaiser Franz lächelnd. Ich bitte aber Se. Majestät zu glauben, daß ich wirklich, ganz seinem Wunsche gemäß, nur meiner eigenen persönlichen Einsicht vertraue, daß ich Niemanden und keiner Partei folge, sondern durchaus gewohnt bin, die Angelegenheiten meines Landes, und die Verwaltung meines Reiches selbst zu besorgen, und keinen Einflüsterungen, von welcher Seite sie immer kommen möchten, Gehör zu geben. Ich bitte, Seiner Majestät dem Kaiser Napoleon das, was ich eben gesagt habe, mit derselben Genauigkeit zu wiederholen, mit der Sie mir seine Worte hinterbracht haben. – Und jetzt, mein Herr Graf Andreossy, sind Sie wohl mit dem, was Sie mir im Namen Ihres Herrn zu sagen hatten, fertig, wie ich denke?

Verzeihung, Majestät, zuletzt soll ich noch im Namen des Kaisers eine Erklärung fordern, was die großen Kriegsrüstungen Oesterreichs, die Errichtung der Landwehr, die Ausrüstung der Grenzfestungen zu bedeuten haben, und gegen wen das Alles gerichtet sei? Der Kaiser beschwört Ew. Majestät inne zu halten mit diesen verderblichen und unnützen Demonstrationen, und befiehlt mir, ausdrücklich zu sagen, daß: wenn Oesterreich seine Rüstungen nicht durch Maßregeln von entgegengesetzter Art rückgängig machte, der Ausbruch des Kriegs unvermeidlich sei. Napoleons eigene Worte. Siehe: Lebensbilder II. und Allgemeine Weltgeschichte von Hormayr. Th. III.

Dann, mein Herr Abgesandter des Kaisers Napoleon, dann ist der Krieg unvermeidlich, rief Franz, der jetzt die Maske kalter Gleichgültigkeit abwarf, und seinem Antlitz gestattete, all' die Aufregung, den Zorn und die Empörung, welche seine Brust erfüllten, in seinem erregten Mienenspiel, den blitzenden Augen, der umwölkten Stirn zu verrathen. Ich habe Sie ruhig angehört, fuhr er mit erhöhter Stimme fort, ich habe alle die übermüthigen Phrasen, welche Sie mir im Namen Ihres Kaisers zu sagen gewagt, mit schweigender Gelassenheit vernommen. Sie waren für mich nichts weiter, als eines jener hochberühmten stolzen Bülletins, in deren Abfassung Ihr Kaiser so groß ist, und an deren stolze und hochfliegende Sprache sich ganz Europa bereits gewöhnt hat. Aber man weiß auch, daß diese Bülletins es mit der geraden Straße der Wahrheit nicht so ganz genau nehmen, sondern zuweilen eine bedeutende Ausbiegung von derselben gestatten. Als eine solche Ausbiegung aber muß ich es bezeichnen, wenn Ihr Kaiser sagt, er habe mir bewiesen, was ihm die Heiligkeit der Verträge gelte, und er habe mir nach der Schlacht von Austerlitz Proben seiner Großmuth gegeben. Nein, der Kaiser hat das nicht gethan, er hat mich ohne Rückhalt die augenblickliche Ueberlegenheit seiner Stellung fühlen lassen. Er war mein Feind, und er hat an mir gehandelt als mein Feind, ohne alle Großmuth, die ich auch im Uebrigen nicht beanspruche. Er hat mir aber auch bewiesen, daß ihm die Heiligkeit der Verträge gar nichts gilt. Er hat vielmehr jedweden Artikel des Preßburger Friedens gebrochen und umgangen, er hat die damals stipulirten Grenzen nicht inne gehalten, sich innerhalb meines Reiches, den Verträgen zuwider, bleibende Kriegsstraßen ertrotzt, die mir verwandten Fürstenhäuser, deren Bestehen mir garantirt war, von ihren Thronen gestoßen, er hat das von ganz Europa hochverehrte Oberhaupt der Christenheit gegen alles Völkerrecht seines Thrones beraubt und in schmachvolle Gefangenschaft abgeführt. Er hat mich beleidigt in meinen Gefühlen als Souverain, als Greis und als Verwandter, er hat in allen Meeren den eigenwilligsten Druck gegen Oesterreichs Flagge geübt, und jetzt, nach Allem was geschehen, jetzt, nachdem Oesterreich so lange und so schweigend alle Unbill ertragen, jetzt will der Kaiser Napoleon sich sogar noch in die innere Verwaltung meines Landes einmischen, und mir versagen, was er seit dem Beginn seiner Regierung unablässig gethan, nämlich: das Heer in Kriegsbereitschaft zu halten, die Mannschaften und Reserven auszuheben und die Festungen auf den Kriegsfuß zu setzen. Er verlangt, daß ich meine Kriegsrüstungen rückgängig mache, oder er betrachtet den Ausbruch des Krieges als unvermeidlich. Nun, mein Herr Abgesandter, es liegt aber ganz in dem Belieben des Kaisers Napoleon, dies so zu betrachten, und ich werde es nicht versuchen, ihn daran zu hindern, denn ich werde meine Rüstungen nicht rückgängig machen, sondern fortsetzen, ich habe die Landwehr einberufen, eben so gut, wie der Kaiser der Franzosen immer neue Rekruten einberuft, und wenn also deshalb der Krieg unvermeidlich ist, so werde ich das Unvermeidliche mit Fassung und Kraft zu ertragen wissen.

Ew. Majestät, dies ist also Ihr unumstößlicher Beschluß? fragte Andreossy. Dies ist die Antwort, welche ich meinem Herrn, dem Kaiser Napoleon, übersenden soll?

Ich halte es für besser, wenn Sie diese meine Antwort Ihrem Kaiser persönlich überbringen möchten, sagte Franz gelassen. Da wir keinen Zeugen unserer Unterredung haben, so können nur Sie selbst mit vollständiger Genauigkeit meine Worte wiederholen, und es ist daher das Beste, Sie verlassen noch heute Wien, und begeben Sich nach Paris zu Ihrem Kaiser.

Das heißt, Ew. Majestät geben mir meine Pässe, und der Krieg zwischen Frankreich und Oesterreich wird unverzüglich zum Ausbruch kommen, seufzte Andreossy. Ew. Majestät sollten aber gnädigst bedenken –

Ich habe Alles bedacht, unterbrach ihn Franz lebhaft, und ich bitte Sie, nicht wieder in den Bülletinstyl zurückzufallen. Ich will die Bülletins des Kaisers Napoleon lieber auf dem Schlachtfeld als in meinem Cabinet hören. Reisen Sie also nach Paris, Herr Gesandter, und wiederholen Sie dem Kaiser, was ich gesagt habe.

Ich werde dem Befehl Eurer Majestät genügen, sagte Andreossy seufzend, ich werde abreisen, aber ich werde vorläufig noch das Gesandtschaftspersonal hier zurücklassen, denn ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, daß es noch möglich wäre, eine Verständigung herbeizuführen, und den Krieg zwischen zwei Mächten zu vermeiden, die so sehr viel Ursache haben, sich zu lieben.

Erwarten wir die Dinge, welche da kommen werden, mit Gelassenheit, erwiderte der Kaiser. Leben Sie wohl, Herr Graf Andreossy, und wenn ich Ihnen rathen kann, reisen Sie sobald als möglich heute ab. Denn sobald meine lieben Wiener erfahren, daß es nun alles Ernstes zum Krieg kommen soll, wird ihr Entzücken sich wahrscheinlich in sehr stürmischen und begeisterten Demonstrationen äußern, und ich denke, daß Ihnen das unangenehm sein müßte zu hören. Gott befohlen, mein Herr!

Er nickte dem Gesandten mit der Hand einen flüchtigen Gruß zu, neigte langsam und stolz sein Haupt, und verließ dann, ohne den Grafen Andreossy noch eines Blickes zu würdigen, den Audienzsaal.

Jetzt werden meine Herren Brüder halt eine absonderliche Freud' haben, sagte der Kaiser vor sich hin, indem er in seinem, neben dem Audienzsaal befindlichen Wohnzimmer langsam, die Hände auf dem Rücken gefaltet, auf- und abging. Blos ärgern wird sie's, daß sie nit um Rath gefragt sind, und daß ich halt das Ding zu Stand' bring', ohne ihre Weisheit anzuhören.

Ew. Majestät, meldete der eben eintretende Kammerhusar, die Herren Erzherzöge Kaiserliche Hoheiten Carl und Johann bitten Se. Majestät um die Gnade einer Audienz.

Sind willkommen, sagte der Kaiser, über dessen Antlitz ein leises Lächeln zuckte. Lassen Sie meine Herren Brüder hier herein.


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