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Der neu ernannte Minister und Nachfolger Faßbenders, Graf Stadion, ging mit lebhaften Schritten, mit sorgenvoller Miene in seinem Cabinet auf und ab. Zuweilen blieb er stehen und das Haupt nach der Thür hin geneigt, schien er erwartungsvoll auf irgend ein Geräusch zu horchen, dann, wenn draußen Alles still blieb, begann er wieder lebhaft auf- und abzugehen und warf, so oft er der Pendule auf dem Kaminsims sich näherte, einen sorgenvollen Blick auf dieselbe.
Sicher ist der Hormayr nicht zu Hause gewesen, murmelte er grollend vor sich hin, seine Leute wissen nicht, wo er ist, also kann der Scandal nicht verhütet werden!
Er zog aus seiner Westentasche seine goldene Dose hervor und nahm eine mächtige Prise. Hab's von Anfang an gesagt, murmelte er, man soll sich nicht mit dem unvernünftigen Bauernvolk einlassen, soll nicht den Bock zum Gärtner machen wollen! Aber die Herren wollten nicht auf mich hören und – halt, mir scheint, ich höre Schritte im Vorsaal. Ja, ja, man kommt! –
Graf Stadion hatte sich nicht getäuscht, die Thür ward jetzt geöffnet und der Lakei rief mit lauter Stimme: der Freiherr von Hormayr!
Eintreten, schnell eintreten, sagte Graf Stadion, ungeduldig mit der Hand winkend, und als jetzt Hormayr auf der Schwelle der Thür erschien, ging er ihm hastig einige Schritte entgegen.
Wahrhaftig, es hat lang gedauert, bis man Sie aufgefunden hat, mein Herr, rief der Minister unmuthig. Seit einer halben Stunde warte ich auf Sie.
Ich war beim Erzherzog Johann und zwar in Geschäften, Excellenz, sagte Hormayr scharf betonend. Ueberdies konnte ich nicht ahnen, daß Ew. Excellenz mir zu so ungewöhnlicher Stunde und so ganz unaufgefordert eine Audienz bewilligen wollten.
Ungewöhnliche Stunde, rief Graf Station, eine Prise nach der andern in seine Nase befördernd, ja, ja, ungewöhnliche Stunde! Es wäre mir auch lieber, wenn ich nicht nöthig gehabt hätte, Sie und mich zu incommodiren. Aber Sie sind selbst Schuld daran! Sie halten nicht Ihr Wort!
Excellenz, fuhr Hormayr auf. –
Ah, bah, es ist die Wahrheit, Sie halten nicht Ihr Wort! Sie haben mir versprochen, daß Ihre Tyroler versteckt bleiben sollten, damit wir nicht in den schlimmen Ruf kommen, irgend ein Volk zur Empörung zu autorisiren, und damit außerdem die Baiern nicht vorzeitig aufmerksam werden. Können Sie's leugnen, daß Sie mir das versprochen haben?
Nein, Excellenz, das leugne ich ganz und gar nicht.
Nun, und Ihre Tyroler laufen überall herum.
Ew. Excellenz verzeihen, aber das ist nicht wahr! Man hat Sie falsch berichtet.
Was, falsch berichtet! Wie können Sie das sagen und keck behaupten, Herr? Ihr Bartmann, oder Buschmann, oder Sandwirth sitzt drüben im Kärnthnerthor-Theater und zieht Aller Augen auf sich. Ich hab's mit eigenen Augen gesehen, verließ eben deshalb das Theater und ließ Sie hierher rufen. Graf Stadions eigene Worte. Siehe: v. Hormayr, Andreas Hofer. I. 209.
Ew. Excellenz haben ihn selbst gesehen? Dann freilich darf ich nicht länger zweifeln und dann möchte ich Ew. Excellenz um Erlaubniß bitten, sogleich in's Theater gehen und ihn hinaus führen zu können.
Das war's was ich von Ihnen fordern wollte, Herr von Hormayr. Eilen Sie und schaffen Sie mir diesen Buschmann aus Wien fort!
Morgen in der Frühe schon wird er Wien verlassen! Jetzt erlauben mir Ew. Excellenz mich zu beurlauben!
In fliegender Eile sauste Herr von Hormayr von dannen, die Treppen der Staatskanzlei hinunter, über den Josephsplatz dahin nach dem Kärnthnerthor-Theater da drüben.
Athemlos vom eiligen Lauf kaufte er an der Kasse ein Billet und trat in's Parterre ein.
Man gab heute im Kärnthnerthor-Theater Mozart's Hochzeit des Figaro, und diese Lieblingsoper der Wiener hatte ein so zahlreiches Publikum herbeigezogen, daß kein Platz mehr leer war, und Herr von Hormayr Mühe hatte, durch das wogende Gedränge des Parterre sich ein wenig vorwärts zu schieben, um einen Standpunkt zu gewinnen, von welchem er einen Ueberblick über das Haus erlangen, und nach dem, um dessentwillen er gekommen, forschen könne.
Endlich war es ihm gelungen, sich so weit vorzudrängen, daß er, an einen der Pfeiler gelehnt, welche die obern Logenreihen trugen, den untern Raum des Hauses übersehen konnte.
Aber alle Gesichter waren ihm abgewandt, Aller Augen waren auf die Bühne gerichtet. Man war eben bei der Scene angelangt, als Graf Almaviva bei der Erzählung von Cherubim's tollen Streichen eben »leise, leise, so den Teppich,« von dem Stuhl abhebt und Cherubim unter demselben findet.
Ein allgemeines Lachen wogte vom Parterre bis in die obere Gallerie durch das Haus. Aber inmitten dieses Lachens rief eine laute, erzürnte Stimme: Ei, Du nichtsnutziger Bueb! Wenn i Di hätt', das sollt'st Du schauen!
Und in der Mitte des Parquets hob sich eine drohende Faust und ein hochgeschwungener Arm empor.
Straf mich Gott, das ist wahrhaftig der Andreas Hofer, murmelte Herr von Hormayr, sich angstvoll hinter dem Pfeiler bergend.
Ein lautes Lachen rauschte jetzt durch den Saal und Aller Blicke wandten sich nach der Seite hin, von welcher die Stimme ertönt war.
Und da saß der gute Andreas Hofer in seiner prächtigen Nationaltracht, mit seinem langen, schwarzen Bart, mit seinem frischen, gutmüthigen Angesicht. Da saß er, ganz unbekümmert um das Anschauen des Publikums, gar nicht ahnend, daß er der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit war, und ganz verloren im Anschauen der Bühne, auf welcher die Scene zwischen Cherubim, dem Grafen und Figaro weiter fortging. Ganz Ohr, ganz Auge, folgte er dem Gang der Handlung, und als Cherubim jetzt mit allerlei wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen Lügen seine Unschuld zu beweisen suchte, verfinsterte sich Hofer's Stirn.
Er wandte seine Blicke von der Bühne ab und zu seinem Nachbar hin. Aber, sagte er laut und unwillig, der Bueb lügt doch halt, als wenn er der Bonapart' selber sein thät'!
Nun kannte der Jubel des Publikums keine Grenzen mehr, man applaudirte, man rief Bravo! Bravo! man vergaß ganz und gar die Scene auf der Bühne und hatte nur noch Interesse für den wunderbaren, fremdländischen Bartmann im Parterre, auf den jetzt alle Augen, alle Lorgnetten und alle Perspective gerichtet wurden.
Herr von Hormayr, hinter seinem Pfeiler verborgen, trocknete sich den Angstschweiß von der Stirn und schleuderte wüthende Blicke auf Andreas Hofer hin, der indeß gar keine Ahnung von seiner Anwesenheit hatte, und an dessen mit dem Bart und Crucifix gepanzerten Brust alle diese auf ihn gerichteten Blicke wie stumpfe Pfeile abprallten.
Die Sänger, welche, betäubt von dem unerwarteten Jubel und der Zwischenscene im Parquet, einige Minuten geschwiegen und selber nur mit Mühe ihr Lachen unterdrückt hatten, setzten jetzt ihre Scene fort, und dem Liebreiz der Musik, der Anmuth des Sujets gelang es bald wieder, die Aufmerksamkeit des Publikums an sich zu ziehen.
Andreas Hofer, jetzt wieder in stilles Staunen versunken, schaute starr auf die Bühne hin. Herr von Hormayr schlich sich leise von seinem Platz fort und näherte sich dem Ausgang.
Dem Billeteur, der an der Thür dort lehnte, drückte er einen Gulden in die Hand. Hören Sie, flüsterte er ihm hastig zu, sobald der Vorhang gefallen, drängen Sie sich zu dem Riesen mit dem langen Bart hin, der da im Parquet sitzt und eben das Publikum durch sein Geschwätz belustigt hat. Es ist ein Viehhändler aus Ungarn, mit dem ich nothwendig zu sprechen habe. Sagen Sie ihm nur in's Ohr: der Landsmann mit dem Wein und mit den Pferden sei angekommen und müsse ihn auf der Stelle sprechen; er solle mit Ihnen kommen! – Gott sei Dank, da fällt der Vorhang! Jetzt eilen Sie sich! Wenn Sie mir den Mann bis draußen in den Corridor bringen, gebe ich Ihnen noch einen Gulden!
Das Antlitz des Billeteurs glänzte vor Vergnügen und muthvoll brach er sich Bahn durch das Gedränge und gelangte glücklich bis zu dem »Viehhändler aus Ungarn« hin, der, das Haupt auf seine Brust geneigt, ganz in Gedanken verloren da saß. Leise klopfte er ihn auf die Schulter und flüsterte ihm seine Botschaft in's Ohr.
Andreas Hofer fuhr auf und starrte den Billeteur an. Was für ein Landsmann? fragte er. Und wie kann er mir Wein und Pferde hierher bringen, da –
Ihr wißt nichts davon, flüsterte der Billeteur, ich weiß nur, daß Ihr Landsmann mit dem Wein und den Pferden auf Sie wartet und daß er Sie auf der Stelle sprechen muß!
Na, so kommen's, führen's mich zu ihm, sagte Andreas, seine kolossale Figur hoch aufrichtend. Bin doch neugierig, was das für'n Landsmann ist! Gehen's nur immer voran, ich folg' schon!
Der Billeteur trat seinen Rückweg durch das Gedränge an; hinter ihm her kam Andreas Hofer, gar freundlich und treuherzig nach allen Seiten hin grüßend, die Menschen wie die Fliegen bei Seite schiebend, wenn sie ihm im Wege standen.
Endlich war die Ausgangsthür erreicht, endlich standen sie auf dem Corridor. Und da war der Freiherr von Hormayr, und wie ein Tiger sich auf seine Beute stürzt, so packte er Andreas Hofer's Arm und zog ihn mit sich fort, den Corridor entlang bis auf den äußern Flur, der menschenleer und öde genug war, um keinen unbefugten Lauscher fürchten zu müssen.
Hier endlich machte er Halt und ließ den Arm Andreas Hofer's fahren, der stumm vor Erstaunen ihm gefolgt war, und nur seine Augen sprühend umherschweifen ließ, als suche er noch Jemand.
Aber Anderl, rief Hormayr jetzt aufgeregt und heftig, Anderl, was soll ich von Dir denken? Die Tyroler halten sonst doch Wort, und der brave Sandwirth allein sollt's nicht thun? Du hast mir in die Hand versprochen, Du wolltest Dich sorgfältig verborgen halten und läufst jetzt in Deinem Aufzug und mit Deinem bärtigen Rüssel daher, um die Operntriller zu hören und zu sehen, wie sie im Ballet die Beine ausstrecken? Hormayr's eigene Worte. Siehe: v. Hormayr, Andreas Hofer. I. S. 209.
Der Andreas Hofer bricht nimmer sein Wort, sagte Hofer ernst. Ich hab' versprochen, nit bei Tag auf die Straß' zu gehen und mich bei Tag vor keinem Menschen sehen zu lassen, und i hab' getreulich Wort gehalten. Bin den ganzen Tag daheim geblieben, und jetzt erst, als es dunkel worden, sind wir Drei mitsammen auf die Straß' gangen. Der Speckbacher und der Wallner sind zu Erzherzog Johann seinem Büchsenspanner, dem Anton Steger, gegangen, um von ihm Abschied zu nehmen, und ich wollt' in den Stephansdom gehen, um die Abendmeß' anzuhören. Aber ich weiß nit Bescheid in dem großmächtigen Wien, und so werd' ich mich wohl verirrt haben. Auf einmal kam ich in ein mächtiges Gedräng' und so denk' ich, jetzt bin ich am St. Stephansdom, und das sind lauter fromme Leut', die auch in die Abendmeß' gehen, und laß mich vorwärts schieben in die Thür 'nein, weil ich denk', es geht in die Kirchen.
Und als Du das Billet kauftest, Anderl, da hast Du wohl gedacht, daß Du Dir 'n Ablaß für Deine Sünden kauftest, nicht?
Nein, das hab' ich halt nit grade gedacht, sagte Andreas verlegen. Aber als ich alle Menschen an die Kasse treten und ein Billet kaufen sah, da hab' ich gedacht, sie werden hier halt, wie sie's in Insbruck auch thun, in der Fastenzeit christliche Passionsspiel' aufführen und aus Wohlthätigkeit und Frömmigkeit für die Armen recht schöne und heilige Schauspiel' aus der Bibel darstellen. So höre ich meinen Vordermann schreien: Billet zum Sperrsitz! – Schrei ich auch. Billet zum Sperrsitz! und werf, wie er, meinen Gulden auf den Tisch. Nun reichen's mir 'n Billet hin und ich geh' vorwärts, wie's die Andern thun, und hinein in's Haus. Gleich fangen's auch an, wie wir da sitzen, ziehen den Vorhang auf und fangen an zu singen. Freilich, ein christlich Passionsspiel war's nit, was sie da sangen und spielten, und aus der Bibel war's auch nit hergeholt. Aber es ist doch ein hübsch Stück, und ich denk' es wird gleich wieder anfangen, und es ist Zeit, daß ich wieder hinein geh'! Nun möcht ich wissen, wo der Landsmann mit den Pferden und dem Wein bleibt. Er wollt' mich nothwendig sprechen, läßt mich rausrufen und nun kommt er doch nit.
Aber Anderl, merkst Du denn nicht, daß ich es war, der Dich rufen ließ? fragte Hormayr, es war ja nur eine Fint' von mir um den Barbone aus dem Theater rauszubugsiren und ihn von hier fortzuholen.
Ja, warum wollt' Ihr mich denn aber fortholen? Ich sag' Euch, das Stück gefällt mir gar wohl, und ich hab' niemals nicht was Aehnliches gesehen. Es ist wahr, der Bueb ist ein Lügenmaul, aber es ist doch ein drolliger Patron, und ich gönn' ihm alles Gute. Und der Figaro, das ist ein schlauer Fuchs und ein tapferer Kerl zugleich. Ich möcht' gerne seine Bekanntschaft machen und ihn fragen, ob er wirklich der alten Marielle die Eh' versprochen hat, denn das wäre schlecht von ihm, wenn er nun nit Wort hielt und sie sitzen ließ, blos weil das junge Weibsen ihm besser gefällt. Wenn ich wüßt', wo er wohnt, ging ich heut Nacht noch zu ihm, um ein gut und ehrlich Wort mit ihm zu reden.
Aber Du altes, närrisches Naturkind, das war ja nur alles Schauspielerei und Narrethei. Der Figaro hat ja nimmer gelebt, und wenn er selbst lebte, würdest Du doch nicht zu ihm gehen, sondern jetzt mit mir kommen, mit mir nach Hause, wo wir mitsammen wollen Abendbrod essen.
Es thut mir leid, sagte Andreas ernst, ich kann jetzt durchaus nit mit Euch kommen, denn erstens muß ich hier bleiben und den Landsmann erwarten, der mit den Pferden und dem Wein gekommen ist.
Jesus Maria, was schwatzt Du denn da? Der Landsmann, das bin ja ich, Anderl!
Ja so, das hätt' ich schon vergessen! Aber zweitens kann ich nit fortgehen, weil ich das Stück erst zu End' sehen muß. Laßt mich also gehen, daß ich wieder auf meinen Platz komme, denn ich hab' doch für das ganze Stück bezahlt; sicherlich hab' ich jetzt schon viel versäumt, aber zuletzt werden's mir an der Kassen doch keinen Heller wiedergeben für das, was ich nit gehört habe. Andreas Hofer's eigene Worte. Siehe: Hormayr: Andreas Hofer I. S. 310.
Sie werden's nicht und sie sollen's auch nicht, rief Hormayr ärgerlich. Du wirst nicht wieder in's Theater hinein gehen, Anderl, sondern Du wirst mit mir kommen und wirst bei mir zu Nacht essen. Weißt ja, liebes Menschenkind, daß Du nach Wien gekommen bist, doch nicht in's Theater zu gehen, sondern um für's Tyrolerland Hülfe und Beistand vom lieben Erzherzog Hannes zu erbitten und beim Kaiser anzufragen, ob er seinen treuen Tyrolern nicht helfen will, daß sie wieder zu ihm kommen als zu seinen Landeskindern. Und der Kaiser und der Erzherzog wollen Euch helfen und wollen zu rechter Zeit mit Soldaten und Kanonen bei Euch sein. Aber Du mußt doch halt nun auch thun, was der Erzherzog von Dir gefordert hat, mußt Dich fein still und verborgen halten, Anderl, damit der Baier nichts erfährt davon, daß Du in Wien gewesen, denn sonst würd' er Dich und Deine ganze Sippschaft gefangen nehmen, wenn Du heim kommst. Deshalb darfst Du nicht wieder hinein gehen in's Theater, wo Dich so viele Leute sehen und leider schon gesehen haben, deshalb mußt Du mit mir kommen.
Nun, wenn's denn sein muß, so kommt nur, Herr, seufzte Andreas. Aber hört nur, wie sie da drin jubeln und schreien und singen. Jesus Maria, am End' muß der Figaro doch noch die alte Marielle heirathen und die hübsche Susanne sitzen lassen. Ach, mein Gott, sie wird sich todt grämen, denn sie liebt ihn gar sehr. Hört, Herr, laßt mich nur noch Einmal hinein, daß ich seh', ob er die Alte heirathen muß!
Nein, Anderl, sagte Hormayr lächelnd, beruhige Dich nur, der Figaro heirathet die Alte nicht, denn sie ist seine eigene Mutter.
Was? rief Andreas entsetzt, sie ist seine Mutter, und er hat ihr die Ehe versprochen? Das ist ja eine Sünd' und Schand'! Das ist unchristlich und schlecht! Kommen's, Herr Landsmann! Ich mag nichts mehr davon hören! Wie kann nur ein Christenmensch solche Gräuel mit ansehen! Herr Gott, was wird nur die Anna Gertrud sagen, wenn ich ihr erzähl', was ich hier erlebt hab' und daß hier die Männer in Wien so schändlich sind, ihren Müttern die Ehe zu versprechen.
Aber sie thun's ja nicht im Leben, Anderl, sondern nur in dem lustigen Theaterstück. Im Leben würd's ihnen die Polizei bald verbieten. Denn der Kaiser ist ein gar frommer und tugendhafter Herr, und er leidet es nicht, daß in seinen Landen gegen die heiligen Gesetze Gottes und der Kirche gefehlt werde!
Ja, der Kaiser ist ein gar frommer und tugendhafter Herr, rief Andreas Hofer begeistert, und darum liebt das Tyrolervolk ihn auch, und darum wollen wir ihm auch wieder angehören, wieder seine Kinder werden und ihn lieben und ihm gehorchen als unserm Herrn und unserm Vater! Kommt, ich will mit Euch heimgehen! Mag nichts mehr hören von dem verlogenen Theaterkrimskrams! Von unserm Kaiser wollen wir reden und vom lieben Erzherzog Hannes! Der liebe Herr Gott da droben steh' uns gnädiglich bei, daß wir bald wieder sagen können: er ist unser Kaiser Franz und der Erzherzog ist unser Hannes, und seine Tyroler gehören ihm wieder an, weil sie tapfer mit ihrem Gut und Blut und Leben gekämpft haben, und weil der liebe Herr Gott ihren Kampf gesegnet und ihrer Lieb' und Treu' zuletzt doch noch den Sieg verliehen hat! Kommt, wir wollen heimgehen, und morgen da geht's fort in's liebe Tyrolerland zu meinem Weibel und den Kindern, und Berg und Thal soll's wissen, daß die Zeit gekommen ist, und daß wir jetzt wieder gut österreichisch werden wollen! Die heilige Jungfrau mög' uns beschützen, daß wir glücklich nach Hause kommen, ohne daß die Baiern uns auflauern und unser großes, schönes und treues Werk vereiteln. Die Tyroler Abgeordneten verließen Wien zwar unangefochten, doch nicht unbemerkt, und bald wären sie auf ihrer Heimreise von den Baierischen Behörden als Verräther gefangen genommen worden. Der Botzener Banquier Johann von Graff erfuhr von seinem Wiener Correspondenten, daß die drei Tyroler Andreas Hofer, Wallner und Speckbacher heimlich in Wien gewesen seien, und zeigte es dem General-Commissariat in Brixen an. Die heimkehrenden Tyroler sollten gefänglich eingezogen werden, allein rechtzeitig gewarnt, flohen sie in die beschneiten Gebirge und entkamen so glücklich der Gefahr. Siehe: v. Hormayr, Andreas Hofer. I. 191. Das walt' Gott!