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X. Der Kriegsrat

Er durchschritt rasch das Zimmer und trat in den anstoßenden Saal, wo die Generäle und Minister vom König zu einer Beratung zusammenberufen waren.

Jetzt war Friedrich wieder der König und der Feldherr. Eine stolze Ruhe lagerte auf seiner Stirn, ein imponierendes Feuer leuchtete aus seinen Augen.

Messieurs, sagte der König, und seine Stimme klang ernst und feierlich. Es ist vorbei mit den Tagen der Ruhe und Gemächlichkeit. Wir haben lange genug gesprochen und diplomatisiert, wir werden jetzt einmal wieder dreinschlagen und handeln müssen. Ich bin dieses Federkrieges satt und ganz ermüdet von den österreichischen Intrigen und Winkelzügen. Aber ich will in dieser wichtigen und schweren Sache mich nicht allein auf meine eigene Überzeugung verlassen, sondern Ihre Ansicht hören und Ihren Rat entgegennehmen. Ich will den Krieg nicht bevor Sie mir sagen, daß ein ehrenvoller Friede nicht mehr möglich ist. Nur wenn die Ehre meiner Krone und meines Volkes es erheischt, werde ich zum Schwerte greifen, aber ich werde es auch dann noch schweren Herzens tun, denn ich weiß sehr wohl, welche Last und welcher Jammer damit wieder über mein armes Land hereinbrechen wird. Lassen Sie uns also gemeinschaftlich jene Papiere, die dort auf dem Tische liegen, noch einmal prüfen und genau erwägen, welche Verpflichtungen und Notwendigkeiten sie uns auferlegen!

Er trat zu dem inmitten des Saales stehenden Tisch und setzte sich auf den vor demselben ausgestellten Lehnstuhl. Die Generäle, an ihrer Spitze der alte Dessauer, Ziethen, Winterfeld und des Königs Liebling Rothenburg, dann die Minister und Staatsräte stellten sich schweigend rings um den Tisch. Die Blicke aller dieser schlachtgewohnten und gereiften Männer waren ernst und trübe auf den König gerichtet, dessen jugendliches Antlitz allein hell und heiter war, auf dessen hoher klarer Stirn nicht der leiseste Schatten sich zeigte.

Der König wühlte mit seinen weißen zarten Händen unter dem Wust dieser Aktenstücke und Papiere, die Generäle und Minister erwarteten schweigend die Anrede des Königs.

Es trat eine Pause ein, eine Pause, gleich der Windstille, welche einem Gewitter vorherzugehen pflegt. Jedermann war sich der hohen Bedeutung dieses Moments bewußt. Jeder dieser erfahrenen geschäftskundigen Männer sagte sich, daß der junge Mann da, welcher mit so stolzer und fester Ruhe und Sicherheit, mit so heiterm und friedlichem Angesicht in ihrer Mitte sich befand, daß er in diesem Augenblick die Geschicke Europas in seiner Hand abwog, und daß die Wagschale dahin fallen würde, wohin er sein Schwert legen würde.

Der König hob endlich den klaren Blick wieder empor und sein Auge schweifte mit einem scharfen und prüfenden Ausdruck an allen den ernsten und feierlichen Gesichtern vorüber.

Sie wissen Messieurs, sagte der König, daß Maria Theresia, welche sich Kaiserin von Deutschland und des heiligen römischen Reiches nennt, unsern Bundesgenossen, den Kaiser Karl den Siebenten noch immer bekriegt. Ihr Feldherr Karl von Lothringen hat das bayerisch-französische Heer bei Simpach geschlagen, und Bayern hat, da es durch die Flucht des Kaisers und Königs gewissermaßen herrenlos war, der Königin von Ungarn Maria Theresia gehuldigt. Sie hat sich mit England, Hannover und Sachsen verbündet und diese vereinten Mächte haben die Armee unsers Bundesgenossen, des Königs Ludwig von Frankreich, unter dem Marschall Noailles geschlagen. Diese Erfolge haben unsere verbündeten Feinde übermütig gemacht. Sie haben vieles erlangt, sie wollen alles erreichen. Und anscheinend sind sie die Mächtigeren. Holland hat ihnen sein Geld und seine Mannschaften angeboten, Sardinen und Sachsen sind jüngst auch noch dem Vertrag von Worms, welchen England, Österreich und Holland dort geschlossen, beigetreten. Sie haben also Truppen, Geld und mächtige Bundesgenossen. Wir haben nichts als unsere Ehre, unser gutes Recht und unsern Degen. Wir sind die Bundesgenossen eines armen, länder- und, was noch schlimmer ist, mutlosen Kaisers und des jungen von Höflingen und Maitressen beherrschten Königs von Frankreich. Unsere Gegner sind sich sehr wohl ihrer Stärke und unserer Schwäche bewußt. Sehen Sie da, Messieurs, diesen Brief unseres Vetters, des Königs Georg von England, an unsere Muhme, die Königin Maria Theresia von Ungarn. Ein Zufall spielte ihn in unsere Hände, oder wenn Sie wollen, die Gottheit, welche ohne Zweifel über dem Wohle Preußens wacht! Lesen Sie, Messieurs.

Er reichte dem General Rothenburg ein Papier dar, das dieser mit gerunzelter Stirn und mühsam unterdrücktem Zorn las und dann dem nächststehenden General darreichte.

Der König beobachtete mit scharfem Aufmerken die Mienen jedes Lesenden, und je finsterer und zorniger dieselben sich zeigten, desto heiterer und freier erschien das Angesicht des Königs.

Er nahm mit einem freundlichen Kopfneigen den Brief wieder aus den Händen eines seiner Minister entgegen, und indem er leicht mit dem Finger darauf deutete, sagte er: Haben Sie wohl diese Zeile beachtet, wo der König schreibt: »Madame, was gut zu nehmen ist, ist auch gut wieder zu geben Preuß, Lebensgeschichte Friedrichs d. Gr. Th. I. pag. 77.!« Was denken Sie von diesen Worten, Herr Fürst von Anhalt?

Ich denke, sagte der greise Feldherr, daß wir dem englischen König zeigen wollen, wie das, was der König Friedrich von Preußen einmal in Händen hält, ihm nicht wieder zu entreißen ist.

Sie meinen also, daß unsere Hände stark genug sind, festzuhalten?

Das meine ich, Majestät.

Und Sie, Messieurs?

Wir pflichten der Ansicht des Fürsten bei!

Und ich darf sagen, daß Sie da meine eigenen Gedanken ausgesprochen haben, rief Friedrich mit leuchtendem Angesicht. Wenn dies also Ihre Ansicht ist, Messieurs, so freue ich mich, Ihnen ein anderes Dokument vorlegen zu können. Es hat mir vor allen Dingen am Herzen gelegen, solange es in meinen Kräften stand, Deutschland den Frieden zu erhalten; ich habe diesem Bestreben meine persönliche Meinung und meinen Ehrgeiz untergeordnet, ich habe die deutschen Fürsten zu einem Bündnis zum Schutz des deutschen Kaisers Karls des Siebenten vereinigt; die Frankfurter Union sollte uns ein Hebel sein, um Deutschland seine Freiheit, dem Kaiser seine Würde und Europa seine Ruhe wiederzugeben Preuß, Th. I. pag. 77.. Aber es schwebt kein Glück über den Unionen deutscher Fürsten, denn es fehlt ihnen die Eintracht. Ein Teil unserer Bundesgenossen hat uns verlassen, unter dem Vorgeben, daß Frankreich nicht die versprochenen Hilfsgelder zahlen wolle. Und inzwischen irrte Karl der Siebente flüchtig umher, ächzte unser armes Vaterland unter den Bedrängnissen eines erlahmenden und aussaugenden Krieges. Dem soll und muß ein Ende gemacht werden, denn in solcher Not und Verlegenheit ist es besser eines ehrenvollen Todes zu sterben, als ein entehrtes ruhmloses, von der Gnade unserer Feinde erbetteltes Leben zu führen. Ich habe nicht die Insolenz und die Courage der Feigheit, so zu leben. Ich will entweder sterben oder siegen. Ich will diese höhnischen Worte des Königs von England mit Blut wegwaschen, und Schlesien, mein Schlesien, welches ich mir erobert habe, weil ich ein Recht darauf hatte, vor den feindlichen Einfällen der ungarischen Königin sichern. Sehen Sie also da dieses Dokument. Es ist ein Allianztraktat, den ich mit Frankreich abgeschlossen habe gegen Österreich und zum Schutz des Kaisers. Sehen Sie ferner hier dieses Dokument. Es ist ein Manifest, welches die Königin Maria Theresia in ganz Schlesien ausstreuen läßt, und in welchem sie erklärt, daß sie sich nicht mehr an den Breslauer Friedensschluß für gebunden erachte, sondern Schlesien und die Grafschaft Glatz als ihr Eigentum ansehe. Sie fordert demzufolge die Einwohner Schlesiens auf, mich zu verlassen und sie als ihre rechtmäßige Erbfrau anzusehen Rödenbeck Tagebuch, pag. 110..

Das ist ein offener Bruch der Verträge! sagte einer der Generäle feierlich.

Das ist wider alles Völkerrecht und alle Gerechtigkeit! rief ein anderer.

Das ist österreichische Politik, Messieurs! sagte der König lächelnd. Sie halten sich an Verträge, welche ihnen lästig sind, nur so lange gebunden, als die Notwendigkeit erfordert, sie brechen sie, sobald sich ihnen eine vorteilhafte Gelegenheit darbietet. Es kommt ihnen nicht so sehr darauf an, geachtet, als gefürchtet zu werden und vor allen Dingen in Deutschland seine Gleichberechtigten und keine Nebenbuhler zu haben. Maria Theresia fühlt sich jetzt stark genug, dieses Schlesien, welches mir uns erobert haben, sich wieder zu nehmen und demzufolge gibt es für sie keinen Friedensschluß, Österreich war und ist der natürliche Feind Preußens; es wird uns niemals verzeihen, daß unser Großvater sich aus eigener Machtvollkommenheit zu einem König gemacht hat. Österreich möchte gern den König von Preußen wieder zu dem kleinen Markgrafen von Brandenburg zusammenschrumpfen sehen und sich bereichern mit dem, was unser ist. Wollen wir das dulden, Messieurs?

Niemals! riefen die Generäle, und ihre Augen flammten, und die Kriegslust blitzte in ihren Zügen auf.

Die Königin von Ungarn hat ihre Truppen einen Einfall in die Grafschaft Glatz machen lassen. Wollen wir erwarten, daß sie dieses Spiel wiederholt?

Wenn ihre Truppen uns einen Besuch machten, so erfordert es die Höflichkeit, daß wir diesen Besuch erwidern, sagte Ziethen mit einem trocknen lautlosen Lachen.

Wenn die Königin von Ungarn ein Manifest an den Schlesier erlassen hat, so werden wir vor allen Dingen dieses Manifest zu erwidern haben, sagte der Staatsminister von Görtz.

Wenn Maria Theresia so mutig ist, weil die Bellona auch ein Weib und folglich ihre Schwester ist, so wollen wir ihr beweisen, daß die Dame Bellona doch lieber mit rüstigen Männern buhlt als mit empfindsamen Weibern schwatzt, sagte General von Rothenburg.

Ihre Meinung also, Messieurs? fragte der König. Sollen wir Frieden haben oder Krieg?

Krieg! Krieg! riefen alle wie aus einem Atem, aus einer Bewegung.

Der König erhob sich aus seinem Lehnsessel und sein Adlerauge flammte. Das Wort der Entscheidung ist gesprochen, sagte er feierlich. Möge es denn so sein, wie Sie sagen! Mögen wir Krieg haben. Meine Herrn Generäle, bereiten Sie sich vor, den Österreichern den Gegenbesuch zu machen, von dem der Ziethen sagt, daß er eine Höflichkeitspflicht ist. Meine Herren Minister, schreiben Sie das Manifest, welches das Manifest der Königin Maria Theresia beantworten soll. Die Österreicher haben uns in Glatz besucht, nun wohl, besuchen wir sie in Prag. Und da Rothenburg meint, daß die Bellona uns Männer doch der Frau Königin vorzieht, so wollen wir's einmal versuchen, ihr einige Zärtlichkeiten und Umarmungen abzugewinnen. Am meisten, denke ich, wird sich die Frau Bellona in unsern Fürsten von Anhalt verlieben; er hat sich schon so oft weidlich mit ihr herumgeschlagen und Sie wissen wohl, nur das ist eine glückliche Ehe, wo der Mann schlägt und die Frau sich blutend unterwirft. Auf denn, Durchlaucht, zum Kampf- und Liebesspiel mit Ihrer alten Liebschaft, der Bellona! Auf! meine Freunde alle! Es ist vorbei mit der Ruhe! Wir werden Krieg haben und möge Gott unserer gerechten Sache seinen Segen verleihen!


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