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I. Die beiden Schwestern

Jetzt also stehe ich am Ziel! sagte Prinzessin Ulrike, indem sie mit einem stolzen triumphierenden Lächeln das Gesangbuch, welches sie eben noch in Händen gehalten, beiseite legte und den langen weißen Spitzenschleier von ihrem Haupte löste. Die Hauptzeremonie ist vorüber, nun nur noch eine Zeremonie, und ich werde eine Kronprinzessin, bald eine Königin sein. Es ist ihnen also nicht gelungen, mich beiseite zu schieben, man hat mir nicht den Affront antun dürfen, meine Schwester vor mir zu verheiraten, indem man aller Welt dadurch zeigte, daß man mich nicht gewollt, daß man mich verschmäht habe! Alle meine Berechnungen sind richtig gewesen, und statt des Schleiers der Stiftsdame, den mir mein Bruder bestimmt hatte, wird jetzt ein Myrtenkranz und bald eine Krone mein Haupt zieren!

Sie ließ sich eben mit einem behaglichen Lächeln auf den Diwan niedergleiten, um ihren stolzen und beglückenden Zukunftsträumen nachzuhängen, als die Tür mit Heftigkeit aufgerissen ward und Prinzessin Amalie bleich und mit zornigem Angesicht hereintrat. Sie schleuderte einen jener Flammenblicke, welche sie mit dem König gemein hatte, auf die festliche Toilette ihrer Schwester, und ein wildes, zorniges Lachen tönte von ihren Lippen.

Man hat mich also nicht getäuscht, sagte sie. Es ist kein Märchen gewesen, welches man mir erzählte. Du kommst aus der Kapelle?

Ich komme aus der Kapelle, ja! erwiderte Ulrike, dem zornigen Blicke ihrer Schwester mit festem ruhigem Anschauen begegnend, und ganz entschlossen und mutig dem Sturm entgegengehend, von dem sie wußte, daß er ihr bevorstand.

Sie faltete ihre Hände über der Brust zusammen, als wolle sie diese beschützen gegen die Wutblitze, die aus den Augen ihrer Schwester aufflammten, und wiederholte mit gelassenem Ton: Ich komm aus der Kapelle, und was weiter?

Was weiter? rief Amalie, indem ihr kleiner Fuß heftig den Boden stampfte. Ah, sie will noch die Harmlose und Unschuldige spielen. Was tatest du in der Kapelle?

Ulrike sah sie fest und lächelnd an. Dann sagte sie langsam und mit scharfer Betonung: Ich nahm dort das Abendmahl nach lutherischem Ritus!

Amalie zuckte zusammen, als habe der Biß einer Schlange ihr Herz verwundet. Das bedeutet also, daß du eine Abtrünnige und Verlorene bist, rief sie zusammenschaudernd. Das bedeutet, daß du mich schmachvoll hintergangen und betrogen hast, das bedeutet –

Das bedeutet nur, unterbrach Ulrike sie, das bedeutet nur, daß ich eine weniger fromme Christin, ein weniger unschuldiges und uneigennütziges junges Mädchen war, als meine edle und schöne junge Schwester.

Worte, Worte, heuchlerische Worte! rief Amalie. Du warst es, welche mir den Gedanken eingeflößt zu jenem kindischen und widerwärtigen Betragen, das mich einige Tage lang zum Gespött und Gelächter des ganzen Hofes gemacht. Du warst eine falsche Freundin, eine treulose Schwester. Ich stand dir im Wege, und du wolltest mich beiseite schieben, deshalb deine perfiden Ratschläge, dein heuchlerisches Bestärken in meiner Abneigung gegen diesen Heiratsantrag des schwedischen Gesandten, deshalb mußte ich mich unartig barsch und kindisch grob zeigen, damit du in deiner Liebenswürdigkeit und mädchenhaften Anmut um so glänzender hervortratest. Ich war dir eine Folie, welche das Juwel deiner Schönheit höher aufblitzen machte! Oh, oh, es ist schändlich, so gemißbraucht, so hintergangen zu werden.

Und mit hervorstürzenden Tränen sank Amalie auf einen Sessel nieder und begrub ihr Gesicht in ihren beiden Händen.

Törichtes Kind, sagte Ulrike. Du beschuldigst mich und weißt doch sehr wohl, daß du es warst, welche zu mir kam und mich mit flehenden Worten beschwor, dir ein Mittel anzugeben, diese verhaßte Verbindung mit dem schwedischen Thronfolger zu hintertreiben.

Du hättest mich daran verhindern, du hättest mir diesen törichten Gedanken verscheuchen, du hättest mich daran erinnern sollen, daß ich eine Prinzessin und also dazu verdammt bin, sein Herz zu haben.

Auch sprachst du nicht von deinem Herzen, sondern nur von deiner Religion. Hättest du mir gesagt, daß es dein Herz sei, welches dich daran verhinderte, dem Kronprinzen von Schweden deine Hand zu reichen, dann würde ich dich mit aller Kraft meiner Schwesterliebe, ja, dann würde ich dich auf meinen Knien beschworen haben, diese Hand anzunehmen, dein Herz einzusargen in dem Purpurmantel deiner Königswürde, und auf einen Thron zu flüchten, um dich vor den Gefahren zu retten, mit welchen die Prinzessin von dem jungen Mädchen bedroht ward!

Amalie ließ ihre Hände von ihrem Antlitz gleiten und blickte verwirrt und betroffen empor zu ihrer Schwester, welche vor ihr stand, und deren große ernste Augen mit einem unbeschreiblichen Ausdruck auf ihr ruhten.

Ich sagte auch nicht, daß mein Herz mich verhindert hätte, versetzte sie stockend und schüchtern. Ich sagte nur, daß wir armen Prinzessinnen kein Herz haben dürfen!

Kein Herz für den einzelnen, aber für das Ganze, rief Ulrike, kein Herz, um zu lieben als Königin! Du beschuldigst mich, Amalie, aber du vergißt, daß ich mich nicht in dein Vertrauen eingeschlichen, sondern daß du mir dasselbe freiwillig entgegengetragen hast, daß du zu mir gekommen bist, um mir deine Bedenklichkeiten und deinen Kummer mitzuteilen. Alsdann habe ich zu dir gesprochen, wie ich wünschte, daß man zu mir sprechen möchte, wenn ich in deiner Lage und in deinem Gemütszustande gewesen wäre. Mit einem Wort, ich habe dir geraten, deinem eigenen Gewissen, deiner eigenen Überzeugung gemäß.

Aber deine Ratschläge stimmten wenig überein mit deinen eigenen Handlungen, deine Worte hatten wenig Ähnlichkeit mit deinen Gesinnungen! rief Amalie bitter.

Wenn ich für mich nicht die Ratschläge adoptiert habe, welche ich dir gegeben, so kommt das daher, daß ich deine Gesinnungen und Ansichten nicht teilte. Mein Gewissen ist weniger ängstlich und schüchtern als das deine; meine Religion zu verlassen und lutherisch zu werden scheint mir kein Verbrechen, nicht einmal ein Unrecht, vorzüglich, da ich es nicht aus Unbeständigkeit und Flatterhaftigkeit getan, sondern um eines höheren politischen Zweckes willen.

Um des Zweckes willen, Königin von Schweden zu werden!

Und warum sollte ich das leugnen? Ich nahm diese Krone auf, welche du verächtlich von dir stießest. Ich war ehrgeizig, während du zu stolz warst, einer Krone auch nur einen kleinen Teil deiner religiösen Überzeugung zum Opfer darzubringen. Ich fürchtete nicht, im Himmel verdammt zu werden, weil ich, um eine Königin zu werden, an der äußern Form meines Glaubens, nicht an meinem Glauben selbst, änderte. Wenn du jetzt bereuest, was du getan, wenn du mildere Ansichten angenommen –

Nein, unterbrach sie Amalie lebhaft, ich bereue gar nichts, und mein Kummer und Schmerz betraf nicht die verschmähte Krone, sondern die treulose und heuchlerische Schwester, welche mir gegen ihre eigene Überzeugung Ratschläge gegeben und mich verriet, indem sie mich zu lieben schien. Geh, geh, setze immerhin eine Königsthrone auf dein stolzes Haupt, ich beneide dich nicht, denn du nimmst nur, was ich verschmähte, und nicht das leiseste Bedauern und nicht die kleinste Reue ist in mir. Aber indem du eine Königin wirst, hörst du auf, meine Schwester zu sein, denn niemals werde ich es vergessen, daß du nur durch Verrat und Falschheit diese Krone dir erworben hast! Gehen Sie hin, Königin, möge die ganze Welt vor Ihnen das Knie beugen, ich beuge das meine nicht, ich verachte Sie, denn Sie haben in Ihrem Königsmantel das Herz meiner Schwester eingesargt! Leben Sie wohl!

Sie sprang der Tür zu, sich wild aufbäumend, hochatmend, mit funkelnden Augen, wie eine gereizte Pantherin. Aber Prinzessin Ulrike eilte ihr nach und legte ihre Hand auf Amaliens Arm.

Laß uns so nicht voneinander scheiden, meine Schwester, sagte sie freundlich, laß uns –

Aber Amalie hörte nicht mehr, sie schleuderte mit einer heftigen Bewegung die Hand ihrer Schwester fort und entfloh in ihre Gemächer. Thiébault. IV, 195 fg.

Lange noch ging sie in stürmischer Aufregung, ganz durchglüht von Zorn und Schmerz, in ihrem Boudoir, welches sie hinter sich verschlossen hatte, auf und ab. Ihr ganzes Wesen war in Aufruhr, und mit dem leicht erregbaren Zorn der Hohenzollern verwünschte sie ihre Schwester, von welcher sie so bitter getäuscht, so schmachvoll verraten worden.

Prinzessin Amalie, in allen Dingen, in ihrem Äußern wie in ihrer Gesinnung, das treue Ebenbild ihres königlichen Bruders, war auch darin ihm gleich, daß sie zu viel Glauben und Vertrauen zu der Menschheit hegte, und daß, wenn sie dieses getäuscht sah, eine schmerzliche Wut, eine verzweiflungsvolle Pein ihr ganzes Wesen erfaßte, und sich wie tötender Mehltau nicht auf ihre Liebe zu dem einzelnen Menschen, welcher sie verraten, sondern auf ihre Liebe zu der ganzen Menschheit warf, und diese Liebe allmählich absterben machte. Großartig und glutvoll in allem, was sie empfand, fühlte sie auch jetzt in ihrem Herzen eine ganze reiche Quelle der Liebe und des unschuldigen Mädchenglückes in sich versiegen, und mit zitternden Lippen sagte sie laut und fest: Ich werde niemals wieder eine Freundin haben, denn ich glaube nicht mehr an die Freundschaft und nicht mehr an ein Mädchenherz! Sie sind alle falsch, alle heimtückisch und hinterlistig, diese Mädchen und Frauen. Für sie alle wird mein Herz von nun an verschlossen sein, und ihr zutrauensvolles Lächeln und ihre falsche Freundlichkeit wird mich nicht mehr täuschen können. O mein Gott, mein Gott, ich werde also ganz einsam, ganz verlassen sein, ich –

Plötzlich stockte sie, und eine dunkle Glut flog über ihr Antlitz hin. Was war es, was sie auf einmal in ihrem schmerzvollen Selbstgespräch unterbrochen hatte, warum richteten sich ihre Augen mit einem so eigentümlichen Ausdruck nach der Tür hin, und warum lauschte sie mit so seltsamer Spannung auf diese Stimme, welche jenseits ihrer Tür erschallte und mit erhobenem Ton ihren Namen nannte?

Pöllnitz! Es ist Pöllnitz! flüsterte Prinzessin Amalie, und sie erzitterte in freudigem Schreck.

Ich muß durchaus die Prinzessin Amalie selber sprechen! rief die Stimme des Oberzeremonienmeisters.

Aber das ist unmöglich, erwiderte eine andere Stimme. Ihre Königliche Hoheit haben sich in Ihrem Boudoir eingeschlossen und wollen niemand empfangen.

Ihre Königliche Hoheit werden Ihr Boudoir aufschließen und mir den Eintritt gestatten, sobald Sie nur erst die Güte gehabt, mich anzumelden, denn ich komme in einer sehr wichtigen Angelegenheit. In einer Angelegenheit, von welcher das Lebensglück von mehr als einer Frau abhängt!

Mein Gott, flüsterte Prinzessin Amalie erbleichend, Pöllnitz ist imstande mich zu verraten, wenn ich nicht sofort öffne.

Und sie eilte hastig nach der Tür, um den Riegel zurückzustoßen und die Tür zu öffnen.

Sehen Sie da, Fräulein von der Marwitz, rief Pöllnitz, indem er sich zugleich tief und ehrfurchtsvoll vor der Prinzessin verneigte. Habe ich nicht recht gehabt? Kaum hat unsere teure Prinzessin nur meine Stimme gehört, so hat sie schon die Gnade, mir zu öffnen. Merken Sie sich das, Fräulein, und betrachten Sie mich künftig als eine sehr wichtige Respektsperson, welche nicht bloß die grandes, sondern auch die petites entrées hat.

Aber Prinzessin Amalie war wenig geneigt, auf den Scherz des Oberkammerherrn und Zeremonienmeisters einzugehen. Ich hörte, sagte sie in strengem Ton, daß Sie mit einer außerordentlichen Dringlichkeit darauf bestanden, mich sprechen zu wollen. Sie gingen sogar soweit, zu behaupten, daß von dieser Unterredung das Lebensglück mehrerer Menschen abhängig sei.

Verzeihen Ew. Königliche Hoheit, nicht das Lebensglück mehrerer Menschen, sondern von mehr als einer Frau – erwiderte der unerschütterliche Kammerherr, indem er mit der Hofdame in das Boudoir der Prinzessin eintrat. Auch werden Ew. Königliche Hoheit gleich die Gnade haben, einzugestehen, daß ich recht habe, wenn Sie erst die Angelegenheit kennen, welche mich zu Ihnen geführt.

Nun, lassen Sie hören, rief die Prinzessin, und wehe Ihnen, wenn es sich nicht um sehr ernste und wichtige Gegenstände handeln sollte!

Prinzessin, es handelt sich um Ihre Toilette zu einem Feste, und Sie werden mir zugestehen müssen, daß das wohl ein Gegenstand ist, von welchem das Lebensglück von mehr als einer Frau abhängig ist.

Die Prinzessin lachte. In der Tat, Sie haben recht, sagte sie, und wenn Sie als Schneider und Modist zu mir kommen, so tat Fräulein von der Marwitz allerdings sehr unrecht, mich nicht sogleich zu benachrichtigen.

Um so mehr, als auch sie selber dabei beteiligt ist, rief Pöllnitz mit wichtiger Miene. Denn, meine Damen, es handelt sich um nichts Geringeres als um einen Maskenball. Der König hat befohlen, daß außer dem großen Maskenball, welcher im Opernhause stattfinden und an welchem das Publikum teilnehmen soll, noch ein anderer Maskenball auf dem Schlosse hier arrangiert werde, und zwar soll das am Tage vor der Vermählung der Prinzessin Ulrike sein!

Und wann wird meine Schwester vermählt werden? fragte Amalie.

Sie wissen das noch nicht, Königliche Hoheit? Ah, ich vergaß, daß der König diese Sache bis heute geheim gehalten hat, und daß er niemand als die Königin Mutter bis jetzt offiziell benachrichtigte. Ja, ja, Prinzessin Ulrike wird sich mit diesem kleinen holsteinischen Prinzen vermählen, welcher aber dereinst ein großer König werden soll, und schon in vier Tagen wird hier die Vermählung durch Prokuration stattfinden. Daraus folgt, daß schon in drei Tagen die Maskerade sein wird, und daß wir Tag und Nacht zu arbeiten haben werden, um das nötige Kostüm herzustellen, von dem Se. Majestät will, daß es so glänzend als möglich sei. Es sollen Quadrillen arrangiert werden; der König selber hat bestimmt, welche Paare darin tanzen sollen, und es ist daher auf Königlichen Befehl, daß ich Ew. Königlichen Hoheit die Aufforderung bringe, an einer dieser Quadrillen teilzunehmen. Sie werden mit den Markgräfinnen von Baireuth und Schwedt und der Herzogin von Braunschweig eine Quadrille im Kostüm Franz' des Ersten tanzen.

Und wer wird mein Tänzer und Partner sein? fragte Amalie erwartungsvoll.

Der Markgraf von Schwedt!

Ah, mein unausstehlicher Vetter! Daran erkenne ich meinen maliziösen Bruder, welcher sehr wohl weiß, wie sehr mir der langweilige Markgraf zuwider ist.

Und die Prinzessin wandte sich ab und ging mißvergnügt im Zimmer auf und ab.

Sagten Sie nicht, daß auch mir eine Rolle in den Quadrillen bestimmt sei? fragte Fräulein von der Marwitz schüchtern.

Gewiß, das sagte ich, Fräulein, entgegnete Pöllnitz. Sie werden in einer Quadrille im russischen Kostüme tanzen.

Und wer wird mein Tänzer sein?

Pöllnitz lachte. Nun, sagte er, man sollte glauben, daß der wichtigste Teil der Balltoilette nicht so sehr in den Kleidern, als in den Tänzern beruhe, und daß diese ebensosehr eine Lebensfrage seien als die Farbe und der Schnitt Ihres Kleides oder die Schönheit Ihres Haarputzes. Wer Ihr Tänzer sein wird? Ah, Fräulein, Sie werden, glaube ich, sehr zufrieden sein, denn der Partner, welchen der König Ihnen bestimmt hat, ist einer unserer jüngsten, unserer schönsten, liebenswürdigsten und talentvollsten Kavaliere. Ein Jüngling, mit dem verglichen zu werden Alcibiades sich nicht geschämt haben würde, und den Diana vielleicht sogar dem träumerischen und schönen Endymion vorgezogen hätte, wenn sie ihn schlafend gefunden. Und denken Sie nur, Fräulein, mit einer solchen Perle der Schöpfung werden Sie nicht allein tanzen, sondern Sie werden diesen schönen Ganymed auch in den nächsten Tagen sehr oft sehen und sprechen müssen. Denn es ist notwendig, daß Sie mit ihm über die Wahl der Farben Ihres Kostüms, über die Tanztouren sich vereinigen, und er wird, wenn anders Ihre Königliche Hoheit es erlaubt, täglich zu Ihnen kommen müssen. Ach, warum bin ich nicht ein junges Mädchen, warum ist es mir nicht vergönnt, für diesen Adonis schwärmen und mein armes ausgebranntes Herz zu einem jugendlich schwärmerischen umzaubern zu können!

Sie sind ein Narr, welcher gar nicht weiß, wie es in einem Mädchenherzen aussieht, lachte Fräulein von der Marwitz. In Ihrer Ekstase für Ihren Adonis, welcher wahrscheinlich ein altes verkrüppeltes Ungeheuer ist, vertauschen Sie die Rollen, und geben dem Mädchen die Rolle eines schmachtenden Liebhabers und Ihrem Ungeheuer den Charakter einer angegirrten und angesäuselten Schönen.

Ungeheuer! Mein Gott, sie hat Ungeheuer gesagt! rief Pöllnitz pathetisch. Fallen Sie auf Ihre Knie nieder und bitten Sie Ihr Schicksal um Vergebung, Fräulein, denn Sie haben sich schwer an ihm versündigt. Sie werden das eingestehen, wenn ich Ihnen den Namen Ihres Partners nennen werde.

Mein Gott, so nennen Sie ihn endlich!

Nicht eher, als bis Prinzessin Amalie die Gnade gehabt hat, zu versprechen, daß sie Ihr armes Herz überwachen und behüten und Ihnen kein Tete-a-tete mit Ihrem Partner gestatten will.

Ah, Sie wollen mich zum Tugendwächter meiner Hofdame machen? rief Prinzessin Amalie lachend. Ich soll der Wächter meiner guten Marwitz sein und sie vor ihrem eigenen Herzen beschützen!

Wenn Euere Königliche Hoheit nicht diese Gnade haben wollen, wird Fräulein von der Marwitz einen anderen Tänzer bekommen, denn ich kann es vor meinem Gewissen nicht verantworten, sie mit dem Schönsten der Schönen unbeschützt und unbeachtet allein zu lassen.

Seien Sie barmherzig, Prinzessin, und sagen Sie Ja! bat das Hoffräulein, denn Sie sehen es wohl, dieser abscheuliche Herr von Pöllnitz will mich zu Tode martern vor Neugierde. Willigen Sie ein, gnädigste Prinzessin, damit ich den Namen meines Tänzers endlich erfahre.

Nun denn, sagte Amalie lächelnd, ich willige ein, der Mentor meines Hoffräuleins zu sein.

Euere Königliche Hoheit versprechen also feierlich, jedesmal den Konferenzen zwischen Fräulein von der Marwitz und ihrem Partner bei der Quadrille beiwohnen zu wollen?

Ich verspreche das, denn Sie sehen wohl, die arme Marwitz stirbt vor Neugierde, wenn sie nicht bald den Namen ihres Tänzers erfährt!

Nun denn, jetzt, da ich, soviel es in meiner Macht stand, das Herz des armen Fräuleins gesichert habe, indem ich es unter den Schutz der Augen unserer edlen Prinzessin gestellt, jetzt, Fräulein von der Marwitz, sollen Sie auch den Namen Ihres Tänzers erfahren. Es ist der Liebling des Königs und des ganzen Hofes, es ist der junge Leutnant und Baron von Trenck.

Sehr verschieden war der Eindruck, welchen dieser Name auf die beiden Damen hervorbrachte. Das vorher so gespannte und freudenvolle Antlitz des Hoffräuleins nahm plötzlich einen verdrießlichen und mißvergnügten Ausdruck an, während Prinzessin Amalie sich errötend und sichtbar überrascht abwandte, um niemand dieses freudige Lächeln sehen zu lassen, das ihre vollen rosigen Lippen umspielte.

Herr von Pöllnitz, welcher alles bemerkte, wollte indes nur das Mißvergnügen des Hoffräuleins sehen und der Prinzessin Zeit gewähren, sich zu sammeln.

Ich sehe zu meiner Überraschung, sagte er, daß unser schönes Hoffräulein nicht so entzückt ist, wie ich hoffte. Fräulein, Fräulein, Sie sind eine wundervolle Schauspielerin, aber mich werden Sie doch nicht täuschen. Sie spielen die Gleichgültige und Enttäuschte, um die gnädige Prinzessin dadurch zu vermögen, ihr Wort zurückzunehmen und nicht bei Ihren Konferenzen mit Trenck anwesend zu sein. Aber das ist vergeblich, denn Prinzessin Amalie hat mir ihr Wort verpfändet, und sie wird gewiß die Gnade haben es zu halten.

Gewiß, sagte die Prinzessin lächelnd. Ich werde das wohl tun müssen, denn einem gegebenen Wort und einem geleisteten Versprechen gegenüber sind selbst die Prinzessinnen und Königinnen, wie die Fürsten und Könige, doch nur Menschen, welche durch ihre Ehre verpflichtet sind zu erfüllen, was sie geloben. Ich werde also Wort halten! Aber jetzt genug des Scherzes! Lassen Sie uns ein wenig von dem Ernst des Lebens sprechen, von unserer Toilette nämlich. Herr von Pöllnitz, geben Sie mir rasch Ihre Zeichnungen, machen Sie Ihre Vorschläge, und Sie, Fräulein, gehen Sie und rufen Sie schnell meine Kammerfrau und meine Garderobenjungfer, wir müssen große Konferenz halten. Eilen Sie also!


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