Alexander Moszkowski
Das Geheimnis der Sprache
Alexander Moszkowski

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Verschwiegene Vorrede

Mit kleiner Veränderung eines bekannten Khalifenwortes wäre zu sagen: Wenn der Vorspruch dasselbe enthält wie das Buch, so ist er überflüssig; enthält er aber etwas anderes, so ist er schädlich. Denn das andere, als notwendige Ergänzung betrachtet, müßte eben auch im Buche stehen; wenn es dort fehlt, so wäre der Gegenstand ungenügend behandelt und seine Voranstellung würde den Fehler herausheben, bevor noch irgendwelcher Vorzug erkennbar werden könnte.

Das wäre allerdings schädlich für das Buch und damit auch für die Sache, die es vertreten will. Aber, um gleich mit der Sprache herauszurücken: Es fehlt wirklich sehr viel; dies ganze Buch enthält nur eine Andeutung, die von keinem Vorspruch vervollständigt werden kann. Es handelt von unserer Sprache und ihren Erlebnissen in neuerer Zeit, also von unendlichen Dingen. Die Sprache erlebt an einem Tage mehr, als zehn dicke Bücher beschreiben können, und nichts anderes kann die einzelne Sprachschrift unternehmen, als den Blick des Lesers auf diese Geschehnisse einzustellen; in einer Zeit, da das Erleben der Sprache Eines ist mit dem Erleben des Volkes, da wir aus Sprach-Not und Sprach-Hoffnung unser eigenes Schicksal deuten. Denn hinter allen Betrachtungen steht ungeschrieben, aber stets mitgedacht das große, in die Zukunft weisende Signal von der deutschen Weltsprache, die uns mit geistiger Notwendigkeit zurückerobern wird, was uns die politische Notwendigkeit verlieren ließ.

Es hat also keinen Sinn, das Vorhandene gegen das Fehlende abzuwägen, denn das Vorhandene ist eigentlich nur eine Absicht, und auch diese ist durch keinen Vorspruch zu verdeutlichen, sondern nur durch den Text des Buches. Anders ausgedrückt: dies ganze Buch ist ein Vorwort zu dem, was sich der Leser denken soll, wenn er sich seinen Inhalt angeeignet hat. Er wird zwischendurch mancherlei Einwände erheben, vielleicht nicht so viel als der Verfasser selbst. Denn je mehr man sich nachspürend mit den Erlebnissen der Sprache beschäftigt, desto häufiger gerät man in der Deutung der Vorgänge an unauflösliche Widersprüche. Durch diese muß man wagemutig hindurch, um überhaupt von der Stelle zu kommen zur Betrachtung und Deutung weiterer Erlebnisse. Und nur das eine möchte ich voraussagen: daß durch dieses Buch im Sprachhorizont des Lesers manche bedeutsame, vorher nicht vermutete Dinge auftauchen werden.

 


 


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