Oskar Meding
Der Todesgruß der Legionen
Oskar Meding

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Zwölftes Capitel.

Der junge Cappei hatte in einem fast bewußtlosen Zustand stumpfer Resignation die ersten Tage nach seiner Verhaftung in dem Amtsgefängniß zu Bodenfeld zugebracht. Vergebens strengte er sich an, um die Fäden des Netzes zu entdecken, das ihn so geheimnißvoll und unerklärlich umsponnen hatte. Seine Gedanken verwirrten sich, das fortwährende Schweigen seiner Geliebten, dieser so plötzliche und unerwartet gegen ihn erhobene Vorwurf staatsgefährlicher Verbindungen, das Alles vermochte er in keinen klaren Zusammenhang zu bringen, und nur wenn er auf den Verdacht zurückkam, welchen die Handschrift des ihm vorgelegten Schreibens in ihm erweckte, so erfaßte ihn ein heftiger Paroxismus des Zornes und der Verzweiflung.

Oft war er nahe daran nach Mitteln zu suchen, seinem so plötzlich von der Höhe der glücklichsten Hoffnungen in die Tiefe eines vernichtenden Schmerzes herabgestürzten Leben ein gewaltsames Ende zu machen, und nur die von früher Jugend in ihm gepflegte gläubige Frömmigkeit gab ihm die Kraft, diese traurige Existenz zu ertragen und ließ ihn die Hoffnung nicht verlieren, daß die Vorsehung Wege finden würde, das Dunkel zu erhellen, welches ihn umgab und seine Unschuld dem wider ihn erhobenen Verdacht gegenüber an das Licht zu bringen.

In dieser qualvollen Ungewißheit, allein mit seinen in demselben Kreise sich stets bewegenden Gedanken brachte er drei furchtbare Tage zu, ohne das Geringste von der Außenwelt zu hören oder zu sehen, als ein kleines Stück des Himmels, das über eine hohe Mauer durch das vergitterte Fenster seines Gefängnisses hereinsah.

Dann wurde er zum ersten Verhör vorgeführt. Ein Untersuchungsrichter aus der nächsten Stadt war in Bodenfeld erschienen, um in Gegenwart des Amtmanns die Vernehmung des jungen Menschen vorzunehmen.

Cappei antwortete auf alle an ihn gestellten Fragen im vollen Bewußtsein seiner Schuldlosigkeit, und der günstige Eindruck, den seine klaren und bestimmten Angaben, die sich in keinem Punkt widersprachen, auf den Richter und den Amtsverwalter machten, war unverkennbar.

Schon begann die Hoffnung in ihm aufzuleben, daß das Alles sich als ein Mißverständniß herausstellen werde, da legte der Untersuchungsrichter ihm aus den beim Amte geführten Acten eine Reihe von Briefen vor mit der Frage, ob er die Handschrift kenne, und ob diese an ihn adressirten Briefe unter ihren scheinbar unverfänglichen Worten einen andern Sinn verbärgen.

Der Richter sprach dabei zugleich nochmal die Ermahnung aus, durch ein offenes Geständniß eine mildere Beurtheilung seiner Handlungen zu ermöglichen, zu denen eine irre geleitete Anhänglichkeit an die frühere Regierung seines Landes ihn bestimmt haben möchte.

Der junge Cappei trat ruhig und unbefangen an den Tisch heran, um die ihm vorgelegten Papiere näher zu betrachten und vielleicht durch dieselben einen Anhalt zur Aufklärung des Mißverständnisses zu gewinnen.

Kaum hatte er indeß einen Blick auf die Briefe geworfen, als eine schnelle fliegende Röthe auf seinem Gesicht erschien. Seine kräftige Gestalt zitterte und bebte, und wie zusammenbrechend stützte er sich mit beiden Händen auf den Tisch, während seine groß geöffneten Augen mit dem starren Ausdruck des Schreckens und des Entsetzens auf den Papieren hafteten.

Er erkannte Luisens Handschrift, und als er sich so weit gesammelt hatte, um die im ersten Augenblick vor seinen Augen hin und her schwirrenden Buchstaben festhalten zu können, las er, in fliegender Hast die Blätter umwendend, immer dringendere, immer sehnsuchtsvollere Bitten um Nachricht, Besorgnisse, daß er krank sein möge, und voll Schmerz und Verzweiflung sah er zwischen den Zeilen dieses Briefes das Bild seiner Geliebten erscheinen, welche in gleicher Ungewißheit und Bangigkeit wie er, gewartet und immer wieder gewartet und vergebens um Antwort und Nachricht gefleht hatte.

Ein dämonischer Einfluß hatte hier die Hand im Spiele gehabt, ein wohl durchdachter Plan voll Hinterlist und Bosheit hatte sich zwischen diese beiden liebenden Herzen gestellt, um nicht nur ihre äußere Verbindung zu unterbrechen, sondern sie auch mit Mißtrauen gegen einander zu erfüllen und ihre Liebe zu zerstören.

Als er die Briefe sämmtlich durchflogen hatte, wurde ihm Alles klar; – wie er schon beim ersten Verhör geglaubt hatte in dem ihm damals vorgelegten an ihn gerichteten compromittirenden Brief die Hand des Herrn Vergier zu erkennen, so wurde ihm jetzt vollkommen deutlich, daß dieser und kein anderer der Urheber dieses Werkes finsterer Heimtücke sei. Und eine wilde, wüthende Verzweiflung, ein brennender Durst nach Rache bemächtigte sich seines ganzen Wesens.

Schweigend starrte er fortwährend auf die vor ihm liegenden Briefe, als sei plötzlich ein drohendes Gespenst vor ihm aufgestiegen, dessen kalte Hand sich todtbringend nach seinem Herzen ausstreckte.

Betroffen blickte ihn der Untersuchungsrichter an. Der ganze bisherige Verlauf des Verhörs hatte einen günstigen Eindruck für den jungen Mann in ihm hervorgebracht, dessen plötzliche, so sichtbar tiefe Bestürzung jedoch schien jenen Eindruck wieder zu verwischen.

»Kennen Sie diese Briefe?« fragte er mit strengem Ton.

Der junge Cappei fuhr bei dieser Frage, die ihn aus seiner Betäubung aufschreckte, empor und erwiderte, indem seine Stimme vor mächtiger innerer Erregung zitterte:

»Ja, ich kenne sie, sie sind an mich gerichtet, – es sind Briefe meiner Braut, sie haben mir die Augen geöffnet über den ganzen heillosen Plan, welchen eifersüchtiger Haß gesponnen, um uns von einander zu reißen. Diese Briefe haben keinen verborgenen Sinn, sie bedeuten nur das, was mit klaren Worten in ihnen geschrieben steht. Oh, mein Gott,« rief er, den brennenden Blick aufwärts richtend, »wie ist es möglich, daß so viel Schlechtigkeit auf Erden wohnen kann.«

»Sie behaupten also,« fuhr der Untersuchungsrichter fort, »daß dies wirklich Briefe eines jungen Mädchens sind, und daß dieselben keine Bedeutung haben? – Ich muß Ihnen sagen,« fügte er hinzu, »daß Ihre so heftige und sichtbare Bestürzung beim Anblick dieser Papiere nicht zu Ihren Gunsten spricht, um so weniger als unmittelbar nach Ihrer Ankunft ein Schreiben an Sie hierher gekommen ist, in welchem Ihnen die mündliche Verabredung in's Gedächtniß zurückgerufen wird, die Nachrichten, welche man von Ihnen erwartet und die Fragen, welche man an Sie stellen würde, in die Form von einfachen Liebesbriefen zu kleiden.«

»Welch ein Abgrund, – welch ein Abgrund,« rief der junge Cappei verzweiflungsvoll. »Und kann ich jenen Brief sehen?« fragte er dann.

Der Untersuchungsrichter nahm ein Papier und legte es ihm vor.

»Ja, ja,« rief Cappei heftig auffahrend, »es ist dieselbe Handschrift. Es ist die Handschrift jenes Elenden, der mich um mein Glück betrügen will, der es gewagt hat, mich in Frankreich als preußischen Spion zu verdächtigen, und der nun durch seine teuflischen Künste mich hier als Verschwörer verfolgen läßt. Ich schwöre Ihnen, meine Herren, das Alles ist schändlicher Betrug, ich bin das Opfer der Hinterlist eines Todfeindes, der mich verderben will. Ich bitte Sie um Gottes Willen, lassen Sie mich einmal hier in Ihrer Gegenwart einen Brief an meine Braut schreiben. Sie werden die Antwort sehen, Sie werden sehen, daß nichts Geheimnißvolles, nichts Verfängliches dahinter steckt –«

»Die Antwort würde vielleicht ebenso unverfänglich sein, als diese Briefe es sämmtlich zu sein scheinen,« sagte der Untersuchungsrichter den Kopf schüttelnd. »Ich will zu Ihrem Besten hoffen, junger Mann, daß Ihre Angaben die Wahrheit seien, indessen kann ich Ihnen nicht verbergen, daß das Alles sehr unwahrscheinlich scheint, – ich will für heute das Verhör schließen, um Ihnen Zeit zu lassen, wenn Sie etwas auszusagen haben, durch ein umfassendes und aufrichtiges Geständniß Ihre Lage zu erleichtern.«

»Darf ich nicht,« fragte der junge Mann im Ton dringendster Bitte, »darf ich nicht zwei Worte nur an meine Braut schreiben?«

»Es würde zu nichts führen,« sagte der Untersuchungsrichter, »denn eine gleichgültige Antwort würde noch nichts zu Ihren Gunsten beweisen, – wenn diese Briefe wirklich nur der Deckmantel einer geheimen Correspondenz sind, so würde ohne den Schlüssel derselben, ohne Kenntniß der chemischen Mittel,« fuhr er fort, den Blick scharf auf den jungen Mann richtend, »durch welche etwa andere geheime Schriftzeichen auf dem Papier sichtbar werden, noch immer keine Klarheit in die Sache kommen. Ich wünsche nochmals,« sprach er dann, »daß Ihre Schuldlosigkeit an den Tag kommen möge, denn ich habe hier über Sie und Ihre Familie nur Gutes gehört. Wenn Sie jetzt unter dem auf Ihren Schultern ruhenden Verdacht bleiben müssen, so trifft die Schuld zunächst davon Diejenigen, welche nicht aufhören durch fortwährende Agitationen das Land zu beunruhigen, und welche uns dadurch zwingen, mit den schärfsten Mitteln den verborgenen Fäden nachzuspüren, durch die jene Agitation geleitet wird.«

In dumpfem Schweigen ließ sich der junge Mann nach seiner Gefängnißzelle zurückführen. Es war eine Art von Ermattung über ihn gekommen, der vernichtende Erfolg, welchen die vor seinen Augen jetzt klar liegende, gegen ihn gespielte Intrigue gehabt, beraubte ihn fast des Glaubens an die ewige Gerechtigkeit, und in stumpfer Resignation brachte er die dem Verhör folgenden Tage zu, ohne sich von seinem Lager zu erheben, nur die nothwendigsten Nahrungsmittel zu sich nehmend. Im Schmerz um sein zerstörtes Liebesglück, um alle seine gebrochenen Lebenshoffnungen, versank er in eine Art von dumpfer Lethargie, aus welcher nur die brennende Sehnsucht emporflammte, sich an demjenigen zu rächen, dessen Hand aus feiger Verborgenheit heraus ihn so tödtlich getroffen hatte.

Kaum hatte er die Tage gezählt, welche in diesem Zustande an ihm vorübergegangen waren, seine ewig auf ein und denselben Punkt gerichteten Gedanken erfüllten sein Gehirn und sein Blut mit Fieber, seine Kräfte begannen sich zu erschöpfen, – zuweilen dachte er fast mit Wonne daran, daß eine tödliche Krankheit ihn ergreifen und seinen Leiden ein Ende machen könnte. Dann wieder versuchte er mit aller Willenskraft, sich aufrecht zu erhalten, um das Ziel seines Lebens, die Rache, nicht zu verlieren.

Da trat eines Morgens der Amtsdiener in sein Zimmer und forderte ihn auf, ihn zum Amtsverwalter zu begleiten.

Cappei sprang auf, ein leiser Hoffnungsschimmer erfüllte ihn, vielleicht war es doch möglich, daß man von seiner Unschuld sich überzeugt, jedenfalls konnte ihm ein neues Verhör Gelegenheit geben, die gegen ihn erhobenen Anklagen zu entkräften, und mühsam zwang er sich, seinen schwankenden Schritten Festigkeit zu geben, als er dem Diener in das Bureauzimmer folgte.

Der Amtmann blickte erschrocken auf den jungen Mann, welcher sich in kurzer Zeit in entsetzlicher Weise verändert hatte.

Seine Augen blickten hohl und trübe, seine Wangen waren eingefallen, sein Mund zuckte fast convulsivisch, sein Haar hing wirr und ungeordnet über die Stirn herab, kaum konnte er sich aufrecht halten und unwillkürlich griff seine Hand nach der Lehne des Sessels.

»Setzen Sie sich,« sagte der Amtmann freundlich. »Sie sind angegriffen. Ich hoffe, Ihnen Ihre Kraft und Ihren Muth wiedergeben zu können, denn ich habe Ihnen eine gute Nachricht zu geben.«

Wie erstaunt blickte Cappei auf den Beamten. Die Leiden, welche er ausgehalten, hatten ihn fast unfähig gemacht, das Gefühl der Hoffnung zu empfinden.

»Der Krieg mit Frankreich ist ausgebrochen,« sagte der Beamte ernst, »in wenigen Tagen wird das ganze deutsche Volk in Waffen den frevelhaften Übermuth seiner Erbfeinde zurückweisen. Beim Beginn dieses großen nationalen Kampfes hat Seine Majestät der König eine allgemeine Amnestie für politische Vergehen erlassen, welche vor der Kriegserklärung gegen Frankreich begangen sind. Auch Sie fallen unter diese Amnestie, die Untersuchung gegen Sie ist daher beendet. Sie sind frei.«

Cappei sprang auf. Seine Muskeln spannten sich, seine Gestalt richtete sich kräftig und elastisch empor und mit leuchtenden Blicken rief er:

»Frei! Frei! Oh! mein Gott, vergieb mir, daß ich an Deiner Gerechtigkeit gezweifelt habe. Es war ja unmöglich, daß das Werk finsterer Bosheit triumphiren konnte. Ich darf also zu meiner Mutter zurückkehren, ich darf –«

»Sie sind frei und außer aller Verfolgung,« sagte der Beamte, »aber Sie stehen in der allgemeinen Landwehrpflicht, hier ist eine Einberufungsordre für Sie, welche Ihnen befiehlt, sich sogleich in Hannover zu stellen, um dem Regiment, für welches Sie bestimmt sind, zugetheilt zu werden. Sind Sie bereit,« fuhr er mit einem forschenden Blick auf den jungen Mann fort, »diese Pflicht zu erfüllen?«

»Bereit?« rief Cappei, indem ein Blitz aus seinen Augen zuckte, »bereit? Oh, Herr Amtmann,« fuhr er fort, den Arm erhebend, »geben Sie mir eine Waffe in die Hand, um hinaus zu ziehen in den Kampf gegen jenes Land, dessen Erde den Elenden trägt, der mich verderben wollte, und der das Glück und die Hoffnung meines Lebens zerstört hat – er wird auch dort nicht müßig gewesen sein,« fügte er mit bitterm Lachen hinzu, »und nachdem er meiner Luise den Glauben an mich geraubt hat, wird er ihrem leidenden Herzen sich als tröstender Freund genähert haben – aber die rächende Gerechtigkeit wird mich führen, daß ich auf den Wegen dieses Krieges ihm begegne, um ihn zu vernichten und, wenn es Gott will, vielleicht noch seine Pläne zu durchkreuzen.«

»Sie sind also bereit, sich sofort Ihrer Ordre gemäß zu stellen und den Fahneneid zu leisten, den man natürlich nochmals von Ihnen verlangen wird, da Sie früher dem Könige von Hannover geschworen haben.«

»Ich bin bereit,« sagte Cappei.

»Sie dürfen nicht vergessen,« fuhr der Beamte ernst fort, »daß wenn Sie den Versuch machen sollten, Ihre Freiheit zu benutzen, um sich Ihrer Landwehrpflicht zu entziehen, Sie damit das Verbrechen der Desertion begehen würden, welches im gegenwärtigen Kriegszustande unfehlbar die Todesstrafe nach sich zieht.«

»Seien Sie unbesorgt, Herr Amtmann,« rief Cappei, »ich werde mich pünktlich stellen, und ich wünsche nur, daß mein Regiment das erste sei, welches die französischen Grenzen überschreitet. Darf ich vorher meine Mutter und meinen Oheim besuchen?« fragte er dann.

»Sie sind vollkommen frei zu thun, was Sie wollen,« sagte der Beamte, »vorausgesetzt, daß Sie sich pünktlich zur rechten Zeit zur Einstellung melden. Leben Sie wohl. Ich freue mich, daß Ihre Angelegenheit dies Ende genommen hat, und ich wünsche, daß Sie gesund und wohl behalten aus dem Kriege zurückkehren mögen.«

Er neigte freundlich den Kopf.

Cappei grüßte in militairischer Haltung und verließ kräftigen und festen Schrittes das Zimmer.

Groß war die Freude bei seinem Erscheinen in dem Hause seines Oheims, wo seit seiner Verhaftung tiefe Trauer und Bekümmerniß geherrscht hatte.

Groß aber auch war der Schmerz der alten Frau, als sie vernahm, daß sie ihren Sohn nur wiedersehen sollte, um ihn sogleich wieder zu verlieren und ihn hinausziehen zu sehen in die Todesgefahr eines furchtbaren Krieges.

Ernst und feierlich saßen die drei Menschen bei dem letzten Wahl zusammen, welches nach alter Bauernsitte reichlich für den Scheidenden aufgetragen wurde, und welches fast Keiner von ihnen berührte.

Mit thränenden Augen blickte die alte Frau auf den Sohn, der ihr so schnell wieder entrissen werden sollte, nachdem Verbannung und Gefangenschaft ihn getroffen, um noch größeren Gefahren entgegenzugehen – finster saß der alte Niemeyer da.

Er sah zwar lieber den jungen Menschen mit der Waffe in der Hand nach Frankreich hinausziehen, als daß dieser sich eine Heimath gesucht hätte in dem Lande, das er den alten Traditionen nach, doch immer als den Feind Deutschlands ansah, aber die drohende Todesgefahr des Sohnes seiner Schwester, den er wie sein Kind liebte, bewegte ihn tief.

Doch endlich tröstete ihn das glaubensstarke Vertrauen auf die Alles zum Besten kehrende Vorsehung, dies Vertrauen, das in all' den alten markigen Niedersachsen so fest und unerschütterlich lebt und auch in den schwersten Prüfungen ihren Muth aufrecht erhält.

»Gott erhalte Dich, mein Junge,« sagte er einfach, indem er kräftig die Hand des Scheidenden schüttelte und obwohl seine Stimme leicht zitterte, so klang doch die ruhig vertrauensvolle Ergebung in den göttlichen Willen in diesen Worten wieder.

Die Mutter hatte den Ränzel ihres Sohnes mit Brod, kaltem Fleisch und Branntwein gefüllt, der Oheim fügte eine mit harten Thalern wohlgespickte Börse hinzu und dann beugte sich der junge Mann tief vor der alten Frau nieder.

»Segne mich, meine Mutter,« sagte er leise.

Die Alte legte ihre zitternden Hände auf das Haupt des Sohnes und bewegte ihre Lippen, ohne daß laute Worte aus denselben hervordrangen, aber die Thränen, welche voll und heiß in diesem letzten Augenblick des Scheidens aus ihren Augen strömten, fielen über das Haar des jungen Mannes herab. Er fühlte, wie diese Tropfen seine Stirne benetzten, und heilige Rührung durchzitterte sein Herz, – er empfand all' den reichen Segen, all' die heißen Gebete, all' die frommen Wünsche, welche die Abschiedsthräne aus dem Mutterauge in sich schließt.

Dann wandte er sich rasch ab und schritt fest und kräftig über den Hof hinaus, vom Thor her sich noch einmal umblickend nach dem alten niedersächsischen Glauben, der an einen letzten Rückblick auf das heimathliche Haus eine frohe und glückliche Heimkehr knüpft.

Bald hatte er die nächste Eisenbahnstation erreicht, wo schon eine Anzahl anderer Einberufener wartete, und nach wenig Augenblicken führte ihn der dahinrollende Zug fort, einer dunklen Zukunft voll Kampf und Gefahr entgegen, während in seinem Herzen alle anderen Gefühle zurücktraten vor der glühenden Sehnsucht, Rache zu nehmen für die Frevelthat an seiner Liebe.


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