Oskar Meding
Der Todesgruß der Legionen
Oskar Meding

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Viertes Capitel.

Die schöne Tochter des Commerzienraths Cohnheim hatte seit dem Ball bei ihren Eltern still und traurig ihre Tage verbracht. Sie saß in tiefen Gedanken versunken an ihrem Fenster, oft sank die Stickerei, mit welcher sie sich beschäftigte, auf ihren Schooß, während sie auf die noch winterlichen Bäume des Thiergartens hinausblickte.

Doch war sie nicht traurig, oft umspielte ein stilles, glückliches Lächeln ihren Mund, und hoher Muth und freudige Hoffnungen leuchteten aus ihren Augen.

Ihre Mutter ließ keine Gelegenheit vorübergehen, um sie in trockner und wenig liebevoller Weise darauf aufmerksam zu machen, wie unpassend es sei, wenn sie, die Tochter des reichen Commerzienraths, der zu den ersten Finanzgrößen der Residenz gehöre, mit Nichts bedeutenden untergeordneten Officieren von der Linie den Cotillon tanze und Herren von Stellung und Distinction zurückweise. Ihre Mutter betrachtete das Alles nur als eine Frage der äußeren Rücksichten auf die Stellung des Commerzienraths. Aus ihren Reden ging hervor, daß sie sich nicht die entfernteste Möglichkeit träumen ließe, ihre Tochter könne wirklich in einem armen und unbedeutenden Officier etwas Anderes finden, als einen guten angenehmen Tänzer.

Und Fräulein Anna hörte alle mütterlichen Ermahnungen ruhig mit gleichgültigem Lächeln an – sie wartete ihre Zeit ab und wußte, daß, wenn dieselbe gekommen, sie die Kraft und Willen genug haben würde, dem Zorn ihrer Mutter zu trotzen.

Der Commerzienrath hatte viel mit dem Baron Rantow verkehrt und oft hatte er bei Tische erzählt, wie vortrefflich das Geschäft sei, welches er in Gemeinschaft mit dem Baron zu machen im Begriff stehe. Er hatte seiner Frau, welche aufmerksam, mit großem Interesse seinen Mittheilungen folgte, auseinandergesetzt wie hoch der Gewinn sein würde, welchen die Gesellschaft, welche er gegründet, aus der auf den Gütern des Barons eingeführten Industrie ziehen müsse und um wieviel sich zugleich durch diese Combination das Vermögens des Barons und das dereinstige Erbtheil seines einzigen Sohnes vergrößern werde. Er hatte dabei die persönliche Liebenswürdigkeit des jungen Herrn von Rantow und seine Aussichten auf eine brillante Carriere ganz besonders hervorgehoben, indem er mit listigem Schmunzeln einen forschenden Blick auf seine Tochter warf. Aber jedesmal, wenn es geschehen war, hatte Fräulein Anna ihn so kalt und streng zurückweisend angesehen, hatte seine Bemerkungen mit einem so unverbrüchlichen eisigen Schweigen aufgenommen, daß der alte Herr, welcher seine Tochter abgöttisch liebte und ihr gegenüber stets nur schwache Versuche machte, seinen Willen durchzusetzen, schnell auf ein anderes Gesprächsthema übergegangen war.

Dann war die ganze Familie einmal bei dem Baron von Rantow zum Thee eingeladen worden. Man hatte dort einige ältere Herren, Freunde des Barons, gefunden, welche sehr vornehme Namen trugen und sehr vornehme Manieren hatten, und die Commerzienräthin hatte in diesen Kreisen noch steifer, noch würdevoller als je dagesessen und mit einem unzerstörbaren Lächeln auf den Lippen an der Unterhaltung nur durch kurze sentenzenhafte Bemerkungen Theil genommen, welche die strengsten aristokratischen Grundsätze aussprachen.

Der Commerzienrath war lebendiger, beweglicher und gesprächiger als je gewesen, er hatte den Baron mehrere Male »mein verehrter Freund«, einmal sogar »mein lieber Freund« genannt. Er hatte seine finanziellen Ideen unter großer Aufmerksamkeit der Zuhörer entwickelt, er hatte von den Hunderttausenden erzählt, die er in diesem und in jenem Geschäft engagirt habe; er hatte die Bezugsquellen seiner vortrefflichen Weine mitgetheilt, und ein alter Graf hatte ihn sogar freundlich auf die Schulter geklopft und ihm versprochen, ihn einmal zu besuchen, um seinen Château Lafitte zu probiren.

Kurz Herr und Frau Cohnheim waren glücklich und befriedigt über diese intime Soirée bei dem Baron.

Der Referendarius von Rantow hatte seine ganze Aufmerksamkeit Fräulein Anna gewidmet, ohne indeß etwas Anderes erreichen zu können als einige hingeworfene, gleichgültige, oft sogar etwas sarkastische Bemerkungen.

Als man wieder nach Hause gekommen, hatte die Frau Commerzienräthin ihrer Tochter abermals eine Vorlesung über ihr abstoßendes Benehmen gegen den jungen Rantow gehalten, ohne etwas Anderes zu erzielen, als ein tiefes Schweigen ihrer Tochter.

Der Commerzienrath hatte einen schwachen Versuch gemacht, seine Frau zu unterstützen, er hatte einige Andeutungen fallen lassen, was der junge Herr von Rantow für eine gute Partie sei, und wie die Damen der höchsten Aristokratie glücklich sein würden, wenn seine Wahl auf sie fallen sollte, aber schnell hatte er sich vor dem ernsten abweisenden Blick seines Lieblings zurückgezogen und seiner Frau allein die Sorge überlassen, eine Idee, welche er mit besonderer Liebe in sich trug, dem jungen Mädchen annehmbar zu machen.

Fräulein Anna hatte nach dieser Soirée eine schlaflose Nacht zugebracht, sie hatte seit jenem Ball von dem Lieutenant von Büchenfeld Nichts wieder gehört. Er hatte in dem Hause des Commerzienraths einen Besuch gemacht zu einer Zeit, wo er gewiß war, Niemand zu Hause zu treffen; obgleich Anna fast den ganzen Tag an ihrem Fenster saß und auf die lebhafte Thiergartenpromenade herabsah, hatte sie doch niemals den erblickt, den ihre Augen suchten, nach dem ihr Herz sich sehnte.

Sie saß nachdenkend auf dem Divan in ihrem eleganten Schlafzimmer, das durch eine Hängelampe mit dunkelblauem Schirm erleuchtet war. Ihr schöner Kopf war auf ihre zarte, schlanke Hand gestützt und ihre aufgelösten Haare fielen über den weißen Arm nieder, von welchem der weite Ärmel ihres faltigen Schlafrockes von grauer Seide herabgesunken war.

»Er liebt mich,« flüsterte sie leise vor sich hin, – »das hat mein Herz lange empfunden, er hat es mir gesagt, und wenn er das sagt, so ist es wahr, denn für ihn ist die Liebe kein Spiel, und seine Worte sind ein Felsen, dem ich unbedingt vertraue. Aber warum ist er verschwunden,« fuhr sie fort, »warum hat er seit jenem Tage, der alle fremden Schranken zwischen uns hätte hinwegräumen sollen, der uns gegenseitig unsere Herzen geöffnet hat, Nichts mehr von sich hören lassen? Warum hat er einen ceremoniellen Besuch gemacht, als er wußte, daß er uns nicht finden konnte? Ich kann das nicht ertragen,« rief sie, leicht mit dem zierlichen Fuß auf den Boden tretend, »diese unklare, peinliche Lage muß ein Ende nehmen. Meine Mutter verfolgt mich mit diesem Herrn von Rantow, – es ist ein Plan vorhanden, in den ich nicht einwilligen werde! Auch mein Vater scheint ähnliche Gedanken zu haben. Nun,« sagte sie trotzig die Lippen aufwerfend – »das beunruhigt mich nicht, mein Vater wird mir gegenüber nicht den Tyrannen spielen, – aber ein Ende muß das nehmen, klar muß Alles werden! Doch wie,« sprach sie sinnend, »was soll ich meinen Eltern sagen, wenn sie mit directen Vorschlägen an mich herantreten? Soll ich ihnen sagen, ich liebe einen Mann, der es nicht der Mühe werth hält, sich mir zu nähern?«

Sie sann lange nach.

»Sollte ich ihn gekränkt haben,« flüsterte sie leise – »er ist empfindlich und leicht verletzt. Doch nein, nein,« rief sie dann, »ich erinnere mich jedes Wortes das ich ihm gesagt habe, und alle meine Worte sprachen deutlicher vielleicht, als ich es hätte thun sollen, meine Liebe zu ihm aus. Nein,« rief sie, »er kann nicht zweifeln, daß mein Herz ihm gehört. Es ist nur sein Stolz, sein harter unbeugsamer Sinn, der ihn von mir zurückhält. Und hat er,« fuhr sie fort, indem ihre Augen sanft und weich vor sich hinblickten, »hat er nicht Recht, so stolz zu sein, er ist arm und die Macht des Geldes beherrscht die Welt, und doch fühlt er seinen eigenen Werth. Und darum gerade,« rief sie leidenschaftlich, »darum liebe ich ihn – aber soll ich ihn verlieren, weil mein Vater reich und er arm ist, darf ich ihn so vielleicht für immer von mir gehen lassen – es klang wie ein Abschied in seinen letzten Worten. Fürchtet er, mich wieder zu sehen, um sich selbst nicht untreu zu werden? Ich muß ihn sehen,« sagte sie aufspringend, »ich muß ihn sprechen, ich muß mit ihm Hand in Hand vor meinen Vater hintreten und laut das Gefühl meines Herzens bekennen. Oh,« sagte sie, sich hoch aufrichtend, »diesem Baron von Rantow gegenüber und all den Herren gegenüber, die mich umschwärmen, die da glauben, daß sie gestützt auf ihre großen Namen und ihre Stellung nur die Hand ausstrecken dürfen, um mit der Tochter des reichen Commerzienraths ein großes Vermögen zu erwerben, – ihnen gegenüber fühle ich den Stolz einer Königin in mir, es reizt mich, ihnen zu zeigen, daß ich mich höher achte, als sie Alle. Aber ihm gegenüber, ihm, den ich liebe, diesem edlen, reichen und treuen Herzen gegenüber will ich demüthig sein. Er soll sehen, wie ich Alles, was ich ihm bieten kann, für Nichts achte und wie ich glücklich bin, daß er mich seiner Liebe werth gefunden, ihn will ich bitten, mich nicht zu verlassen, ihm gegenüber will ich keinen Stolz haben, und so will ich ihn zwingen, auch seinen Stolz aufzugeben.«

Sie öffnete ein zierliches Etui von rothem Leder, nahm einen kleinen Bogen goldgerändertes Briefpapier aus demselben und schrieb hastig, während ihre Wangen sich mit dunklem Purpur färbten, einige Zeilen.

Dann las sie dieselben durch.

»Es ist etwas Ungewöhnliches, was ich da thue,« sagte sie, »jedem andern Manne gegenüber würde es eine Selbsterniedrigung sein – aber er wird mich verstehen, er wird fühlen, daß er kein Recht mehr hat, seinem stolzen Eigenwillen zu folgen, wenn ich mich so vor ihm beuge, wenn ich mich so in seine Hände gebe.«

Rasch faltete sie den geschriebenen Brief zusammen verschloß ihn in eine Enveloppe und setzte die Adresse auf dieselbe.

»Es wird Licht werden,« sagte sie dann, »ich werde den Brief zur Post tragen, Niemand wird etwas davon erfahren und er wird sicher meiner Bitte folgen.«

Die bange Unruhe verschwand aus ihrem Gesicht, langsam entkleidete sie sich, die Gedanken an den Geliebten begleiteten sie in ihren Schlummer und gestalteten sich zu schönen und lieblichen Träumen künftigen Glückes.

*

Der Lieutenant von Büchenfeld hatte seit seiner Erklärung mit Fräulein Cohnheim viel mit sich selbst gekämpft. Er war nach einer ziemlich einsamen Jugend im stillen Hause seines Vaters bei seiner Anwesenheit in Berlin zum ersten Mal in die größern Kreise der Welt eingetreten, und die Liebe zu dem jungen Mädchen hatte mit übermächtiger Kraft sein tief empfindendes, in sich selbst zurückgezogenes Herz erfüllt, ein ganz neues Leben war ihm aufgegangen, und sein ganzes Wesen war durchdrungen von dem tiefen Gefühl, das ihn erfüllte. Die starren Begriffe von Ehre und männlicher Würde, welche die Erziehung seines Vaters in ihn gelegt, kämpften gegen diese Liebe an, und sein Blut empörte sich bei dem Gedanken, daß man seiner Bewerbung um die Tochter des reichen Commerzienraths materielle Motive unterlegen könnte, sein Stolz bäumte sich auf, wenn er sich die Möglichkeit dachte, daß er kalt und hochmüthig zurückgewiesen werden könnte, und selbst wenn es ihm gelingen würde, seine Geliebte zu erringen, so schauderte er vor dem Gedanken zurück, seine Lebensstellung auf das Vermögen seiner Frau zu begründen.

Er hatte sich eine Zeit lang von seinen Gefühlen hinreißen lassen, er war dem jungen Mädchen näher und näher getreten, endlich aber hatte er mit dem festen Entschluß sich von allen Illusionen zu trennen sich gegen sie aussprechen wollen, um zugleich für immer von ihr Abschied zu nehmen.

Da hatte sie in wunderbarer Offenheit ihm ihr Herz geöffnet, er hatte mit Entzücken, aber fast auch mit Schrecken gesehen, daß seine Gefühle so stark und so warm erwiedert würden.

Im ersten Augenblick hatte der Glanz dieses Glückes ihn geblendet, aber am anderen Tage war der Stolz wieder in ihm mächtig geworden, er hatte den festen Entschluß gefaßt, einsam durch das Leben zu gehen und nur auf seine eigene Kraft seine Zukunft zu begründen, und er wollte, um den Kampf siegreich zu bestehen, Fräulein Cohnheim nicht wiedersehen, so lange sein Commando in Berlin noch dauerte.

Oft zog es ihn nach dem Thiergarten hin, um wenigstens von ferne die geliebten Züge zu erblicken, die so tief in sein Herz gegraben waren, aber mit eiserner Willenskraft hielt er sich zurück und vermied sorgfältig alle Kreise, in denen er Fräulein Cohnheim hätte begegnen können. Nur am späten Abend ging er hinaus und blickte aus der tiefen Dunkelheit zu dem erleuchteten Fenster, durch welches er zuweilen die Umrisse der schlanken Gestalt seiner Geliebten entdecken konnte. Lange stand er dort an einen Baum gelehnt, in schmerzliche Träumerei versunken, aber sein Entschluß blieb fest, am Tage betrat er niemals die Gegend, in welcher er so oft seine schmerzlichen Seufzer zum nächtlichen Himmel sandte.

Er wurde in seiner stolzen Zurückhaltung noch bestärkt durch die Bemerkungen, welche sein Vater ihm über sein Gespräch mit dem Baron von Rantow gemacht hatte. Der alte Herr hatte sich sehr zornig gegen seinen Sohn darüber geäußert, daß sein Jugendfreund, ein alter Edelmann aus bester Familie sich zu industriellen Geschäften mit dem Commerzienrath associirt habe, und daß er, wie es schien, sogar die Idee nicht als unmöglich verwerfe, die beiden durch das gemeinsame Unternehmen noch immer weiter zu vermehrenden Vermögen durch eine Heirath seines Sohnes mit dem Fräulein Cohnheim mit einander zu verbinden.

Mit traurig bitterm Lächeln hatte der junge Mann den unwilligen Worten seines Vaters zugehört.

Der alte Herr hatte in diesem Lächeln eine Zustimmung zu seinem so mißfälligen Urtheil über die moderne Handlungsweise seines Freundes zu finden geglaubt und, indem er seinen Sohn auf die Schulter klopfte, laut ausgerufen:

»Wir würden so Etwas nicht thun, die Büchenfelds mögen kein so vornehmes und kein so begütertes Geschlecht sein, wie die Freiherren von Rantow, aber mit den Börsenspeculanten würden wir weder unsere Geschäfte, noch unser Blut vermischen.«

Unbeschreibliche Gefühle hatten das Herz des jungen Mannes bei diesen Worten seines Vaters zusammengeschnürt, ohne zu antworten, war er aufgestanden und hatte das Zimmer verlassen.

Einige Tage später hatte ihm der alte Herr nach einem Besuch bei dem Herrn von Rantow in höchster Entrüstung mitgetheilt, daß nicht nur das Geschäft zwischen dem Baron und dem Commerzienrath zur industriellen Ausbeutung der Rantow'schen Erbgüter beschlossen sei, sondern daß er nun auch schon die Verbindung des jungen Rantow mit dem Fräulein Cohnheim zu seinem tiefen Schmerz als gewiß ansähe.

Immer fester war nach solchen Mittheilungen der Entschluß des jungen Mannes geworden, das junge Mädchen nicht wieder zu sehen, der alle Regungen seines Herzens gehörten und welche doch von ihm durch alle Hemmnisse und Schranken getrennt war, welche die Verhältnisse der Welt zwischen zwei Menschenherzen aufzurichten im Stande sind.

Immer eifriger hatte er sich in seine Studien vertieft, – er suchte durch die Arbeit den Schmerz zu besiegen, der so verzehrend sein ganzes Wesen durchdrang, er suchte mit aller Kraft seines Geistes, mit aller Anstrengung seines Willens sich durch eine unausgesetzte Thätigkeit für eine große und wirkungsvolle Carrière vorzubereiten. Er wollte durch den Ehrgeiz die Liebe tödten, denn einer großen und mächtigen, Alles beherrschenden Regung bedurfte er für sein inneres Leben, dem das gleichgültige Einerlei eines zwecklosen Vegetirens nicht genügte.

An dem Tage, an dessen Vorabend Fräulein Anna in nächtlicher Stille den Entschluß gefaßt hatte, alle Zweifel ihres Herzens einer entscheidenden Lösung zuzuführen, war der junge Officier um die Mittagsstunde von der Kriegsschule zurückgekehrt und trat in das Zimmer seines Vaters, in welchem der alte Diener des Oberstlieutenants, der lange Jahre sein Bursche gewesen und nach dem Abschied seines Herrn in dessen Privatdienst geblieben war, so eben das bescheidene Diner servirte, welches der alte Herr für sich und seinen Sohn aus einem nahe gelegenen kleinen Hotel holen ließ.

»Du siehst bleich aus,« sagte der alte Herr, indem er seinen Sohn mit sorgenvoller Theilnahme ansah, »ich fürchte, Du arbeitest zu viel. Es ist zwar sehr gut, wenn man etwas recht Tüchtiges lernt, aber man darf darum kein Kopfhänger werden. Du gehst nicht mehr aus, Du bist fast jeden Abend zu Hause, Du besuchst keine Gesellschaften mehr – Du darfst Dich nicht zu sehr anstrengen. Zu meiner Zeit,« sagte er, sich den Schnurrbart streichend, »waren wir jungen Officiere anders, wenn es keine Gesellschaften gab, so gingen wir wenigstens in die Natur hinaus und machten fröhliche Streifzüge durch Wald und Feld. Damals hätten wir es nicht für die Aufgabe des Soldaten gehalten, hinter den Büchern zu sitzen und zu lesen und zu arbeiten wie ein Student.«

»Sei ruhig, lieber Vater,« sagte der Lieutenant mit einem etwas gezwungenen Lächeln, »ich werde gewiß nicht über meine Kräfte arbeiten; wenn ich viel zu Hause geblieben bin, so liegt es nur daran, daß ich keine Freude in dem hiesigen weitläufigen Gesellschaftsleben finde. Wenn ich erst wieder in meiner Garnison sein werde unter meinen Kameraden, unter den alt gewohnten Verhältnissen, so wird es anders werden.«

»Nun,« sagte der alte Oberstlieutenant, seinem früheren Gedankengang folgend, »es treten ja jetzt auch ganz andere Aufgaben an einen Officier heran. Die heutige Tactik ist eine viel complicirtere, und man muß heute die Kriege ebenso sehr mit dem Kopfe als mit dem Arm führen. Das ist Alles ganz gut, aber zum Kopfhänger darf darum der Soldat doch nicht werden. – Daß Dir übrigens das Gesellschaftsleben hier in Berlin nicht gefällt,« fuhr er fort, »verstehe ich, und daß Du glücklicher in den einfachen Verhältnissen Deiner kleinen Garnison bist – freilich,« sagte er dann wehmüthig seufzend, »wird dann Dein alter Vater hier wieder ganz allein sein, doch das ist ja das Loos des Alters – Ihr marschirt in die Welt hinein, wir gehen aus derselben hinaus. Da können ja unsere Wege nicht zusammenlaufen.«

Er setzte sich zu Tisch, sein Sohn nahm ihm gegenüber Platz, und der alte Diener servirte in militairischer Haltung die etwas blasse und dünne Bouillon.

Der Oberstlieutenant füllte die Weingläser für sich und seinen Sohn aus einer bereits angebrochenen Flasche St. Julien und stieß mit dem Lieutenant, wie er das stets zu thun pflegte, auf den künftigen Feldmarschallstab an. Während der junge Mann schweigend seinem Vater zuhörte, welcher von alten Zeiten erzählte und manche schon oft wiederholte Geschichte noch einmal ausführlich vortrug, hörte man ein starkes Klingeln an der äußern Eingangsthür der kleinen einfachen Wohnung.

Der alte Diener ging hinaus und kehrte nach einigen Augenblicken mit einem kleinen zierlichen Brief in der Hand zurück.

»Ein Brief für den Herrn Lieutenant,« sagte er, indem er in dienstlicher Haltung das Billet dem jungen Mann überreichte.

Dieser nahm es mit gleichgültiger Miene, öffnete es, und ließ die Augen über den Inhalt gleiten. Eine dunkle Röthe flog über sein Gesicht, mit starrem Erstaunen, fast mit dem Ausdruck eines jähen Schreckens las er die wenigen Zeilen, langsam sank seine Hand mit dem Papier auf seinen Schooß herab, indem seine Augen fortwährend unbeweglich auf den Worten ruhten, die er so eben gelesen.

»Mein Gott,« rief der alte Oberstlieutenant unruhig, »was ist das? Du hast doch keine böse Nachricht bekommen – doch nicht etwa eine Ehrensache?«

Mit gewaltiger Anstrengung suchte der junge Mann seine Fassung wieder zu gewinnen.

»Es ist Nichts,« sagte er, das Papier zusammenfaltend und es in seine Uniform steckend, indem er mit einer gewissen Mühe die Worte hervorbrachte, »ein Bekannter ladet mich ein, mit ihm den Abend zu verbringen.«

»Aber Du bist doch so erschrocken,« sagte der alte Herr forschend, »Du bist ja ganz roth geworden, Du zitterst.«

»Ich habe den ganzen Vormittag über Nichts gegessen,« sagte der Lieutenant, »die warme Suppe und das Glas Rothwein haben mich ein wenig echauffirt, – es ist wirklich nichts, gar Nichts Unangenehmes. Es war ein leichter Schwindel, der bereits vorüber ist.« –

Der alte Herr sah ihn ein wenig enttäuscht an.

Der Lieutenant, welcher bisher schweigend dagesessen hatte, begann mit einer etwas gewaltsamen Heiterkeit auf seine Erzählungen einzugehen, Erinnerungen anzuregen, von denen er wußte, daß sie seinem Vater lieb wären, so daß dieser bald den kleinen Vorfall vergaß und in äußerst zufriedener Stimmung noch eine zweite Flasche St. Julien bringen ließ, sehr vergnügt darüber, daß sein Sohn so lebendig wie lange nicht an seinen Gesprächen Theil nahm.

Als das Diner beendet, und das einfache Gedeck von dem Diener abgeräumt war, setzte sich der Oberstlieutenant in einen großen altmodischen Lehnstuhl, plauderte noch ein wenig, immer langsamer und langsamer sprechend mit seinem Sohn, deckte ein großes seidenes Tuch über seinen Kopf und versank in seinen gewohnten Nachmittagsschlaf, welcher heute tiefer war als sonst und ihm in freundlichen aber verworrenen Bildern die Zukunft seines Sohnes zeigte, wie dieser mit militairischen Würden und Auszeichnungen geschmückt den Namen derer von Büchenfeld zu immer höhern Ehren brachte.

Als der alte Herr eingeschlafen war, zog sich der Lieutenant in sein kleines Zimmer zurück, setzte sich vor seinen großen Tisch von weißem Holz, der mit Büchern, Plänen und Karten bedeckt war, zog das kleine Billet aus seiner Uniform hervor und versenkte sich abermals in die Lectüre desselben.

»Mein Gott,« sagte er endlich mit tief bewegtem, fast schmerzlichem Ton, »mein Entschluß stand so fest, ich glaubte Alles überwunden, ich glaubte mit der Vergangenheit und all ihren süßen Lockungen abgeschlossen zu haben, – da dringt diese Botschaft zu mir, welche alle meine Entschlüsse wieder umwirft, welche mich von Neuem in Kampf, in Unruhe und Zweifel versenkt –

»Mein lieber Freund.«

Las er, die Augen starr auf das Papier gerichtet.

»Nach unserm letzten Gespräch glaube ich es mir und Ihnen schuldig zu sein, volle Klarheit zwischen uns zu schaffen. Die Verhältnisse machen eine Erklärung zwischen uns nothwendig. Ich muß Sie sehen und sprechen, – gehen Sie heute Nachmittag fünf Uhr in der Nähe unseres Hauses auf der Thiergartenpromenade auf und nieder. Ich werde Ihnen dort begegnen und Nichts wird uns verhindern, uns in hellem Tageslicht und vor den Augen aller Welt gegen einander auszusprechen.«

»Ein angefangenes Wort ist ausgestrichen,« sagte er, immerfort sinnend das Papier betrachtend, – »ein einfaches A. ist die Unterschrift. – Ich habe niemals Anna's Handschrift gesehen,« fuhr er fort, »aber es ist kein Zweifel, dieser Brief muß von ihr kommen. Was kann sie mir sagen wollen? Nach den Mittheilungen meines Vaters soll ihre Verbindung mit dem jungen Rantow so gut wie abgemacht sein – nach ihren letzten Worten freilich,« sagte er, den Kopf in die Hand stützend, »mußte ich glauben, daß ihr Herz sich mir zuneigte. Sie wollte das Opfer meiner Liebe nicht annehmen, sie gab mir Hoffnung, – oh, eine so süße Hoffnung, welche ich mit so schwerer Überwindung aus meinem Herzen gerissen habe.

Wäre es möglich« – ein Schimmer von Glück und Freude erleuchtete sein Gesicht, in einer unwillkürlichen Bewegung hob er das Papier empor, drückte seine Lippen auf die Schriftzüge, dann sprang er auf und ging in heftiger Erregung in seinem Zimmer auf und nieder. –

»Sei es, was es will,« rief er, »es wäre unritterlich und feige, der Aufforderung einer Dame nicht zu folgen, einer Dame, der ich gesagt habe, daß ich sie liebe – und welche dieses Geständniß so gütig und freundlich aufgenommen, wie sie es gethan. –

Aber,« fuhr er dann mit finsterm Ausdruck und dumpfer Stimme fort, »wenn sie mir sagen will, daß Alles zu Ende sei, wenn sie den Traum beenden will, von dem ich ihr voreilig und unvorsichtig vielleicht gesprochen?

Nun,« fuhr er mit entschlossenem Ton nach einem langen Schweigen fort, »auch das wäre ein Zeichen, daß ich mich nicht in ihr getäuscht habe, ein Zeichen, daß sie meiner Liebe werth war, und daß sie es auch verdient, daß ich diese Liebe ihrer Ruhe und ihrem Glück opfere. Jedenfalls muß ich hingehen, soll es ein letzter Abschied sein, so wird ja nur das geschehen, wozu ich selbst fest entschlossen war, und dieser schöne Traum wird einen um so schönern Abschluß finden, und,« sagte er leise mit weichem Blick, dessen Ausdruck zwischen Schmerz und Glück die Mitte hielt, »sollte der Kampf meiner Pflicht und meines Stolzes gegen meine Liebe sich erneuern – ich will und darf keinen Kampf scheuen! Das wäre ein Mißtrauen auf die eigene Kraft, – ich muß hingehen und werde stark genug sein, um Alles zu ertragen, was dieser verhängnißvolle Augenblick mir bringen kann.«

Er blickte auf seine Uhr.

»Noch über eine Stunde,« sagte er, – »daß doch die Zeit oft so langsam vergeht, wenn man ihr Flügel wünscht und so rasch dahin schwindet, wenn man sie fesseln möchte.«

Er ergriff ein Buch und begann zu lesen, aber seine Gedanken waren nicht bei seiner Lectüre, in kurzen Zwischenräumen sah er nach der Uhr, deren Zeiger kaum vorzurücken schien; in zitternder Unruhe bewegte er sich hin und her; in schnellem Wechsel wurde sein Gesicht bald tief blaß, bald glühend roth; ein leichter Schweiß perlte an der Wurzel seiner Haare; und trotz aller Willenskraft, die er aufwendete, um ruhig zu bleiben, fand er sich nach Ablauf einer Stunde in jenem Zustand fieberhafter Aufregung, welchen der innere Kampf der Gefühle und Gedanken bei äußerer Unthätigkeit stets hervorruft und welcher bei kräftigen und nervösen Naturen immer eine Folge des Wartens ist, dieses unerträglichsten Zustandes unter allen Leiden, an denen das arme gequälte Menschenleben so reich ist.

Endlich war der Augenblick gekommen, er steckte den Degen ein, setzte die Mütze auf und verließ, ohne das Zimmer seines Vaters noch einmal zu betreten, das Haus.

*

Fräulein Anna hatte in nicht geringerer Unruhe und Aufregung den Tag verbracht. Es war ihr nicht schwer geworden, einen Vorwand zu finden um zu der Stunde, welche sie ihrem Geliebten angegeben, allein auszugehen. Sie war überhaupt gewohnt, stets ganz nach den Eingebungen ihres eigenen Willens zu handeln, welchen ihre Mutter aus überlegener Gleichgültigkeit, ihr Vater aus Zärtlichkeit selten ein Hinderniß in den Weg gelegt hatten.

Noch einmal hatte sie sich Alles überdacht, was sie dem jungen Manne sagen wollte. Ihr Herz schlug in ungeduldiger Sehnsucht dem Augenblick entgegen, in welchem sie ihn wiedersehen würden. Es war ja unmöglich, daß sein harter Sinn ihrer Liebe widerstehen könnte, da sie doch wußte, daß sein Herz ihr gehörte.

Mit bangem Zittern, aber mit einem glücklichen, hoffnungsvollen Lächeln auf den Lippen verließ sie kurze Zeit vor der festgesetzten Stunde ihre Wohnung und begann auf der Thiergartenpromenade vor dem Hause ihrer Eltern auf- und abzugehen, wie sie es öfter um diese Zeit zu thun pflegte um frische Luft zu schöpfen.

Unruhig forschend tauchte sich ihr Blick in die Ferne, aber unter all den alten Damen mit kleinen Hündchen in zierlichen blauen oder rothen Mänteln, unter all den Herren, welche in dem regelmäßig abgemessenen Spaziergang Erholung für die im Staub der Bureaus aller Arten verbrachten Morgenstunden suchten, entdeckte sie Denjenigen nicht, dem ihr Herz entgegenflog.

Langsam, in tiefe Gedanken versunken, schritt sie weiter.

»Guten Tag, Fräulein Anna,« ertönte plötzlich eine Stimme unmittelbar neben ihr, und rasch aufblickend sah sie den Referendarius von Rantow, welcher sein Lorgnon vor den Augen, den Hut abnahm und sie zwar mit einer tiefen und artigen Verbeugung, aber doch mit der Vertraulichkeit eines alten Bekannten begrüßte, welche sie um so unangenehmer berührte, als ihr diese Begegnung gerade im gegenwärtigen Augenblick ungemein unerwünscht war.

Mit einer kalten und abweisenden Miene erwiderte sie den Gruß des jungen Mannes, und wollte ihren Weg fortsetzen.

Herr von Rantow blieb an ihrer Seite.

»Ich habe Sie in den letzten Tagen in mehreren Gesellschaften vergeblich gesucht, mein gnädiges Fräulein,« sagte er, »in denen ich Ihnen sonst zu begegnen gewohnt war. Ich hoffe, Sie sind nicht leidend gewesen, Ihre blühende Farbe sollte mich beruhigen. Wo solche Rosen auf den Wangen blühen und solches Feuer aus den Augen leuchtet, kann Krankheit und Leiden keinen Platz finden,« fügte er mit höflich gleichgültigem Ton hinzu, indem sein Blick oberflächlich über das Gesicht und die Gestalt des jungen Mädchen hinglitt.

»Ich danke, Herr von Rantow,« sagte Anna mit dem Ton einer gewissen Verlegenheit, »ich befinde mich ganz wohl und war nur etwas nervös verstimmt, – deshalb bin ich nicht in Gesellschaft gegangen und möchte jetzt einen kleinen Gang in der freien Natur machen, um einsam meinen Gedanken nachzuhängen.«

»Das sollten Sie nicht thun,« erwiderte Herr von Rantow, ohne den ziemlich deutlichen Wink der Entlassung zu bemerken, welcher ebenso sehr in ihren Mienen, als in ihren Worten lag. »Die Einsamkeit ist kein Heilmittel für angegriffene Nerven, eine heitere gemüthliche Plauderei leistet viel bessere Dienste, ich will ein wenig versuchen, Ihr Arzt zu sein.«

»Sie sind zu gütig,« erwiderte sie in leicht gereiztem Ton, »Jeder muß am besten wissen, was seiner Natur bei nervösen Verstimmungen gut thut, und für mich ist ein einsamer Spaziergang in der freien Luft,« fügte sie mit noch schärferer Betonung hinzu, »das beste Heilmittel.«

»Fast darf ich Ihnen nach diesen Worten,« erwiderte Herr von Rantow mit einem leichten Lächeln, während er durch sein Glas in eine Seitenallee hinabsah, »meine Begleitung nicht weiter aufdrängen, und doch wird es mir schwer Sie zu verlassen. Wenn es aber Ihr Ernst ist, durchaus allein sein zu wollen –«

»Mein voller Ernst,« rief Anna schnell, indem eine dunkle Röthe ihr Gesicht überflog, – sie hatte wenige Schritte vor sich den Lieutenant von Büchenfeld bemerkt und machte eine unwillkürliche Bewegung, als wolle sie ihm entgegen eilen.

Herr von Rantow sah sie etwas befremdet an und folgte dann der Richtung ihres Blickes.

»Ah, da ist Herr von Büchenfeld, ich habe ihn lange nicht gesehen! Auch ein Einsamer,« fügte er mit einem schnellen Seitenblick auf das junge Mädchen hinzu. »Wäre die Einsamkeit ein Ding, das man theilen könnte, so würde ich vorschlagen, daß wir uns zu Dreien ihrem Genuß hingeben.«

Anna hörte nicht, was er sprach, ihre Blicke waren unverwandt auf den jungen Officier gerichtet. Peinliche Verlegenheit malte sich in ihren Zügen, unschlüssig hielt sie ihre Schritte an, so daß sie fast neben Herrn von Rantow stehen blieb.

Der Lieutenant von Büchenfeld hatte bei ihrem Anblick zunächst in freudiger Bewegung einen Schritt vorwärts gemacht, dann bemerkte er den jungen Herrn von Rantow, welcher in anscheinend vertraulichem Gespräch neben Fräulein Anna herging.

Eine tiefe Blässe bedeckte plötzlich seine Züge, seine Augen öffneten sich weit und blickten starr auf das Paar hin, welches vor ihm stehen blieb, – ein bitteres höhnisches Lächeln verzog seine fest verschlossenen Lippen zu fast krampfhafter Entstellung, ein tiefer Athemzug hob seine Brust, schnell wandte er sich seitwärts, und mit raschen Schritten ging er an den beiden jungen Leuten vorbei, mit kalter Höflichkeit Fräulein Cohnheim militairisch grüßend.

Das junge Mädchen zitterte in heftiger Bewegung, ihre Augen richteten sich mit magnetischem Glanz auf den schnell vorüberschreitenden jungen Officier; ein tiefer Seufzer, fast wie ein leiser angstvoller Schrei, rang sich aus ihrem Munde hervor, sie machte eine Bewegung, als wolle sie die Hände ausstrecken.

»Um Gottes Willen Herr von Büchenfeld!« rief sie.

Aber ihre Stimme war von tiefer, innerer Erregung so zusammengepreßt, daß ihre Worte kaum vernehmbar nur zu dem Ohr des unmittelbar neben ihr stehenden Herrn von Rantow drangen. Im höflichen Diensteifer wandte sich dieser um.

»Büchenfeld!« rief er, »so höre doch, – wie unhöflich, so vorbei zu laufen, – Fräulein Cohnheim ruft Dich.«

Er hatte den jungen Officier eingeholt, legte die Hand auf seinen Arm und zwang ihn, still zu stehen. Mit starrem Blick, immer jenes höhnische, bittere Lächeln auf den Lippen, kehrte er, von Herrn von Rantow geführt, zu dem jungen Mädchen zurück, das ihn zitternd erwartete.

»Ich habe Sie so lange nicht gesehen, Herr von Büchenfeld,« stammelte sie mit unsicherm Ton, »ich wollte Ihnen sagen, – daß –« sie blickte auf Herrn von Rantow, der mit einem artigen Lächeln auf den Lippen neben ihr stand, und dann schlug sie die Augen nieder, – sie schien nach Worten zu suchen, zornig biß sie ihre glänzenden Zähne auf die Lippen und trat heftig mit dem Fuß auf den Boden.

»Es ist sehr freundlich, daß Sie sich meiner erinnern,« sagte der Lieutenant von Büchenfeld mit kalter, schneidender Höflichkeit. »Ich bin unendlich erfreut, Ihnen hier begegnet zu sein, zu meinem tiefen Bedauern muß ich aber um Verzeihung bitten, daß ich mich keinen Augenblick aufhalten kann, – der unerbittliche Dienst ruft mich.«

Er grüßte militairisch, neigte leicht den Kopf gegen Herrn von Rantow, und eilte dann mit schnellen Schritten davon.

Anna athmete tief auf, sie machte eine Bewegung, als wolle sie ihm nacheilen, doch das wäre vergeblich gewesen, er entfernte sich in immer schnellerem Gang, sie sah ihm mit brennendem Blick nach.

Ein Zug tiefer schmerzlicher Trauer erschien auf ihrem Gesicht.

»Ich begreife nicht,« sagte Herr von Rantow, »was er haben kann, er sah ja ganz verstört aus. Sollte er dienstliche Unannehmlichkeiten gehabt haben?«

Fräulein Anna sah ihn mit zornfunkelnden Augen an, in ihren Wimpern zeigte sich ein feuchter Thränenschimmer.

»Ich bedaure sehr, Herr von Rantow,« sagte sie mit kaltem Ton, »daß ich nicht länger das Vergnügen Ihrer Gesellschaft haben kann, die Luft greift mich an, ich will nach Hause zurückkehren.«

Bevor der junge Mann antworten konnte, hatte sie sich mit einem leichten Gruß abgewendet und schritt schnell dem Hause ihrer Eltern zu.

»Wir gehen denselben Weg,« sagte er ganz erstaunt, »ich will so eben zu meinen Eltern.«

Aber bereits war sie weit entfernt, ohne seine Worte zu hören. Erstaunt blickte er ihr nach.

»Was geht denn da vor!« sprach er kopfschüttelnd vor sich hin. »Sollte da eine ernste Herzensangelegenheit spielen, – das würde mir nicht zu meinen Absichten passen, ich kann kaum eine bessere Partie finden, das Alles fügt sich so vortrefflich, – nun, ich glaube kaum, daß es ein ernstes Hinderniß sein wird,« sagte er dann, sich leicht den Schnurrbart streichend, »dieser Büchenfeld mit seinen altfränkischen Anschauungen wird kaum an eine ernste Bewerbung denken, und der alte Cohnheim wird auch wenig Lust haben, sein einziges Kind einem Officier zu geben, der Nichts weiter besitzt als seinen Degen.«

Langsam schritt er dem weit vorausgeeilten jungen Mädchen nach und trat einige Zeit später als sie in das Haus des Commerzienraths, dessen Parterre seine Eltern bewohnten.

Der Lieutenant von Büchenfeld war in schmerzlicher Erregung dem Brandenburger Thor zugeschritten. Er blickte starr vor sich hin, kaum die Vorübergehenden beachtend und nur mit seinen finstern Gedanken beschäftigt.

»Das also ist es gewesen,« flüsterte er, »sie hat mir zeigen wollen, daß Alles zwischen uns aus sein soll, daß Alles für sie nur das flüchtige Spiel einer augenblicklichen Laune war. Ein Abschied hat es sein sollen, aber nicht ein freundlicher Abschied, welcher mit seinem sanften Strahl das künftige Leben erleuchtet und den Schmerz der Trennung verklärt. Nein, dieser Abschied war fast ein Hohn auf die Vergangenheit, sie wollte sich mir auf meinem einsamen Wege an der Seite Desjenigen zeigen, der das Glück besitzen soll, das ich vergeblich ersehnte. –

»Das Glück?« sagte er, indem er die Augen fragend emporschlug, – »kann es ein Glück geben an der Seite eines Wesens, das so herzlos mit den edelsten Gefühlen spielt, das auf solche Weise eine Liebe von sich weisen kann, deren Tiefen sie kaum zu ermessen verstehen mag, – und sie hätte es ja nicht nöthig gehabt,« sprach er, grimmig die Lippen auf einander pressend, »sie hätte es nicht nöthig gehabt, mir so meinen Abschied zu geben. Ich habe sie doch wahrlich mit meiner Liebe nicht verfolgt, ich habe mich still und schweigend zurückgezogen. Warum hat sie mich nicht ruhig meiner Wege gehen lassen? Ach, wie tief habe ich mich in ihr getäuscht! Wie Recht hatte mein Vater, daß in diesen Kreisen der reich gewordenen Parvenus es kein Herz und kein Gefühl giebt.«

Er sah sich plötzlich von mehreren Kameraden umringt, deren Annäherung er nicht bemerkt hatte, und welche ihm lachend den Weg vertraten.

»Endlich trifft man ihn einmal, diesen verkörperten Fleiß,« rief ein junger Dragonerofficier.

»Er bereitet sich zum Chef des großen Generalstabs vor und macht Tag und Nacht die Pläne zu den Schlachten, die er künftig gewinnen will. Aber jetzt haben wir ihn, jetzt soll er mit uns kommen. Es ist heute Hohensteins Geburtstag,« sagte er, auf einen Husarenofficier deutend, »wir sind es ihm aus Freundschaft schuldig, diesen wichtigen Tag zu feiern. Büchenfeld darf sich nicht zurückziehen, wenn er nicht ein schlechter Kamerad ist. Wir wollen zu Borchard gehen, dort ist ein vortrefflicher Romanée mousseux, dessen Bekanntschaft er machen soll. Ein ganz ausgezeichneter Stoff, etwas schwer, – aber wo man den Geburtstag eines guten Freundes feiert, darf man ja nicht ganz kalt und nüchtern bleiben.«

Er ergriff den Arm des Lieutenants von Büchenfeld und zog ihn fort. Die Andern folgten.

»Es ist wahr,« rief Büchenfeld flammenden Blickes, »ich habe zu viel gearbeitet, zu viel nachgedacht und gegrübelt, ich will mir einmal den Kopf frei machen von allen Gedanken. Könnte ich Vergessenheit trinken,« sagte er leise vor sich hin, – »wie die Alten mit dem Wasser des Flusses der Unterwelt alle Erinnerungen an die Leiden des Lebens aus ihrer Seele fortspülten!«

Unter heitern und fröhlichen Gesprächen schritten die Officiere die Linden entlang und begaben sich in das elegante, altbewährte Local von Borchard in der Französischen Straße.

Der alte Kellner mit dem kränklichen, klug blickenden Gesicht, welcher so genau seine Gäste zu classificiren verstand und den Geschmack und die Gewohnheiten eines Jeden stets scharf im Gedächtniß behielt, brachte die dickbäuchigen Flaschen in den eisgefüllten Kühlern. Die Pfropfen wurden entfernt, und das edle, dunkelrothe Getränk mit dem weißen Schaum ergoß sich in die zierlichen Krystallkelche.

Der Lieutenant von Büchenfeld, welcher ernst und mit finsterm Schweigen sich der Gesellschaft der Übrigen angeschlossen hatte, stürzte ein Glas des purpurnen Getränkes nach dem andern hinunter, – eine wilde Heiterkeit schien sich seiner zu bemächtigen, seine Augen flammten, seine Wangen glühten, ganz seiner sonstigen Gewohnheit entgegen begann er mit sprühendem Witz an der Unterhaltung Theil zu nehmen.

Aber dieser Witz war nicht wohlthuend, belebend und erheiternd, – er war scharf, schneidend, Alles in den Staub herabziehend, was dem ernsten Sinn des jungen Mannes sonst unantastbar gewesen war.

Seine Freunde sahen sich ganz erstaunt an.

»Büchenfeld muß etwas sehr Glückliches passirt sein,« sagte der Dragonerofficier, »so habe ich ihn noch nie gesehen.«

»Oder,« sagte der Husar lachend, »er steht im Begriff, sich todtzuschießen. Das ist ja der reine Galgenhumor, der aus ihm spricht.«

»Weder das Eine noch das Andere,« meinte ein Dritter, »es ist einfach dieser ausgezeichnete Rebensaft von Burgund, der unsern stillen Freund so gesprächig macht.«

»Oder sollte er etwa verliebt sein,« sagte der Dragoner, »das wäre ja das Allermerkwürdigste, das man erleben könnte, – er, der bis jetzt gar keine Augen für ein weibliches Wesen zu haben schien und nur seinen Studien gelebt hat.«

»Ja, ja,« rief der Lieutenant von Büchenfeld laut lachend, »Du hast es getroffen, ich bin verliebt. Das ist doch wahrlich werth,« sagte er, ein neues Glas herunterstürzend, »aus seiner gewohnten Ruhe herauszutreten. Nein, nein,« fuhr er dann mit schneidendem Hohn fort, »wenn ich verliebt wäre, dann wäre mir doch wirklich besser, daß ich mich auf ein Pulverfaß setzte und in die Luft sprengte. Denn was ist die Liebe?« sagte er plötzlich düster; – »die unwürdige Fessel, welche den Willen, den Muth und die Kraft eines Mannes an die flüchtige Laune einer Frau kettet und den hohen Flug edler Seelen herabzieht in den Staub und sie zum Spott Derer werden läßt, die sie nicht begreifen können!«

Immer lauter, immer lustiger wurde die Unterhaltung; immer höher glühten die Wangen des Herrn von Büchenfeld, und bereits begannen seine Freunde mit einiger Besorgniß zuzusehen, wie er fortwährend sein Glas füllte, um es augenblicklich wieder zu leeren.

Es war dunkel geworden, die Gasflammen waren angezündet. Einige einzelne Herren hatten an kleinen Tischen in dem vordern Theil des Zimmers Platz genommen, in dessen Hintergrunde die jungen Officiere sich befanden.

Der Referendar von Rantow trat herein, ließ durch sein Lorgnon den Blick durch das große Zimmer gleiten und näherte sich dann der Gruppe der Officiere, die ihm sämmtlich bekannt waren. Er wurde von Allen freundlich begrüßt, rasch reichte man ihm einen gefüllten Kelch und stellte einen Sessel für ihn in den Kreis der Übrigen.

Der Lieutenant von Büchenfeld war in die Ecke eines Divans zurückgesunken, sein etwas starrer Blick ruhte mit unbeschreiblichem Ausdruck auf dem Baron von Rantow, ein verächtliches Lächeln zuckte um seine Lippen.

»Sieh da, Büchenfeld,« sagte der Referendarius, ihm freundlich zunickend, »ist Deine Dienstzeit zu Ende? Du warst vorhin ja so wild und unzugänglich nicht nur gegen mich, sondern auch gegen eine Dame, die Dich rief und gern mit Dir sprechen wollte, – das war nicht höflich.«

»Ihm muß überhaupt etwas ganz Außerordentliches passirt sein,« sagte der Husarenofficier, – »er ist heute in einer Laune, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Sehr amüsant freilich, aber ich möchte ihn so nicht in fremde Gesellschaft gehen lassen, sonst könnte wohl morgen Einer von uns das Vergnügen haben, ihm zu secundiren.«

Herr von Büchenfeld warf dem Sprechenden einen flüchtigen Blick zu, stürzte abermals ein Glas hinunter und sagte mit etwas unsicherer Stimme:

»Das würde nicht zu besorgen sein, – ich bin im Gegentheil in sehr friedlicher Stimmung, – sehr friedlich – und sehr vergnügt. – Du hast Recht, mir ist etwas sehr Gutes, ein großes Glück widerfahren, ich bin einer großen Gefahr entronnen, – ich stand im Begriff einen tiefen Fall zu thun, – einen tiefen, tiefen Fall,« sagte er mit dumpfem, allmälig immer leiser und leiser verklingendem Ton; – dann sank sein Haupt auf die Brust nieder, er schwieg und schien nun in Gedanken seinen Satz zu beenden.

Die Officiere wechselten bedeutungsvolle Blicke unter einander.

»Ich fürchtete schon,« sagte Herr von Rantow lächelnd, »daß Du mir böse sein würdest, und daß ich die Ursache Deines schnellen Fortlaufens gewesen sei. Ich habe neulich schon so Etwas bemerkt, – sollten wir Nebenbuhler sein? Das wäre nicht hübsch,« fügte er hinzu, »gute Freunde müssen sich über so Etwas verständigen.«

»Nebenbuhler?« riefen die Officiere neugierig, – »so haben wir doch Recht, so ist er doch verliebt. Es mußte ja auch etwas ganz Außerordentliches sein, was ihn so verändern konnte.«

Herr von Büchenfeld richtete langsam den Kopf empor, seine müden geschlossenen Augen öffneten sich weit und blickten mit sonderbarem Ausdruck im Kreise umher.

»Nebenbuhler,« rief er dann mit lautem Lachen, sich zu Herrn von Rantow wendend, »wären wir jemals Nebenbuhler gewesen, jetzt kannst Du ganz ruhig sein, ich trete Dir wahrhaftig nicht in den Weg. Ich schätze dieses kindische Gefühl, das man die Liebe nennt, nach ihrem wahren Werth; und ihr Werth ist sehr gering,« fügte er achselzuckend hinzu, – »über Dergleichen dürfen sich Männer nicht entzweien. Wahrlich,« fuhr er mit einer Stimme fort, die bald hoch anschwoll, die bald wieder zu leisem Ton herabsank, »stände hier eine Roulette zwischen uns, ich würde kaum einen Louisd'or gegen alle Liebeshoffnungen und Liebesansprüche der Welt setzen.«

»Das ist ein guter Gedanke,« rief der Dragonerofficier, der ebenso wie die ganze Gesellschaft sich bereits unter dem Einfluß der Wirkung des feurigen Weines befand, »ein guter Gedanke, wenn Ihr Nebenbuhler seid, setzt Eure Chancen gegen einander. Das ist ein viel besserer Weg, zur Klarheit zu kommen, als sich die Hälse zu brechen. Eine Roulette ist nicht hier, spielt eine Partie Ecarté um Eure Schöne –«

»Vortrefflich, vortrefflich!« riefen die Andern jubelnd, – »ein ausgezeichneter Gedanke!«

»Unglück im Spiel, Glück in der Liebe!« rief der Husarenofficier.

»Wer das Spiel gewinnt, muß seine Liebesansprüche aufgeben –«

»Warum nicht,« rief Herr von Büchenfeld, dessen Blicke sich immer verschleierten, »gebt die Karten her!«

Herr von Rantow schien ein wenig verlegen zu sein, er wollte einige Bemerkungen machen, die Übrigen ließen ihn nicht zu Worte kommen.

Bereits hatte Einer von ihnen zwei Spiele Ecartékarten gebracht, man räumte eine Ecke des Tisches vor Herrn von Büchenfeld leer und zog Herrn von Rantow zu dem jungen Officier hin.

»Ich setze hundert Louisd'or,« sagte dieser, indem er den Blick forschend auf Herrn von Büchenfeld richtete, wie es schien in der Hoffnung, durch diesen hohen Einsatz den jungen Mann zum Nachdenken zu bringen.

»Ich nehme an,« sagte dieser, starr vor sich hinblickend, und schnell leerte er noch ein Glas.

»Wer gewinnt,« rief der Dragonerofficier, »zahlt also hundert Louisd'or und hat das alleinige Recht der Dame, um die es sich handelt, die Cour zu machen. Der Andere darf auf sein Ehrenwort nie wieder mit ihr sprechen.«

Fragend blickte Herr von Rantow, welcher die Karten noch immer nicht ergriffen hatte, auf Herrn von Büchenfeld.

»Angenommen,« sagte Dieser, griff mit einer etwas unsicheren Bewegung nach dem Spiel und hob ab.

»Drei,« sagte Herr von Rantow, – dann coupirte und zeigte ein Aß.

»Du giebst,« sagte der Lieutenant immer in demselben dumpfen Ton.

Das Spiel begann. In rascher Folge legte Herr von Rantow mehrere Male den König auf, und nach wenigen Abzügen hatte er die Partie gewonnen.

Höhnisch lachte Herr von Büchenfeld laut auf.

»Du hast das schöne Fräulein Cohnheim gewonnen!« rief er, die Karten durcheinander werfend, – »ich gratulire Dir!« – er sank auf seinen Stuhl zurück, sein Haupt fiel müde auf die Brust nieder.

Herr von Rantow zuckte zusammen.

Trotz der mehr als heiteren Stimmung, die in dem ganzen Kreise herrschte, trat ein tiefes Schweigen ein. Die Officiere sahen sich mit verlegenen Blicken an.

»Ich habe gewonnen, nach der Verabredung muß ich den Einsatz bezahlen,« sagte Herr von Rantow mit einer Miene, welche ausdrückte, daß er dieser peinlichen Scene so schnell als möglich ein Ende machen wollte.

Er zog einige Goldstücke aus seinem Portemonnaie, fügte aus seinem Portefeuille einige Bankbillets dazu, legte das Geld vor Herrn von Büchenfeld auf den Tisch und erhob sich.

Der Lieutenant von Büchenfeld richtete den Kopf auf, streckte die Hand aus und streute das Geld auf dem Tisch umher.

»Der Einsatz ist zu hoch,« sagte er mit rauher Stimme in abgebrochenen Worten, »Du bist betrogen, der Gegenstand ist so hohen Spiels nicht werth, ich kann das nicht annehmen.«

Und abermals sank er in seinen Stuhl zurück, seine Augen schlossen sich, sein Haupt fiel matt gegen die Lehne.

Rasch wurde an einem der Seitentische ein Stuhl zurückgeschoben. Einer der dort sitzenden Herren erhob sich, ergriff seinen Hut und rief den Kellner. Herr von Rantow blickte hin und erkannte den Commerzienrath, der Alles mit angehört hatte.

»Wie peinlich, wie unangenehm,« sagte er, während die ernst gewordenen Officiere schweigend um ihn her standen.

»Meine Herren,« fuhr er fort, »ich glaube nicht, daß es möglich ist, mit Herrn von Büchenfeld heute noch ein Wort zu sprechen. Sie werden ihm einen großen Dienst leisten, wenn Sie dafür sorgen, daß er so bald wie möglich nach Hause zurückkehrt. Leben Sie wohl, morgen wollen wir weiter darüber reden.«

Und schnell ging er dem Commerzienrath nach, welcher bereits seine Rechnung bezahlt und das Zimmer verlassen hatte.

Die heitere und übermüthige Weinlaune der Officiere war verschwunden, sie Alle fühlten, daß hier etwas Ernstes sich vollzogen habe, das schwere Folgen nach sich ziehen müsse.

Sie brachen auf, der Lieutenant von Büchenfeld ließ sich ruhig und ohne weiter ein Wort zu sprechen nach einer herbeigeholten Droschke führen. Zwei seiner Kameraden begleiteten ihn nach Hause und erzählten dem alten Oberstlieutenant, daß sein Sohn in einer kleinen Gesellschaft ein wenig von der allgemeinen Heiterkeit mit fortgerissen sei.

Der alte Herr lächelte ganz vergnügt darüber und freute sich im Stillen, daß die jugendliche Lebenslust bei seinem Sohne einmal den Sieg über seine Neigung zu einsamem Grübeln davon getragen habe.


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