Fritz Mauthner
Aus dem Märchenbuch der Wahrheit
Fritz Mauthner

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Nachwort zum fünften Bande

Der letzte Tod des Gautama Buddha ist in dem tiefen, auch inneren Frieden des Jahres 1912 entstanden; ich habe die heiter-ernste kleine Dichtung in einem Zuge niederschreiben können. Das Buch erschien bei Georg Müller in München; dank dem Entgegenkommen dieses Verlages durfte ich es in die Auswahl meiner Schriften aufnehmen. Die Anmerkungen habe ich nach einigem Zögern stehen lassen, weil ich nicht bei allen Lesern Kenntnis der Quellen voraussetzen konnte, aber auch darum, weil mir der Abdruck der Anmerkungen die ruhigste und heiterste Antwort zu sein schien auf einen schier unglaublichen Anwurf.

Ich habe im Nachwort zum zweiten Bande erzählt, daß eine deutsche Zeitung es 30 Jahre früher vor ihrem Gewissen und vor ihrem Geschmack vertreten zu können glaubte, meine »Xanthippe« öffentlich für den Beweis einer Gehirnerweichung des Verfassers erklären zu lassen; die kühne Diagnose wird ja nicht ganz richtig gewesen sein, da ich noch 36 Jahre nach diesem geistigen Todesurteil meinen Beruf leidlich auszuüben vermag. Jene Beschimpfung dünkte mich damals ein Äußerstes, das kaum noch überboten werden konnte. Sie ist dennoch überboten worden. Bei Gelegenheit meines Buddha, in einer angesehenen italienischen Zeitschrift, wenige Tage nach dem Erscheinen meines Buches, von einem italienischen Universitätsprofessor, der sich G. de Lorenzo nennt. Ich wurde da des Diebstahls an dem verdienstvollen Buddhaübersetzer Karl Eugen Neumann bezichtigt; ich sollte mich an dem Totschweigesystem gegen diesen Übersetzer beteiligt haben, ich, der ich in meinen »Noten« Karl Eugen Neumann 18mal, sage und schreibe achtzehnmal, zitiert habe und mit übertriebener Pedanterei ausdrücklich hervorgehoben: »Ich habe manchen Ausdruck dieser feinhörigen Übersetzung entlehnt.« Im begreiflichen ersten Ärger über den frechen Anwurf habe ich dem italienischen Professor gröblich geantwortet; im »Berliner Tageblatt« vom 26. Januar 1913. Ich will durch Wiederabdruck meiner Antwort weder dem Leser noch mir die Stimmung verderben. Ich habe seitdem über jede Dummheit und über jede Bosheit lachen gelernt. Auch habe ich von zuverlässiger Seite erfahren, man nehme den leichtfertigen Herrn in Italien selbst nicht ernst. In seinem eigentlichen Fache, der Geologie, habe er nichts geleistet, in seinem Buche über Indien »India e Buddhismo antico« sei er vollends eine Nullität.

Ich las das Buch, das überall aus zweiter und dritter Hand etwas Scheinwissen herbeiholt, und glaube jetzt die Psychologie des strebsamen Mannes zu verstehen. Er verwechselte seine eigene Nullität mit der Nichtigkeit, dem Nirwana, der Inder und glaubte seine Nullität zu etwas zu machen, wenn er sich als einen Propagandisten des Buddhismus aufspielte. In der Maske eines begeisterten Buddhisten stellte er sich, als wäre er blindwütig geworden gegen einen Ketzer, der sich durch eine wahrlich tiefe Ehrfurcht vor einem Sokrates, vor einem Buddha nicht zwingen ließ, menschliche Züge an einem Sokrates, an einem Buddha noch mit einem ganz leisen Humor zu betrachten, gegen den Ketzer, der sich herausnahm, ein Dogma des Buddhismus – die Seelenwanderung – zu leugnen und den sterbenden Buddha, den Vollendeten, dieses Dogma selbst verleugnen zu lassen. Warum soll ein Pfaffe des Buddhismus nicht lügen und verleumden dürfen wie andere Pfaffen auch? Übrigens haben mir Neapolitaner ihre Überzeugung mitgeteilt, daß Herr Professor de Lorenzo seine freche Verleumdung meines Buches niedergeschrieben haben müsse auf briefliche Anregungen hin, bevor er das Buch selbst auch nur zu Gesicht bekommen hätte.

Die kleinen Gedichte in Prosa, Parabeln und Geschichten »Aus dem Märchenbuche der Wahrheit« (zum ersten Male 1892 im Verlage von Cotta erschienen, hier mit Erlaubnis dieses Verlages wieder abgedruckt) haben einzelne gute Leser gefunden. Die Nachworte dieser Auswahlbände wollen hie und da Beiträge liefern zu der Geschichte meiner Bücher; über mein »Märchenbuch« weiß ich nichts zu sagen, denn es hat gar keine Geschichte gehabt.


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