Fritz Mauthner
Aus dem Märchenbuch der Wahrheit
Fritz Mauthner

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Das Kamel

Das Kamel beneidete das edle Pferd um seinen Adel, um seine Kraft und um seine Schönheit. Und auf Betreiben des Kamels kam man überein, daß das Pferd mit hundert Hunden um die Wette laufen sollte.

»Hundert oder einer!« rief das Pferd in seinem Übermut. »Das gilt mir gleich! Sie laufen alle zusammen nicht schneller als der einzelne!«

Denn es dachte, die hundert Hunde würden im Haufen rennen.

Aber das alte schlaue Kamel hatte es anders geordnet. Immer nur ein Hund lief neben dem Pferde. Eine halbe Meile weiter stand ein Futtertrog; dort ruhte der Hund vom Rennen aus, und ein frischer Hund, der gut gefressen hatte, nahm den Wettlauf für die nächste halbe Meile auf. Dort stand wieder ein Futtertrog und ein unerschöpfter Hund.

Das Pferd wieherte laut vor Zorn, als es den Betrug merkte. Aber stolz setzte es seinen Lauf fort und hoffte lange Zeit, daß es mit allen hundert Hunden fertig werden könnte.

Endlich aber ließen die Kräfte nach. Das edle Pferd erzitterte, als der drittletzte Hund es anbellte; es wehrte sich nicht, als der vorletzte es in die Flanke biß; und auf der letzten halben Meile brach es blutend zusammen.

So wurde zur Freude des Kamels das edle Pferd vom letzten Hund besiegt.


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