Fritz Mauthner
Aus dem Märchenbuch der Wahrheit
Fritz Mauthner

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Königs Geburtstag

Am Weihnachtsabend war's. Fünf Tagemärsche von Mpwapwa entfernt, auf einem stillen Hügel, im hohen Grase schlugen sie das Lager auf, der Graf und der Maler und ihre zwanzig schwarzen Begleiter. Der Jagd wegen waren sie nach Afrika gekommen, die beiden weißen deutschen Männer, der alte Graf und der junge Maler. Seit zwei Monaten zogen sie umher und waren ihren Leuten gute Herren, nicht wie die Araber und wie die Medizinmänner.

Es war Weihnachtsabend und die beiden Weißen wollten sich etwas Gutes gönnen. Ein Wels, den Muganka mit den Händen aus dem Wasser gefischt hatte, wurde gesotten, die Zunge des Zebras gebraten, das der Graf heut erlegt hatte, Schokolade wurde gekocht und endlich eine der beiden Champagnerflaschen entkorkt und getrunken, froh getrunken trotz alledem auf das Wohl der Heimat.

Abseits lagerten die Schwarzen und berauschten sich am Fleischgenuß.

»Zebra, viel Fleisch.«

Der Graf rief den Führer Mabruk heran und gab ihm Champagner zu kosten.

Mabruk trank und grinste.

»Ich weiß, was bedeutet... Habe schon einmal weißen Mann deines Landes geführt... hat damals ebensoviel essen wollen und das da dazu getrunken. Hat auch gesagt warum. War Königs Geburtstag. War auch dieselbe Jahreszeit.«

Der Graf und der Maler blickten einander lächelnd an, und der Graf sagte:

»Jawohl, es ist der Geburtstag unseres Königs.«

»Bitte, Herr, sei gut, erzähl' von deinem König. Ja?... Kommt, Kinder, legt euch herum. Unser großer Herr feiert den Geburtstag seines Königs und will uns erzählen!«

Die Schwarzen waren satt und lagerten sich im Kreise um den Grafen und den Maler. Sie lachten vor Spannung.

»Laß mich erzählen,« sagte der Maler. »Ich habe was.«

»Mein jüngerer Bruder wird euch von unserem König erzählen,« sprach der Graf.

»O Herr'.« rief der Führer Mabruk. »Laß ihn doch schweigen; er gut, aber er erzählen Märchen und Lügen. Nur deine Worte wahr und stehen fest wie Elefanten.«

»Heute will ich keine Märchen erzählen. Hört zu! Unser König, dessen Geburtstag wir heute feiern, ist nun bald zweitausend Jahre alt...«

»O Herr, da hörst du, dein Bruder Lügen erzählen und Märchen.«

Der Graf nickte ernsthaft mit dem Kopfe, und die Schwarzen glaubten dem Maler.

Der fuhr fort:

»Vor zweitausend Jahren wurde er geboren in einer verachteten Bambushütte als der Sohn armer Leute. Aber er wurde der größte und stärkste seines Stammes. Er trieb die Araber und andere Sklavenhändler hinaus und ließ sich martern von seinen Feinden, ohne mit den Wimpern zu zucken. Da erging sein Ruf über sein Volk hinaus von Land zu Land. Er aber wählte zwölf seiner Freunde aus, um die Welt zu erobern. Ohne ein Schwert zu ziehen, ohne eine Witwe zu machen oder eine Waise, hat er mit seinen zwölf Genossen mehr Land erobert, als der Flinkste unter euch durchmessen könnte in hundert Jahren. Und wo er herrscht, da jagt er noch immer die Araber und andere Sklavenhändler vor sich her.«

Mabruk wiegte leise singend den schwarzen Kopf hin und her.

»Immer Neues und immer Wunderbareres hört man von eurem Könige. Das wußten wir nicht, daß er Schwert nicht gezogen hat. Da seid ihr glückliches Volk, und wundert mich, daß ihr zu uns kommt... zu jagen.«

Der Maler blickte zu den Sternen auf und sagte:

»Ohne Schwertstreich hat er die Welt erobert. Als er aber ein paar hundert Jahre alt war, fing er an, alt zu werden. Er schrieb seinen Willen nieder und schickte mit diesem Willen Botschafter über alle Länder. Mit diesen Leuten hat er jedoch Unglück gehabt. Blutgierig sind sie und herrschsüchtig und bestechlich und nennen sich doch die Stellvertreter unseres guten Königs. Selbst sind sie Sklavenjäger und Sklavenhändler. Und vor ihnen sind wir aus unserem Lande geflohen, bis hierher, fünf Tagemärsche hinter Mpwapwa.«

Mabruk sang wieder leise vor sich hin.

»Hat euer König keinen jungen Sohn, der sein Werk fortsetzen und die schlimmen Statthalter züchtigen könnte?«

Der Maler antwortete nicht. Er stand auf und lachte.

Da nahm der Graf das Wort und sprach traurig:

»Wir lieben unseren König, das seht ihr, denn wir feiern seinen Geburtstag hier, wo er es doch nicht erfahren kann, und nennen es den »heiligen Abend«. Aber es ist schlimm zu erzählen. Er wird keinen Erben hinterlassen, und niemand wird seinen Willen ausführen, wenn er einst stirbt.«


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