Fritz Mauthner
Aus dem Märchenbuch der Wahrheit
Fritz Mauthner

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Das Schwein und die Taube

Es war einmal ein dickes Schwein. Als es nicht mehr dicker werden konnte, beteiligte es sich an einer Konkurrenz und wurde preisgekrönt. Es erhielt einen Kranz um den Hals und fraß von jetzt ab nur noch zu seinem Vergnügen.

Nun machte es sein Testament und vermachte dem Hofe nach seinem Tode seinen Schweinskopf und seine beiden Schinken. Dafür wurde es Hofschweinskopflieferant.

Als das dicke Schwein also Titel und Würden hatte, wurde es hochmütig und beschloß bei sich, keine Sau zu heiraten, sondern eine weiße Taube. Es hatte seinen Schweinskopf noch auf dem Leibe und hatte darum noch seinen ganzen Schweineverstand. Es ging zu den Eltern der weißen Taube und sagte ihnen:

»Seid ihr Hoflieferanten, ihr Gesindel? Ist eure Tochter preisgekrönt? Habt ihr Speck angesetzt? Habt ihr einen Stall? Ich bin alles und habe alles. Euch gebe ich alle Jahre einen Sack Erbsen. Euer ältester Sohn kann sich, so oft er will, Kartoffelschalen bei mir holen, und eure Nichte kann bei mir als Köchin eintreten. Dafür nehme ich die weiße Taube zur Frau.«

Die Alten erbettelten noch für alle Frühjahr etwas junges Gemüse; dann willigten sie ein. So wurde die weiße Taube die Braut des reichen Hoflieferanten. Alle Tanten brachen erstaunt in den Ruf aus: »Wahrhaftig, hat die ein Schwein!«

Als die weiße Taube sich aber an ihrem Hochzeitstage von der Base Köchin den Hals abschneiden ließ, da waren ihre Tanten und ihre Eltern verwundert und entrüstet. Der Hoflieferant versuchte es noch zweimal mit weißen Tauben. Sie ließen sich jedoch jedesmal am Hochzeitstage den Hals abschneiden. Da heiratete er endlich doch eine Sau und wurde mit ihr glücklich.

Sonntags fuhren sie spazieren. Der Hof kostete noch vor dem Tode der Sau ihre Schinken, und das dicke Schwein starb als Armeelieferant.


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