Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtundzwanzigstes Kapitel.


Denselben Abend blieb Ready länger auf und arbeitete noch zwei oder drei Stunden in Williams Gesellschaft beim Kerzenlicht indem er emsig beschäftigt war, die Fischleinen mit Blei und Angeln zu versehen. Endlich war er mit zweien zu Stande gekommen.

»Welchen Köder müssen wir brauchen, Ready?«

»Ich denke, den besten geben die Weichthiere in den Muscheln, welche auf dem Sand liegen; indeß glaube ich, daß ein Stück Schweinspeck eben so gute Dienste leisten wird.«

»Und wo kann man am besten fischen, Ready?«

»Ich sollte meinen, der geeignetste Platz sey am Ende der Spitze, wo ich mit dem Boote durch das Riff kam. Das Wasser ist neben den Felsen tief.«

»Was meint Ihr, Ready, sind diese Rothgänse und Kriegsschiffvögel nicht gut zu essen?«

»Nicht sonderlich, Junker William; sie sind sehr zähe und thranig, daher auch höchstens des Versuchs werth, wenn wir nichts Besseres kriegen können. Nun, jetzt haben wir doch die Samen und Kartoffeln im Boden. Morgen früh wollen wir Alle aufbrechen, um das Holz zu fällen und zu führen. Ich denke, Euer Vater kann mit mir die Axt handhaben, während Ihr und Juno, wenn ich Euch die Art und Weise gezeigt habe, die Stämme an die Räderachse hängt und nach dem Platze hinaus schleppt, wo wir das Haus aufbauen wollen. Doch jetzt wird's gut seyn, wenn wir zu Bette gehen.«

William hatte sich jedoch vorgenommen, dies nicht zu thun; denn er wußte, daß sich seine Mutter über einige Fische freuen würde, und wollte daher den Versuch machen, noch vor Schlafengehen ein Paar zu fangen, da ihn der helle Mond in dem Geschäfte unterstützen konnte. Er wartete ganz ruhig ab, bis er glaubte, daß Ready und die Uebrigen eingeschlafen seyen, griff dann nach den Leinen und ging nach dem Ufer hinunter, wo er drei oder vier Muscheln auflas, die Schaalen mit ein Paar Steinen zerklopfte, die Thiere herausnahm und seine Angeln damit beizte. Dann ging er nach der Spitze hinaus. Es war eine schöne Nacht, das Wasser sehr glatt, und die Mondstrahlen drangen tief unter die Oberfläche hinunter. William warf seine Leine aus und zog sie, Ready's Anweisung gemäß, sobald das Blei den Boden berührt hatte, wieder um ungefähr einen Fuß in die Höhe. Er war noch keine halbe Minute so dagestanden, als, ehe er sich's versah, ein so gewaltiger Ruck an der Leine geschah, daß er fast in's Wasser hinuntergerissen wurde. Der Fisch war so stark, daß ihm die Schnur durch die Hand glitt und seine Finger verletzte. Nach einer Weile war er jedoch im Stande, sie wieder hereinzuziehen und einen großen silberschuppigen Fisch an's Gestade zu holen, der seine neun oder zehn Pfunde wog. Sobald er ihn soweit von dem Klippenrande entfernt hatte, daß er durch sein Schlagen nicht wieder in's Wasser gelangen konnte, nahm er die Angel heraus und beschloß, einen zweiten Versuch zu machen. Fast eben sobald, wie zuvor wurde wieder mit Macht an der Schnur gerissen; aber William war diesmal vorbereitet, ließ die Leine nachgleiten und gestattete dem Fische, zu spielen, bis es derselbe satt hatte; dann zog er seine Beute heraus und fand, daß der zweite Fisch sogar noch größer war, als der erste. Hocherfreut über seinen Fang, wickelte er die Leinen zusammen, zog ein Stück Schnur durch die Kiemendeckel der Fische, schleppte sie nach dem Zelte zurück und hing sie an der Querstange auf, damit die Hunde nicht daran kommen möchten. Sobald er dies zu Stande gebracht hatte, ging er in sein Zelt und schlief bald ein. Am andern Morgen zeigte William, welcher am frühesten auf den Beinen war, hocherfreut seinen Fang; aber Ready war sehr mißvergnügt darüber.

»Ihr habt sehr unrecht gethan, Junker William, daß Ihr Euch also in Gefahr setztet. Wenn Ihr durchaus Fische fangen wollt, warum sagt Ihr's nicht lieber mir, damit ich Euch begleiten kann? Ihr sagt selber, der Fisch habe Euch beinahe in's Wasser gezogen. Gesetzt nun, er hätte es wirklich gethan – oder nehmen wir den Fall, statt eines solchen Gropers (denn so nennt man diese Fische) hätte ein junger Hayfisch den Köder ergriffen, so wärt Ihr nothwendig mit hineingerissen worden, und die Felsen sind dort so steil, daß Ihr nicht Zeit gefunden haben würdet, wieder herauszukommen, ehe Euch ein Hayfisch am Kamisol gefaßt hätte. Denkt einen Augenblick nach, Junker William, welchen Kummer Ihr Eurem Vater und mir (denn ich liebe Euch sehr) bereitet haben würdet. Denkt an den Schmerz und die Verzweiflung Eurer armen Mutter, wenn etwas der Art vorgefallen wäre und man Euch nie wieder zu Gesicht bekommen hätte.«

»Ready, ich habe sehr ungerecht gehandelt,« entgegnete William, »und hätte die Sache besser überlegen sollen. Aber ich wollte meine Mutter überraschen und ihr eine Freude machen.«

»Dieser Grund ist fast zureichend, Euch Verzeihung zu sichern mein lieber Junge,« erwiederte Ready. »Aber Ihr müßt's nicht wieder so machen. Vergeßt nicht, ich bin stets bereit, mit Euch zu gehen, so oft Ihr etwas der Art im Schilde führt. Sprechen wir übrigens nicht mehr davon. Niemand weiß von Eurer Gefahr, und glücklicherweise ist kein Schaden geschehen, Ihr müßt's einem alten Manne nicht übel nehmen, wenn er ein Bischen mit Euch schmält.«

»Nein, gewiß nicht, Ready, denn ich war sehr gedankenlos. Freilich kam es mir nicht entfernt zu Sinne, daß Gefahr damit verbunden sey.«

»Da kommt Eure Mutter aus dem Zelt heraus,« versetzte Ready – guten Morgen, Madame. Wißt Ihr auch, was Willy in der letzten Nacht für Euch gethan hat? Schaut nur diese beiden schönen Fische an, Madame; ich kann Euch sagen, daß sie vortrefflich zu essen sind.«

»Ach, ich bin ganz entzückt,« entgegnete Frau Seagrave. »Tommy, komm her. Möchtest Du gebratene Fische essen?«

»Ja,« versetzte Tommy.

»Daun sieh' an die Zeltstange hinauf.«

Tommy klatschte vor Freude in die Hände, tanzte umher und rief laut: »Gebratene Fische zum Diner,« während Juno beifügte: »Hab' schön Mittagessen heut, Missy Karoline.«

Nach dem Frühstück brachen sie nach dem Walde auf, wo Ready die Bäume geschlagen hatte, und nahmen die Räder sammt ein paar starken Seilen mit. Herr Seagrave und Ready hieben nun die Bäume um und machten sie an der Achse fest, worauf Juno und William sie nach dem Platze schleppten, wo das Haus gebaut werden sollte. Da sie am Morgen sehr hart gearbeitet hatten, so that es ihnen nicht leid, als die Mittagessensstunde herankam. Aber auch Tommy, der doch nichts gethan hatte, war so gierig, daß man sich genöthigt sah, ihm den Teller wegzunehmen.

Trotz der Ermüdung nach der sauren Anstrengung des Tages gingen doch Ready und William Nachts aus und legten weitere acht Schildkröten auf den Rücken. Die ganze übrige Woche wurde mit Fällen von Kokosbäumen und dem Fortschaffen des Holzes verbracht; dann aber glaubten sie hinreichende Vorbereitungen getroffen zu haben, um das Bauwesen beginnen zu können. Der Sonntag wurde in Andacht und Ruhe begangen. Montag Nachts drehten sie weitere neun Schildkröten um und fingen drei große Fische, und am Dienstag Morgen wurde mit dem Bau des Hauses der Anfang gemacht.

—————


 << zurück weiter >>