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Zwölftes Kapitel.


Juno, welche die Kinder nach der Bucht hinuntergenommen, war knietief ins Wasser hinein gegangen und hatte sie als die kürzeste Methode des Waschens ganz untergetaucht, dann angekleidet und bei ihrer Mutter gelassen, worauf sie William beistand, die Tassen und Teller für das Frühstück bereit zu halten. Alles war nett und ordentlich zwischen den beiden Zelten ausgelegt, und dann machte William den Vorschlag, den alten Ready zu wecken.

»Ja, mein Kind,« versetzte der Vater, »Du magst dies jetzt wohl thun, da er ein Frühstück wird brauchen können. Und außerdem würde es ihm wahrscheinlich nicht lieb seyn, wenn wir es ihn nicht wissen ließen, daß wir Alle uns versammeln, um Gott zu danken, ehe wir zu unserm Mahle niedersitzen.«

William ging hinein und klopfte Ready auf die Schulter.

»Habt Ihr genug geschlafen, Ready?« fragte William, als sich der alte Mann aufsetzte.

»Ja, Junker William. Ich habe, glaube ich, einen guten Schlaf gethan und will jetzt aufstehen, um zu sehen, was ich für Euch zum Frühstück kriegen kann.«

»Thut es,« versetzte William lachend.

Ready war bald angekleidet, da er beim Niederliegen blos seine Jacke abgelegt hatte. Er warf sie um und kam aus dem Zelte heraus, wo er zu seinem Erstaunen die ganze Familie (denn auch Frau Seagrave war mit den kleinen Kindern herausgekommen) um das Frühstück stehen sah, das auf dem Boden ausgebreitet lag.

»Guten Morgen Ready,« sagte Frau Seagrave, ihm ihre Hand entgegenstreckend, worauf ihm auch Herr Seagrave die seinige hinbot.

»Ihr habt hübsch lange geschlafen, Ready! aber ich mochte Euch nach den Anstrengungen des gestrigen Tages nicht früh wecken lassen.«

»Ich danke Euch freundlichst, Sir, und freue mich, zu sehen, daß Madame so wohl ist. Es thut mir nicht leid, zu finden, daß Ihr so gut ohne mich zu Stande kommt,« fuhr Ready lächelnd fort.

»Ich fürchte, dies würde nur schlecht gehen,« entgegnete Frau Seagrave. »Wo wären wir wohl jetzt, wenn Ihr uns nicht wohlwollend Beistand geleistet hättet?«

»Wir können ohne Euch mit einem Frühstück fertig werden,« sagte Herr Seagrave; »aber ich glaube, mein lieber Freund, daß wir ohne Euch kein Frühstück mehr gebraucht haben würden. Wir wollen Euch übrigens während des Mahles mittheilen, Ready, was wir gethan haben. Jetzt, meine Liebe, wenn's Dir gefällig ist.«

Frau Seagrave las nun ein Kapitel aus der Bibel vor, worauf Alle niederknieten und Herr Seagrave ein Gebet sprach.

Während sie sich mit dem Frühstück beschäftigten, erzählte William dem alten Seemann, wie sie an Bord gegangen seien und was sie mitgebracht hätten; zugleich erwähnte er wie Juno alle Kinder in die See getaucht habe.

»Das muß Juno nicht wieder thun,« versetzte Ready, »bis ich die gehörige Vorsorge getroffen habe. Es gibt sehr viele Hayfische um diese Inseln, und es ist sehr gefährlich in das Wasser zu gehen.«

»Ach Gott, lieber Mann – welch' eine Gottesschickung, daß ihnen nichts begegnet ist!« rief Frau Seagrave schaudernd.

»Ja wohl,« fuhr Ready fort; »aber sie halten sich nicht so häufig auf der Windseite der Inseln auf. Freilich ist diese glatte Bucht gerade ein anlockendes Plätzchen für sie, und so ist's am besten, Du gehst nicht wieder ins Wasser, Juno, bis ich Zeit gehabt habe, einen Platz anzufertigen, wo Du in Sicherheit baden kannst. Freilich gibt es noch viele Arbeit, ehe wir hieran denken dürfen, und wenn wir erst von dem Schiffe hergeschafft haben, was wir brauchen, müssen wir uns entscheiden, ob wir hier bleiben wollen, oder nicht.«

»Hier bleiben, oder nicht, Ready? Was meint Ihr damit?«

»Je nun, wir haben noch kein Wasser gefunden, und dies ist die erste Nothwendigkeit des Lebens. Wenn wir auf dieser Seite der Insel keine Quelle finden, müssen wir unsere Zelte anderswo aufschlagen.«

»Das ist sehr wahr,« entgegnete Herr Seagrave. »Ich wünschte, wir könnten Zeit finden, um uns ein wenig umzusehen.«

»Das können wir wohl, Sir; aber vorderhand dürfen wir dieses schöne Wetter nicht unbenützt vorbeigehen lassen. Es kann schon morgen schlecht werden, und dann sind wir nicht im Stande, noch irgend etwas von dem Schiffe fortzubringen. Wir wollen nicht länger zögern – Ihr, Sir, William und ich. Ihr und William bleibt an Bord, um die Dinge zu sammeln, und ich bringe sie ans Land, während Juno sie hinaufschafft.«

Der ganze Tag wurde darauf verwendet, um Gegenstände aller Art, welche von Nutzen seyn konnten, ans Ufer zu bringen. Noch vor dem Mittagessen wurden die kleinen Segel, Tauwerk, Zwirn, Leinwand, kleine Fässer, Sägen, Meißel, große Nägel und Planken aus Ulmen und Eichenholz gelandet. Nachdem sie ein kräftiges Mahl eingenommen hatten, ging es wieder ans Werk. Die Kajütentische und Stühle, sämmtliche Kleider, einige Kistchen mit Kerzen, zwei Säcke mit Kaffee, zwei mit Reis, zwei weitere mit Zwieback, mehrere Stücke Ochsen- und Schweinefleisch, Säcke mit Mehl, da man nicht ganze Fässer herausschaffen konnte, einige Wassertonnen, der Schleifstein und Frau Seagraves Reiseapotheke wurden nun nach dem Ufer gebracht. Als Ready wieder an Bord kam, sagte er:

»Unser Bötlein wird sehr leck und kann nicht mehr viel leisten, wenn es nicht zuvor ausgebessert wird. Auch hat Juno kaum die Hälfte der Gegenstände hinaufgeschafft, da sie meist zu schwer sind für eine einzige Person. Ich denke, wir können vorderhand gut auskommen, Herr Seagrave, und thun daher am besten, wenn wir vor Einbruch der Dunkelheit noch alle Thiere ans Land schaffen. Es wird zwar in dem Boote beschwerlich mit ihnen hergehen, aber dennoch möchte ich sie nicht ans Land schwimmen lassen, obschon wir mit einem Schweine den Versuch machen können. Während ich eines heraufhole, könnt Ihr und Master William den Hühnern die Füße zusammenbinden und sie ins Boot schaffen. Was die Kuh betrifft, so kann sie nicht ans Land gebracht werden, denn sie liegt noch immer und wird wahrscheinlich nicht wieder aufstehen. Das ist so die Art dieser Thiere. Ich habe ihr übrigens Heu vorgeworfen, und wenn sie durchaus liegen bleiben will, so müssen wir sie eben schlachten und ihr Fleisch einsalzen.«

Ready ging hinunter und bald ließ sich das Quieksen des Schweines vernehmen. Nach einer Weile kehrte er zurück und hatte das Thier, dessen Hinterbeine er festhielt, über dem Rücken hängen. Er warf es über das Schanddeck in die See. Das Schwein zappelte anfänglich, wandte aber nach einigen Sekunden dem Kopf vom Schiffe ab und schwamm dem Ufer zu.

»Es geht hübsch gerade aus,« sagte Ready, der mit Herr Seagrave und William dem Thiere zusah. Eine Minute nachher rief er jedoch.

»Ich habe mirs ja gedacht – es ist hin!«

»Warum?« fragte Herr Seagrave.

»Seht Ihr jenes schwarze Ding über dem Wasser, das so schnell auf das Schwein zuschwimmt? Das ist die Rückenfinne eines Hayfisches, und er wird das arme Thier bald genug gefaßt haben – ja, da hat er's!« rief Ready, während das Schwein mit einem schweren Plätschern unter dem Wasser verschwand. »Nun, es ist verloren – aber besser das Schwein, als Eure kleinen Kinder, Herr Seagrave.«

»Ja, in der That – Gott sey gepriesen! Das Ungeheuer hätte ebenso gut in der Nähe seyn können, als Juno die Kleinen in das Wasser nahm.«

»Ich schätze, daß es nicht weit weg war,« versetzte Ready. »Indeß muß sich die Bestie mit dem begnügen, was sie hat, denn mehr soll sie nicht kriegen. Wir wollen jetzt hinunter gehen und die Beine der übrigen Schweine zusammenbinden, um sie dann heraufzubringen. Mit dem, was bereits im Boote ist, werden sie eine gute Ladung abgeben.«

Sobald die Schweine in vom Boot waren, ruderte Ready wieder dem Ufer zu, während Herr Seagrave und William die Ziegen und Schafe für die nächste Fahrt heraufholten. Ready kehrte bald wieder zurück.

»Damit wollen wirs für heute beschließen, und wenn ich anders mich auf das Wetter verstehe, so wirds auch für einige Tage unsere letzte Fahrt seyn; denn es dämmt sich sehr dick in der See draußen auf. Wir können dießmal auch einen Sack voll Korn für die Kreaturen mitnehmen, im Falle wir's brauchen, und dann wollen wir dem Schiffe für ein paar Tage Adieu sagen. Ich habe der Kuh Wasser gegeben und ein paar Eimer bei ihr zurückgelassen – auch einige Bunde Heu; aber ich hoffe kaum, sie noch lebend zu finden, wenn wir wieder zurückkommen.«

Sie schafften dann Alles in das Boot, welches um des Getreides willen sehr schwer beladen war, kamen aber glücklich ans Land, trotzdem, daß der Nachen wegen der Lecke sehr viel Wasser fing. Nachdem sie die Ziegen und die Schafe ausgeschifft hatten, führte sie William nach dem Zelte hinauf, wo sie ganz ruhig blieben. Die Schweine und die Hühner waren davon gelaufen, aber dies ließ sich erwarten. Sie hatten jetzt so viel mitgebracht, daß das ganze Ufer mit Gegenständen überlegt war.

»Das nenne ich mir ein gutes Tagewerk, Herr Seagrave,« sagte Ready. »Das kleine Boot hat sich wacker gehalten; aber jetzt dürfen wir ihm nimmer trauen, bis wir es in einen besseren Zustand versetzt haben.«

Nach so schweren Anstrengungen war es ihnen sehr lieb, daß Juno Kaffee für sie bereitet hatte. Während sie diese Labung einnahmen, erzählten sie Frau Seagrave den tragischen Tod des armen Schweins, welches dem Hayfisch zur Beute geworden war. Frau Seagrave umarmte dabei den kleinen Knaben, den sie in ihren Armen hatte, und als sie ihren Kopf wieder erhob, rollte eine Thräne des Dankes über ihre Wange herunter. Die arme Juno war augenscheinlich noch jetzt ganz entsetzt über die Gefahr, in welcher die Kinder gestanden hatten.

»Wir werden morgen alle Hände voll zu thun haben, wenn wir diese Dinge unterbringen wollen,« bemerkte Herr Seagrave.

»Vermuthlich wird's uns noch einige Zeit so ergehen,« versetzte Ready. »In zwei Monaten oder so tritt die Regenzeit ein, und wir müssen bis dahin wo möglich unter Dach kommen. Wir können nicht erwarten, daß das Wetter das ganze Jahr durch gut bleibe.«

»Was muß wohl zuerst geschehen, Ready?« fragte Herr Seagrave.

»Morgen schlagen wir noch ein Zelt oder ein paar auf, um die Gegenstände, welche wir an's Land geholt haben, unterzubringen. Das gibt eine gute Tagesarbeit; aber wir wissen dann auch, wo wir etwas zu holen haben, wenn wir's brauchen.«

»Das ist sehr wahr; und was muß dann geschehen?«

»Dann, Sir, machen wir einen kleinen Ausflug, um die Insel zu untersuchen und ausfindig zu machen, wohin wir unser Haus bauen müssen.«

»Können wir ein Haus bauen?« fragte William.

»O ja, und zwar leichter als Ihr glaubt. Es gibt zu diesem Ende keinen tauglicheren Baum, als die Kokospalme, und der Wald ist so licht, daß wir sie leicht weiter schaffen können.«

»Was haben denn die Kokosbäume für absonderliche Eigenschaften?« fragte Fran Seagrave.

»Das will ich Euch sagen, Madame. Erstlich liefern sie das Holz, mit dem wir das Haus bauen; dann haben wir den Bast, aus welchem man Taue, Leinen und Fischnetze machen kann; die Blätter dienen zum Decken des Hauses und auch zu einem Dach für den Kopf, denn man kann gute Hüte und desgleichen Körbe daraus machen. Ferner haben wir die Frucht, eine gute Nuß, die auch zum Kochen sehr brauchbar ist, und die sehr gesunde Milch der jungen Nüsse. Zum Brennen kann man ein Oel daraus gewinnen und aus den Schaalen Tassen machen, wenn wir keine haben. Aus dem Baum läßt sich Toddy gewinnen, der frisch sehr angenehm zu trinken ist, aber berauschend wird, wenn man ihn zu lange aufbewahrt. Und endlich kann man aus dem Toddy Arac machen, der ein sehr starker Branntwein ist. Es gibt keinen Baum, der dem Menschen zu so viel nützlichen Zwecken diente, da er ihn mit fast Allem versieht.«

»Das hätte ich mir nicht gedacht,« entgegnete Frau Seagrave.

»Auf alle Fälle haben wir sie in reichlicher Menge,« sagte William.

»Ja, Junker William, es ist kein Mangel daran, und ich freue mich darüber; denn hätten wir ihrer nur wenige, so wäre es mir nicht lieb, wenn ich sie zerstören müßte. Leute können hier eben so gut, wie wir, schiffbrüchig werden, ohne daß es ihnen so gut würde, so viele nöthige und mehr als nöthige Gegenstände am Lande zu bergen, und da wäre es leicht möglich, daß sie für ihren Unterhalt rein auf die Kokospalme hingewiesen wären.«

»Ich denke es ist jetzt Zeit für uns Alle, zu Bette zu gehen,« sagte Herr Seagrave. »William, bring' Deiner Mamma die Bibel.«

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