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Zweiundzwanzigstes Kapitel.


Ready langte in der Bucht an und begab sich, sobald er das Boot an's Land gezogen hatte, nach den Zelten, wo er die ganze Gesellschaft antraf, wie sie eben William, der über das Geschehene Bericht erstattete, aufmerksam zuhörte. Sobald sich der alte Matrose den Anderen angeschlossen hatte, wurden die Anordnungen für den nächsten Tag getroffen, worauf sich die Familie zu Bette begab. Nur Ready und William blieben auf, bis es dunkel war, um die Hühner zu fangen und ihnen die Beine zu binden, damit sie am andern Morgen in's Boot geschafft werden könnten. Mit Tagesanbruch erging an Alle die Aufforderung, sich sobald wie möglich anzukleiden, weil Ready das Zelt mitzunehmen wünschte, in welchem Frau Seagrave und die drei jüngsten Kinder geschlafen hatten; denn für die übrigen war nur einiges Segeltuch unter den Kokosbäumen ausgebreitet worden. Alles war nun voll Thätigkeit und Verwirrung. Sobald Frau Seagrave angekleidet war, wurde das Zelt abgenommen und mit allem Bettzeug in das Boot geschafft. Dann ging es an's Frühstück. Die Teller, Messer und Gabeln sammt andern Geräthschaften kamen gleichfalls in's Boot, und nachdem Ready die Hühner oben hingelegt hatte, brach er nach der neuen Niederlassung auf.

Auch die übrige Gesellschaft säumte nicht, ihre Wanderung durch den Wald anzutreten. William ging mit den drei Hunden voran; Herr Seagrave trug das Bübchen, Juno aber die kleine Karoline auf den Armen, während Frau Seagrave Tommy an der Hand führte, weil letzterer, wie er sagte, auf seine Mama Acht haben mußte. Sie verabschiedeten sich nicht ohne Bedauern von dem Platze, welcher ihnen nach so viel Gefahr zuerst Schutz verliehen, und blickten noch einmal in der Bay umher, wo die Bruchstücke des Wracks und der Ladung in allen Richtungen umher gestreut lagen. Dann wandten sie sich dem Walde zu.

Ready langte zwei Stunden später in der Bay an. Sobald er das Boot hereingezogen und in Sicherheit gebracht hatte, gab er sich nicht weiter mit der Ladung ab, sondern ging nach der Schildkröte hinauf, die er Tags zuvor umgewendet hatte, um sie zu tödten, und am Ufer auszunehmen. Dann ging er nach der Stelle, wo sie Tags zuvor mit den Steinen einen Heerd gebaut hatten, machte ein Feuer an, füllte die eiserne Pfanne mit Wasser und setzte sie zum Kochen über die Gluth. Sobald dies geschehen war, schnitt er ein Stück von der Schildkröte ab, brachte es mit einigen Stücken eingesalzten Schweinefleisches in den Topf, deckte ihn zu und ließ ihn sieden. Erst nachdem er den Rest der Schildkröte im Schatten aufgehangen hatte, ging er wieder nach dem Ufer zurück, um das Boot auszuladen. Er befreite zuerst die armen Hühner, die, weil ihre Füße so lang gebunden gewesen, ganz steif waren, sich aber allmählig wieder erholten und bald eifrig ihrer Nahrung nachgingen. Ready nahm nun alle Teller, Messer, Gabeln und sonstige Gegenstände hinauf, sah nach der Pfanne, schürte das Feuer nach und kehrte dann zurück, um das Bettzeug, die Zeltleinwand und die Spieren, welche er im Sterne hatte nachtauen lassen, zu holen. Er hatte damit zwei bis drei Stunden zu thun, da einige von den Gegenständen schwer waren und eine ziemliche Strecke weit getragen werden mußten. Es that daher dem alten Manne nicht leid, daß er nach Beendigung seiner Geschäfte niedersitzen und sich ausruhen konnte.

»Es wäre fast Zeit, daß sie kämen,« dachte Ready, »denn sie müssen schon vor vier Stunden aufgebrochen seyn. Freilich, sie haben möglicherweise noch länger gezögert, denn es ist nicht eben leicht, einen Haufen Weiber und Kinder unter Segel zu bringen.«

Er blieb noch etwa eine Viertelstunde ruhig sitzen und sah dem Feuer zu, wobei er hin und wieder den Topf abschäumte, als mit einemmale die drei Hunde auf ihn zugesprungen kamen.

»Nun, jetzt können sie nimmer weit seyn,« bemerkte der alte Ready.

Er hatte Recht. Sechs oder sieben Minuten nachher tauchte die Gesellschaft, sehr erhitzt und ermüdet, aus dem Walde auf. Die kleine Karoline war zuerst müde geworden und Juno hatte sie fast unablässig tragen müssen. Dann beklagte sich Frau Seagrave über Erschöpfung, und man mußte eine Viertelstunde ausruhen. Dann erklärte Tommy, welcher nicht bei seiner Mama bleiben wollte, sondern unablässig von einem zum andern vor- und rückwärts lief, daß er nicht mehr gehen könne und ihn Jemand tragen müsse. Da nun dies Niemand thun konnte, so begann er zu weinen und zu schreien, bis man abermals eine Viertelstunde Halt machte, damit er sich ausruhen konnte. Sobald übrigens der Zug wieder aufgenommen wurde, klagte er wieder über Müdigkeit, weshalb der gutmüthige William ihn für eine Weile auf den Rücken nahm, darüber aber die Zeichen in den Bäumen verfehlte, so daß es lange anstand, bis sie sich wieder zurechtfanden. Dann wurde das Bübchen hungrig und weinte; die kleine Karoline folgte diesem Beispiele, weil sie Angst kriegte, daß sie so lang im Walde seyn mußte, und Tommy schrie lauter als alle Uebrigen, weil ihn William nicht länger tragen konnte. Sie machten daher wieder Halt und labten sich aus der Wasserflasche, welche William mitgebracht hatte. Jetzt ging es besser vorwärts; aber doch langten sie so erhitzt und erschöpft an, daß sich Frau Seagrave zuerst mit den Kindern in das Zelt begab, um ein wenig zu ruhen, ehe sie den Platz betrachten konnte, der ihr künftig zur Wohnung dienen sollte.

»Ich denke,« sagte Herr Seagrave, der den kleinen Knaben an Juno abgegeben hatte, »diese kleine Reise hat einen hinlänglichen Beweis geliefert, wie hülflos wir ohne Euch seyn würden, Ready.«

»Ich bin froh, daß ich euch hier habe,« versetzte Ready, »und es ist mir ein Stein vom Herzen. Jetzt wird es schon besser gehen. Nach einer Weile könnt ihr's recht gemächlich haben, obschon wir bis dahin noch viel arbeiten müssen. Sobald sich Madame ausgeruht hat, wollen wir unser Mittagsmahl einnehmen und dann unser eigenes Zelt aufschlagen. Wir haben dann für den heutigen Tag genug geleistet. Morgen wollen wir aber allen Ernstes an's Werk gehen.«

»Wollt Ihr morgen wieder nach der Bucht zurück, Ready?«

»Ja, Sir, wir brauchen unsere Vorräthe hier. Ich will einiges Ochsen- und Schweinefleisch, Mehl, Erbsen und noch viele andere Dinge holen, die wir hier nicht entbehren können. Es werden wohl drei Fahrten nöthig seyn, um unser Magazin zu leeren, und was die übrigen Dinge betrifft, so können wir sie gelegentlich untersuchen und nachbringen – sie nehmen keinen Schaden, wenn sie auch geraume Zeit dort bleiben. Sobald ich dann diese drei Ausflüge gemacht habe, können wir hier gemeinschaftlich arbeiten.«

»Kann ich in der Zwischenzeit nichts thun?«

»O ja; es gibt alle Hände voll Arbeit für Euch.«

»Wollt Ihr William mit Euch nehmen?«

»Nein, Sir; er wird hier nützlicher seyn, und ich kann ohne ihn zu Stande kommen.«

Herr Seagrave begab sich nun in das Zelt und fand seine Gattin sehr erfrischt; die Kinder waren jedoch auf den Betten eingeschlafen. Sie warteten noch eine halbe Stunde und weckten sodann Tommy und Karoline, damit sie an dem Mittagessen theilnähmen.

»Herr Jemine,« rief William, als Ready den Deckel von dem Topfe abnahm, »was habt Ihr denn Gutes hier?«

»'s ist ein Schmaus, denn ich für euch Alle bereitet habe,« versetzte Ready. »Ich wußte, daß ihr das Salzfleisch müde seyd, und deshalb sollt ihr mir ein Mahl halten wie die Londoner Stadträthe.«

»Was ist es denn, Ready?« fragte Frau Seagrave. »Es riecht sehr gut.«

»Schildkrötensuppe, Madame. Ich hoffe, sie wird Euch schmecken; denn wenn dies der Fall ist, so könnt Ihr Euch oft damit erquicken, nun wir auf dieser Seite der Insel sind.«

»In der That, das ist ja ganz vortrefflich; aber es wird an Salz fehlen. Hast Du welches mitgebracht, Juno?«

»Habe ein Bischen, Ma'am. Sehre wenig übrig,« versetzte Juno.

»Aber was sollen wir anfangen, wenn alles unser Salz aufgebraucht ist?« fragte Frau Seagrave.

»So muß Juno mehr schaffen,« versetzte Ready.

»Wie, ich schaffe Salz? – Hab' keins übrig,« entgegnete Juno, Ready ansehend.

»Es ist genug da draußen, Juno,« sagte Herr Seagrave, nach der See hinausdeutend.

»Weiß nicht wo,« versetzte Juno, nach der angedeuteten Richtung hinsehend.

»Was meinst Du damit, mein Lieber?« versetzte Frau Seagrave.

»Ich will nur sagen, daß wir, wenn wir Salz brauchen, beliebig viel erhalten können, wenn wir das Seewasser in dem Kessel einkochen lassen. Wir können auch eine Salzpfanne in den Felsen machen und es so erhalten, daß wir das Wasser durch die Sonne austrocknen lassen. Ready weiß dies so gut als ich. Das Salz wird immer in dieser Weise bereitet – entweder durch freiwillige Verdunstung oder durch Kochen. Beides ist der nämliche Proceß, obschon es bei dem letzteren rascher von Statten geht.«

»Ich will dies schon besorgen, Madame,« sagte Ready, »und Juno den geeigneten Unterricht ertheilen, wenn wir dessen benöthigt sind.«

»Ich freue mich sehr über diese tröstliche Versicherung, denn ich würde den Mangel des Salzes sehr bitter empfinden,« erwiederte Frau Seagrave. »In der That, nie hat mir eine Mahlzeit so gut geschmeckt, wie heute.«

Die Suppe wurde von Allen für vortrefflich erklärt. Tommy kam so oft mit seinem Teller, daß ihm seine Mutter nichts mehr geben mochte. Nach beendigter Mahlzeit blieb Frau Seagrave bei den Kindern, während Ready und Herr Seagrave unter Junos und Williams Beistand das zweite Zelt aufschlugen und Alles für die Nacht bereit hielten. Inzwischen war es dunkel geworden. Sie versammelten sich, um Gott zu danken, daß er sie glücklich nach diesem neuen Wohnorte geführt hatte, und begaben sich, erschöpft von der Anstrengung des Tages, zu Bette, wo sie bald einschliefen.

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