Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtzehntes Kapitel.


Der Sturm tobte nun wüthender; die Blitze wurden durch dröhnende Donnerschläge begleitet, und die Kinder, welche darüber erwachten, weinten vor Angst, bis sie unter den Beschwichtigungen ihrer Umgebung wieder einschliefen. Der Wind heulte und übte sein ganzes Ungestüm an den Zelten, während der Regen in Strömen niederschoß. Den einen Augenblick bauchte sich die Zeltleinwand nach innen, daß die Taue strammten und krachten, ein andermal ließ ein wirbelnder Wind das Tuch hin- und herschlagen, während der Regen an manchen Stellen Eingang fand. Die Nacht war ungemein finster und die Wuth der Elemente schrecklich. Wie wir bereits früher bemerkt haben, stand das Zelt, in welchem sich Frau Seagrave und die Kinder befanden, zu äußerst und war daher am meisten ausgesetzt. Um Mitternacht tobte der Wind mit größerer Heftigkeit als je, und mit einemmale hörte Ready und Herr Seagrave ein lautes Krachen, auf welches ein Geschrei von Seiten der Frau Seagrave und Juno folgte. Die Pflöcke waren gewichen und die Bewohner des Zelts jetzt den wüthenden Elementen preisgegeben. Ready eilte hinaus und Herr Seagrave folgte ihm mit William. Unter dem ungestümen Winde, dem schlagenden Regen und der äußersten Dunkelheit kostete es viele Mühe, um mit vereinten Kräften die Weiber und Kinder herauszuwickeln. Tommy war der Erste, den Ready in Sicherheit bringen konnte; aber der Muth des Knaben war ganz dahin, und er heulte laut hinaus. William nahm den kleinen Albert auf den Arm und brachte ihn nach dem andern Zelte, wo Tommy in seinem nassen Hemdchen saß und gar melodisch sein Lied in die Nacht hinaussang. Endlich wurden auch Juno, Frau Seagrave und die kleine Karoline nach dem andern Zelte gebracht. Glücklicherweise hatte Niemand Schaden genommen, obschon sich die erschreckten Kinder nicht wollten beschwichtigen lassen und in Tommys Zeterconcert einstimmten. Dies war jedoch von wenig Belang, denn der Wind brüllte so laut, daß man sich kaum gegenseitig sprechen hören konnte. Mann vermochte nichts Weiteres zu thun, als die Kinder zu Bette bringen, und die Uebrigen blieben den Rest der Nacht über auf, um zu hören, wie der Wind draußen brauste, die See brüllte und der Regen laut gegen die Leinwand plätscherte. Es war eine schreckliche, traurige Nacht, und sie sahen mit Sehnsucht dem Morgen entgegen. Mit dem Grauen des Tages verließ Ready das Zelt und fand, daß der Sturm seine ganze Kraft erschöpft und sich bereits bedeutend gelegt hatte. Es war jedoch keiner von jenen herrlichen Morgen, an die sie sich seit ihrer Ankunft auf der Insel gewöhnt hatten, denn der Himmel war noch immer ganz schwarz, und die Wolken jagten wild hinter einander her. Von der Sonne oder dem blauen Firmamente ließ sich nichts blicken. Es regnete noch immer, aber nur in Zwischenräumen, und die Erde war weich und schwammig. Die kleine Bucht, welche den Tag vorher noch so schön ausgesehen hatte, war jetzt eine Masse schäumender, tumultuirender Wogen, und die Brandung zog sich viele Ellen an dem Gestade hinauf. Der Horizont hatte sich ganz verwischt – man konnte die Linie zwischen Wasser und Himmel nicht unterscheiden; auch war das ganze Ufer der Insel mit weißem Schaume gesäumt. Ready lenkte den Blick nach der Stelle, wo das Schiff auf den Felsen gesessen hatte – es war nicht länger da – der ganze Rumpf verschwunden; aber die Trümmer desselben und der Inhalt des Raumes schwammen nach allen Richtungen umher oder wurden durch die Brandung an's Ufer geworfen.

»Ich dachte mir's wohl,« sagte Ready, nach der Stelle hindeutend, wo das Schiff gestanden hatte, als er bei'm Umwenden fand, daß ihm Herr Seagrave gefolgt war. »Schaut, Sir, dieser Sturm hat es ganz niedergebrochen. Wir müssen dies für einen Wink ansehen, daß wir nicht länger hier bleiben dürfen und das schöne Wetter, das vor der Regenzeit noch eintreten wird, bestens benützen müssen. Ich kann Euch sagen, Sir, daß wir keine Zeit übrig haben.«

»Ich bin mit Euch einverstanden, Ready,« versetzte Herr Seagrave – »und dort haben wir einen weiteren Beweis davon,« fügte er bei, indem er nach den niedergeblasenen Zelten deutete. »Es war eine Gottesschickung, daß Niemand Schaden genommen hat.«

»Sehr wahr; aber der Sturm legt sich, und wir werden morgen schönes Wetter haben. Laßt uns sehen, was wir mit dem Zelte anfangen können, während Junker William und Juno versuchen, ob sie nicht im Stande sind, uns ein Frühstück zu schaffen.«

Sie gingen an's Werk. Ready und Herr Seagrave machten die Leinwand mit frischen Tauen und Pflöcken fest und hatten bald Alles wieder in Ordnung, obschon die Betten gänzlich durchnäßt waren. Dann stellten sie ihr Geschäft ein, um sich dem Frühstück anzuschließen, zu welchem sie Juno abgerufen hatte.

»Vorderhand brauchen wir nicht weiter zu thun, Sir,« sagte Ready. »Auf den Abend wird es nicht mehr so naß seyn, und wir können dann leichter zu Stande kommen. Die Wolken zeigen bereits eine Bresche, und wir werden bald schönes Wetter bekommen – der Sturm war zu ungestüm, um lange zu währen. Und nun, Sir,« fügte er bei, »werden wir gut thun, heute scharf an's Werk zu gehen, denn es ist möglich, daß wir viele Dinge bergen, die an den Klippen zerschellen würden, wenn wir sie nicht an's Ufer heraufholten. Wir können ohne Juno zu Stande kommen und werden auch Tommy nicht brauchen, der hier bleiben und für seine Mama Sorge tragen kann.«

Tommy war jedoch nach den Ereignissen die Nacht etwas stöckisch und gab keine Antwort.

—————


 << zurück weiter >>