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Sechsundzwanzigstes Kapitel.


Am andern Tage gingen Herr Seagrave, William, Juno und Ready zeitig an die ihnen zufallenden Aufgaben. Frau Seagrave saß vor dem Zelte und hatte die Kleinen um sich. Albert kroch an ihrer Seite umher, Caroline versuchte mit ihrer Nadel zu arbeiten und Tommy machte Löcher in den Boden, in deren jedes er einen kleinen Stein legte.

»Was thust Du, Tommy?« fragte Frau Seagrave.

»Ich spiele – ich mache einen Garten,« versetzte Tommy.

»Einen Garten? dann solltest Du Bäume hineinpflanzen.«

»Nein; ich stecke Saamen – siehe her,« entgegnete Tommy auf die Steine deutend.

»Steine gehen nicht auf, Mama,« sagte die kleine Caroline.

»Nein, meine Liebe, wohl aber die Saamen von Pflanzen und Blumen.«

»Ich weiß das,« entgegnete Tommy; »aber ich stelle mir's doch so vor, weil ich keine Saamen habe.«

»Du sagtest ja, Du stecktest Saamen, Tommy, und keine Steine.

»Ja, aber ich thue nur so, und das ist ganz das Gleiche,« erwiederte Tommy.

»Nicht ganz, Tommy. Gesetzt Du hättest gestern die Körner nicht gegessen, sondern nur so gethan, so wäre es Dir nicht so übel geworden.«

»Ich will keine mehr essen,« versetzte Tommy.

»Ich glaube, daß Du diese Körner meiden wirst; aber wenn Du etwas Anderes siehst, was Dir gefällt, so fürchte ich, Du wirst es essen und dabei eben so schlimm, wo nicht schlimmer fahren. Du solltest nie etwas genießen, was man Dir nicht gibt.«

»Ich liebe die Kokosnüsse; warum kriegen wir keine zu essen? Es gibt doch so viele auf den Bäumen.«

»Wer soll so hoch hinaufklettern, Tommy? Kannst Du es?«

»Nein, aber warum klettert Ready nicht – oder Papa, oder William? Warum lässt Du nicht Juno klettern? Ich liebe die Kokosnüsse.«

»Sie werden wohl gelegentlich welche beischaffen, wenn sie nicht mehr so viel zu thun haben, denn jetzt fehlt es ihnen an Zeit. Siehst Du nicht, wie schwer sie sich abmühen müssen?«

»Ich liebe Schildkrötensuppe,« entgegnete Tommy.

»William und Juno machen einen Teich, um Schildkröten hineinzusetzen, und dann werden wir diese Speise öfter bekommen; aber wir können nicht Alles haben, was wir wünschen.«

»Was ist eine Schildkröte, Mama?« fragte die kleine Caroline.

»Es ist ein Thier, das im Wasser lebt, aber doch kein Fisch ist.«

»Ich liebe gebratene Fische,« versetzte Tommy. »Warum kriegen wir keine gebratenen Fische?«

»Weil Alles zu sehr beschäftigt ist, um sich mit dem Fangen derselben abgeben zu können. Ich zweifle übrigens nicht, daß Du gelegentlich Fische bekommen wirst. Hole Deinen Bruder Albert zurück; er ist dem Ziegenböcklein zu nahe gekommen, und Billy stößt bisweilen.«

Tommy ging dem Bübchen nach und hob es auf; dann aber versetzte er dem Ziegenböcklein, das schon ziemlich groß geworden war mit dem Fuße einen Stoß vor den Kopf.

»Laß dies bleiben, Tommy; er stößt nach Dir und wird Dich beschädigen.«

»Ich fürchte ihn nicht,« entgegnete Tommy, der den Kleinen Albert an der einen Hand hielt, während er fortfuhr, nach Billy zu stoßen. Dem Böcklein wollte dies übrigens nicht auf die Dauer gefallen, denn es senkte den Kopf, that einen Sprung nach Tommy und stieß ihn vor die Brust, so daß der Junge mit dem kleinen Albert auf den Boden rollte. Das Bübchen schrie, und Tommy begann zu winseln. Frau Seagrave eilte nun herzu und hob den kleinen Albert auf, während der erschrockene Tommy hinter dem Kleide seiner Mutter Schutz suchte und nach dem Böcklein hinsah, welches sehr geneigt schien, den Angriff zu erneuern.

»Warum achtest Du nicht auf das, was ich Dir sage, Tommy? Habe ich Dir nicht voraus gesagt, er werde Dich stoßen?« begann Frau Seagrave, indem sie zu gleicher Zeit das Kind zu beschwichtigen bemüht war.

»Ich fürchte mich nicht vor ihm,« sagte Tommy, sobald er bemerkte, daß das Böcklein abmarschirte.

»Ja, Du bist ein gewaltiger Held, nun er fort ist, Du garstiger Knabe. Warum achtest Du nicht auf das, was man Dir sagt? Denke nur an den Löwen auf dem Kap.«

»Ich kümmere mich nichts um einen Löwen,« versetzte Tommy.

»Ja, jetzt, da keiner in der Nähe ist; aber Du würdest schön erschrecken, wenn Du auf einmal ein solches Thier neben Dir sähest.«

»Ich habe Steine nach ihm geworfen,« sagte Tommy.

»Ja, das thatest Du; und wenn Du's hättest bleiben lassen, so würde er Dich nicht so sehr erschreckt haben. Auch Billy hätte Dich gehen lassen, wenn Du ihn nicht eben geplagt hättest,« erwiederte Frau Seagrave.

»Billy stößt mich nie, Mamma,« sagte Caroline.

»Nein, meine Liebe, weil Du ihm nichts thust; aber Dein Bruder Tommy quält so gerne die Thiere und wird dafür gestraft oder erschreckt. Es ist sehr unrecht von ihm, sich so zu benehmen, namentlich da ihm Vater und Mutter gesagt haben, daß er es nicht thun solle. Gute Kinder gehorchen stets ihren Eltern, aber Tommy ist kein guter Knabe.«

»Und Du hast gesagt, ich sey ein guter Knabe, als ich diesen Morgen meine Aufgabe gut lernte,« versetzte Tommy.

»Ja, aber Du mußt immer gut seyn,« erwiederte seine Mutter.

»Ich kann nicht immer gut seyn,« sagte Tommy. »Ich bin sehr hungrig und will mein Mittagessen haben.«

»Es ist allerdings Zeit dazu, Tommy; aber Du mußt warten, bis Alle von der Arbeit zurückgekehrt sind.«

»Da kommt Ready mit einem Sack auf der Schulter,« rief Tommy.

Ready kam bald nach der Stelle herauf, wo Frau Seagrave saß, und legte den Sack nieder.

»Ich bringe Euch da von den Bäumen, die ich niedergehauen habe, einige Kokosnüsse – junge und alte.«

»Ah! Kokosnüsse – ich liebe Kokosnüsse!« rief Tommy.

»Sagte ich's nicht, Tommy, daß wir gelegentlich welche bekommen würden? und jetzt sind sie früher da, als wir dachten. Ihr seyd sehr erhitzt, Ready.«

»Ja, Madame,« entgegnete Ready, sich das Gesicht abwischend, »'s ist ziemlich warme Arbeit, denn im Walde hat man kein Lüftchen, das einen ein wenig abkühlen könnte. Braucht Ihr etwas von der andern Seite der Insel? denn ich werde gleich nach dem Mittagessen abfahren.«

»Was wollt Ihr holen?«

»Die Räder, um das geschlagene Holz herunterzubringen. Ich muß damit jedesmal gleich ausräumen, bis der Pfad fertig ist. Es wäre mir lieb, wenn Junker William mitginge.«

»Ich zweifle nicht, daß er es gerne thut, denn er wird des Schleppens und Rollens von schweren Steinen müde seyn. Ich erinnere mich gerade an nichts Besonderes, was ich brauchen könnte, Ready,« fügte Frau Seagrave bei. »Doch da kommt William mit Juno, und wie ich sehe, hat auch mein Mann seine Spate niedergelegt. Carolinchen, gib auf Albert Acht, während ich das Mittagessen anrichte.«

Ready leistete dabei Frau Seagrave Beistand, und das Essen wurde auf dem Boden ausgebreitet, denn sie hatten die Stühle und Tische nicht nach ihrem neuen Wohnort mitgebracht, weil sie glaubten, sie könnten sich behelfen, bis das Haus gebaut wäre. William meldete, daß er und Juno den Schildkrötenteich am nächsten Tage vollendet haben würden, und Herr Seagrave hatte hinreichend Boden gelichtet, um den halben Sack Kartoffeln, den sie von dem Wrack gerettet hatten, zu stecken. So waren sie also jedenfalls nach zwei Tagen im Stande, alle ihre Kraft auf das Fällen und Weiterschaffen des Holzes zu verwenden.

Nach dem Mittagessen brachen William und Ready in dem Boote auf und kehrten, noch ehe es dunkel wurde, mit den Rädern und Achsen des Wagens, wie auch mit mehreren anderen Gegenständen zurück. Desgleichen hatten sie einiges dicke Gebälk im Schlepptau, welches Ready zu den Thürpfosten des Hauses brauchte. Herr Seagrave hatte diesen Nachmittag seine Arbeit verlassen und Juno Beistand geleistet, so daß er jetzt berichten konnte, der Schildkrötenteich sey zwar noch nicht ganz fertig, aber doch so weit gediehen, um das Entkommen jeder hineingesetzten Schildkröte zu hindern.

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