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Neuntes Kapitel.


Sobald Ready seine Absichten ausgeführt und die Thiere gefüttert hatte, begab er sich nach der Kajüte, um Herrn Seagrave und William zu rufen. Mit ihrem Beistande wurden die Scheerbalken aufgerichtet, an ihren Plätzen festgemacht und an das Boot angehakt; da jedoch eine Person nöthig war, um das Letztere klar über die Jütten und den Hackebord wegzubringen, so konnten sie es nicht hereinhissen.

»Junker William, lauft doch zu Juno hinunter und sagt ihr, sie solle auf's Deck heraufkommen, um uns zu helfen. Wir müssen jetzt Alle arbeiten. Madame kann ja das Bübchen einige Minuten halten.«

William kehrte bald mit Juno zurück, die ein kräftiges Mädchen war, und mit ihrem Beistand gelang es, das Boot hereinzuschaffen; dann wurde sie wieder nach der Kajüte entlassen.

Das Boot wurde umgestürzt, und Ready begann seine Arbeit, während Herr Seagrave, der ihm ertheilten Weisung zufolge, den Pechtopf über das Küchenfeuer setzte und Alles bereit hielt, damit die angenagelte Leinwand vertheert werden konnte. Ready arbeitete hart, kam aber doch erst um Mittagessenszeit mit seinem Geschäfte zu Stande, worauf er die Leinwand und die mit Werg ausgestopften Fugen von innen und außen verpichte.

»So, jetzt wird's gehen, Sir,« sagte Ready. »Wir wollen das Fahrzeuglein nach der Laufplanke schleppen und dort vom Stapel lassen. Es ist ein Glück, daß sie das Schanddeck niedergehauen haben; dies verspart uns viele Mühe.«

Es wurde nun ein Tau an das Boot gebunden, um es an dem Schiffe festzuhalten, und dann durch Herrn Seagraves und Readys vereinte Anstrengungen vom Stapel gelassen. Zu ihrer beiderseitigen Freude zog das Fahrzeug augenscheinlich nur sehr wenig Wasser.

»Nun, Sir,« sagte Ready, »womit fangen wir an? Nehmen wir zuerst die Sachen oder einige von den Kindern an's Land?«

»Was schlagt Ihr vor, Ready?«

»Wohlan, Sir, mit Erlaubniß – ich meine, da das Wasser jetzt so glatt ist, wie ein Spiegel, und wir überall landen können – denn dafür darf man besonders dankbar seyn, weil man Weib und Kinder ans Ufer zu nehmen hat – so könnten wir Beide zuerst ein wenig rekognosciren. Es ist keine zweihundert Ellen an's Gestade, und wir werden nur wenig Zeit verlieren.«

»Ganz gut, Ready; ich will nur zuerst hinuntergehen und meine Frau davon in Kenntniß setzen.«

»Mittlerweile schaffe ich das Segel und einen oder den anderen Gegenstand in's Boot; wir ersparen dadurch schon wieder Zeit.«

Ready brachte das Segel in das Boot und nahm eine Axt, eine Muskete und einiges Tauwerk mit. Sobald Herr Seagrave wieder heraufkam, stiegen sie ein und ruderten an's Land. Am Ufer angelangt, fanden sie, daß sie wegen des dichten Baumwuchses nicht in das Innere der Insel sehen konnten, bemerkten aber zu ihrer Rechten, etwa eine Viertelmeile entfernt, eine kleine, sandige Bucht, an deren Rand vor den Kokosbäumen Gebüsch wuchs.

»Dies,« sagte Ready, darauf hindeutend, »muß unsere Lokation seyn, wie's die Amerikaner nennen. Wir wollen wieder einsteigen, Herr Seagrave, und danach hinrudern; zum Fahren ist's nicht weit, obschon uns der Weg lang würde, wenn wir die Gegenstände im Boot dahin tragen müßten.«

Nach einigen Minuten waren sie in der Bucht angelangt und fanden daselbst seichtes, krystallhelles Wasser. Sie konnten auf dem Grunde die schönsten Muscheln und Fische bemerken, welche in allen Richtungen hin- und herschoßen.

Der Sand erstreckte sich auf ungefähr vierzig Schritte vom Wasserrande hin, und dann begann das Gebüsch, welches eine ungefähr ebenso breite Strecke einnahm und nur da oder dort einen einzelnen Kokosnußbaum zeigte, bis es sich dem ganzen Wald anschloß. Sie ruderten das Boot hinein und stiegen an's Land.

»Welch' ein lieblicher Ort!« rief Herr Seagrave; »und vielleicht wurde er bisher noch nie von einem Sterblichen besucht. Diese Kokosbäume haben Jahr um Jahr ihre Früchte getragen und sind hingestorben, um andern Platz zu machen. Vielleicht war dieser Platz schon durch eine Reihe von Jahrhunderten bereit, den Menschen aufzunehmen und ihm Unterhalt zu bieten, wenn er einmal käme.«

»Die Vorsehung ist wohlwollend, Herr Seagrave,« versetzte Ready, »und sorgt für unsere Bedürfnisse, wo wir es am wenigsten erwarten. Wenn es Euch recht ist, wollen wir eine kleine Strecke in den Wald hineingehen. Nehmt zur Vorsicht das Gewehr mit, Sir, obschon wir es wahrscheinlich nicht brauchen werden, denn es gibt auf diesen Inseln selten wilde Thiere, wenn nicht etwa überlegte Christenmenschen einige Schweine darauf gesetzt haben. Ich segelte einmal auf diesem Meere, und der Kapitän landete nie an einer öden Insel, ohne ein paar Zuchtschweine ans Land zu setzen, für den Fall, daß später hier Jemand Schiffbruch litte. Das war sehr wohlwollend von ihm gedacht.«

»Allerdings, Ready. Doch was haltet Ihr jetzt von diesem Haine?«

»Ich habe mich nach einem Platz umgesehen, um vorderhand ein Zelt aufzuschlagen, Sir, und denke, daß jene kleine Ansteigung recht gut dafür passen wird, bis wir etwas Besseres aufgefunden haben. Für den Augenblick haben wir nicht viele Zeit, Sir, denn es gilt noch manche Fahrt, ehe die Nacht anbricht. Wenn's Euch recht ist, so wollen wir das Segel und die anderen Dinge an's Land holen, damit wir wieder an Bord zurückkehren können.«

Während sie das Boot zurückruderten, sagte Ready: »Ich habe mir Gedanken gemacht, was wohl das Beste seyn dürfte, Herr Seagrave. Wird es wohl Frau Seagrave recht seyn, wenn Ihr sie verlaßt? Wo nicht, so würde ich sagen, wir sollten Juno und Junker William zuerst an's Land schaffen, da sie sich nützlich machen können.«

»Ich glaube nicht, daß sie sich etwas daraus machen wird, wenn ich sie mit William und den Kindern an Bord lasse, vorausgesetzt, daß sie bald mit dem Knäblein nachgeholt wird.«

»Wohlan denn, wenn Ihr so meint, so kann Junker William an Bord bleiben, Sir. Ich schaffe diesmal Euch, Juno, Junker Tommy und die Hunde an's Land; denn letztere werden sich im Falle eine Ungelegenheit als Schutz erweisen. Ihr könnt mit Juno etwas besorgen, bis ich mit den übrigen erforderlichen Artikeln wieder zurückkehre.«

Sobald sie an Bord angelangt waren, ging Herr Seagrave in die Kajüte hinunter, um seine Gattin mit dem Berichte über das, was sie gesehen hatten, zu erfreuen, und ihre Zustimmung zu Readys Vorschlag einzuholen.

Während er unten war, hatte Ready die Bindseile der beiden Spieren, welche als Scheerbalken gebraucht worden waren, losgemacht, sie nach vorne geschleppt und mit angeknüpften Leinen über die Seite hinuntergelassen, damit sie nach dem Ufer getaut werden könnten. Einige Minuten nachher erschienen Juno und Tommy aus dem Deck. Ready schaffte einiges Werkzeug, unter dem sich auch ein paar Schaufeln befanden, in das Boot, worauf er mit Herrn Seagrave, Juno, Tommy und den Hunden einstieg, um abermals dem sandigen Gestade der Bucht zuzurudern. Als Tommy auf dem Ufer stand, machte er große Augen, sprach aber kein Wörtchen, bis er endlich die Muscheln auf dem Gestade liegen sah. Jetzt schrie er entzückt hinaus und begann, so schnell et konnte, davon einzusammeln. Die Hunde bellten und sprangen umher, hocherfreut, daß sie wieder einmal am Lande waren; und Juno sah lächelnd umher, wobei sie gegen Ready bemerkte:

»Was für ein schöner Platz!«

»Ich will jetzt ein Bischen bei Euch am Lande bleiben, Herr Seagrave, und für den Nothfall zuerst die Muskete laden; tragt aber Sorge, daß sie dem Junker Tommy nicht unter die Hände kommt, denn ich bemerke, daß er überall seine Finger hat. So, jetzt wollen wir das Segel mit einander heraufnehmen. Juno, Du kannst die Werkzeuge tragen; und dann holen wir die Spieren, die Taue und die übrigen Dinge. Komm, Junker Tommy; jedenfalls kannst Du eine Schaufel tragen und Dich wenigstens einigermaßen nützlich machen. Jetzt darf Niemand von uns die Hände in den Schooß legen.«

Nachdem alle die genannten Gegenstände auf den Hügel geschafft worden waren, welchen Ready früher angedeutet hatte, kehrten sie zurück, um die Spieren zu holen. Nach zwei Gängen hatten sie Alles an den gehörigen Ort gebracht, und Tommy that sich nicht wenig darauf zu Gute, daß er jedesmal seine Schaufel tragen durfte.

»Da sind zwei Bäume, welche unserem Zwecke ziemlich gut entsprechen werden,« sagte Ready: »denn sie stehen weit genug von einander; wir müssen nun die Spieren an denselben aufbinden und dann das Segel so darüber werfen, daß es mit seine beiden Enden auf dem Boden niederreicht. Jedenfalls ist dies ein Anfang. Ich bringe dann noch mehr Leinwand an's Land, um das andere Zelt zwischen jenen Bäumen dort aufzuschlagen und auch die Vorder- und Hinterseite zu schließen. Dadurch gewinnen wir einen Schirm für Madame, Juno und die jüngeren Kinder, wahrend das andere Zelt für Junker William, Tommy und uns selbst ein Obdach bietet. Ihr könnt jetzt sehen, wie Ihr hier fertig werdet, während ich wieder an Bord zurückgehe.«

»Aber wie können wir so hoch hinaufreichen, Ready?«

»Ei, Sir, das geht gut, wenn wir zuerst die eine Spiere in einer Höhe festmachen, die wir mit den Händen erlangen können; dann steht man auf diese, um die andere an dem passenden Orte zu befestigen. Ich will noch eine Spiere mit an's Land bringen, damit wir dasselbe Verfahren beobachten können, wenn wir das andere Zelt aufschlagen.«

In dieser Weise gelang es, die Spiere hoch genug anzubinden, und das Segel darüber zu werfen. Ready und Herr Seagrave breiteten es sodann aus und fanden, daß dadurch ein sehr geräumiges Zelt gebildet wurde.

»So, Sir, jetzt will ich wieder an Bord zurückkehren. In der Zwischenzeit könnt Ihr aus dem Buschholz Pflöcke schnitzen, um das Segel an den Boden zu befestigen. Falls Ihr einige Schaufeln voll Sand auf die Ränder werft, so wird es gut genug halten und dicht verschlossen bleiben, wenn Alles fertig ist. Da ist mein Messer, Sir, wenn Ihr nicht selbst eines bei Euch habt.«

»Damit werde ich gut zu Stande kommen,« entgegnete Herr Seagrave. »Juno kann mir helfen, die Leinwand anzuspannen, wenn ich mit den Pflöcken fertig bin.«

»Ja, und inzwischen mag Juno eine Schaufel nehmen und das Innere des Zeltes hübsch glatt machen. Diese alten Kokosblätter müssen hinaus; namentlich gilt es nachzusehen, ob nicht irgend ein Gewürm darunter versteckt ist. Junker Tommy, Du darfst nicht weglaufen und ebenso wenig die Aexte anrühren, denn sie schneiden Dich, wenn Du's thust. Wenn etwas vorfallen sollte, Herr Seagrave, was Euch meines Beistandes benöthigt machte, so braucht Ihr nur das Gewehr abzufeuern; ich will dann augenblicklich zu Euch an's Land kommen. Indeß glaube ich nicht, daß etwas der Art zu erwarten steht,« fügte Ready bei, worauf er nach dem Ufer hinunterging, in das Boot stieg und an Bord des Schiffes zurückruderte.

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