Kapitän Marryat
Der fliegende Holländer
Kapitän Marryat

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Achtunddreißigstes Kapitel.

Wir müssen nun zu Philipp und Krantz zurückkehren. Sobald der Letztere von dem portugiesischen Kommandanten zurückgekehrt war, theilte er Philipp mit, was vorgegangen und welches Mährchen er erfunden hatte, um den Kommandanten zu täuschen.

»Ich sagte ihm, Ihr allein seiet mit dem Platze bekannt, wo der Schatz verborgen liege,« fuhr Krantz fort. »Ich that dies in der Absicht, daß man Euch abschicke, denn wahrscheinlich wird er mich als Geißel zurückbehalten. Doch sei's drum; ich muß es nehmen, wie sich's gibt. Ihr versucht dann auf die eine oder andere Weise zu entkommen und Aminen nachzureisen.«

»Nicht doch,« versetzte Philipp; »Ihr müßt mit mir gehen, mein Freund, denn ich fühle, daß mir kein Glück mehr vorbehalten ist, sobald Ihr Euch von mir trennt.«

»Bah, bah – das ist bloß eitle Einbildung; außerdem werde ich so oder so ihm zu entrinnen wissen.«

»Ich werde keine Nachweisungen über den Schatz geben, wenn Ihr nicht mitgeht.«

»Nun gut – Ihr könnt's wenigstens versuchen.«

Da ließ sich plötzlich ein leises Pochen an der Thüre vernehmen. Philipp stand auf, um zu öffnen (denn beide hatten sich schon zur Ruhe begeben) und Pedro trat ein. Er blickte sorgfältig umher, schloß dann sachte die Thüre und legte den Finger an seine Lippen, um ihnen Stillschweigen einzuschärfen. Nun erzählte er ihnen flüsternd, was er gehört hatte.

»Sucht es wo möglich einzuleiten, daß ich Euch begleiten darf,« fuhr er fort. »Ich muß Euch jetzt verlassen, denn er geht noch immer in seinem Zimmer auf und ab,«

Pedro schlüpfte zur Thüre hinaus, verstohlen über die Wälle hinwegschleichend.

»Der tückische kleine Halunke! Aber wir wollen ihn wo möglich umgehen,« sagte Krantz in gedämpftem Tone, »Ja, Philipp, Ihr habt Recht, wir müssen mit einander ausziehen, denn Ihr werdet meines Beistands bedürfen. Ich werde ihn überreden, daß er selbst an der Expedition Theil nimmt. Will jetzt darüber nachdenken – darum gute Nacht, Philipp.«

Am andern Morgen wurden Philipp und Krantz zum Frühstück gerufen; der Kommandant empfing sie mit lauter Lächeln und Leutseligkeit. Namentlich war er gegen Philipp ungemein höflich. Sobald das Mahl vorüber war, theilte er ihm seine Absichten und Wünsche in Folgendem mit:

»Signor, ich habe über das nachgedacht, was mir Euer Freund mittheilte, und zugleich Erwägungen über das Gespenst angestellt, das gestern so viel Verwirrung veranlaßte und mich bewog, eine Uebereilung gegen Euch zu begehen, die ich Euch jetzt aus aufrichtigem Herzen abbitte. Die angestellten Betrachtungen, wie auch das Gefühl der Andacht, das dem Herzen eines ächten Katholiken nicht fehlen darf, haben mich zu dem Entschlusse bestimmt, mit Eurem Beistand jenen Schatz, der der heiligen Kirche angehört, zu heben. Ich mache Euch daher den Vorschlag, daß eine Soldaten-Abtheilung unter Eurem Befehle nach der Insel ziehe, wo er niedergelegt ist; habt Ihr ihn gehoben, so kehrt Ihr wieder hieher zurück. Sollte in der Zwischenzeit ein Schiff anlangen, so will ich es bis zu Eurer Wiederkunft in der Rhede zurückhalten; Ihr könnt sodann das Geld sammt meinen Briefen nach Goa überbringen. Dies führt Euch auf eine ehrenvolle Weise bei den Behörden ein und setzt Euch in den Stand, Eure Zeit dort in der angenehmsten Weise zu verbringen. Zugleich, Signor, werdet Ihr auch Eure Gattin auffinden, deren Reize einen so großen Eindruck auf mich geübt haben. Wenn ich vor Euch ihres Namens nicht mit der gebührenden Achtung erwähnt habe, so muß ich mich mit dem Umstande entschuldigen, daß ich sie durchaus nicht kannte und ebenso wenig wußte, in welcher engen Beziehung sie zu Euch steht. Wenn Euch diese Maßregeln genehm sind, Signor, so werde ich mich höchst glücklich schätzen, die betreffenden Befehle zu ertheilen.«

»Da ich mich selbst zu den treuen Anhängern der katholischen Religion zähle,« versetzte Philipp, »so wird es mich ungemein freuen, die Stelle namhaft machen zu können, wo der Schatz verborgen liegt, damit er an seinen Bestimmungsort abgegeben werden möge. Eure Entschuldigung in Betreff meiner Gattin nehme ich mit Vergnügen an, da ich weiß, wie Euer Benehmen bloß daher rührte, daß Ihr ihre Stellung und ihren Rang nicht kanntet. Dennoch blieb ich über das Ganze nicht klar. Ihr wollt einige Soldaten unter meinen Befehl stellen – werden sie mir gehorchen? – darf man ihnen trauen? Ich und mein Freund sind nur zwei Personen gegen sie – und wenn sie sich unbotmäßig erwiesen?«

»Fürchtet das nicht, Signor; sie sind gut disciplinirt. Auch ist es nicht gerade nöthig, daß Euch Euer Freund begleitet; ich wünsche ihn bei mir zu behalten, damit er mir in Eurer Abwesenheit Gesellschaft leiste.«

»Nein, darauf kann ich nicht eingehen,« antwortete Philipp. »Allein wage ich das Unternehmen nicht,«

»Vielleicht ist es mir erlaubt, eine Meinung in der Sache zu äußern?« bemerkte Krantz. »Wenn mein Freund nur mit einer Soldatenabtheilung abreist, so sehe ich keinen Grund ein, warum ich ihn nicht begleiten sollte; ich bin übrigens der Ansicht, daß es nicht räthlich ist, auf die Vorschläge des Kommandanten einzugehen, mag ich nun dabei sein oder nicht. Ihr werdet Euch erinnern, Kommandant, daß die Summe, um welche sich's handelt, keine Kleinigkeit ist und von Euren Leuten gesehen werden muß. Die Soldaten sind viele Jahre in dieser Gegend zurückgehalten worden und sehnen sich ängstlich, wieder die Heimath zu schauen. Wenn sie daher mit zwei Fremden allein und Eurem Ansehen entrückt sind – wird dann der Besitz einer so großen Geldsumme nicht eine allzugewaltige Versuchung für sie sein? Sie brauchen nur den südlichen Kanal hinunterzulaufen und den Hafen von Bantam zu gewinnen, um sich sowohl ihre Freiheit, als das Geld zu sichern. Wenn Ihr daher meinen Freund und mich fortschickt, so gehen wir in einen fast unabwendbaren Tod; diese Gefahr hört aber auf, sobald Ihr Euch entschließt, in eigener Person die Reise mitzumachen. Eure Gegenwart und Euer Ansehen wird sie im Zaume halten; welcher Art dann auch immer ihre Wünsche oder ihre Gedanken sein mögen, sie werden schon vor dem Blitze Eures Auges zittern.«

»Sehr wahr, ganz richtig,« versetzte Philipp. »Daß mir auch dies nicht gleich anfangs einfiel!«

Auch dem Kommandanten war es nicht eingefallen; aber als man ihn darauf aufmerksam machte, wurde ihm die Kraft dieser Gründe augenblicklich so einleuchtend, daß er sich für den Anschluß an die Expedition entschieden hatte, noch ehe Krantz seine Rede zu Ende brachte.

»Gut, Signores,« versetzte er; »ich bin stets bereit euren Wünschen entgegenzukommen. Da ihr meine Anwesenheit als nöthig erachtet und ich nicht glaube, daß eben jetzt von den Ternaten ein Angriff zu besorgen steht, so will ich die Verantwortlichkeit auf mich nehmen, das Fort für einige Tage unter die Befehle meines Lieutenants zu stellen, während wir der heiligen Mutterkirche diesen Dienst leisten. Ich habe bereits nach einem Schiffe der Eingeborenen geschickt, das groß und bequem ist; wir wollen uns daher, sofern Ihr nichts dagegen habt, gleich morgen einschiffen.«

»Zwei Schiffe werden besser sein,« bemerkte Krantz; »einmal für den Fall eines Unglücks, und zweitens, weil wir dann den ganzen Schatz in das Fahrzeug schaffen können, in welchem wir uns selbst befinden, während eine Abtheilung der Soldaten in dem andern fährt. Wir erhalten uns hiedurch die Oberhand, wenn der Anblick so vielen Geldes die Soldaten zum Ungehorsame spornen sollte.«

»Ihr habt Recht, Signor, wir wollen zwei Schiffe mit uns nehmen. Euer Rath ist gut.«

Alles war nun zur Genüge eingeleitet, und es fehlte nur noch Eines – daß nämlich Pedro gleichfalls an dem Zuge theilnehme. Sie beriethen sich eben, wie dieser Gegenstand zur Sprache gebracht werden könne, als der Soldat zu ihnen kam und ihnen sagte, daß ihn der Kommandant für die Partie ausersehen habe, er biete deshalb den beiden Freunden seine Dienste an.

Am andern Tage war Alles bereit. Der Kommandant hatte zehn Soldaten und einen Korporal ausgelesen, und es bedurfte nur einer kurzen Frist, um den Mundvorrath und andere Bedürfnisse an Bord zu schaffen. Mit dem Grauen des Morgens schifften sie sich ein – der Kommandant und Philipp in der einen Piroque, Krantz, der Korporal und Pedro in der andern. Die Soldaten, welche über den Gegenstand der Fahrt im Ungewissen gehalten worden waren, erhielten jetzt von Pedro die betreffende Kunde, und es fand ein langes Geflüster zwischen ihnen statt – sehr zur Freude unseres Krantz, der wohl wußte, daß der Geist der Meuterei bald rege werden würde, wenn es einmal ruchbar war, daß diejenigen, welche an der Expedition Theil nehmen, dem Geize des Kommandanten geopfert werden sollten. Das Wetter war schön; sie segelten die ganze Nacht durch, kamen auf zehn Stunden an Ternate vorbei und befanden sich noch vor der Morgendämmerung unter der Gruppe von Inseln, deren südlichste den Schatz barg. Am zweiten Abende landeten die Schiffe an einem kleinen Eiland, und nun fand der erste Verkehr zwischen den Soldaten des einen Bootes und denen des andern statt. Auch Philipp hatte Gelegenheit, sich für eine Weile mit Krantz bei Seite zu benehmen.

Als sie am andern Morgen aussegelten, führte Pedro offen das Wort. Er bemerkte Krantz, daß die Soldaten des Boots ihren Entschluß gefaßt hätten, und er zweifle nicht, daß es bei den andern noch vor Abend ebensoweit kommen werde, obgleich sich Letztere vor der Einschiffung noch nicht entschieden für einen Anschluß an sie ausgesprochen hätten. Sie wollten den Kommandanten tödten, dann nach Batavia segeln und von dort nach Europa zurückzukommen suchen

»Aber könntet ihr euer Ziel nicht auch ohne Mord erreichen?«

»Wohl; aber auch unsere Rache verlangt Befriedigung. Ihr wißt nicht, welche Behandlung wir von seinen Händen erlitten haben, und wie angenehm uns auch das Geld sein mag, so ist doch sein Tod weit süßer. Außerdem – hat er sich nicht vorgenommen, uns Alle in einer oder der andern Weise um's Leben zu bringen? Wir üben nur Gerechtigkeit. Und wenn auch kein anderes Messer bereit wäre – das meinige ist's!«

»Und auch die unsrigen!« riefen die übrigen Soldaten, die Hand an ihre Waffen legend.

Eine weitere Tagfahrt brachte sie auf zwanzig Meilen in die Nähe der Insel, denn Philipp hatte sich die Erkennungszeichen gut gemerkt. Sie landeten abermals und begaben sich zur Ruhe: der Kommandant träumte von Schätzen und Rache, während die Soldaten unter sich ausmachten, daß die Ausgrabung des Geldes, nach welchem er sich so heiß sehnte, das Signal zu seinem Tode geben sollte.

Abermals schifften sie sich ein, und der Kommandant achtete nicht auf die düsteren zürnenden Gesichter, die ihn umgaben. Er war lauter Heiterkeit und Höflichkeit. Rasch schwammen sie über die dunkelblaue See zwischen den schönen Inseln hin, und ehe noch die Sonne drei Stunden am Himmel stand, erkannte Philipp die gesuchte Stelle. Er machte den Kommandanten auf den gezeichneten Cocosbaum aufmerksam, der als Wegweiser nach dem Orte diente, wo der Schatz begraben lag. Sie landeten an dem sandigen Ufer, und der ungeduldige kleine Offizier befahl, unverweilt die Schaufeln ans Land zu schaffen, ohne sich träumen zu lassen, daß jeder gewonnene Augenblick seinem Leben abgerechnet wurde und daß die Andern in gleicher Weise lächelnd mit ihm über Verrath brüteten.

Die Soldaten langten unter dem Baume an – die Schaufel hatte bald den leichten Sand beseitigt und in wenigen Minuten lag der Schatz offen vor den Blicken da. Beutel um Beutel wurde herausgehoben und die frei daliegenden Dollars in Haufen gesammelt. Zwei Mann waren nach den Schiffen geschickt worden, um Säcke für das lose Geld herbeizuholen, und die Soldaten hatten ihre Arbeit eingestellt; sie legten ihre Spaten bei Seite, tauschten Blicke aus und setzten sich in Bereitschaft.

Der Kommandant wandte sich ab, um den Beiden, welche er nach den Säcken ausgeschickt hatte, Eile zuzurufen, als sich zu gleicher Zeit drei oder vier Messer durch seinen Rücken bohrten; er fiel und wollte eben zu toben anfangen, als eine gleiche Anzahl sich in seine Brust begrub – und er lag als Leiche da. Philipp und Krantz blieben stumme Zuschauer – die Messer wurden wieder herausgezogen, abgewischt und in die Scheiden gesteckt.

»Er hat seinen Lohn dahin,« sagte Krantz.

»Ja,« riefen die portugiesischen Soldaten – »Gerechtigkeit, nichts als Gerechtigkeit!«

»Signores, ihr sollt gleichfalls euren Antheil haben, oder etwa nicht, Kameraden?«

»Ja! ja!«

»Nicht einen Dollar, meine guten Freunde,« entgegnete Philipp. »Nehmt alles Geld und mögt ihr glücklich damit sein. Wir verlangen von euch weiter nicht, als euren Beistand, um nach dem Orte unserer Bestimmung zu gelangen. Ehe ihr aber das Geld theilt, erweist mir den Gefallen, die Leiche dieses unglücklichen Mannes zu begraben.«

Die Soldaten gehorchten; sie nahmen ihre Schaufeln wieder auf und hatten bald ein seichtes Grab ausgehöhlt. Die Leiche des Kommandanten wurde hineingeworfen und den Blicken für immer entzogen.


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