Kapitän Marryat
Der fliegende Holländer
Kapitän Marryat

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Dreißigstes Kapitel.

Wir müssen nun wieder zu Philipp und Krantz zurückkehren, die sich lange mit einander über Schriftens seltsames Wiedererscheinen besprachen. Das Ergebniß ihrer Berathung lief darauf hinaus, daß man ihn sorgfältig bewachen und sich der Gemeinschaft mit ihm so viel möglich enthalten solle. Krantz hatte ihn über sein Entkommen befragt und Schriften ihm in seiner gewöhnlichen höhnenden Weise erwidert, ein Floßruder sei während des Kampfes losgeworden und auf diesem sei er fortgeschwommen, bis er eine kleine Insel erreicht habe; als er die Piroque sah, habe er das Stück Holz wieder vom Stapel gelassen und sich daran gehalten, bis er entdeckt und aufgelesen worden sei. Wie unwahrscheinlich dies auch klingen mochte, lag doch nichts Unmögliches in der Angabe und Krantz stellte keine weiteren Fragen. Am nächsten Morgen legte sich der Wind; die Piroque wurde wieder in's Wasser gebracht und segelte der Insel Ternate zu.

Sie brauchten vier Tage zu ihrer Fahrt, da sie jede Nacht an's Land gingen und ihr Fahrzeug an das Sandgestade herauf, holten. Philipp's Herz fühlte sich erleichtert über die Kunde von Aminens Rettung, und er wäre glücklich in der Aussicht eines baldigen Wiederzusammentreffens mit seiner Gattin gewesen, hätte nicht Schriftens beständige Nähe wie ein Stachel auf sein Inneres gewirkt.

Es lag etwas so seltsames und aller menschlichen Natur Widersprechendes in dem kleinen Manne, der, trotz seiner augenfällig dämonischen Gesinnung, nie auf den Versuch hindeutete, welchen sich Philipp gegen sein Leben erlaubt hatte, oder sich darüber beklagte. Hätte er sich beschwert und Philipp des Mordes beschuldigt – hätte er Rache gelobt und seine Absicht ausgedrückt, bei seiner Rücklehr von den Behörden Gerechtigkeit zu verlangen, so wäre es ganz anders gewesen. Aber nein – da war er, mit seinem Sarkasmus und einem ewigen Kichern, unverlangte vorlaute Bemerkungen sich erlaubend, als hätte er nicht den geringsten Grund zum Zorn oder Haß. Sobald sie in dem Hafen der Hauptstadt von Ternate anlangten, wurden sie nach einer großen, aus Palmblättern und Bambusrohr gebauten Hütte geführt, welche sie nicht verlassen sollten, bis ihre Ankunft dem König gemeldet wäre. Die eigenthümliche Höflichkeit und feine Bildung dieser Insulaner gaben Philipp und Krantz fortwährend Anlaß zu Bemerkungen. Ihre Religion schien gleichfalls, wie ihr Anzug, aus der der Muhamedaner und der Malaien gemischt zu sein.

Nach ein paar Stunden beschied man sie vor den König zur Audienz, die im Freien abgehalten wurde. Der König saß unter einem Portikus, von einem zahllosen Priester- und Soldatengedränge umgeben, das zwar eine Masse bildete, aber nur wenig Pracht entfaltete. Die sämmtliche Umgebung des Herrschers war in weiße Anzüge und Turbane von der gleichen Farbe gekleidet; er selbst aber erschien ganz ohne Schmuck. Besonders auffallend dünkte Philipp und Krantz die große Reinlichkeit in der Umgebung des Königs, denn die Kleider waren von so fleckenlosem Weiß, wie die Sonne sie nur zu bleichen vermochte. Nachdem sie, dem Beispiele ihrer Einführer Folge leistend, den König auf muhamedanische Weise begrüßt hatten, wurden sie aufgefordert, sich niederzulassen. Der frühere Verkehr der Insulaner mit den Portugiesen hatte erstere mit der Sprache dieses Landes bekannt gemacht, weshalb der König unseren Abenteurern durch Dolmetscher, welche die Zunge der gedachten Nation verstanden, einige Fragen vorlegte, sie willkommen hieß und dann die Geschichte ihres Schiffbruchs zu erfahren wünschte.

Philipp ließ sich auf ein kurzes Detail ein, in welchem er angab, daß seine Gattin von ihm getrennt worden sei und sich dem Vernehmen nach in der portugiesischen Faktorei zu Tidore befinde. Er fragte sodann die indianische Majestät, ob dieselbe in der Lage sei, ihm ihre Befreiung zu erwirken oder ihn wieder mit ihr zusammenzubringen.

»Gut,« versetzte der König. »Für die Fremden sollen Erfrischungen herbeigebracht werden. Die Audienz ist geschlossen.«

Nach einigen Minuten waren von dem ganzen Hofstaate nur noch zwei oder drei vertraute Freunde und Rathgeber des Königs zugegen. Die Tafel wurde mit Reis, Fischen und unterschiedlichen anderen Gerichten besetzt. Nachdem Alles vorüber war, sagte der König:

»Die Portugiesen sind Hunde, sie sind unsere Feinde – wollt ihr uns im Kampfe gegen sie Beistand leisten? Wir haben große Kanonen, verstehen sie aber nicht so gut zu gebrauchen, wie ihr. Wenn ihr mir Beistand leisten wollt, so habe ich im Sinne, eine Flotte gegen die Portugiesen auf Tidore abzuschicken. Sprecht, Holländer, wollt Ihr fechten? Du,« fügte er gegen Philipp bei, »wirst dann dein Weib wieder gewinnen.«

»Ihr sollt morgen meine Antwort erhalten« versetzte Philipp, »da ich mich zuvor mit meinem Freunde berathen muß. Wie ich Euch bereits sagte, war ich der Kapitän des Schiffes und dieser der Zweite im Kommando – wir wollen zuvor miteinander Rücksprache nehmen.«

Schriften, welchen Philipp nur als einen gemeinen Matrosen bezeichnet hatte, war dem König nicht vorgestellt worden.

»Gut,« erwiderte der König; »ich sehe morgen deiner Antwort entgegen.«

Philipp und Krantz verabschiedeten sich; als sie nach der Hütte zurückkehrten, fanden sie, daß ihnen der König zwei vollständige muhamedanische Anzüge mit Turbanen zum Geschenk geschickt hatte. Dies war ihnen sehr willkommen, denn ihre Kleider befanden sich in einem sehr zerlumpten Zustande und waren durchaus nicht geeignet, sie gegen die glühende Sonne jenes Himmelstriches zu schützen. Auch sammelten ihre Spitzhüte die Strahlen in einer Weise, daß sie es fast nicht auszuhalten vermochten, weshalb sie dieselben gerne gegen die weißen Turbane vertauschten. Ihr Geld in dem malaiischen Gürtel verbergend, der einen Theil des Anzugs bildete, kleideten sie sich in die Tracht der Eingeborenen, deren Zweckmäßigkeit sie gar bald erkannten. Nach einer langen Berathung entschieden sie sich dafür, den Wünschen des Königs zu entsprechen, da dies der einzige thunliche Weg war, auf welchem Philipp seine Amine wieder zu gewinnen hoffen durfte. Ihre Zustimmung wurde am folgenden Tage dem Könige mitgetheilt und jede Vorbereitung für den Feldzug getroffen.

Nun erfolgte eine Scene rühriger Thätigkeit. Hundert und aber hundert Piroquen von jeder Größe, die Seite an Seite dicht am Gestade lagen, bildeten auf dem glatten Wasser der Nay einen Floß von beinahe einer halben Meile und wimmelten von Männern, welche die Fahrzeuge für den Dienst ausrüsteten. Die Einen setzten Segel und die Andern besorgten die nöthigen Zimmerarbeiten, während die Mehrzahl ihre Säbel schliff und aus der Ananas das tödtliche Gift für ihre Krisen bereitete. Das Ufer war ein Schauplatz der Verwirrung, Wasserkrüge, Reissäcke, Pflanzenstoffe und Ställe voll Geflügel lagen allenthalben unter den bewaffneten Eingeborenen zerstreut, während die Häuptlinge in ihrem buntesten Anzuge und in dem prunkenden Glanze ihrer Waffen und Geschmeide auf- und niedergingen, um Befehle zu ertheilen. Der König besaß sechs lange, metallene Vierpfünder, das Geschenk eines Indienkapitäns; diese wurden unter der Leitung unsrer beiden Abenteurer mit einer entsprechenden Quantität von Kugeln und Kartätschen auf einige der größten Piroquen gebracht und etliche Eingeborne in ihrem Gebrauche unterrichtet. Der König, der mit Zuversicht der Zerstörung des portugiesischen Forts entgegen sah, war anfangs Willens in Person mitzugehen, änderte aber auf den Rath seiner Freunde und auf Philipps Bitte sein Vorhaben, damit sein kostbares Leben keiner Gefahr ausgesetzt werde. In zehn Tagen war Alles bereit, und die mit siebentausend Streitern bemannte Flotte segelte nach der Insel Tidore aus.

Es war ein schöner Anblick – die blaue, sich kräuselnde See, mit fast sechshundert jener malerischen Fahrzeuge bedeckt, alle unter Segel und, Delphinen gleich, die ihren Raub verfolgen, durch das Wasser schwimmend – dazu die zahlreiche Bemannung, deren weiße Gewänder einen lebhaften Gegensatz gegen das tiefe Blau des Meeres bildeten. Die großen Piroquen, in welchen sich Philipp, Krantz und die eingeborenen Heerführer befanden, waren bunt mit Wimpeln und Flaggen von allen Farben geziert, die lustig in der frischen Brise flatterten. Das Ganze schien eher eine Lustpartie zu sein, als eine Expedition, die auf Kampf und Blutvergießen auszog.

Am Abend des zweiten Tages erreichten sie die Insel Tidore und liefen bis auf einige Meilen nach dem portugiesischen Fort hinunter. Die Eingeborenen von Tidore, welche den Portugiesen nur ungerne und aus Furcht gehorchten, hatten ihre Hütten in der Nähe des Gestades verlassen und sich in die Wälder zurückgezogen. Die Flotte warf daher Anker und blieb unbelästigt die Nacht über in der Nähe der Küste liegen. Am andern Morgen zogen Philipp und Krantz zum Recognosciren aus.

Das Fort und die Faktorei von Tidore waren nach denselben Grundsätzen erbaut, wie fast alle portugiesischen festen Plätze in jenen Meeren. Eine äußere Verschanzung, aus einem Graben mit starken, in Gemäuer eingebetteten Pallisaden bestehend, umgab die Faktorei und sämmtliche Häuser der Niederlassung. Die Thore der äußeren Mauer waren den Tag über für den Aus- und Eingang geöffnet, Nachts aber geschlossen. Auf der Seeseite befand sich die Citadelle oder das eigentliche Festungswerk, ein solides Gebäude mit Böschungen, von einem tiefen Graben umgeben, und nur durch eine Zugbrücke zugänglich, die rechts und links mit einer Kanone besetzt war. Die stärksten Schanzwerke konnten jedoch nicht gut bemerkt werden, da sie hinter der hohen Pallisadenwand verborgen waren, welche das ganze Fort umgab. Nach einer sorgfältigen Musterung rieth Philipp, man sollte von der See aus mit den großen Piroquen und ihrem Geschütze den Angriff machen, während die Mannschaft der kleineren Fahrzeuge an's Land ginge, das Fort umzingelte und jeden sich darbietenden Schutz benützte, um von dort aus gedeckt den Feind mit den Luntengewehren, den Pfeilen und Speeren bedrängen zu können. Da dieser Plan Beifall fand, so breiteten hundertundfünfzig Piroquen ihre Segel aus; die übrigen wurden an's Gestade gezogen und die dazu gehörige Mannschaft verfolgte auf dem Lande ihre weiteren Bewegungen.

Die Portugiesen hatten jedoch von ihrer Annäherung Kunde erhalten und waren völlig auf den Empfang vorbereitet. Das gegen die Seeseite hinausgehende Geschütz führte ein schweres Kaliber und wurde gut bedient, während die Kanonen der Piroquen unter Philipps Anweisung zwar so gut als möglich thätig waren, aber um ihrer geringen Größe willen den dicken Steinmauern des Forts nur wenig anhaben konnten. Nach einem vierstündigen Gefechte, in dessen Verlauf die Ternaten viele Leute verloren, holten die Piroquen auf den Rath unserer beiden Abenteurer um, kehrten nach dem Standorte der übrigen Flotte zurück und hielten daselbst einen abermaligen Kriegsrath. Die Truppen, welche man an's Land geworfen hatte, wurden jedoch nicht abberufen, da sie Zufuhr sowohl als sonstigen Beistand abschnitten und hin und wieder Gelegenheit hatten, einen Portugiesen, der sich blosstellte, zusammenzuschießen – ein nicht zu verachtender Vortheil, da Philipp wohl wußte, wie schwach das Fort bemannt war.

Daß sie das Fort nicht vermittelst ihrer Kanonen gewinnen konnten, war augenscheinlich, und auch von der Seeseite aus stand kein Erfolg zu erwarten, weshalb jetzt sämmtliche Streitkräfte für die Landmanöver verwendet werden mußten. Nachdem sich die eingeborenen Häuptlinge ausgesprochen hatten, machte Krantz den Vorschlag, man solle die Nacht erwarten und dann den Angriff in folgender Weise ausführen. Sobald Abends die Brise längs des Landes hinstriche, sollten die Leute Haufen von trockenem Palm- und Cokuslaub zusammenraffen, diese windwärts vor den Pallisaden aufschichten und dann in Brand stecken. So könnten sie diese Verschanzungen zerstören und sich Eingang in die äußeren Festungswerke verschaffen – eine Maßregel, die es ihnen möglich mache, dann ihre weiteren Schritte zu nehmen. Der Rath war zu verständig, um nicht Zustimmung zu finden. Sämmtliche Mannschaft, die nicht mit Luntengewehren versehen war, sollte Laub sammeln; auch wurde eine große Quantität dürren Holzes aufgebracht, und vor Einbruch der Nacht war Alles für einen zweiten Angriff bereit.

Die weißen Gewänder der Ternaten wurden bei Seite gelegt; sie behielten nichts an, als ihre Gürtel, ihre Scimetars, ihre Krisen und ihre blauen Unterbeinkleider, so leise zu den Pallisaden herankriechend, wo sie ihre Bündel niederlegten und dann wieder zurückkehrten, um dasselbe Werk abermals aufzunehmen. Je höher die Schichten wurden, desto kühner traten sie auf, bis der ganze Stoß beendigt war, den sie sodann mit lautem Jubel an verschiedenen Stellen anzündeten. Die Flammen stiegen in die Höhe, die Kanonen des Forts donnerten, und eine große Anzahl fiel unter dem Kartätschenhagel und unter dem Platzen der Handgranaten. Von dem Rauche erstickt, der massig heranwogte, sah sich jedoch die Mannschaft des Forts bald genöthigt, die Wälle zu verlassen. Die Pallisaden standen in Brand, und die lodernden Flammen begannen bald auch die Faktorie und die Häuser zu ergreifen. Der Widerstand hatte jetzt aufgehört, weshalb die Ternaten die brennenden Pallisaden niederrissen, sich einen Weg in die Verschanzung bahnten und mit ihren Scimetars und Krisen Alles erschlugen, was unglücklicherweise nicht in der Citadelle Zuflucht gesucht hatte. Dies waren namentlich die eingeborenen Diener, welche durch den Angriff überrascht worden waren, und um deren Leben sich die Portugiesen nur wenig zu kümmern schienen, da sie auf ihren Ruf, die Zugbrücke niederzulassen und sie in das Fort aufzunehmen, gar nicht achteten.

Die aus Stein gebaute Faktorie und alle übrigen Häuser standen in Flammen, die Insel meilenweit erhellend. Der Rauch hatte sich verzogen und die Vertheidigungswerke des Forts waren nun im grellen Lichte des Feuers sichtbar.

»Wenn wir Sturmleitern hätten,« rief Philipp, »so wäre das Fort unser; es ist keine Seele auf den Wällen.«

»Wohl wahr,« versetzte Krantz; »aber auch so werden die Mauern der Faktorie einen vortheilhaften Posten für uns abgeben, sobald das Feuer erloschen ist. Wenn mir es besetzen, können wir den Feind verhindern, sich zu zeigen, während wir die Leitern zusammensetzen. Morgen Abend haben wir sie fertig, und wenn wir erst auf's Neue mit Reißbündeln geräuchert haben, können wir die Mauern besteigen und den Platz wegnehmen.«

»Das wird zum Ziele führen,« erwiderte Philipp im Weggehen.

Er fügte sich sodann zu den Häuptlingen, welche sich an der Außenseite der Verschanzung versammelt hatten, und theilte ihnen seine Plane mit. Nachdem er ihnen seine Absichten kund gethan und die Ternatenhäuptlinge ihre Einwilligung gegeben hatten, kam Schriften zum Vorschein, der sich ohne Philipps Vorwissen der Expedition gleichfalls angeschlossen hatte.

»Das geht nicht; Ihr werdet dieses Fort nie nehmen, Philipp Vanderdecken; hi! hi!« rief Schriften.

Er hatte kaum ausgesprochen, als eine furchtbare Explosion stattfand und die Luft mit großen Steinen erfüllte, die nach allen Richtungen hinflogen, vielen Hunderten Tod oder Verstümmelung bringend. Die Faktorie war aufgeflogen, denn in den Gewölben hatte sich eine große Quantität Schießpulver befunden, zu welcher endlich das Feuer gedrungen war.

»So endet dieses Plänlein, Mynheer Vanderdecken, hi! hi!« kreischte Schriften. »Ihr werdet jenes Fort nie nehmen.«

Der Verlust an Menschenleben und die Verwirrung, welche durch dieses unerwartete Resultat veranlaßt wurde, verbreitete einen panischen Schrecken, und sämmtliche Ternaten flüchteten sich nach dem Ufer hinunter, wo ihre Piroquen lagen.

Vergeblich suchten Philipp und die Häuptlinge die Mannschaft wieder zu sammeln. An die schreckliche Wirkung des Schießpulvers in größeren Quantitäten nicht gewöhnt, glaubten sie, daß sich etwas Uebernatürliches zugetragen habe, weshalb Viele in die Piroquen stürzten und die Segel ausbreiteten, während der Rest zitternd, keuchend und in bunter Verwirrung am Ufer zurückblieb.

»Ihr werdet jenes Fort nie kriegen, Mynheer Vanderdecken,« kreischte abermals die wohlbekannte Stimme.

Philipp erhob seinen Säbel, um den kleinen Mann entzwei zu spalten, ließ ihn aber alsbald wieder sinken.

»Ich fürchte, er spricht eine unwillkommene Wahrheit,« dachte Philipp; »aber warum sollte ich ihm dafür sein Leben nehmen?«

Einige von den Ternatenhäuptlingen hielten ihren Muth noch aufrecht, aber bei Weitem die meisten waren ebenso eingeschüchtert, wie ihre Leute. Nach einer kurzen Berathung wurde beschlossen, die Armee sollte bis zum andern Morgen bleiben, wo sie wäre; dann könne man die schließliche Entscheidung treffen.

Als der Tag graute, bemerkten sie, daß das portugiesische Fort, welches jetzt nicht länger von den übrigen Gebäuden umgeben war, weit furchtbarere Vertheidigungsmaßregeln besaß, als sie anfangs vermuthet hatten. Die Wälle waren mit Menschen gefüllt, welche nun ihr schweres Geschütz gegen die Streitkräfte der Ternaten spielen ließen.

Philipp hatte mit Krantz eine Berathung gehalten, und beide waren darüber einig geworden, daß bei dem gegenwärtigen panischen Schrecken, der die Thatkraft ihrer Verbündeten lähmte, nichts mehr zu thun sei.

Die Häuptlinge waren derselben Ansicht, und so wurde denn Order zum Rückzuge gegeben. Die Ternatenhäuptlinge waren übrigens völlig zufrieden mit ihrem Erfolge, denn sie hatten das große Fort, die Faktorie und sämmtliche portugiesische Gebäude zerstört und nur ein aus Stein gebautes, unzugängliches Festungswerkchen übrig gelassen – genug, um das Ganze dem König als einen großen Sieg darstellen zu können. Es erfolgte deshalb der Befehl zur Einschiffung, und in zwei Stunden befand sich die ganze Flotte, welche ungefähr siebenhundert Mann verloren hatte, wieder auf dem Weg nach Ternate. Krantz und Philipp befanden sich dießmal in derselben Piroque, um sich mit einander unterhalten zu können. Sie waren jedoch nicht über drei Stunden gesegelt, als eine Windstille eintrat und gegen Abend äußerten sich alle Merkmale eines anrückenden schlechten Wetters. Als die Brise wieder aufsprang, blies sie aus einer widrigen Richtung; aber die Schiffe steuerten so dicht am Winde, daß man hierauf nicht achtete. Um Mitternacht steigerte sich der Wind zu einer Bö, und ehe sie noch die nordöstlichen Vorgebirge von Tidore umschifft hatten, wüthete ein Orkan, in welchem viele von den Fahrzeugen weggewaschen wurden, und was nicht schwimmen konnte, mußte rettungslos ertrinken. Die Segel wurden niedergelassen und die Schiffe waren nun der Gnade von Wind und Wellen preisgegeben, welch letztere in ungeheuren Massen darüber hereinbrachen. Die Flotte triftete schnell der Küste zu, und ehe noch der Morgen graute, befand sich die Piroque, in welcher Philipp und Krantz saßen, unter den Rollern am nördlichen Ufer der Insel. Sie war bald in Stücke zertrümmert und Jeder mußte nun für sich selbst sorgen. Philipp und Krantz erfaßten ein Bruchstück ihres Schiffes und erhielten sich auf diese Weise flott, bis sie die Küste erreichten. Hier fanden sie ungefähr dreißig weitere Unglücksgefährten, die mit ihnen das gleiche Loos erlitten hatten. Als der Tag graute, bemerkten sie, daß der größere Theil der Flotte die Spitze umluvt hatte, während die Anderen mit großer Wahrscheinlichkeit gleichfalls zu entkommen hoffen durften, da der Wind sich gelegt hatte. Die Ternaten machten den Vorschlag, mit gewaffneter Hand einige Schiffe der Tidore-Insulaner zu nehmen und sobald das Wetter sich gemildert hätte, sich der Flotte anzuschließen. Philipp aber, der sich mit Krantz berathen hatte, hielt dieß für eine gute Gelegenheit, über Aminens Schicksal Nachricht einzuholen, und da die Portugiesen nichts gegen sie zu beweisen vermochten, so konnten sie entweder ganz in Abrede ziehen, daß sie an dem Angriff Theil genommen, oder sich mit geübtem Zwange entschuldigen. Philipp war entschlossen, auf jede Gefahr hin zu bleiben, und Krantz willigte ein, sein Schicksal zu theilen. Ohne sich gegen ihre Begleiter etwas von ihrem Vorhaben merken zu lassen, fügten sie sich darein, daß Letztere nach den Tidore-Piroquen gingen und dieselben vom Stapel ließen; inzwischen aber zogen sich Philipp und Krantz in das Gebüsch zurück und verschwanden.

Die Portugiesen hatten den Schiffbruch ihrer Feinde bemerkt und schickten, aufgebracht über den erlittenen Verlust, die Insulaner aus, um alle Diejenigen, welche an die Küste getrieben würden, gefangen zu nehmen. Nachdem der Angriff vorüber war, zeigten sich die Eingeborenen von Tidore wieder gehorsam und trafen sehr bald auf Philipp und Krantz, welche ruhig unter dem Schatten eines großen Baumes saßen und dem Ausgange entgegen harrten. Sie wurden nach dem Fort geführt, wo sie mit dem Einbruche der Nacht anlangten. Der Kommandant, derselbe kleine Mann, welcher sich in Amine verliebt hatte – ließ sie vor sich bringen und wollte, da sie muselmännische Tracht trugen, eben Befehl ertheilen, sie zu hängen, als ihm Philipp erklärte, sie seien holländische Schiffbrüchige und von dem Könige der Insel Ternate gezwungen worden, sich der Expedition anzuschließen; sie hätten deßhalb die eheste Gelegenheit zur Flucht ergriffen, was schon aus dem Umstande erhelle, daß Diejenigen, welche mit ihnen an die Küste geworfen würden, in den Booten der Insel abgefahren seien, während sie selbst es vorzogen, zu bleiben. Der kleine portugiesische Kommandant stieß nun seinen Degen fest auf das Pflaster der Wälle, warf sich in die Brust und befahl, bis auf weitere Untersuchung die beiden Eingebrachten in's Gefängniß zu legen.


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